Normen
GewO 1994 §366 Abs1 Z1;
GewO 1994 §370 Abs1 idF 2008/I/042;
GewO 1994 §370 Abs1;
GewO 1994 §94 Z67;
GewO 1994 §94 Z82;
VStG §9 Abs1;
Spruch:
Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Revisionswerber Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
I.
1 1. Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Völkermarkt (belangte Behörde) vom 10. August 2015 wurde dem Revisionswerber zur Last gelegt, er habe es als "unbeschränkt haftender Gesellschafter der Firma P (...) OG" zu verantworten, dass die genannte Firma mit seiner Hilfe am 1. Oktober 2014 auf einer näher bezeichneten Baustelle in E an der Dachkonstruktion des dortigen Zweifamilienhauses Sparren angebracht und somit das Holzmeistergewerbe selbständig, regelmäßig und in der Absicht ausgeübt habe, einen Ertrag oder sonstigen wirtschaftlichen Vorteil zu erzielen, obwohl die genannte Firma dafür keine Gewerbeberechtigung besitze. Der Revisionswerber habe dadurch eine Verwaltungsübertretung nach § 366 Abs. 1 Z 1 iVm § 94 Z 82 GewO 1994 begangen. Aus diesem Grund wurde über ihn eine Geldstrafe in der Höhe von EUR 600,00 (Ersatzfreiheitsstrafe sechs Tage) verhängt.
2 2. Mit dem angefochtenen Erkenntnis vom 18. April 2016 gab das Landesverwaltungsgericht Kärnten der dagegen erhobenen Beschwerde des Revisionswerbers keine Folge und bestätigte das bekämpfte Straferkenntnis mit der Maßgabe, dass im Spruch nach den Worten "als unbeschränkt haftender Gesellschafter der Firma P (...) OG in (...)" die Wortfolge "und somit nach § 9 VStG strafrechtlich Verantwortlicher" einzufügen sei und die übertretene Rechtsvorschrift "§ 366 Abs. 1 Z 1 iVm § 94 Z 84 iVm § 149 GewO in Beziehung zu § 9 Abs. 1 VStG" zu lauten habe.
3 In seiner Begründung stellte das Verwaltungsgericht fest, dass der Revisionswerber einer von zwei unbeschränkt haftenden Gesellschaftern der P (...) OG sei. Der im Firmenbuch eingetragene Geschäftszweig laute "Dienstleistungen Bauhilfsgewerbe", im Gewerberegister sei die P (...) OG mit der Gewerbeart "Stuckateure und Trockenausbauer" gemäß § 94 Z 67 GewO 1994 eingetragen. Zum Tatzeitpunkt des vorliegenden Verwaltungsstrafverfahrens sei HL als gewerberechtlicher Geschäftsführer der P (...) OG ausgewiesen gewesen. Anlässlich einer Kontrolle auf der Baustelle habe man festgestellt, dass insgesamt vier Männer, unter ihnen der Revisionswerber, Sparren der Dachkonstruktion, die mit Hilfe eines Krans auf das Dach gehoben worden seien, arretiert, niedergelegt und befestigt hätten. Der Revisionswerber habe auf Befragen mitgeteilt, (auch) am Erhebungstag mit dem Aufstellen der Fertigteilelemente und des Dachstuhls beschäftigt gewesen zu sein. Vom Revisionswerber seien Holzbau-Meister-Arbeiten verrichtet worden.
In rechtlicher Hinsicht führte das Verwaltungsgericht aus, auf Grund des Sachverhalts stehe eindeutig fest, dass der Revisionswerber das reglementierte Gewerbe des Holzbau-Meisters ausgeführt habe, ohne im Besitz einer entsprechenden Gewerbeberechtigung gewesen zu sein. Somit habe er die ihm von der Verwaltungsbehörde angelastete Verwaltungsübertretung zweifelsfrei begangen. Nach § 9 Abs. 1 VStG sei für die Einhaltung der Verwaltungsvorschriften durch juristische Personen oder eingetragene Personengesellschaften strafrechtlich verantwortlich, wer zur Vertretung nach außen berufen sei. Laut Firmenbuchauszug handle es sich beim Revisionswerber um einen unbeschränkt haftenden Gesellschafter der P (...) OG. Daraus ergebe sich seine strafrechtliche Verantwortlichkeit. Die Korrektur des Spruchs des erstinstanzlichen Straferkenntnisses sei im Sinn des § 44a VStG erfolgt. Da die P (...) OG Tätigkeiten verrichtet habe, die nicht in die Gewerbeart "Stuckateure und Trockenausbauer" fielen, sei nicht der gewerberechtliche Geschäftsführer dieser OG (nämlich HL) zum Tatzeitpunkt zu bestrafen gewesen.
4 3. Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision.
II.
Der Verwaltungsgerichtshof hat - nach Durchführung des Vorverfahrens - erwogen:
5 1. Der Revisionswerber bringt zur Zulässigkeit unter anderem vor, das angefochtene Erkenntnis weiche insofern von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, als der Revisionswerber als Gesellschafter der P (...) OG bestraft werde. HL sei zum Zeitpunkt des Vorfalles gewerberechtlicher Geschäftsführer der P (...) OG gewesen. Gemäß § 9 Abs. 1 VStG könne lediglich dieser zur Verantwortung gezogen werden. Wenn die Bestellung eines Geschäftsführers angezeigt oder genehmigt worden sei, was im konkreten Fall erfolgt sei, so müssten gemäß § 370 Abs. 1 GewO 1994 Geldstrafen gegen den Geschäftsführer verhängt werden. Das habe das Verwaltungsgericht in seinem Erkenntnis negiert und damit gegen die zu dieser gesetzlichen Bestimmung bestehende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes verstoßen.
6 Schon im Hinblick auf dieses Vorbringen erweist sich die Revision als zulässig und auch berechtigt.
7 2. Gemäß § 9 Abs. 1 Verwaltungsstrafgesetz 1991 (VStG) in der Fassung BGBl. I Nr. 3/2008 ist, sofern die Verwaltungsvorschriften nicht anderes bestimmen und soweit nicht verantwortliche Beauftragte bestellt sind, für die Einhaltung der Verwaltungsvorschriften durch juristische Personen oder eingetragene Personengesellschaften strafrechtlich verantwortlich, wer zur Vertretung nach außen berufen ist.
Wer zur Vertretung nach außen "berufen" ist, ergibt sich demnach aus dem jeweiligen (Organisations‑) Binnenrecht der juristischen Person in Zusammenschau mit dem zugehörigen Bestellungsakt (vgl. Lewisch in Lewisch/Fister/Weilguni, VStG § 9 Rz 11). Im Fall einer OG liegt die Vertretungsmacht grundsätzlich im Sinn der Selbstorganschaft bei den Gesellschaftern. Sie sind daher - soweit nicht einzelne Gesellschafter gesellschaftsvertraglich von der Vertretung ausgeschlossen sind - verwaltungsstrafrechtlich im Sinn des § 9 Abs. 1 VStG verantwortlich (vgl. noch zur OHG das hg. Erkenntnis vom 30. Mai 1988, 85/07/0264).
8 Die Bestimmung des § 9 Abs. 1 VStG gilt jedoch nur subsidiär, das heißt sie hat nur dann zur Anwendung zu kommen, wenn in den im Einzelfall anzuwendenden besonderen Verwaltungsvorschriften nicht eine selbständige Regelung der Verantwortlichkeit nach außen getroffen ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom 30. September 2010, 2010/03/0119, mwN). Um einen solchen Fall handelt es sich bei § 370 Abs. 1 GewO 1994, der eine von § 9 Abs. 1 VStG abweichende verwaltungsstrafrechtliche Verantwortlichkeit anordnet (vgl. das hg. Erkenntnis vom 24. Jänner 2008, 2004/03/0007). So ist in Hinblick auf die Spezialnorm des § 370 Abs. 1 GewO 1994 nur dann, wenn zur Tatzeit für eine juristische Person oder Personengemeinschaft ein Geschäftsführer nach den Bestimmungen der GewO 1994 nicht bestellt war, das zur Vertretung nach außen berufene Organ der juristischen Person oder der Personengemeinschaft nach § 9 Abs. 1 VStG für die Einhaltung der gewerberechtlichen Vorschriften verwaltungsstrafrechtlich verantwortlich (vgl. das hg. Erkenntnis vom 20. Jänner 1998, 97/04/0179, mwN, sowie den hg. Beschluss vom 26. Februar 2014, Ro 2014/04/0030).
9 Gemäß § 370 Abs. 1 GewO 1994 in der Fassung BGBl. I Nr. 42/2008 sind Geld- oder Verfallsstrafen gegen den Geschäftsführer zu verhängen, wenn die Bestellung eines solchen angezeigt oder genehmigt wurde. Die Regelungen über die verwaltungsstrafrechtliche Verantwortlichkeit des gewerberechtlichen Geschäftsführers in § 370 Abs. 1 GewO 1994 beziehen sich auf die Einhaltung von Bestimmungen, die sich aus gewerberechtlichen Vorschriften für die Gewerbeausübung ergeben (vgl. Grabler/Stolzlechner/Wendl, Kommentar zur GewO3 § 370 Rz 1 mwN).
10 3. Im vorliegenden Fall ist den Feststellungen des Verwaltungsgerichts zufolge zum Tatzeitpunkt des Verwaltungsstrafverfahrens HL als gewerberechtlicher Geschäftsführer der P (...) OG ausgewiesen gewesen. Dementsprechend trifft diesen - und nicht den Revisionswerber als Gesellschafter der OG - die verwaltungsstrafrechtliche Verantwortlichkeit. Indem das Verwaltungsgericht dies verkannte, hat es das angefochtene Erkenntnis mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastet.
11 Auch das Argument des Verwaltungsgerichts, der gewerberechtliche Geschäftsführer HL sei deshalb nicht zu bestrafen gewesen, weil die P (...) OG Tätigkeiten verrichtet habe, die nicht in die Gewerbeart "Stuckateure und Trockenausbauer" fielen, vermag daran nichts zu ändern. Wie der Verwaltungsgerichtshof nämlich bereits ausgesprochen hat, trifft, wenn eine gewerberechtlich nicht gedeckte Tätigkeit im sachlichen Zusammenhang mit einer durch eine vorhandene Gewerbeberechtigung gedeckten Tätigkeit steht, die strafrechtliche Verantwortung für die unbefugte Tätigkeit den gewerberechtlichen Geschäftsführer (vgl. das hg. Erkenntnis 97/04/0179). Im vorliegenden Fall, in dem die P (...) OG, die (nur) zur Ausübung des Gewerbes "Stuckateure und Trockenausbauer" befugt ist, auf einer Baustelle bei der Verrichtung von Holzbau-Meister-Arbeiten betreten wurde, liegt ein solcher sachlicher Zusammenhang vor.
12 4. Das angefochtene Erkenntnis war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.
13 5. Der Ausspruch über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.
Wien, am 12. September 2016
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