VwGH Ra 2017/20/0521

VwGHRa 2017/20/052119.6.2018

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bachler, die Hofrätin Dr. Leonhartsberger und den Hofrat Dr. Schwarz als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Honeder, in der Rechtssache der Revision des J A H M in W, vertreten durch Mag. Nikolaus Reisner LL.M, Rechtsanwalt in 1120 Wien, Schönbrunner Schloßstraße 46/19, betreffend Bewilligung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Frist zur Erhebung der Revision gegen das am 24. Juli 2017 mündlich verkündete und am 14. November 2017 schriftlich ausgefertigte Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes, Zl. I413 2160237-1/15E, betreffend Anerkennung als Flüchtling nach dem AsylG 2005 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl) und die gegen dieses Erkenntnis erhobene Revision, den Beschluss gefasst:

Normen

AVG §71 Abs1 Z1;
BVwG-EVV 2014;
BVwGG 2014 §19;
BVwGG 2014 §21 Abs7;
GO BVwG 2014 §20 Abs1;
GO BVwG 2014 §20 Abs6;
VwGG §25a Abs5;
VwGG §34 Abs1;
VwGG §46 Abs1 impl;
VwGG §46 Abs1;
VwRallg;

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2018:RA2017200521.L00

 

Spruch:

I. Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wird abgewiesen.

II. Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Mit dem angefochtenen Erkenntnis gab das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) der Beschwerde wegen Verletzung der Entscheidungspflicht des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA) gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 3 B-VG statt, wies den Antrag des Revisionswerbers auf internationalen Schutz vom 2. August 2015 hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 Asylgesetz 2005 (AsylG 2005) ab, erkannte ihm den Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Sudan gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 zu und erteilte ihm eine auf die Dauer eines Jahres befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005. Weiters sprach das BVwG aus, dass die Revision gegen das Erkenntnis gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.

2 Mit hg. Beschluss vom 29. Jänner 2018 wurde der Antrag des Revisionswerbers auf Bewilligung der Verfahrenshilfe zur Abfassung und Einbringung einer außerordentlichen Revision bewilligt und unter anderem die Beigebung eines Rechtsanwaltes gewährt. Mit Bescheid des Ausschusses der Rechtsanwaltskammer Wien vom 26. Februar 2018 wurde der einschreitende Rechtsanwalt zum Verfahrenshelfer bestellt. Dieser Bescheid wurde dem Rechtsvertreter am 1. März 2018 zugestellt.

3 Gegen das genannte Erkenntnis des BVwG brachte der Revisionswerber, vertreten durch den Verfahrenshelfer, am 12. April 2018 um 15:56 Uhr beim BVwG im Weg des elektronischen Rechtsverkehrs (ERV) die außerordentliche Revision ein.

4 Unter Hinweis darauf, dass die Revision nach der Aktenlage außerhalb der in § 20 Geschäftsordnung des Bundesverwaltungsgerichts (GO-BVwG) kundgemachten Amtsstunden eingebracht worden sei und somit verspätet wäre, wurde dem Revisionswerber vom Verwaltungsgerichtshof die Möglichkeit eingeräumt, dazu Stellung zu nehmen.

5 Mit Schriftsatz vom 18. Mai 2018 stellte der Revisionswerber daraufhin den gegenständlichen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Erhebung der Revision.

6 Begründet wurde der Antrag im Wesentlichen damit, dass die Fristeintragungen grundsätzlich durch eine langjährige, sehr sorgfältige sowie zuverlässige Mitarbeiterin des Verfahrenshelfers erfolge. Aufgrund ihrer Schwangerschaft habe diese Mitarbeiterin am 12. April 2018 einen Termin wahrnehmen müssen. Die Diktate und Aufträge der persönlichen Mitarbeiterin des Verfahrenshelfers seien daher von einer anderen, ebenfalls langjährigen und zuverlässigen Mitarbeiterin, welche einer weiteren Rechtsanwältin in der Kanzlei zugeordnet sei, übernommen worden. Aufgrund der hohen Arbeitsbelastung sei der Schriftsatz versehentlich erst um 15:56 Uhr per Web-ERV abgefertigt worden. Die verspätete Abfertigung sei einzig und allein dem immensen Arbeitsanfall geschuldet und stelle daher lediglich ein Versehen der sonst immer sorgfältigen Mitarbeiterin dar.

7 Grundsätzlich werde jedes Schriftstück, das in der Kanzlei einlange und welches mit einer Frist verbunden sei, sorgfältig und genau von den dazu ausgebildeten sowie seit Jahren äußerst verlässlichen Mitarbeiterinnen in das Fristenbuch der Rechtsanwälte eingetragen. Weiters werde auch von den Rechtsanwälten regelmäßig überwacht und geprüft, dass alle Fristen eingetragen und eingehalten würden.

8 Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

9 Zur Rechtzeitigkeit der Revision:

10 Hat die Partei innerhalb der Revisionsfrist die Bewilligung der Verfahrenshilfe beantragt (§ 61 VwGG), so beginnt gemäß § 26 Abs. 3 VwGG für sie die Revisionsfrist mit der Zustellung des Bescheides über die Bestellung des Rechtsanwalts an diesen.

11 Der Bestellungsbescheid wurde dem Verfahrenshelfer am 1. März 2018 zugestellt. Die vorliegende Revision wurde mittels ERV am 12. April 2018, um 15:56 Uhr, sohin am letzten Tag der Revisionsfrist nach Ablauf der in § 20 Abs. 1 GO-BVwG festgesetzten Amtsstunden beim BVwG eingebracht.

12 Der Verwaltungsgerichtshof hat sich mit der Einbringung einer Revision beim BVwG im Wege des elektronischen Rechtsverkehrs am letzten Tag der Frist nach Ablauf der in § 20 Abs. 1 GO-BVwG festgesetzten Amtsstunden bereits im hg. Beschluss vom 17. November 2015, Ra 2014/01/0198, auseinandergesetzt. Er ist zum Ergebnis gelangt, dass eine am letzten Tag der Revisionsfrist mittels elektronischen Rechtsverkehrs beim BVwG nach Ablauf der in § 20 Abs. 1 GO-BVwG festgesetzten Amtsstunden eingebrachte Revision gemäß § 20 Abs. 6 GO-BVwG erst mit Beginn der Amtsstunden des nächsten Arbeitstages als eingebracht gilt und demnach - wie vorliegend der Fall - verspätet ist. Gemäß § 43 Abs. 2 und 9 VwGG wird auf die Begründung dieses Beschlusses verwiesen.

13 Zum Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand:

14 Gemäß § 46 Abs. 1 VwGG ist einer Partei, die durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis eine Frist versäumt hat und dadurch einen Rechtsnachteil erleidet, auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen. Dass der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt. Im Wiedereinsetzungsantrag ist konkret jenes unvorhergesehene und unabwendbare Ereignis zu bezeichnen, das den Wiedereinsetzungswerber an der Einhaltung der Frist gehindert hat (vgl. etwa VwGH 25.4.2018, Ra 2018/18/0057, mwN).

15 Nach ständiger hg. Rechtsprechung ist das Verschulden des Vertreters einer Partei an der Fristversäumung dem Verschulden der Partei selbst gleichzuhalten, nicht jedoch ein Verschulden anderer Personen. Das Verschulden eines Kanzleibediensteten stellt für den Vertreter dann ein unvorhergesehenes oder ein unabwendbares Ereignis dar, wenn der Vertreter der ihm zumutbaren und nach der Sachlage gebotenen Überwachungspflicht gegenüber den Kanzleibediensteten nachgekommen ist. Der Rechtsanwalt muss gegenüber seiner Kanzlei als Hilfsapparat, dessen er sich bei Wahrnehmung der ihm durch Bevollmächtigungsvertrag übertragenen Aufgaben bedient, alle Vorsorgen treffen, die ihm nach dem Bevollmächtigungsvertrag obliegen. Insoweit der Rechtsanwalt diese Vorsorgen nicht in der Art und dem Maß getroffen hat, wie es von ihm je nach der gegebenen Situation zu erwarten war, kommt ein Verschulden an einer späteren Fristversäumnis in Betracht (vgl. VwGH 30.6.2016, Ra 2015/19/0155, mwN).

16 Ein Versehen eines Angestellten eines Rechtsanwaltes ist diesem als Verschulden anzurechnen, wenn der Rechtsanwalt die gebotene und ihm zumutbare Kontrolle gegenüber den Angestellten unterlassen hat. Der bevollmächtigte Anwalt muss den Aufgaben, die ihm aus dem Bevollmächtigungsvertrag erwachsen, auch insoweit nachkommen, als er sich zu ihrer Wahrung seiner Kanzlei als seinen Hilfsapparat bedient (vgl. VwGH 22.2.2017, Ra 2016/17/0296, 0297, mwN).

17 Nach dem Vorbringen des Revisionswerbers im Wiedereinsetzungsantrag, sind am 12. April 2018 die vom Verfahrenshelfer "erfolgten Diktate und Aufträge" von einer anderen Mitarbeiterin, die "grundsätzlich nur der zweiten, in der Kanzlei des Verfahrenshelfers tätigen Rechtsanwältin (...) zugeordnet ist", übernommen worden. Inwiefern der Rechtsanwalt seiner Überwachungspflicht - in einer Konstellation wie der vorliegenden - nachgekommen ist, geht aus dem Wiedereinsetzungsantrag nicht hervor.

18 In Hinblick darauf wäre aber zumindest eine Kontrolle des Zeitpunktes der Einbringung durch den Rechtsvertreter erforderlich gewesen. Die Frage, binnen welcher Frist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof einzubringen ist, bedarf nämlich jedenfalls einer Beurteilung durch den einschreitenden Rechtsanwalt selbst (vgl. erneut VwGH 30.6.2016, Ra 2015/19/0155, mwN).

19 Damit ist bereits ausgehend vom Vorbringen im Wiedereinsetzungsantrag von einem nicht mehr bloß minderen Grad des Versehens des Rechtsvertreters des Revisionswerbers auszugehen. Wer aber einen Wiedereinsetzungsantrag auf das Verschulden einer Hilfsperson stützt, hat schon im Wiedereinsetzungsantrag durch ein substantiiertes Vorbringen darzulegen, aus welchen Gründen ihn selbst kein die Wiedereinsetzung ausschließendes Verschulden trifft (vgl. VwGH 5.4.2018, Ra 2017/19/0557 bis 0560, mwN).

20 Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand war daher gemäß § 46 Abs. 1 und Abs. 4 VwGG abzuweisen und die Revision gemäß § 34 Abs. 1 VwGG wegen Versäumung der Einbringungsfrist mit Beschluss zurückzuweisen.

Wien, am 19. Juni 2018

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