Normen
ABGB §863
BVergG 2006 §108 Abs2
BVergG 2006 §126
BVergG 2006 §126 Abs1
BVergG 2006 §129 Abs1 Z7
B-VG Art133 Abs4
VwGVG 2014 §28 Abs1
VwGVG 2014 §31 Abs1
European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2019:RA2017040054.L00
Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 1. Die Erstmitbeteiligte (im Folgenden: Auftraggeberin) führte ein Vergabeverfahren betreffend einen Auftrag zur Restmüllsammlung mit Identifikations- und Verwiegeeinrichtung für Haushalte und Gewerbebetriebe in einem bestimmt bezeichneten Gemeindegebiet samt Abfuhr zur öffentlichen Sammelstelle für den Zeitraum von drei Jahren mit zweimaliger Verlängerungsoption. Die Vergabe sollte nach dem Billigstbieterprinzip erfolgen.
2 Gemäß den bestandfesten Ausschreibungsbedingungen war in den Angeboten jeweils ein Sammelpreis des Restmülls pro Stunde und ein Entladepreis für die Entleerung samt Zu- und Abfahrt an der Entladestation und ein möglicher Skonto bei Einhaltung einer Zahlungsfrist von 14 Tagen anzugeben. Anlässlich der Angebotsöffnung stellte sich heraus, dass die Angaben betreffend den Sammelpreis und den Entladepreis im Angebot der Revisionswerberin insofern einen Widerspruch aufwiesen, als die Ziffernangaben der Preise nicht mit den jeweils korrespondierenden Preisangaben in Worten übereinstimmten.
3 Nach Prüfung der vorliegenden Angebote erfolgte die Zuschlagsentscheidung zugunsten der Zweitmitbeteiligten, welche mit Schreiben vom 11. November 2016 den Bietern mitgeteilt wurde.
4 2. Mit Schriftsatz vom 17. November 2016 beantragte die Revisionswerberin beim Landesverwaltungsgericht Tirol (im Folgenden: Verwaltungsgericht) die Nichtigerklärung der getroffenen Zuschlagsentscheidung sowie die Erlassung einer einstweiligen Verfügung.
5 3. Mit der angefochtenen Entscheidung wies das Verwaltungsgericht - soweit hier von Relevanz - den Nachprüfungsantrag der Revisionswerberin zurück und den Antrag auf Pauschalgebührenersatz ab. Die Revision erklärte es für unzulässig.
6 In seiner rechtlichen Begründung führte das Verwaltungsgericht unter Zugrundelegung der bereits oben wiedergegebenen Sachverhaltsfeststellungen aus, die mitbeteiligten Parteien hätten im Nachprüfungsverfahren vorgebracht, dass das Angebot der Revisionswerberin wegen vorliegender Mängel auszuscheiden gewesen wäre. Die Revisionswerberin habe wegen der festgestellten Anführung der ziffernmäßigen Auspreisung von EUR 74,50 als Sammelpreis und des ziffernmäßigen Entladepreises von EUR 24,50 bei gleichzeitiger Anführung dieser Preise in Worten von "vierundsiebzig" bzw. "vierundzwanzig" ein Angebot mit zwei unterschiedlichen Preisen gelegt. Dieser Mangel sei keiner Verbesserung zugänglich, weil die Revisionswerberin durch die festgestellte "Mehrfachauspreisung" einen Wettbewerbsvorteil erlangen könne. Das Angebot der Revisionswerberin sei daher jedenfalls auszuscheiden gewesen. Aus diesem Grund sei davon auszugehen, dass das Angebot der Revisionswerberin keinesfalls für den Zuschlag in Betracht gekommen wäre. Eine rechtswidrige Zuschlagserteilung könne daher nicht kausal für einen Schadenseintritt bei der Revisionswerberin sein. Die Antragslegitimation der Revisionswerberin im Nachprüfungsverfahren sei mangels möglicher Beeinträchtigung durch die von ihr vorgebrachte Rechtswidrigkeit im Zusammenhang mit der Zuschlagsentscheidung zu verneinen und der Antrag zurückzuweisen.
7 Den Ausspruch betreffend die Unzulässigkeit der Revision begründete das Verwaltungsgericht mit dem Nichtvorliegen von Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG.
8 4. Gegen die Entscheidung des Verwaltungsgerichts richtet sich die außerordentliche Revision mit dem Antrag, diese wegen Rechtswidrigkeit des Inhalts und/oder Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
9 5. Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Auf Beschlüsse der Verwaltungsgerichte ist Art. 133 Abs. 4 B-VG sinngemäß anzuwenden (Art. 133 Abs. 9 B-VG).
10 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.
11 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
12 5.1. Vorauszuschicken ist, dass das Verwaltungsgericht die Zurückweisung mangels Antragslegitimation anstelle in Beschlussform in Erkenntnisform ausgefertigt hat. Für die Frage der Zulässigkeit der Revision spielt es jedoch keine Rolle, ob das Verwaltungsgericht seine Entscheidung in die richtigerweise zu wählende Form eines Beschlusses oder eines Erkenntnisses gekleidet hat. Das Vergreifen in der Form steht der Erledigung einer Revision nicht entgegen, weil die für das Revisionsverfahren geltenden Vorschriften sowohl auf Erkenntnisse als auch auf Beschlüsse der Verwaltungsgerichte Anwendung finden (vgl. VwGH 30.9.2014, Ra 2014/02/0045).
13 5.2. Zur Zulässigkeit bringt die Revision vor, es liege eine Abweichung von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs vor. Diese sehe eine Mängelbehebung nach Angebotsöffnung als zulässig an, insoweit sich die Wettbewerbsposition des Bieters gegenüber seinen Mitbietern materiell nicht verändere. Die Annahme des Verwaltungsgerichts, dass die Revisionswerberin durch die gegenständliche Mehrfachauspreisung einen Wettbewerbsvorteil erlangen könne, weil dies die Bieterin in die Lage versetze, sich nach Angebotsöffnung allenfalls für den günstigeren Preis entscheiden zu können, um das bessere Angebot zu legen, sei unrichtig. Diese Ansicht treffe schon deshalb nicht zu, weil sich die Wettbewerbsposition der Revisionswerberin aufgrund der übrigen angebotenen Preise nicht verändert hätte. Es komme der Revisionswerberin bei Heranziehung beider von ihr angegebenen Preise jeweils die Zweitplatzierung zu.
14 Dem ist Folgendes zu entgegnen: Mängel sind als unbehebbar zu qualifizieren, wenn sie nach Angebotseröffnung zu einer Änderung der Wettbewerbsstellung der Bieter führen können (vgl. VwGH 16.2.2005, 2004/04/0030). Wird das ursprüngliche Angebot, das nicht der Ausschreibung entsprach, erst aufgrund der im Rahmen des Aufklärungsgespräches angebotenen Leistung ausschreibungskonform, so wird dadurch das Angebot inhaltlich verändert und damit die Wettbewerbsstellung des Bieters (zu Lasten der Mitbieter) unzulässig verbessert (vgl. VwGH 28.2.2012, 2009/04/0120, mwN). Es liegt auf der Hand, dass die Bestimmung des endgültig angebotenen Preises erst nach Angebotsöffnung eine inhaltliche Änderung des Angebotes darstellt und damit zu einer Beeinflussung der Wettbewerbsposition des Bieters führt. Die Frage, ob diese Änderung dem betreffenden Bieter im konkreten Fall zum Zuschlag verholfen hätte, ist für die Beurteilung der Mangelhaftigkeit des Angebotes nicht relevant.
15 5.3. Das von der Revision erstattete Vorbringen betreffend das Fehlen einer Rechtsprechung, ob im vorliegenden Fall eine schriftliche Aufklärung zu verlangen sei, geht vor dem Hintergrund der obigen Ausführungen, dass es sich bei den divergierenden Preisangaben im Angebot der Revisionswerberin um einen nicht behebbaren Mangel gehandelt habe, was dazu führt, dass das Angebot von der Auftraggeberin ohne Verbesserungsverfahren auszuscheiden gewesen wäre, ins Leere (vgl. VwGH 16.2.2005, 2004/04/0030).
16 5.4. Insofern die Revision vorbringt, es fehle Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs zu der Frage, wie ein Angebot für den Fall, dass der angebotene Preis in Ziffern nicht vollständig in Worten ausgeschrieben werde, auszulegen sei, ist darauf zu verweisen, dass der Verwaltungsgerichtshof davon ausgeht, dass auch für die Auslegung der Willenserklärung des Bieters der objektive Erklärungswert maßgeblich ist (vgl. VwGH 22.11.2011, 2006/04/0024). Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits wiederholt zum Ausdruck gebracht, dass die in vertretbarer Weise vorgenommene einzelfallbezogene Auslegung von Parteierklärungen oder Ausschreibungsunterlagen nicht revisibel ist bzw. dass einer vertretbaren Auslegung keine über den konkreten Einzelfall hinausgehende Bedeutung zukommt. Die Auslegung einer Erklärung im Einzelfall ist nur dann als revisibel anzusehen, wenn dem Verwaltungsgericht eine krasse Fehlbeurteilung im Sinne einer unvertretbaren Rechtsansicht unterlaufen wäre (vgl. zB VwGH 26.6.2018, Ra 2016/04/0049, mwN). Eine Unvertretbarkeit der Auslegung des Angebots der Revisionswerberin durch das Verwaltungsgericht dahingehend, dass wegen der unterschiedlichen Preisangaben in Ziffern und in Worten eine unzulässige "Mehrfachauspreisung" vorliege, vermag die Revision im vorliegenden Fall nicht aufzuzeigen (vgl. zur vergaberechtlichen Unzulässigkeit eines Angebots derselben Leistung zu unterschiedlichen Preisen etwa VwGH 18.6.2012, 2010/04/0011).
17 5.5. In der Revision werden keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.
Wien, am 27. Februar 2019
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