VwGH Ra 2017/10/0137

VwGHRa 2017/10/013724.4.2018

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stöberl und den Hofrat Dr. Fasching sowie die Hofrätin Dr. Leonhartsberger als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Kacic-Löffler, LL.M., über die Revision des D M in W, vertreten durch Cerha Hempel Spiegelfeld Hlawati Rechtsanwälte GmbH in 1010 Wien, Parkring 2, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 5. Dezember 2016, Zl. W203 2132401-1/2E, betreffend Zulassung zum Doktoratsstudium (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Rektorat der Universität Wien), den Beschluss gefasst:

Normen

B-VG Art133 Abs4;
Curriculum Rechtswissenschaften PhD/Doktorat Uni Wien 2009 §2 Abs2 lita;
Curriculum Rechtswissenschaften PhD/Doktorat Uni Wien 2009 §2 Abs2 litb;
Curriculum Rechtswissenschaften PhD/Doktorat Uni Wien 2009 §2 abs2;
EMRK Art6;
UniversitätsG 2002 §46 Abs2;
UniversitätsG 2002 §64 Abs4;
VwGG §34 Abs1;
VwGG §39 Abs2 Z6;

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2018:RA2017100137.L00

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wurde in Erledigung der Beschwerde des Revisionswerbers die Beschwerdevorentscheidung der belangten Behörde vom 8. Juni 2016, mit welcher der Revisionswerber zum Doktoratsstudium der Rechtswissenschaften an der Universität Wien mit der Auflage von zu erbringenden Prüfungen aus den Fächern "Rechtsphilosophie", "Rechtsgeschichte" und "Romanistische Fundamente" zugelassen wurde, bestätigt.

2 Begründend führte das Verwaltungsgericht aus, der Revisionswerber habe an der Wirtschaftsuniversität Wien (im Folgenden: WU) das Bachelor- und Masterstudium "Wirtschaftsrecht" abgeschlossen. Gemäß § 2 Abs. 2 des Curriculums für das Doktoratsstudium der Rechtswissenschaften sei Voraussetzung für die Zulassung zum Doktoratsstudium a) der Abschluss eines rechtswissenschaftlichen Studiums oder b) der Abschluss eines gleichwertigen rechtswissenschaftlichen Studiums an einer anerkannten inländischen oder ausländischen postsekundären Bildungseinrichtung, allenfalls unter Vorschreibung von Ergänzungsprüfungen. Beim Bachelor- und Masterstudium "Wirtschaftsrecht" der WU handle es sich um ein "anderes gleichwertiges Studium" im Sinne des § 64 Abs. 4 1. Satz (2. Var) UG. Dem vom Senat der Universität Wien gemäß § 46 Abs. 2 UG erstatteten Gutachten zufolge könne es Grundlage für ein rechtswissenschaftliches Doktoratsstudium sein, die genannten Auflagen seien jedoch zur Herstellung der vollen Gleichwertigkeit erforderlich. Gerade die Fächer "Rechtsphilosophie", "Rechtsgeschichte" und "Romanistische Fundamente" seien insofern Grundlagenfächer für ein rechtswissenschaftliches Doktoratsstudium, als sie auf ein tiefergehendes Verständnis der Bedeutung, Herkunft und Entwicklung des Rechts abzielten, das - unabhängig vom Dissertationsfach und daher auch im Dissertationsfach "Unternehmensrecht" - für jede selbstständige Forschung im Rahmen des Doktoratsstudiums der Rechtswissenschaften so sehr von Relevanz sei, dass die entsprechenden Lehrinhalte nicht bloß in einzelnen Lehrveranstaltungen über andere juristische Fächer mitbehandelt werden könnten.

3 Der Verfassungsgerichtshof hat mit Beschluss vom 9. Juni 2017, E 177/2017-9, die Behandlung der dagegen vom Revisionswerber erhobenen Beschwerde abgelehnt und die Beschwerde mit weiterem Beschluss vom 17. Juli 2017, E 177/2017-11, gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten.

4 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

5 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

6 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

7 Gemäß § 64 Abs. 4 UG gilt der Nachweis der allgemeinen Universitätsreife für die Zulassung zu Doktoratsstudien jedenfalls durch den Nachweis des Abschlusses eines fachlich in Frage kommenden Diplomstudiums oder Masterstudiums, eines fachlich in Frage kommenden Fachhochschul-Diplomstudienganges oder Fachhochschul-Masterstudienganges gemäß § 6 Abs. 4 des Fachhochschul-Studiengesetzes, oder eines anderen gleichwertigen Studiums an einer anerkannten inländischen oder ausländischen postsekundären Bildungseinrichtung als erbracht. Wenn die Gleichwertigkeit grundsätzlich gegeben ist und nur einzelne Ergänzungen auf die volle Gleichwertigkeit fehlen, ist das Rektorat berechtigt, die Feststellung der Gleichwertigkeit mit der Auflage von Prüfungen zu verbinden, die während des jeweiligen Doktoratsstudiums abzulegen sind.

8 Gemäß § 2 Abs. 2 des im Revisionsfall maßgeblichen "Curriculums für das Doktoratsstudium der Rechtswissenschaften und das PhD-Studium Interdisciplinary Legal Studies" der Universität Wien (in der Folge: "Curriculum") ist Voraussetzung für die Zulassung zum Doktoratsstudium der Rechtswissenschaften an der Rechtswissenschaftlichen Fakultät neben den in den §§ 63, 64 UG normierten allgemeinen Voraussetzungen "a. der Abschluss eines rechtswissenschaftlichen Diplomstudiums, oder b. der Abschluss eines gleichwertigen rechtswissenschaftlichen Studiums an einer anerkannten inländischen oder ausländischen postsekundären Bildungseinrichtung, allenfalls unter Vorschreibung von Ergänzungsprüfungen."

9 Das Verwaltungsgericht ist davon ausgegangen, dass es sich beim vorliegenden Masterstudium "Wirtschaftsrecht" der WU nicht um ein "fachlich in Betracht kommendes Masterstudium" im Sinne des § 64 Abs. 4 1. Satz 1. Var., sondern um ein gleichwertiges (rechtswissenschaftliches) Studium an einer anerkannten inländischen oder ausländischen postsekundären Bildungseinrichtung im Sinne der 2. Var. leg. cit. handelt.

10 Nur auf diese letztgenannte Gruppe von Studien bezieht sich der zweite Satz des § 64 Abs. 4 UG; nur diese Studien unterliegen somit der Gleichwertigkeitsfeststellung (vgl. VwGH 22.10.2013, 2013/10/0140). In derartigen Fällen sieht das Gesetz, wenn durch das absolvierte Studium zwar eine grundsätzliche, aber nicht die volle Gleichwertigkeit gegeben ist, die Herstellung der Gleichwertigkeit durch die Vorschreibung von Prüfungen vor, die während des Doktoratsstudiums abzulegen sind (vgl. VwGH 24.2.2016, Ro 2014/10/0009).

11 Dem Verwaltungsgericht ist zunächst dahin zuzustimmen, dass sich aus dem Zusammenhalt von § 64 Abs. 4 1. Satz 1. Var. UG iVm § 2 Abs. 2 lit. a. des Curriculums ergibt, dass als "fachlich in Frage kommendes Diplom- oder Masterstudium" iSd. § 64 Abs. 4 UG nur der Abschluss eines - vom Revisionswerber nicht absolvierten - Diplomstudiums der Rechtswissenschaften in Betracht kommt, zumal § 2 Abs. 2 lit. b. des Curriculums den Abschluss eines "gleichwertigen rechtswissenschaftlichen Studiums" normiert, womit offensichtlich auf § 64 Abs. 4 1. Satz 2. Var. UG Bezug genommen wird.

12 Die Auffassung, dass nur das (an der Universität Wien angebotene) Diplomstudium der Rechtswissenschaften als "fachlich in Frage kommendes Studium" im Sinne des § 64 Abs. 4 1. Satz

1. Var. in Betracht kommt, liegt bereits dem erwähnten hg. Erkenntnis Ro 2014/10/0009 zu Grunde. Der Verwaltungsgerichtshof hat in diesem Erkenntnis nämlich festgehalten, dass das Doktoratsstudium der Rechtswissenschaften auf diesem Diplomstudium aufbaut und die Lehrinhalte des Diplomstudiums als Vergleichsmaßstab für die gemäß § 64 Abs. 1

2. Satz UG vorzunehmende Gleichwertigkeitsprüfung (für ein "gleichwertiges Studium") heranzuziehen sind.

13 Mit dem Zulässigkeitsvorbringen, dass sich der Verwaltungsgerichtshof mit der Frage der Voraussetzungen eines Masterstudiums als "fachlich in Betracht kommendes Studium" für das Doktoratsstudium der Rechtswissenschaften "nicht im Detail" auseinandergesetzt habe, wird daher eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht aufgezeigt.

14 Das Verwaltungsgericht ist vielmehr zu Recht davon ausgegangen, dass es sich bei dem gegenständlichen Masterstudium "Wirtschaftsrecht" (bloß) um ein für die Zulassung zum Doktoratsstudium der Rechtswissenschaften "gleichwertiges (rechtswissenschaftliches) Studium" im Sinne des § 64 Abs. 4

1. Satz 2. Var. UG handelt.

15 Bei der Frage der Vorschreibung von Prüfungen zur Herstellung der vollen Gleichwertigkeit eines derartigen Studiums im Sinne des § 64 Abs. 4 2. Satz UG handelt es sich indes um eine im Einzelfall vom Verwaltungsgericht vorzunehmende Beurteilung, die im Revisionsmodell der Überprüfung durch den Verwaltungsgerichtshof nur dann zugänglich ist, wenn das Verwaltungsgericht dabei seinen Anwendungsspielraum überschritten oder eine krasse bzw. unvertretbare Fehlbeurteilung des Einzelfalles vorgenommen hat (vgl. zu diesem Maßstab zuletzt VwGH 27.2.2018, Ra 2018/01/0052, VwGH 20.3.2018, Ra 2018/10/0030 bis 0031). Dass dem Verwaltungsgericht ein derartiger Fehler unterlaufen wäre, ist nicht ersichtlich, zumal ein solcher Fehler im Regelfall dann ausgeschlossen werden kann, wenn das Verwaltungsgericht die Vorschreibung von Prüfungsauflagen auf ein unbedenkliches Gutachten des Senates der Universität (§ 46 Abs. 2 UG) stützt. Auch in diesem Punkt wirft das Zulässigkeitsvorbringen daher keine Rechtsfragen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG auf.

16 Soweit die Revision schließlich vorbringt, das Verwaltungsgericht sei von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Verhandlungspflicht abgewichen, weil es nicht verhandelt habe, ist dem entgegen zu halten, dass es nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zum Entfall der Verhandlungspflicht kommt, wenn Verfahrensgegenstand - wie im Revisionsfall - nur die Lösung einer Rechtsfrage ist (vgl. etwa VwGH 19.9.2017, Ra 2017/01/0276, mit weiteren Hinweisen auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes und des EGMR).

17 In der Revision werden sohin keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

18 Von der Durchführung der beantragten mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 1 VwGG abgesehen werden (vgl. im Übrigen auch VwGH 21.5.2012, 2011/10/0113, wonach es sich bei der Frage des Zugangs zu einem Doktoratsstudium nicht um einen "zivilrechtlichen Anspruch" im Sinne des Art. 6 EMRK handelt).

Wien, am 24. April 2018

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