VwGH Ra 2017/17/0863

VwGHRa 2017/17/086315.11.2017

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Holeschofsky, Hofrätin Mag.a Nussbaumer-Hinterauer sowie Hofrätin Dr. Koprivnikar als Richterinnen und Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Kratschmayr, über die Revision der A M in N in der S, vertreten durch Dr. Patrick Ruth, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Kapuzinergasse 8/4, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Vorarlberg vom 4. August 2017, LVwG-1- 499/2016-R13, betreffend Übertretung des Glücksspielgesetzes, den Beschluss gefasst:

Normen

GSpG 1989 §52 Abs1 Z1;
VStG §32 Abs2;
VStG §44a Z1;
VStG §44a Z2;
VStG §9 Abs1;
VStG §9;

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Bregenz wurde der Revisionswerberin vorgeworfen als gemäß § 9 VStG zur Vertretung nach außen berufenes Organ des Unternehmens B Ltd. in ihrer Funktion als "Zugänglichmacher" von Glücksspielgeräten sechs näher bezeichnete Übertretungen des Glücksspielgesetzes zu verantworten, weshalb über sie sechs  Geldstrafen verhängt wurden.

2 Die von der Revisionswerberin gegen dieses Straferkenntnis erhobene Beschwerde wurde vom Landesverwaltungsgericht Vorarlberg nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung mit der Maßgabe abgewiesen, dass die Revisionswerberin es gemäß § 9 Abs. 1 VStG als handelsrechtliche Geschäftsführerin (Director) der B Ltd. - diese Gesellschaft sei unbeschränkt haftende Gesellschafterin der B Ltd. & Co KG - zu verantworten habe, dass die B Ltd. & Co KG die Ausspielungen unternehmerisch zugänglich gemacht habe. Das Verwaltungsgericht begründete seine Entscheidung näher und sprach aus, dass die Revision nicht zulässig sei.

3 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision. Zur Zulässigkeit wird - neben unionsrechtlichen Bedenken gegen das österreichische Glücksspielgesetz - vorgebracht, dass nach näher genannter Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes eine Präzisierung des Tatvorwurfes nur insoweit zulässig sei, als es dadurch nicht zu einer Auswechslung der Tat komme. Der Revisionswerberin sei im Straferkenntnis vorgeworfen worden, sie habe es als zur Vertretung nach außen berufenes Organ des Unternehmens B Ltd. als "Zugänglichmacher" von Glücksspielgeräten zu verantworten, dass dieses Unternehmen die Ausspielungen unternehmerisch zugänglich gemacht habe. Mit dem nunmehrigen Erkenntnis werde der Revisionswerberin ein anderer Tatvorwurf zur Last gelegt, weil ausgesprochen worden sei, sie habe es als handelsrechtliche Geschäftsführerin der B Ltd. - diese Gesellschaft sei unbeschränkt haftende Gesellschafterin der B Ltd. & Co KG - zu verantworten, dass die B Ltd. & Co KG die Ausspielungen zugänglich gemacht habe. Das Verwaltungsgericht habe damit seine Kognitionsbefugnis überschritten; vielmehr hätte es das Strafverfahren einstellen müssen, weil die Verfolgungshandlung gemäß § 32 Abs. 2 VStG innerhalb der Verjährungsfrist nicht alle Tatbestandselemente enthalten habe.

4 Die Revision erweist sich als unzulässig:

5 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

6 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

7 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

8 Zum Zulässigkeitsvorbringen der Revision ist festzuhalten, dass die Voraussetzungen für eine Vorlagepflicht an den Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) gemäß Art. 267 AEUV klar bzw. geklärt sind. Ebenso sind die Anforderungen an eine Prüfung der Unionsrechtskonformität im Zusammenhang mit einer Monopolregelung im Glücksspielsektor durch die nationalen Gerichte geklärt (vgl. EuGH 15.9.2011, C-347/09 , Dickinger und Ömer, Rn. 83 f; 30.4.2014, C-390/12 , Pfleger, Rn. 47 ff, sowie 30.6.2016, C-464/15 , Admiral Casinos & Entertainment, Rn. 31, 35 ff). Diesen Anforderungen ist der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom 16. März 2016, Ro 2015/17/0022, durch die Durchführung der nach der Rechtsprechung des EuGH erforderlichen Gesamtwürdigung nachgekommen. Von dieser Rechtsprechung ist das Verwaltungsgericht im Revisionsfall jedenfalls nicht abgewichen. Entgegen dem weiteren Vorbringen steht die angefochtene Entscheidung daher nicht im Widerspruch zum Urteil des EuGH vom 30. April 2014, C- 390/12 , Pfleger.

9 Ebenso stehen nach den Ausführungen des EuGH in seinem Urteil vom 14. Juni 2017, C-685/15 , Online Games Handels GmbH ua, die Art. 49 AEUV (Niederlassungsfreiheit) und Art. 56 AEUV (Dienstleistungsfreiheit) im Lichte des Art. 47 GRC einem Verfahrensregime wie dem vor dem Verwaltungsgericht geltenden betreffend die amtswegige Ermittlung der Umstände der vom Gericht entschiedenen Rechtssachen nicht entgegen.

10 Soweit die Revision dem Verwaltungsgericht vorwirft, den Tatvorwurf zu Unrecht konkretisiert zu haben, ist ihr Folgendes entgegenzuhalten:

11 Aus dem Blickwinkel des Täters im Sinne des § 9 Abs. 1 VStG ist im Falle des gesetzlichen Vertreters einer Ltd. & Co KG (vergleichbar einer GmbH & Co KG) die Besonderheit zu beachten, dass nicht nur die Gesellschaft (die KG als diejenige, die die verbotenen Ausspielungen zugänglich machte) im hier maßgebenden Zusammenhang keine natürliche Person ist, sondern auch die zur Vertretung und Geschäftsführung der KG berufene Komplementär-Ltd., sodass im Ergebnis die Geschäftsführerin (Director) der Komplementär-Ltd. gleichzeitig gesetzliche Vertreterin auch der KG und insoweit auch für die Ltd. & Co KG verwaltungsstrafrechtlich verantwortlich ist (vgl. dazu die ständige Rechtsprechung zur Rechtsform der GmbH & Co KG: VwGH 29.5.2006, 2005/09/0066, und die darin angeführte Vorjudikatur; sowie zur AG & Co KG: VwGH 5.7.2012, 2010/09/0062).

12 Soweit das Verwaltungsgericht aus diesem Grund im Einklang mit dieser Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes die verwaltungsstrafrechtliche Verantwortlichkeit der Revisionswerberin im Sinne des § 9 Abs. 1 VStG für ein - dem GSpG widersprechendes - unternehmerisch Zugänglichmachen von Ausspielungen durch die B Ltd. & Co. KG bejaht hat, stellt sich somit keine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung.

13 Wenn die Revisionswerberin weiters vorbringt, dass die "Verfolgungshandlung" im Sinne der gesetzlichen Bestimmungen verfehlt gewesen sei, weil ihr Verwaltungsstraftaten vorgehalten worden sein, die sie nicht begangen habe, weshalb ein Abweichen von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes vorliege, ist festzuhalten, dass eine innerhalb der Verjährungsfrist des § 31 Abs. 2 VStG gesetzte Verfolgungshandlung gegen eine bestimmte Person (hier: die Revisionswerberin) als Beschuldigte zu richten ist, der ein bestimmtes strafbares Verhalten unter Anführung der im Grunde des § 44a Z 1 und 2 VStG relevanten Sachverhaltselemente vorzuwerfen ist (vgl. z.B. VwGH 14.12.2016, Ra 2015/17/0109).

14 Der Umstand, dass das die Verantwortlichkeit der von Anfang an als Beschuldigte angesprochene Revisionswerberin betreffende Merkmal infolge unrichtiger Bezeichnung des die verbotenen Ausspielungen Zugänglichmachenden unzutreffend angegeben wurde, vermag jedoch an der Tauglichkeit der Verfolgungshandlungen ebenso wenig zu ändern, wie wenn darin das die Verantwortlichkeit der Revisionswerberin im Sinne des § 9 VStG betreffende Merkmal überhaupt nicht angeführt worden wäre (vgl. VwGH 5.7.2012, 2010/09/0062 zu einer vergleichbaren Konstellation).

15 Das Verwaltungsgericht war nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes in der Folge aber verpflichtet, das die Verantwortlichkeit der Beschuldigten konstituierende Merkmal des Zugänglichmachenden im Grunde des § 44a Z 1 VStG bei der Umschreibung der Tat richtig und vollständig anzugeben und daher die unrichtige Bezeichnung des Zugänglichmachenden durch die Bezirksverwaltungsbehörde richtigzustellen (vgl. wiederum VwGH 5.7.2012, 2010/09/0062 zur Arbeitgebereigenschaft).

16 Indem das Verwaltungsgericht dieser Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes gefolgt ist, liegt daher keine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung vor.

17 Auch sonst wirft das Zulässigkeitsvorbringen der Revision keine Rechtsfrage auf, der im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme.

18 Die Revision war daher nach § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

Wien, am 15. November 2017

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