Normen
FamLAG 1967 §6 Abs2 litd;
FamLAG 1967 §8 Abs6;
Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Bundesfinanzgericht im Instanzenzug einen Antrag der am 6. Februar 1968 geborenen Revisionswerberin ab, ihr ab August 2008 (erhöhte) Familienbeihilfe zu gewähren.
2 Das Finanzamt sprach aus, dass eine Revision nach Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.
3 Nach Schilderung des Verfahrensganges und Wiedergabe u. a. eines Gutachtens einer Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie auf Grund einer Untersuchung der Revisionswerberin am 16. Jänner 2014 sowie eines Gutachtens eines Facharztes für Psychiatrie und Neurologie nach einer Untersuchung der Revisionswerberin am 2. September 2014 und nach Wiedergabe verschiedener Rechtsvorschriften aus dem Familienlastenausgleichsgesetz hielt das Bundesfinanzgericht fest, die Revisionswerberin verfüge über einen Hauptschulabschluss, habe eine Friseurlehre ohne Abschluss gemacht und sei danach sieben Jahre als Bedienerin beschäftigt gewesen. Seither sei sie beschäftigungslos. Im Jahr 2005 sei die erste stationäre Aufnahme wegen psychischer Probleme im "OWS" erfolgt. Sie lebe in einer voll betreuten Wohngemeinschaft und sei besachwaltet. Die Gutachter hätten eine schizoaffektive Störung diagnostiziert und den Behinderungsgrad mit 60 % festgesetzt; dies rückwirkend ab Dezember 2004. Es sei der Revisionswerberin durchaus zugestanden, dass ihre Erkrankung bereits vor dem 21. Lebensjahr eingetreten sei, allerdings habe die Erkrankung damals noch nicht einen Grad erreicht, der eine dauernde Unfähigkeit der Revisionswerberin, sich den Unterhalt zu verschaffen, bewirkt hätte. Die gutachterliche Feststellung des Eintritts der dauernden Erwerbsunfähigkeit im Dezember 2004 sei auf Grund der schlüssigen Gutachten als richtig anzunehmen.
4 Die dagegen erhobene außerordentliche Revision legte das Bundesfinanzgericht unter Anschluss der Akten des Verfahrens dem Verwaltungsgerichtshof vor.
5 Gemäß § 6 Abs. 1 und 2 lit. d des Familienlastenausgleichsgesetzes - FLAG in der im Revisionsfall für den Zeitraum ab August 2008 zunächst noch maßgebenden Fassung des Bundesgesetzes BGBl. Nr. 269/1980 haben volljährige Vollwaisen Anspruch auf Familienbeihilfe, wenn auf sie - im Revisionsfall nicht strittige - Voraussetzungen zutreffen und wenn sie wegen einer vor Vollendung des 21. Lebensjahres oder während einer späteren Berufsausbildung, jedoch spätestens vor Vollendung des 27. Lebensjahres, eingetretenen körperlichen oder geistigen Behinderung voraussichtlich dauernd außerstande sind, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, und sich in keiner Anstaltspflege befinden.
6 Mit dem Budgetbegleitgesetz 2011, BGBl. I Nr. 111/2010 wurde die Altersgrenze in § 6 Abs. 1 lit. d FLAG vom 27. Lebensjahr auf das 25. Lebensjahr herabgesetzt.
7 Gemäß § 6 Abs. 5 FLAG haben Kinder, deren Eltern ihnen nicht überwiegend Unterhalt leisten und die sich nicht auf Kosten der Jugendwohlfahrtspflege oder der Sozialhilfe in Heimerziehung befinden, unter denselben Voraussetzungen Anspruch auf Familienbeihilfe, unter denen eine Vollwaise Anspruch auf Familienbeihilfe hat.
8 Gemäß § 8 Abs. 6 FLAG ist der Grad der Behinderung oder die voraussichtlich dauernde Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, durch eine Bescheinigung des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen auf Grund eines ärztlichen Sachverständigengutachtens nachzuweisen.
9 Der Verwaltungsgerichtshof hat im Erkenntnis vom 20. November 2014, Ra 2014/16/0010, ausgesprochen, dass es im Fall des § 6 Abs. 2 lit. d FLAG weder auf den Zeitpunkt ankommt, zu dem sich eine Krankheit als solche äußert, noch auf den Zeitpunkt, zu welchem diese Krankheit zu irgendeiner Behinderung führt, sondern dass der Zeitpunkt maßgeblich ist, zu dem diejenige Behinderung (als Folge einer allenfalls schon länger bestehenden Krankheit) eintritt, welche die Erwerbsunfähigkeit bewirkt.
10 Bei der Antwort auf die Frage, ob eine solche körperliche oder geistige Behinderung, die zur Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, führt, vor Vollendung des 21. Lebensjahres (oder allenfalls während einer Berufsausbildung vor Vollendung des 27. oder 25. Lebensjahres) eingetreten ist, sind die Abgabenbehörde und das Bundesfinanzgericht an die der Bescheinigung des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen zugrunde liegenden Gutachten gebunden und dürfen diese nur insoweit prüfen, ob sie schlüssig und vollständig sind und im Falle mehrerer Gutachten nicht einander widersprechen (vgl. etwa den hg. Beschluss vom 16. Dezember 2014, Ro 2014/16/0053, und die hg. Erkenntnisse jeweils vom 22. Dezember 2011, 2009/16/0307 und 2009/16/0310, mwN).
11 Gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
12 Gemäß § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes nicht gebunden und hat er die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision im Rahmen der dafür in der Revision gesondert vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
13 Die Revisionswerberin sieht die Zulässigkeit ihrer Revision darin, dass es noch keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Frage des anzusetzenden Wahrscheinlichkeitsmaßstabes des Zeitpunktes des Vorliegens, des Eintritts oder Nichteintritts der Erwerbsunfähigkeit im Rahmen der ärztlichen Beurteilung gebe.
14 Der Verwaltungsgerichtshof hatte allerdings bereits im erwähnten Erkenntnis vom 20. November 2014, Ra 2014/16/0010, einen Sachverhalt zu beurteilen, welcher dem vorliegenden insoweit vergleichbar ist, als es um die Frage der Feststellung des Zeitpunktes des Eintrittes einer zur Erwerbsunfähigkeit führenden Behinderung ging. Das Bundesfinanzgericht hatte damals ausgeführt, dass die Sachverständigen im Bundessozialamt bei ihrer Diagnoseerstellung und bei der Feststellung des Zeitpunktes des Eintritts der Erwerbsunfähigkeit neben den Untersuchungsergebnissen und ihrem Fachwissen regelmäßig die von den Antragstellern vorgelegten Befunde heranzögen. Hilfreich seien dabei vor allem "alte" Befunde, Arztbriefe usw., die darauf schließen ließen, dass die Behinderung zu einem bestimmten Zeitpunkt aufgetreten sei. Damit könne aber die vom Gesetzgeber geforderte Feststellung des tatsächlichen Eintritts der Erwerbsunfähigkeit eines Antragstellers immer nur mit hoher Wahrscheinlichkeit den Tatsachen entsprechen. In jenem Revisionsfall hat der Verwaltungsgerichtshof ausgeführt, diesen Zeitpunkt habe das Bundesfinanzgericht auf Grund der ihm vorliegenden Gutachten festgelegt, und darauf abgestellt, ob der (damalige) Revisionswerber eine Unschlüssigkeit der Gutachten aufzuzeigen vermochte.
15 Dem hg. Erkenntnis vom 27. September 2012, 2010/16/0261, dem erwähnten Erkenntnis vom 22. Dezember 2011, 2009/16/0307, und den hg. Erkenntnissen vom 26. Mai 2011, 2011/16/0059, vom 5. April 2011, 2010/16/0220, und vom 5. November 2009, 2009/16/0169, lagen Sachverhalte zu Grunde, bei denen die Gutachten davon sprachen, dass "die rückwirkende Anerkennung des aktuellen Grades der Behinderung" oder "die rückwirkende Anerkennung der Einschätzung des Grades der Behinderung" ab einem näher genannten Zeitpunkt "möglich" sei.
16 Damit liegt bereits eine Rechtsprechung zu der von der nunmehrigen Revisionswerberin aufgeworfenen Frage "des anzusetzenden Wahrscheinlichkeitsmaßstabes" des Zeitpunktes des Eintritts der Erwerbsunfähigkeit im Rahmen der ärztlichen Beurteilung vor, von welcher das Bundesfinanzgericht im vorliegenden Revisionsfall nicht abgewichen ist.
17 Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.
Wien, am 30. März 2017
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