VwGH Ra 2017/10/0215

VwGHRa 2017/10/02154.7.2018

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stöberl sowie die Hofräte Dr. Lukasser, Dr. Hofbauer, Dr. Fasching und die Hofrätin Dr. Leonhartsberger als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Kacic-Löffler, LL.M., über die Revisionen der Niederösterreichischen Landesregierung in 3109 St. Pölten, Landhausplatz 1, gegen die Erkenntnisse des Landesverwaltungsgerichts Niederösterreich jeweils vom 20. Oktober 2017, 1) Zl. LVwG‑AV‑996/001‑2017 (protokolliert zur hg. Zl. Ra 2017/10/0215) und 2) Zl. LVwG‑AV‑569/001‑2017 (protokolliert zur hg. Zl. Ra 2017/10/0216), betreffend Mindestsicherung (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Hollabrunn; mitbeteiligte Partei: B Z in H, vertreten durch Mag. Nikolaus Weiser, Rechtsanwalt in 1080 Wien, Hamerlingplatz 7/14), zu Recht erkannt:

Normen

AVG §62 Abs4
B-VG Art15a
Mindestsicherung Vereinbarung Art15a B-VG 2010
MSG NÖ 2010 §11 Abs1
MSG NÖ 2010 §11 Abs1 idF 2016/103
MSG NÖ 2010 §11 Abs3
MSG NÖ 2010 §8 Abs2
MSG NÖ 2010 §8 Abs3
MSG NÖ 2010 §8 Abs5
VwGG §41
VwGG §42 Abs2 Z1
VwGVG 2014 §17
VwRallg

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2018:RA2017100215.L00

 

Spruch:

Die angefochtenen Erkenntnisse werden wegen Rechtswidrigkeit des Inhalts aufgehoben.

Begründung

I.

1 1. Mit den beiden angefochtenen Erkenntnissen vom 20. Oktober 2017 wurden der Mitbeteiligten ‑ jeweils im Beschwerdeverfahren ‑ Geldleistungen nach dem Niederösterreichischen Mindestsicherungsgesetz (NÖ MSG) in bestimmter Höhe zuerkannt.

2 Das Verwaltungsgericht stellte im Wesentlichen (jeweils) fest, dass die volljährige, nicht selbsterhaltungsfähige Mitbeteiligte mit ihrer Mutter in einer gemeinsamen Wohnung lebe. Die Mutter beziehe monatlich eine Invaliditätspension, die sich in den verschiedenen vom Verwaltungsgericht zu beurteilenden Zeiträumen auf € 897,70 bzw. € 966,27 belaufen habe, sowie einen Wohnzuschuss in Höhe von € 342,00 und komme für die Wohnkosten in Höhe von € 681,50 alleine auf. Für ihren in einer Jugendwohngemeinschaft untergebrachten Sohn leiste die Mutter der Mitbeteiligten Unterhaltszahlungen in der Höhe von monatlich € 130,00.

3 Rechtlich begründete das Verwaltungsgericht seine Entscheidungen ‑ soweit für das Revisionsverfahren von Interesse ‑ damit, dass das Einkommen der Mutter der Mitbeteiligten aus Invaliditätspension bei der Bemessung der von der Mitbeteiligten beantragten Mindestsicherungsleistungen gemäß § 8 Abs. 2 NÖ MSG zu berücksichtigen sei. Davon sei der der Mutter theoretisch nach § 11 Abs. 1 NÖ MSG zustehende Mindeststandard in Abzug zu bringen. Da § 8 Abs. 2 NÖ MSG ausschließlich auf § 11 Abs. 1 NÖ MSG verweise und nicht auch auf Abs. 3 leg. cit., habe der der Mutter gewährte Wohnzuschuss ‑ entgegen der Annahme der belangten Behörde ‑ „bei der Berechnung des Überschusses“ unberücksichtigt zu bleiben. Diese Lesart werde durch Art. 13 Abs. 1 iVm Art. 10 Abs. 3 Z 1 lit. a der Vereinbarung über eine bundesweite Bedarfsorientierte Mindestsicherung gemäß Art. 15a B‑VG, BGBl. I Nr. 96/2010, verdeutlicht. Für die Anrechnung des Überschusses aus Einkommen des unterhaltspflichtigen Mitbewohners sei es irrelevant, wie hoch dessen tatsächlicher Wohnbedarf sei oder ob dieser bereits durch einen Wohnzuschuss abgedeckt sei. Vielmehr sei auf den dieser Person „abstrakt zukommenden Mindeststandard“ abzustellen.

4 Hinsichtlich der von der Mutter an ihren Sohn geleisteten Unterhaltszahlungen habe die Mitbeteiligte glaubhaft gemacht, dass ihr dieser Betrag nicht zugute komme, weshalb er gemäß § 8 Abs. 3 NÖ MSG vor der Anrechnung des Einkommensüberschusses der Mutter auf die der Mitbeteiligten zustehenden Mindestsicherungsleistungen abzuziehen sei.

5 Darüber hinaus sei der von der Mutter an die Mitbeteiligte „in Form von Wohnen“ geleistete Naturalunterhalt (das sei die auf die Mitbeteiligte entfallende Hälfte der nicht durch den Wohnzuschuss gedeckten Mietkosten in Höhe von € 169,75) vom anzurechnenden Einkommen der Mutter in der Höhe des der Mitbeteiligten theoretisch zustehenden Wohnbedarfs abzuziehen, weil andernfalls jener Teil des Einkommens der Mutter, mit welchem der Wohnbedarf der Mitbeteiligten gedeckt werde, gleichzeitig auch zur Deckung des notwendigen Lebensunterhalts herangezogen würde.

6 Die Revision ließ das Verwaltungsgericht mit der wesentlichen Begründung nicht zu, dass aufgrund des klaren Gesetzeswortlautes des § 8 Abs. 2 NÖ MSG, welcher durch die Vereinbarung über eine bundesweite Bedarfsorientierte Mindestsicherung gemäß § 15a B‑VG verdeutlicht werde, keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B‑VG vorliege.

7 2. Gegen diese Erkenntnisse richten sich die vorliegenden außerordentlichen Revisionen gemäß § 34 NÖ MSG, die das Verwaltungsgericht samt den Akten des Verfahrens vorgelegt hat.

8 Die Mitbeteiligte erstattete eine Revisionsbeantwortung, in der sie beantragte, den Revisionen keine Folge zu geben.

9 3. Mit Beschluss des Verwaltungsgerichtes vom 30. Jänner 2018 wurde das zweitangefochtene Erkenntnis hinsichtlich der Festlegung des Leistungszeitraums berichtigt.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat die Revisionssachen wegen ihres sachlichen und persönlichen Zusammenhanges zur gemeinsamen Beratung und Entscheidung verbunden und darüber erwogen:

10 1. Vorauszuschicken ist, dass eine Revision gegen den Berichtigungsbeschluss des Verwaltungsgerichtes vom 30. Jänner 2018 nicht erhoben wurde. Hat das Verwaltungsgericht seine Entscheidung gemäß § 62 Abs. 4 AVG iVm § 17 VwGVG berichtigt und wurde gegen diesen Berichtigungsbeschluss keine Revision erhoben, so hat der Verwaltungsgerichtshof als Prüfungsgegenstand die angefochtene Entscheidung in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses zugrunde zu legen (vgl. VwGH 7.3.2017, Ra 2015/02/0006, mwN), und zwar auch dann, wenn ‑ wie hier ‑ die Berichtigung erst nach Erhebung der Revision an den Verwaltungsgerichtshof erfolgt (vgl. zu der auf das Revisionsverfahren übertragbaren hg. Rechtsprechung etwa VwGH 22.5.2014, 2012/01/0164, 2013/01/0026, mwN).

11 Das von der Revisionswerberin zur hg. Zl. Ra 2017/10/0216 erstattete Vorbringen gegen das zweitangefochtene Erkenntnis hinsichtlich einer (partiellen) Unzuständigkeit des Verwaltungsgerichts wegen des Abspruchs über einen Leistungszeitraum, der nicht Gegenstand des Bescheides der belangten Behörde gewesen sei, geht daher angesichts des unangefochten gebliebenen Beschlusses des Verwaltungsgerichts vom 30. Jänner 2018, mit dem eine Berichtigung des Leistungszeitraumes im Sinne dieses Revisionsvorbringens vorgenommen worden ist, ins Leere.

12 2. Die vorliegenden außerordentlichen Revisionen wenden sich jeweils ‑ bereits in den Zulässigkeitsausführungen ‑ mit näherer Begründung gegen die vom Verwaltungsgericht vertretene Auffassung, dass der Verweis des § 8 Abs. 2 NÖ MSG auf § 11 Abs. 1 leg. cit. isoliert und nicht in Verbindung mit § 11 Abs. 3 NÖ MSG zu betrachten sei.

13 Die Revisionen sind zulässig und begründet.

14 3. Die in der zur hg. Zl. Ra 2017/10/0215 protokollierten Revisionssache anzuwendenden Bestimmungen des NÖ MSG, LGBl. 9205‑0 idF LGBl. Nr. 63/2017, haben ‑ auszugsweise ‑ folgenden Wortlaut:

§ 8

Berücksichtigung von Leistungen Dritter

[...]

(2) Das Einkommen eines mit der Hilfe suchenden Person im gemeinsamen Haushalt lebenden Ehegatten bzw. einer Ehegattin, eines eingetragenen Partners bzw. einer eingetragenen Partnerin oder einer sonst unterhaltsverpflichteten Person sowie eines Lebensgefährten bzw. einer Lebensgefährtin ist bei der Bemessung der Mindestsicherung insoweit zu berücksichtigen, als es den für diese Personen nach § 11 Abs. 1 maßgebenden Mindeststandard übersteigt.

[...]

(3) Kann die Hilfe suchende Person glaubhaft machen, von den in Abs. 2 genannten Personen keine Leistungen oder nur in einem geringeren Ausmaß zu erhalten und kommt auch eine Rechtsverfolgung nach Abs. 5 nicht in Betracht, ist ihr der entsprechende Mindeststandard für eine volljährige Person in Haushaltsgemeinschaft (§ 11 Abs. 1) bzw. der entsprechende Differenzbetrag auf diesen Mindeststandard zu gewähren.

[...]

§ 11

Mindeststandards

(1) Die Landesregierung hat ausgehend vom Ausgleichszulagenrichtsatz nach § 293 Abs. 1 lit. a bb) ASVG abzüglich des Beitrages zur gesetzlichen Krankenversicherung durch Verordnung die Höhe der Mindeststandards zur Deckung des notwendigen Lebensunterhaltes und des Wohnbedarfes insbesondere für folgende hilfsbedürftige Personen entsprechend den folgenden Prozentsätzen festzulegen:

[...]

2. für volljährige Personen, die mit anderen volljährigen Personen in Haushalts- oder Wohngemeinschaft leben...............................75%,

[...]

(3) Mindeststandards zur Sicherung des notwendigen Lebensunterhaltes nach Abs. 1 beinhalten grundsätzlich einen Geldbetrag zur Deckung des Wohnbedarfes im Ausmaß von 25% bzw. bei hilfsbedürftigen Personen, die eine Eigentumswohnung oder ein Eigenheim bewohnen, einen Geldbetrag im Ausmaß von 12,5%. Besteht kein oder ein geringerer Aufwand zur Deckung des Wohnbedarfes oder erhält die hilfebedürftige Person bedarfsdeckende Leistungen (z. B. eine Wohnbeihilfe oder einen Wohnzuschuss), sind die jeweiligen Mindeststandards um diese Anteile entsprechend zu reduzieren, höchstens jedoch um 25% bzw. 12,5%.

[...]“

15 Gemäß § 43 Abs. 12 NÖ MSG, LGBl. 9205‑0 idF LGBl. Nr. 103/2016, sind auf alle am 1. Jänner 2017 noch nicht rechtskräftig abgeschlossene Verfahren auf Zuerkennung, Weitergewährung, Erhöhung oder Kürzung von Leistungen der Bedarfsorientierten Mindestsicherung zur Deckung des notwendigen Lebensbedarfes und Wohnbedarfes die geltenden Bestimmungen des NÖ Mindestsicherungsgesetzes, LGBl. 9205 in der Fassung LGBl. Nr. 24/2016, der NÖ Mindeststandardverordnung, LGBl. 9205/1 in der Fassung LGBl. Nr. 120/2015 und der Verordnung über die Berücksichtigung von Eigenmitteln, LGBl. 9200/2-4, anzuwenden.

16 Für die zur hg. Zl. Ra 2017/10/0216 protokollierte Revisionssache, in welcher nach den Verfahrensakten der verfahrenseinleitende Antrag der Mitbeteiligten auf Gewährung von Leistungen nach dem NÖ MSG am 24. November 2016 gestellt wurde, wobei das Verfahren darüber am 1. Jänner 2017 noch nicht rechtskräftig abgeschlossen war, sind daher die Bestimmungen des NÖ MSG, LGBl. 9205-0 idF LGBl. Nr. 24/2016, in den Blick zu nehmen, die ‑ auszugsweise ‑ lauten:

§ 8

Berücksichtigung von Leistungen Dritter

[...]

(2) Das Einkommen eines mit der Hilfe suchenden Person im gemeinsamen Haushalt lebenden Ehegatten bzw. einer Ehegattin, eines eingetragenen Partners bzw. einer eingetragenen Partnerin oder einer sonst unterhaltsverpflichteten Person sowie eines Lebensgefährten bzw. einer Lebensgefährtin ist bei der Bemessung der Mindestsicherung insoweit zu berücksichtigen, als es den für diese Personen nach § 11 Abs. 1 maßgebenden Mindeststandard übersteigt.

[...]

(3) Kann die Hilfe suchende Person glaubhaft machen, von den in Abs. 2 genannten Personen keine Leistungen oder nur in einem geringeren Ausmaß zu erhalten und kommt auch eine Rechtsverfolgung nach Abs. 5 nicht in Betracht, ist ihr der entsprechende Mindeststandard für eine volljährige Person in Haushaltsgemeinschaft (§ 11 Abs. 1) bzw. der entsprechende Differenzbetrag auf diesen Mindeststandard zu gewähren.

[...]

§ 11

Mindeststandards

(1) Die Landesregierung hat nach Maßgabe des Art. 10 Abs. 2 und 3 der Vereinbarung gemäß Art. 15a B‑VG über eine bundesweite Bedarfsorientierte Mindestsicherung, LGBl. 9204-0, durch Verordnung die Höhe der Mindeststandards zur Deckung des notwendigen Lebensunterhaltes und des Wohnbedarfes insbesondere für folgende hilfsbedürftige Personen zu regeln:

[...]

2. für volljährige Personen, die mit anderen volljährigen Personen in Haushalts- oder Wohngemeinschaft leben,

[...]

(3) Mindeststandards zur Sicherung des notwendigen Lebensunterhaltes nach Abs. 1 beinhalten grundsätzlich einen Geldbetrag zur Deckung des Wohnbedarfes im Ausmaß von 25% bzw. bei hilfsbedürftigen Personen, die eine Eigentumswohnung oder ein Eigenheim bewohnen, einen Geldbetrag im Ausmaß von 12,5%. Besteht kein oder ein geringerer Aufwand zur Deckung des Wohnbedarfes oder erhält die hilfebedürftige Person bedarfsdeckende Leistungen (z. B. eine Wohnbeihilfe oder einen Wohnzuschuss), sind die jeweiligen Mindeststandards um diese Anteile entsprechend zu reduzieren, höchstens jedoch um 25% bzw. 12,5%.

[...]“

17 4.1. Mit Blick auf die von der Revisionswerberin aufgeworfene Rechtsfrage zur Auslegung des in § 8 Abs. 2 NÖ MSG enthaltenen Verweises auf § 11 Abs. 1 leg. cit. gleichen die Revisionsfälle jenem, der mit Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 24. April 2018, Ra 2017/10/0170, entschieden worden ist. Danach sind für die in § 8 Abs. 2 NÖ MSG genannten Personen dieselben Mindeststandards in Ansatz zu bringen wie für hilfsbedürftige Personen. Die ‑ die Mindeststandards des § 11 Abs. 1 NÖ MSG hinsichtlich des Mindeststandards zu Deckung des Wohnbedarfs präzisierenden ‑ Vorgaben des § 11 Abs. 3 NÖ MSG sind daher ‑ entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts ‑ auch bei der Ermittlung des „maßgebenden Mindeststandards“ für die in § 8 Abs. 2 NÖ MSG angeführten Personen zu berücksichtigen. Zur näheren Begründung wird gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG auf das genannte Erkenntnis verwiesen.

18 Daran ändert nichts, dass in der Revisionssache zur hg. Zl. Ra 2017/10/0215 ‑ anders als im zitierten Erkenntnis und in der ebenfalls gegenständlichen Revisionssache zur hg. Zl. Ra 2017/10/0216 ‑ § 11 Abs. 1 NÖ MSG in der Fassung des LGBl. Nr. 103/2016 anzuwenden ist, hat doch die Novelle LGBl. Nr. 103/2016 insoweit keine relevanten Änderungen dieser Bestimmung gebracht.

19 4.2. Im Übrigen ist auch aus den vom Verwaltungsgericht herangezogenen Bestimmungen des Art. 13 Abs. 1 iVm Art. 10 Abs. 3 Z 1 lit. a der Art 15a B‑VG‑Vereinbarung über eine bundesweite Bedarfsorientierte Mindestsicherung, wonach ebenfalls eine Berücksichtigung des Einkommens der im gemeinsamen Haushalt lebenden unterhaltspflichtigen Angehörigen sowie von Lebensgefährt/inn/en vorgesehen ist und diesbezüglich auf den gleichermaßen für hilfsbedürftige Personen geltenden Mindeststandard für volljährige Personen, die mit anderen Volljährigen im gemeinsamen Haushalt leben, verwiesen wird, nichts für die Argumentation des Verwaltungsgerichts zu gewinnen.

20 Die angeführte Vereinbarung nach Art. 15a B‑VG bindet nur die vertragschließenden Gebietskörperschaften selbst, sodass darüber hinausgehende Rechtswirkungen der Transformation in die Landesrechtsordnung bedürfen (vgl. VwGH 23.5.2017, Ro 2015/10/0046, mwN). Abgesehen davon ist die genannte Vereinbarung ‑ ungeachtet dessen, dass sie nicht mehr in Geltung steht ‑ zwar zur Auslegung der ‑ ihrer Umsetzung dienenden ‑ Mindestsicherungsgesetze der Länder heranzuziehen (vgl. VwGH 24.6.2015, Ra 2015/10/0060, mwN); das NÖ MSG enthält allerdings in § 11 Abs. 3 eine besondere Bestimmung, die eine Präzisierung des Mindeststandards zur Deckung des Wohnbedarfs vorsieht.

21 4.3. Vor dem Hintergrund, dass der der Mutter der Mitbeteiligten zukommende Wohnzuschuss den Mindeststandard der Mutter zur Deckung des Wohnbedarfs (dieser betrüge ‑ je nach anzuwendender Rechtslage ‑ € 157,08 bzw. € 158,34) vollständig deckt, hätte das Verwaltungsgericht diesen Mindeststandard bei der Ermittlung des der Mutter zustehenden „maßgebenden Mindeststandards“ im Sinne des § 8 Abs. 2 NÖ MSG daher nicht berücksichtigen dürfen.

22 4.4. Indem das Verwaltungsgericht dies verkannt hat, hat es die angefochtenen Erkenntnisse mit Rechtswidrigkeit des Inhalts belastet.

23 5. Aber auch mit ihrem weiteren Zulässigkeitsvorbringen, welches die Frage thematisiert, ob Zahlungsverpflichtungen einer unterhaltsverpflichteten Person im Sinne des § 8 Abs. 2 NÖ MSG bei der Einkommensanrechnung nach dieser Bestimmung zu berücksichtigen seien, sind die Revisionen im Ergebnis im Recht.

24 5.1. Das Verwaltungsgericht hat vor dem Hintergrund, dass die Mutter der Mitbeteiligten die nach Abzug des Wohnzuschusses verbleibenden Wohnkosten (wovon die Hälfte, nämlich € 169,75 auf die Mitbeteiligte entfielen) aus ihrem Einkommen bestreitet, vom errechneten Überschuss des Einkommens der Mutter diesen von ihr „in Form von Wohnen“ geleisteten Naturalunterhalt in der Höhe des der Mitbeteiligten theoretisch zustehenden Mindeststandards für Wohnbedarf in Abzug gebracht.

25 5.2. Auf welche rechtliche Grundlage das Verwaltungsgericht diese von ihm vorgenommene Anrechnung stützt, geht aus dem Erkenntnis allerdings nicht hervor.

26 § 8 Abs. 2 NÖ MSG böte allerdings keine Grundlage für die vom Verwaltungsgericht vorgenommene (teilweise) Berücksichtigung der von der Mutter der Mitbeteiligten tatsächlich geleisteten Wohnkosten, stellt diese Bestimmung doch nur auf das den maßgeblichen Mindeststandard überschreitende Einkommen des in § 8 Abs. 2 NÖ MSG genannten Personenkreises ab. Vom konkreten Einkommen zu leistende Zahlungen werden nach dieser Bestimmung nicht berücksichtigt.

27 Eine Berücksichtigung der von der Mutter geleisteten Wohnkosten nach § 8 Abs. 3 NÖ MSG käme wiederum nur bei Vorliegen der in dieser Bestimmung normierten Voraussetzungen in Betracht; also im Falle der Glaubhaftmachung durch die Mitbeteiligte, dass sie ihr zustehende Leistungen nur in geringerem Ausmaß erhalte, und bei Ausscheiden einer Rechtsverfolgungsobliegenheit gemäß § 8 Abs. 5 NÖ MSG. Dazu enthalten die angefochtenen Erkenntnisse aber keinerlei Ausführungen.

28 5.3. Die angefochtenen Erkenntnisse erweisen sich derart auch als mit Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften belastet.

29 6. Die angefochtenen Erkenntnisse waren daher wegen ‑ prävalierender ‑ Rechtswidrigkeit ihres Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

30 Für das fortzusetzende Verfahren sei angemerkt, dass in dem der zur hg. Zl. Ra 2017/10/0216 protokollierten Revisionssache zugrunde liegenden Fall § 43 Abs. 12 NÖ MSG, LGBl. 9205‑0 idF LGBl. Nr. 103/2016, zu beachten sein wird.

Wien, am 4. Juli 2018

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