VwGH Ra 2017/21/0009

VwGHRa 2017/21/000923.2.2017

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Vizepräsidentin Dr.in Sporrer als Richterin sowie die Hofräte Dr. Pelant und Dr. Sulzbacher als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Tanzer, über die Revision der J K in S, vertreten durch Dr. Hans Lehofer und Mag. Bernhard Lehofer, Rechtsanwälte in 8010 Graz, Kalchberggasse 6/1. Stock, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 18. Oktober 2016, I415 1426685-2/3E, betreffend Nichterteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG 2005, Erlassung einer Rückkehrentscheidung samt Festsetzung einer Ausreisefrist und Feststellung der Zulässigkeit der Abschiebung (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Normen

AsylG 2005 §57;
BFA-VG 2014 §21 Abs7;
BFA-VG 2014 §9 Abs2 Z8;
BFA-VG 2014 §9;
B-VG Art133 Abs4;
MRK Art8;
VwGG §28 Abs3;
VwGG §34 Abs1;
VwGG §41 Abs1;
AsylG 2005 §57;
BFA-VG 2014 §21 Abs7;
BFA-VG 2014 §9 Abs2 Z8;
BFA-VG 2014 §9;
B-VG Art133 Abs4;
MRK Art8;
VwGG §28 Abs3;
VwGG §34 Abs1;
VwGG §41 Abs1;

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Die Revisionswerberin, eine im Jänner 1979 geborene nigerianische Staatsangehörige, reiste Mitte April 2012 illegal nach Österreich ein und stellte hier am 15. April 2012 einen Antrag auf internationalen Schutz.

2 Das Bundesasylamt wies diesen Antrag mit Bescheid vom 27. April 2012 ab und verfügte die Ausweisung der Revisionswerberin nach Nigeria. Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) mit Erkenntnis vom 8. Juli 2015, Asyl und subsidiären Schutz betreffend, als unbegründet ab. Im Übrigen verwies das BVwG "das Verfahren" gemäß § 75 Abs. 20 AsylG 2005 zur Prüfung der Zulässigkeit einer Rückkehrentscheidung an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) zurück. Die Behandlung einer von der Revisionswerberin dagegen erhobenen Beschwerde lehnte der Verfassungsgerichtshof mit Beschluss vom 18. September 2015, E 1704/2015-5, ab.

3 Mit Bescheid vom 29. April 2016 sprach das BFA sodann - soweit noch relevant - aus, dass der Revisionswerberin ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt werde. Unter einem wurde gegen die Revisionswerberin gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass ihre Abschiebung nach Nigeria zulässig sei. Schließlich setzte das BFA die Frist für die freiwillige Ausreise gemäß § 55 FPG mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung fest.

4 Die dagegen erhobene Beschwerde wies das BVwG mit dem nunmehr angefochtenen Erkenntnis vom 18. Oktober 2016 als unbegründet ab und es sprach gemäß § 25a Abs. 1 VwGG aus, dass eine Revision gegen sein Erkenntnis gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.

5 Gegen dieses Erkenntnis erhob die Revisionswerberin zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der ihre Behandlung mit Beschluss vom 25. November 2016, E 2866/2016-5, ablehnte und sie über nachträglichen Antrag mit Beschluss vom 7. Dezember 2016 dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat.

6 In der Folge brachte die Revisionswerberin beim BVwG fristgerecht die vorliegende (außerordentliche) Revision ein, über deren Zulässigkeit der Verwaltungsgerichtshof nach der gemäß § 30a Abs. 7 VwGG erfolgten Aktenvorlage erwogen hat:

7 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen das Erkenntnis eines Verwaltungsgerichtes die Revision (nur) zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

8 An den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes nach § 25a Abs. 1 VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision unter dem genannten Gesichtspunkt nicht gebunden (§ 34 Abs. 1a VwGG). Zufolge § 28 Abs. 3 VwGG hat allerdings die außerordentliche Revision gesondert die Gründe zu enthalten, aus denen entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichtes die Revision für zulässig erachtet wird. Im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe hat der Verwaltungsgerichtshof dann die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zu überprüfen (§ 34 Abs. 1a zweiter Satz VwGG).

9 In diesem Zusammenhang macht die Revisionswerberin geltend, das angefochtene Erkenntnis verletzte sie "durch unrichtige Lösung einer Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung" insbesondere in ihrem Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens iSd Art. 8 EMRK, in ihrem Recht auf ein faires Verfahren und in ihrem Recht auf Leben, Freiheit und Sicherheit. Das BVwG habe "die zu treffende Ermessensentscheidung unrichtig gelöst" und das Erkenntnis des BVwG widerspreche "oberstgerichtlicher Rechtsprechung".

10 Damit wird die Revision dem Begründungserfordernis des § 28 Abs. 3 VwGG nicht gerecht, weil nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu dieser Bestimmung einerseits konkret auf die vorliegende Rechtssache bezogen aufzuzeigen ist, welche Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung der Verwaltungsgerichtshof in einer Entscheidung über die Revision zu lösen hätte (vgl. etwa den Beschluss vom 28. Juli 2016, Ra 2014/07/0051, Rz 12, mwN), und andererseits konkret darzulegen ist, in welchen Punkten die angefochtene Entscheidung von welcher Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht (siehe etwa den Beschluss vom 16. Dezember 2015, Ra 2015/21/0154, mwN; vgl. zuletzt auch den Beschluss vom 6. Dezember 2016, Ra 2016/11/0167, 0168, Rz 12, mwN). Beides wurde im vorliegenden Fall unterlassen.

11 Soweit in der Revision dann noch unter dem Gesichtspunkt einer Unzulässigkeit der Abschiebung nach Nigeria mit näherer Begründung geltend gemacht wird, der Revisionswerberin drohe als Angehörige der Volksgruppe der Igbo in Verbindung mit ihren familiären Verhältnissen aktuell eine massive Verfolgung "durch staatliche respektive staatsnahe Gruppierungen", widerspricht dieses Vorbringen dem sich aus § 41 Abs. 1 VwGG ergebenden Neuerungsverbot und erweist sich daher als unzulässig. Die (nur) in diesem Zusammenhang vorgetragene Rüge, das BVwG habe die in der Beschwerde ausdrücklich beantragte Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Unrecht unterlassen, geht daher unter dem Gesichtspunkt des § 21 Abs. 7 BFA-VG ins Leere. Entgegen der Meinung in der Revision lässt sich aus der genannten Bestimmung aber auch nicht ableiten, eine Verhandlung wäre in der vorliegenden Konstellation schon deshalb durchzuführen gewesen, um Gelegenheit zu einem bisher nicht erstatteten Vorbringen zu geben. In Bezug auf die in der Revision auch noch angesprochene, bereits im Verfahren über den Antrag auf internationalen Schutz geltend gemachte Verfolgungsgefahr durch "Boko Haram" wurde im angefochtenen Erkenntnis (vgl. Seite 7 oben) festgestellt, seit der diesbezüglichen Entscheidung des BVwG vom 8. Juli 2015 hätten sich die damals angenommenen Verhältnisse nicht maßgeblich verschlechtert. Dem tritt die Revision nicht konkret entgegen, weshalb auch insofern keine relevante Mangelhaftigkeit des Verfahrens dargetan wird.

12 Bei der in der Revision auch noch kritisierten, für die Erlassung der Rückkehrentscheidung maßgeblichen Interessenabwägung nach § 9 BFA-VG hat das BVwG auf alle von der Revisionswerberin diesbezüglich ins Treffen geführten Umstände Bedacht genommen und dabei nicht nur die seit Dezember 2012 - mit getrennten Wohnsitzen - bestehende Lebensgemeinschaft mit einem österreichischen Staatsbürger berücksichtigt, sondern der unbescholtenen Revisionswerberin auch "außerordentliche Integrationsbemühungen" (Deutschkenntnisse auf dem Niveau B2 sowie kirchliches, soziales und berufliches Engagement) attestiert. Trotzdem musste das BVwG nicht von einem Überwiegen der persönlichen Interessen der Revisionswerberin an einem weiteren Verbleib in Österreich ausgehen, zumal sie sich bis zur Erlassung des angefochtenen Erkenntnisses erst viereinhalb Jahre auf Basis eines unberechtigten Antrags auf internationalen Schutz in Österreich aufgehalten hatte und im Herkunftsstaat aufrechte familiäre Bindungen bestehen. Entgegen der Meinung in der Revision durfte das BVwG bei der Gewichtung der für die Revisionswerberin sprechenden Umstände auch im Sinne des § 9 Abs. 2 Z 8 BFA-VG maßgeblich relativierend einbeziehen, dass die integrationsbegründenden Schritte in einem Zeitraum gesetzt wurden, in dem sie sich (bereits nach Abweisung ihres unbegründeten Antrags auf internationalen Schutz durch das Bundesasylamt Ende April 2012) ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst sein musste. Vor diesem Hintergrund erweist sich das Ergebnis der vom BVwG nach § 9 BFA-VG vorgenommenen Interessenabwägung zumindest als vertretbar, was nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes der Zulässigkeit einer (außerordentlichen) Revision in Bezug auf die Rückkehrentscheidung von vornherein entgegensteht (vgl. beispielsweise den Beschluss vom 30. Juni 2016, Ra 2015/21/0059 bis 0062, mwN).

13 In der Revision werden somit keine grundsätzlichen Rechtsfragen iSd Art. 133 Abs. 4 B-VG dargetan, sodass sie gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unzulässig zurückzuweisen war.

Wien, am 23. Februar 2017

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