VwGH Ra 2015/08/0198

VwGHRa 2015/08/01987.4.2016

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Waldstätten und den Hofrat Dr. Strohmayer, die Hofrätinnen Dr. Julcher und Mag. Rossmeisel sowie den Hofrat Mag. Berger als Richter und Richterinnen, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Soyer, über die Revision der L GmbH in W, vertreten durch die Tschurtschenthaler Rechtsanwälte GmbH in 9020 Klagenfurt, Dr. Arthur Lemisch-Platz 7, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 28. Oktober 2015, Zl. W118 2104277-1/12E, W118 2104279-1/12E, W118 2105319-1/12E, betreffend Aufnahme in den Erstattungskodex (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger; weitere Partei: Bundesministerin für Gesundheit), den Beschluss gefasst:

Normen

AVG §7 Abs1 Z3;
B-VG Art133 Abs4;
VwGG §34 Abs1;
VwGVG 2014 §6;

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Die revisionswerbende Partei beantragte mit Schriftsatz vom 30. April 2014 die Aufnahme der von ihr vertriebenen Arzneispezialität "Brintellix 5mg, 10mg und 20mg Filmtabletten" (Wirkstoff: Vortioxetin) in den gelben Bereich des Erstattungskodex (im Folgenden: EKO). Dabei stufte sie die Arzneispezialität (jeweils) gemäß § 23 Abs. 2 Z 6 der Verfahrensordnung zur Herausgabe des Erstattungskodex nach § 351g ASVG - VO-EKO ("Die beantragte Arzneispezialität hat einen neuen Wirkstoff mit einem neuen Wirkprinzip zur Behandlung einer Erkrankung, zu deren Behandlung bereits Arzneispezialitäten im Erstattungskodex angeführt sind.") und gemäß § 24 Abs. 2 Z 6 VO-EKO ("Die beantragte Arzneispezialität hat einen wesentlichen zusätzlichen therapeutischen Nutzen für die Mehrzahl der Patienten/Patientinnen, welche für die Behandlung mit dem beantragten Mittel in Frage kommen, im Vergleich zu therapeutischen Alternativen.") ein. Zur Verwendung der Arzneispezialität führte sie an: "Zur Behandlung einer Major Depression, wenn mit Therapiealternativen aus dem Grünen Bereich nachweislich nicht das Auslangen gefunden werden kann." (Diese Verwendung wurde mit Schriftsatz vom 19. Dezember 2014 dahingehend modifiziert, dass es bei Episoden einer Major Depression, wenn mit zumindest einem SSRI oder SNRI nicht das Auslangen gefunden werden habe können, zum Einsatz kommen solle.)

2 Die vom Hauptverband der Österreichischen Sozialversicherungsträger (im Folgenden: Hauptverband) mit dem Antrag befasste Heilmittel-Evaluierungs-Kommission (im Folgenden: HEK) kam in ihrer Empfehlung vom 15. Jänner 2015 - nach Anhörung der revisionswerbenden Partei - zum Ergebnis, dass der festgestellte Innovationsgrad gemäß § 23 Abs. 2 Z 6 VO-EKO dem Antrag entspreche. Jedoch sei die Einstufung gemäß § 24 Abs. 2 Z 6 VO-EKO nicht nachvollziehbar, da ein wesentlicher zusätzlicher therapeutischer Nutzen im Vergleich zu therapeutischen Alternativen nicht nachgewiesen worden sei.

Sie führte aus, die Anerkennung eines neuen Wirkstoffs mit einem neuen Wirkprinzip rechtfertige nicht per se eine bestimmte Einstufung gemäß § 24 Abs. 2 VO-EKO. Eine solche Einstufung sei erst in der medizinisch-therapeutischen Evaluation auf Basis der belegten Evidenz vorgesehen.

Das antragstellende Unternehmen habe keine Vergleichspräparate gemäß § 23 Abs. 1 Z 2 VO-EKO für die medizinisch-therapeutische Evaluation herangezogen. Zur (der Zulassung von Brintellix entsprechenden) Therapie von Episoden einer Major Depression bei Erwachsenen gebe es aber zahlreiche - von der HEK namentlich aufgelistete - therapeutische Alternativen zu Brintellix im EKO auf ATC-Code Ebene 3 und 4.

Die HEK führte weiters aus, dass die klinische Wirksamkeit des Medikaments in mehreren Studien untersucht worden sei. Zu diesen sowie zu den von der revisionswerbenden Partei vorgelegten Schlüsselstudien nahm sie im Einzelnen Stellung. Zusammenfassend führte sie aus, die vorgelegten Unterlagen ergäben keinen Nachweis eines zusätzlichen oder wesentlichen zusätzlichen therapeutischen PatientInnennutzens im Vergleich zu den therapeutischen Alternativen. Die beantragte Arzneispezialität sei daher gemäß § 24 Abs. 2 Z 2 VO-EKO ("Die beantragte Arzneispezialität ist eine weitere Therapieoption mit gleichem oder ähnlichem therapeutischen Nutzen für Patienten/Patientinnen im Vergleich zu den im Rahmen der pharmakologischen Evaluation festgelegten Arzneispezialitäten.") einzustufen.

3 Mit (drei in der Begründung gleichlautenden) Bescheiden vom 30. März 2015 wies der Hauptverband den Antrag auf Aufnahme der Arzneispezialität "Brintellix 5mg Filmtabletten", "Brintellix 10mg Filmtabletten" und "Brintellix 20mg Filmtabletten" in den Erstattungskodex (gelber Bereich) gemäß § 27 Abs. 1 VO-EKO ab und strich die Arzneispezialität aus dem Erstattungskodex (roter Bereich). Zur Begründung wurde im Wesentlichen die von der HEK abgegebene Stellungnahme wiedergegeben.

4 Gegen diese Bescheide erhob die revisionswerbende Partei Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht. Mit Schreiben vom 2. Juni 2015 teilte sie eine Modifizierung ihres Antrages mit.

5 Mit dem nunmehr in Revision gezogenen Erkenntnis wies das Bundesverwaltungsgericht nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung die Beschwerden gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG ab (Spruchpunkt A.I.). Der Antrag der revisionswerbenden Partei vom 2. Juni 2015 auf Modifizierung des Antrags zur Aufnahme von Brintellix in den Erstattungskodex wurde als unzulässig zurückgewiesen (Spruchpunkt A.II.). Unter Spruchpunkt A.III. verpflichtete das Bundesverwaltungsgericht die revisionswerbende Partei gemäß § 351j Abs. 1 ASVG zur Tragung des pauschalierten Kostenersatzes iHv EUR 2.620,--. Unter Spruchpunkt B. sprach es aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.

6 Begründend ging es von folgenden Feststellungen aus:

Im grünen Bereich des EKO sei bereits eine Reihe von Antidepressiva gelistet, die dieselbe Verwendung wie Brintellix aufweisen würden.

Vortioxetin stelle einen neuen Wirkstoff mit einem neuen Wirkprinzip dar. Demgegenüber habe ein wesentlicher zusätzlicher therapeutischer Nutzen im Sinn der Bezug habenden Bestimmungen nicht festgestellt werden können. Vortioxetin (Brintellix) besitze keine dezidierte Zulassung als Second-Line-Therapie zur Behandlung depressiver Erkrankungen (Episoden einer Major Depression) bei PatientInnen, die unzureichend auf die Monotherapie mit einem SSRI (Serotonin-Wiederaufnahmehemmer) oder SNRI (Serotonin-Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmer) angesprochen hätten, und auch keine dezidierte Zulassung als Third-Line-Therapie zur Behandlung depressiver Erkrankungen (Episoden einer Major Depression) bei PatientInnen, die unzureichend auf zwei Therapiealternativen - SSRI und/oder SNRI -angesprochen hätten. Die mit dem Antrag vorgelegten drei klinischen Schlüsselstudien zu Vortioxetin hätten einen wesentlichen zusätzlichen therapeutischen Nutzen im Vergleich zu therapeutischen Alternativen auch nicht nachhaltig beweisen können. Vortioxetin (Brintellix) stelle eine zusätzliche Alternative in der Behandlung von PatientInnen mit Major Depression dar; es wirke weder wesentlich besser noch schlechter als die im grünen Bereich des EKO gelisteten Antidepressiva.

7 In seiner Beweiswürdigung führte das Bundesverwaltungsgericht zusammengefasst aus, es herrsche Uneinigkeit zur Frage, ob Vortioxetin einen wesentlichen therapeutischen Zusatznutzen im Sinn der Bezug habenden Bestimmungen biete. Die angeführte Negativ-Feststellung gründe auf der Empfehlung der HEK. Dabei handle es sich um ein gesetzlich eingerichtetes weisungsfrei gestelltes Expertengremium, dessen Zusammensetzung den Einsatz eines hohen Maßes an Fachwissen im Rahmen der Entscheidungsfindung gewährleisten solle. Im vorliegenden Fall decke sich die Empfehlung der HEK in wesentlichen Punkten mit den Ausführungen des dem Verfahren gemäß § 26 Abs. 2 VO-EKO beigezogenen Gutachters Dr. Z, die von der revisionswerbenden Partei ins Treffen geführt würden. Konkret habe der Gutachter in der Verhandlung ausgeführt, er hätte keinen Grund zur Annahme, dass der Wirkstoff Vortioxetin schlechter wirkte als die im grünen Bereich des EKO angeführten therapeutischen Alternativen. Er hätte aber auch keinen Grund zur Annahme, dass es besser wirkte. Er hätte dazu keine Daten. Einen Beweis für eine Überlegenheit lieferten die klinischen Studien nicht. Die Bestellung des Gutachters sei auf Basis eines Vorschlags des Hauptverbands durch die revisionswerbende Partei erfolgt. Generell habe sich im Rahmen der Verhandlung gezeigt, dass der Gutachter einen aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichts durchwegs objektiven Eindruck vermittelt habe. Vor diesem Hintergrund ergebe sich kein Grund, an den fachlichen Aussagen des Gutachters zu zweifeln. Die rechtliche Einstufung liege nicht im Bereich des Gutachters. Demgegenüber trete die Experten-Meinung des von der revisionswerbenden Partei herangezogenen Dr. S. in den Hintergrund. Zum einen enthalte diese keine Aussagen, die die oben angeführten Feststellungen erschüttern könnten. Sein Statement, dass die Gabe von Vortioxetin in bestimmten Situationen vielversprechend erscheine, möge zutreffen; es stehe aber nicht zur Gänze im Einklang mit den aktuellen Guidelines. Außerdem ersetze sein Statement nicht die gesetzlich normierten Schritte im Rahmen der Evaluation. Zum anderen komme seinen Aussagen nur ein verminderter Beweiswert zu, zumal er im Hinblick auf den strittigen Wirkstoff Mitglied eines beratenden Gremiums des Hauptverbands gewesen sei.

8 In rechtlicher Hinsicht führte das Bundesverwaltungsgericht im Wesentlichen Folgendes aus:

Die revisionswerbende Partei führe in der Beschwerde zwei zentrale Argumente an: Zum einen den Rechtsstandpunkt, dass eine medizinische Innovation per se eine Einordnung in den gelben Bereich rechtfertige; zum anderen den Vorwurf, das Gutachten des Dr. Z. sei vom Hauptverband fachlich nicht hinreichend gewürdigt worden.

Der vorliegende Fall weise in rechtlicher Hinsicht - worauf der Hauptverband zutreffend hingewiesen habe - bedeutende Parallelen zum Fall "Valdoxan" auf, den der Verfassungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 21. Februar 2014, B 1429/2011, entschieden habe. Auch in jenem Fall sei die Aufnahme eines Antidepressivums (Wirkstoff: Agomelatin) in den gelben Bereich des Erstattungskodex beantragt worden, die Selbsteinstufung sei gemäß § 23 Abs. 2 Z 6 VO-EKO bzw. § 24 Abs. 2 Z 5 VO-EKO erfolgt. Auch in jenem Fall hätte das Medikament als Zweit- bzw. Drittlinien-Therapie verschrieben werden sollen. Auch in jenem Fall habe der Hauptverband lediglich eine Einreihung unter § 24 Abs. 2 Z 2 VO-EKO als rechtmäßig erachtet.

Unter auszugsweiser Wiedergabe der Punkte 3.4., 3.5. und 3.6. der Entscheidungsgründe des genannten Erkenntnisses folgerte das Bundesverwaltungsgericht, es könne somit der revisionswerbenden Partei nicht gefolgt werden, wenn sie meine, dass der Nachweis einer medizinischen Innovation per se die Aufnahme in den gelben Bereich des EKO rechtfertige. Vielmehr sei - wie vom Hauptverband durchgeführt - Schritt für Schritt auf Basis der pharmakologischen Evaluation im Rahmen der medizinisch-therapeutischen Evaluation eine entsprechende Einstufung vorzunehmen.

In Bezug auf die unterschiedliche Einschätzung der revisionswerbenden Partei und des Hauptverbandes betreffend die Auswahl der Vergleichspräparate vertrat das Bundesverwaltungsgericht die Ansicht, ein Vergleich von Brintellix mit anderen Arzneispezialitäten, die dieselbe Verwendung aufweisen, erscheine vor dem Hintergrund der gesetzlichen Regelungen im Rahmen der pharmakologischen Evaluation grundsätzlich gerechtfertigt. In diesem Zusammenhang sei festzuhalten, dass unter "pharmakologischer Evaluation" im Sinne der VO-EKO lediglich diejenigen Einstufungen und Festlegungen zu verstehen seien, welche in § 23 VO-EKO angeführt seien. Darüber hinausgehende Bewertungen der Eigenschaften der beantragten Arzneispezialität wie auch der zur Evaluation heranzuziehenden Vergleichsprodukte in pharmakologischer, klinischpharmakologischer, mikrobiologischer oder anderer Hinsicht könnten jedoch Teil der medizinisch-therapeutischen Evaluation nach § 24 VO-EKO sein, sofern sie für die Bestimmung des (Zusatz‑)Nutzens des beantragten Produktes gegenüber den in der pharmakologischen Evaluation nach § 23 VO-EKO festzulegenden therapeutischen Alternativen sinnvoll und aussagekräftig seien. Das Problem bei Antidepressiva liege in der Umsetzung vom mechanistischen, pharmakologischen Wirkmechanismus, der präklinisch definiert werde, zur klinischen Wirksamkeit. Damit hänge das Problem der Bewertungen beim Übergang von § 23 VO-EKO (pharmakologische Evaluation) zur medizinisch-therapeutischen Evaluation nach § 24 VO-EKO zusammen. Das beginne bereits damit, dass die Neurotransmitterfehlsteuerung bzw. Neuroplastizitätsfehlsteuerung bei Major Depression nicht klar definiert sei, und ende bei der Frage, welchen Parameter man eigentlich korrigieren solle (Serotonin, Noradrenalin, Dopamin, Glutamat, Melatonin etc.). Beim Nachweis der klinischen Wirksamkeit würden diese Unterschiede nicht mehr so deutlich zu Tage treten. Deshalb habe Brintellix von der EMA auch keinen anderen Indikationstext erhalten als das Anwendungsgebiet "Brintellix wird angewendet zur Behandlung von Episoden einer Major Depression bei Erwachsenen"; genau dieses Anwendungsgebiet hätten auch andere Antidepressiva-Präparate aus dem grünen Bereich des EKO.

Darauf aufbauend sei zu hinterfragen gewesen, ob Brintellix tatsächlich im Vergleich zu diesen bereits im grünen Bereich des EKO gelisteten Antidepressiva einen wesentlichen zusätzlichen therapeutischen Nutzen aufweise. Seitens der HEK sei dies verneint worden. Aber auch seitens des Gutachters sei im Rahmen der Verhandlung angeführt worden, er hätte keinen Grund zur Annahme, dass der Wirkstoff Vortioxetin schlechter wirke, aber auch keinen Grund zur Annahme, dass er besser wirke. Damit sei jedoch nach dem oben zitierten Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes ein wesentlicher zusätzlicher therapeutischer Nutzen nicht nachgewiesen. Die mit dem Antrag vorgelegten drei klinischen Schlüsselstudien hätten einen wesentlichen therapeutischen Nutzen von Brintellix im Vergleich zu therapeutischen Alternativen auch nicht nachhaltig beweisen können (wird näher erläutert).

Schließlich führte das Bundesverwaltungsgericht ergänzend aus, dass gemäß § 351h Abs. 4 ASVG eine Einschränkung oder Klarstellung des Antragsbegehrens erst im Rahmen der Beschwerde oder danach grundsätzlich unzulässig sei, weshalb über den ursprünglichen Antrag in der Fassung der Änderung vom 19. Dezember 2014 zu entscheiden gewesen sei. Doch auch bei Akzeptanz der Änderung des Antrags im Rahmen des Verfahrens vor dem Bundesverwaltungsgericht würde sich an der Beurteilung nichts ändern.

Auf die ökonomische Evaluation brauche vor diesem Hintergrund nicht mehr eingegangen zu werden.

Zusammenfassend stellte das Bundesverwaltungsgericht fest, dass der Hauptverband bei der Evaluation und Bewertung der Arzneispezialitäten "Brintellix 5mg Filmtabletten", "Brintellix 10mg Filmtabletten" sowie "Brintellix 20mg Filmtabletten" (jeweiliger Wirkstoff: Vortioxetin) die rechtlichen, medizinischen und gesundheitsökonomischen Vorgaben der VO-EKO in nachvollziehbarer Weise angewandt habe; der Beschwerdeantrag sei daher abzuweisen gewesen.

9 Den Ausspruch über die Unzulässigkeit der Revision nach Art. 133 Abs. 4 B-VG begründete das Bundesverwaltungsgericht damit, dass die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhänge, der grundsätzliche Bedeutung zukomme. Zwar liege keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes vor. Allerdings habe sich der Verfassungsgerichtshof in seinem oben angeführten Erkenntnis so ausführlich mit der Rechtslage auseinandergesetzt, dass von einer klaren Rechtslage ausgegangen werden könne. Im Übrigen bewege sich der Fall überwiegend auf der Ebene der Sachverhaltsermittlung, die einer Revision nicht zugänglich sei.

10 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die (außerordentliche) Revision mit dem Antrag, die Entscheidung wegen Rechtswidrigkeit ihres Inhaltes, in eventu wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

 

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Zulässigkeit der Revision in einem gemäß § 12 Abs. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

11 1. Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen. Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

12 2. Der revisionswerbenden Partei gelingt es mit ihrem unter diesem Gesichtspunkt erstatteten Vorbringen nicht, eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG aufzuzeigen:

2.1. In Bezug auf das Vorbringen, es fehle Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zur Frage, wie der unbestimmte Rechtsbegriff "wesentlicher zusätzlicher therapeutischer Nutzen" auszulegen sei, kann gemäß § 43 Abs. 2 VwGG auf das hg. Erkenntnis vom 27. Jänner 2016, Ro 2015/08/0017 (insbesondere Punkt 5. der Entscheidungsgründe), verwiesen werden, in dem ausführlich zu diesem Thema Stellung genommen wurde. Insoweit liegen daher die in Art. 133 Abs. 4 B-VG normierten Voraussetzungen für die Zulässigkeit der Revision nicht (mehr) vor (vgl. zum nachträglichen Wegfall einer Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung, wenn die Frage in einem anderen Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof geklärt wird, etwa die hg. Beschlüsse vom 26. Juni 2014, Ra 2014/03/0005, und vom 28. August 2014, Ro 2014/21/0068).

13 Ein Klärungsbedarf hinsichtlich des Verhältnisses der Begriffe der "wesentlichen therapeutischen Innovation" in § 351c Abs. 8 ASVG und des "wesentlichen zusätzlichen therapeutischen Nutzens" in § 31 Abs. 3 Z 12 lit. b ASVG ist vor dem Hintergrund des vorliegenden Falles nicht ersichtlich, da sich das Bundesverwaltungsgericht bei seiner Beurteilung ausschließlich auf die - letztlich beide Begriffe konkretisierende - VO-EKO gestützt hat.

14 2.2. Die revisionswerbende Partei bringt außerdem vor, das Bundesverwaltungsgericht habe die Beweiswürdigung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen. Davon kann aber angesichts der eingehenden Auseinandersetzung mit sämtlichen Beweisergebnissen nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung und der - wenn auch im Rahmen der rechtlichen Beurteilung erfolgten - Würdigung der vorgelegten klinischen Studien keine Rede sein. Eine Unschlüssigkeit der Beweiswürdigung ist weder ersichtlich, noch wird sie in der Revision mit Erfolg aufgezeigt.

15 Das Bundesverwaltungsgericht hat die Stellungnahme der HEK auch richtig als sachverständige Äußerung gewertet; auch dazu kann auf das das hg. Erkenntnis vom 27. Jänner 2016, Ro 2015/08/0017, (Punkt 4. der Entscheidungsgründe) verwiesen werden.

16 2.3. Dem weiteren Vorbringen, es liege keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu der Frage vor, ob für die Auswahl der therapeutischen Alternativen im Rahmen der pharmakologischen Evaluation nach § 23 Abs. 1 VO-EKO ausschließlich auf den Zulassungstext der betreffenden Arzneispezialität abzustellen sei oder auf pharmakologische Gesichtspunkte, ist Folgendes zu entgegnen:

17 Gemäß § 23 Abs. 1 Z 2 VO-EKO ist Ziel der pharmakologischen Evaluation (auch) die Festlegung der therapeutischen Alternativen und deren Dosierung als Grundlage für die medizinisch-therapeutische Evaluation; soweit zweckmäßig, sind dabei therapeutische Alternativen mit der gleichen oder praktisch gleichen Darreichungsform auf Basis der vierten Ebene des ATC-Codes festzulegen.

18 Wie die therapeutischen Alternativen festzulegen sind, ergibt sich demnach grundsätzlich klar aus der wiedergegebenen Bestimmung. Ist die Rechtslage aber eindeutig, so liegt eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht vor, und zwar selbst dann nicht, wenn dazu noch keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ergangen ist, sofern nicht fallbezogen (ausnahmsweise) eine Konstellation vorliegt, die es im Einzelfall erforderlich macht, aus Gründen der Rechtssicherheit korrigierend einzugreifen (vgl. den hg. Beschluss vom 3. Juli 2015, Ra 2015/03/0041).

19 Im vorliegenden Fall wurde die Festlegung der therapeutischen Alternativen in der Empfehlung der HEK, der der Hauptverband und schließlich auch das Bundesverwaltungsgericht gefolgt sind, vorgenommen. Dabei wurden mehrere Präparate aufgelistet, die zum Teil in klinischen Studien als aktive Komparatoren (Vergleichspräparate) herangezogen worden waren und sich im EKO auf der jeweiligen ATC-Code-Ebene 3 und 4 befinden, wobei auch die allen diesen Präparaten (sowie Brintellix) gemeinsame Zulassung zur Behandlung von Episoden einer Major Depression bei Erwachsenen angesprochen wurde. Den zuletzt genannten Aspekt hat das Bundesverwaltungsgericht als Kriterium für die Festlegung der therapeutischen Alternativen - unter Hinweis auf die Diskrepanzen von pharmakologischen Mechanismen und klinischen Wirkungen bei Antidepressiva - in den Vordergrund gerückt. Warum das so erzielte Ergebnis fallbezogen unrichtig oder gar (im Sinn einer Beeinträchtigung der Rechtssicherheit) unvertretbar sein sollte, legt die Revision nicht konkret dar.

20 2.4. Was die Frage betrifft, ob § 351h Abs. 4 ASVG lediglich eine Änderung des ursprünglichen vor dem Hauptverband gestellten Antrags oder aber auch im Beschwerdeverfahren gestellte Anträge ausschließt, so vermag sie schon deswegen nicht die Zulässigkeit der Revision nach Art. 133 Abs. 4 B-VG zu begründen, weil der (als unzulässig gewertete) Änderungsantrag nicht von Einfluss auf das Verfahrensergebnis war, wie das Bundesverwaltungsgericht in seiner Entscheidungsbegründung auch ausdrücklich klargestellt hat.

21 2.5. Die revisionswerbende Partei erblickt eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG weiters darin, dass das Bundesverwaltungsgericht tragende Grundsätze des Verfahrensrechts verletzt habe, weil der vorsitzende Richter durch seine zu Beginn der mündlichen Verhandlung getätigte Äußerung (im Hinblick auf die "reinen Rechtsfragen" tendiere das Bundesverwaltungsgericht "momentan" dazu, dem Hauptverband unter Bezugnahme auf die Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes in der Rechtssache "Valdoxan" zu folgen) zu erkennen gegeben habe, dass er sich in der Sache bereits auf eine Entscheidung festgelegt habe.

Dem kann jedoch nicht beigepflichtet werden. Für die Beurteilung, ob der von der revisionswerbenden Partei angesprochene Befangenheitsgrund des § 6 VwGVG iVm § 7 Abs. 1 Z 3 AVG vorliegt, ist maßgebend, ob ein am Verfahren Beteiligter bei vernünftiger Würdigung aller konkreten Umstände Anlass hat, an der Unvoreingenommenheit und objektiven Einstellung des Organwalters zu zweifeln (vgl. den hg. Beschluss vom 30. Juni 2015, Ro 2015/03/0021, Punkt 2.4. der Entscheidungsgründe, mwN). Die zitierte Äußerung diente aber lediglich der Bekanntgabe einer vorläufigen Einschätzung des vorsitzenden Richters. Aus Sicht eines objektiven Verfahrensteilnehmers konnte sie nicht in einem solchen Sinn verstanden werden, dass er damit seine Weigerung, die Einschätzung angesichts allfälliger gegenteiliger Verfahrensergebnisse zu ändern, kundgetan hätte (vgl. demgegenüber zu einer Befangenheit im Sinn des § 7 Abs. 1 Z 3 AVG das hg. Erkenntnis vom 18. Februar 2015, Ra 2014/03/0057, auf das sich auch die Revision bezieht, dem aber eine inhaltlich in keiner Weise vergleichbare Äußerung des Verhandlungsleiters zugrunde lag).

2.6. Die revisionswerbende Partei rügt schließlich eine Missachtung des rechtlichen Gehörs nach § 17 VwGVG iVm § 45 Abs. 3 AVG, da sich das Bundesverwaltungsgericht entscheidend auf die Empfehlung der HEK gestützt habe, die ihr tatsächlich nicht bekannt gewesen und nicht zur Äußerung vorgehalten worden sei.

Diesem Vorbringen ist Folgendes entgegen zu halten: Die Empfehlung der HEK wurde der revisionswerbenden Partei im Weg der elektronischen Kommunikation gemäß § 11 VO-EKO bekannt gegeben. In der mündlichen Verhandlung beantragte sie darüber hinaus die Beischaffung des Protokolls der Empfehlung "zur Gewährleistung der Waffengleichheit". Das Protokoll war aber - worauf in der Verhandlung auch hingewiesen wurde - auch Teil des Aktes, auf dessen Verlesung eingangs der Verhandlung verzichtet wurde. Ein zur Zulässigkeit der Revision führender Verfahrensmangel liegt daher nicht vor.

22 3. In der Revision werden somit keine Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG aufgeworfen.

23 Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

Von der in der Revision beantragten Durchführung einer Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof konnte in diesem Fall gemäß § 39 Abs. 2 Z 1 VwGG abgesehen werden.

Wien, am 7. April 2016

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