VfGH B1429/2011

VfGHB1429/201121.2.2014

Keine Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte durch Nichtaufnahme der Arzneispezialität Valdoxan in den gelben Bereich des Erstattungskodex mangels Vorliegens eines zusätzlichen therapeutischen Nutzens des Wirkstoffes der Arznei; keine Unbestimmtheit des Rechtsbegriffs der wesentlichen therapeutischen Innovation vor dem Hintergrund der Regelungszwecke des Erstattungskodex; keine Willkür im Hinblick auf die Einstufung des Arzneimittels als weitere Therapieoption mit gleichem oder ähnlichem therapeutischen Nutzen

Normen

B-VG Art7 Abs1 / Gesetz
B-VG Art7 Abs1 / Verwaltungsakt
B-VG Art18 Abs1
B-VG Art83 Abs2
B-VG Art133 Z4
EMRK Art6 Abs1 / Tribunal
ASVG §31 Abs3 Z12, §351c Abs8, §351f, §351h, §351i,
Verfahrensordnung zur Herausgabe des Erstattungskodex nach §351g ASVG §23, §24, §25
Richtlinie 89/105/EWG des Rates vom 21.12.1988
B-VG Art7 Abs1 / Gesetz
B-VG Art7 Abs1 / Verwaltungsakt
B-VG Art18 Abs1
B-VG Art83 Abs2
B-VG Art133 Z4
EMRK Art6 Abs1 / Tribunal
ASVG §31 Abs3 Z12, §351c Abs8, §351f, §351h, §351i,
Verfahrensordnung zur Herausgabe des Erstattungskodex nach §351g ASVG §23, §24, §25
Richtlinie 89/105/EWG des Rates vom 21.12.1988

 

Spruch:

I. Die beschwerdeführende Partei ist durch den angefochtenen Bescheid weder in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht noch wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in ihren Rechten verletzt worden.

II. Die Beschwerde wird abgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe

I. Sachverhalt, Beschwerde und Vorverfahren

1. Valdoxan 25 mg Filmtabletten (mit dem Wirkstoff: Agomelatin) ist ein Anti­depressivum. Mit Antrag vom 6. September 2010 beantragte die beschwerde­führende Partei die Aufnahme dieser Arzneispezialität in den gelben Bereich des Erstattungskodex. Die beantragte Arzneispezialität wurde von der beschwerde­führenden Partei gemäß §23 Abs2 Z6 VO‑EKO (die beantragte Arzneispezialität hat einen neuen Wirkstoff mit einem neuen Wirkprinzip zur Behandlung einer Erkrankung, zu deren Behandlung bereits Arzneispezialitäten im Erstattungs­kodex angeführt sind) und gemäß §24 Abs2 Z5 VO‑EKO (die beantragte Arzneispezialität hat einen wesentlichen zusätzlichen therapeutischen Nutzen für eine Untergruppe von Patienten, welche für die Behandlung mit dem be­antragten Mittel in Frage kommen, im Vergleich zu therapeutischen Alter­nativen) eingestuft. Die Aufnahme wurde schließlich zu einem Fabriks-/Depotabgabepreis von € 19,43/33,04 (14/28 Stück) und mit folgender be­stimmter Verwendung beantragt:

"Zur Behandlung einer depressiven Episode wenn mit der Vorbehandlung durch mindestens zwei Therapiealternativen aus dem Grünen Bereich (ATCN06A, die zur Therapie der Major Depression zugelassen sind) nachweislich nicht das Aus­langen gefunden werden kann.

Erstverordnung durch N (Neurologie oder Neurologie und Psychiatrie oder Psychiatrie und Neurologie); P (Psychiatrie oder Psychiatrie und Neurologie oder Neurologie und Psychiatrie).Valdoxan eignet sich für eine chef-(kontroll)-ärzt­liche Langzeitbewilligung für 6 Monate (L6)"

2. Der Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger (im Folgenden: Hauptverband) lehnte die Einstufung von Valdoxan durch die beschwerde­führende Partei hinsichtlich der medizinisch-therapeutischen Evaluation ab und stufte das Arzneimittel gemäß §24 Abs2 Z2 VO‑EKO ein. Demnach handelt es sich um eine Arzneispezialität mit einer weiteren Therapie­option mit gleichem oder ähnlichem therapeutischen Nutzen für Patienten im Vergleich zu den im Rahmen der pharmakologischen Evaluation festgelegten Arzneispezialitäten. Ein klinisch relevanter zusätzlicher therapeutischer Patientennutzen des Wirkstoffs Agomelatin sei unzureichend belegt. Der Hauptverband wies mit Bescheid vom 13. Mai 2011 den Antrag ab und verfügte die Streichung von Valdoxan aus dem roten Bereich des Er­stattungskodex.

3. Gegen diesen Bescheid des Hauptverbandes erhob die beschwerde­führende Partei Beschwerde gemäß §351i Abs1 Z1 lita ASVG an die Unabhängige Heil­mittelkommission. Die belangte Behörde wies diese Be­schwerde mit dem nunmehr in Beschwerde gezogenen Bescheid als unbe­gründet ab.

4. Gegen den abweisenden Bescheid der Unabhängigen Heilmittel­kommission richtet sich die vorliegende Beschwerde gemäß Art144 B-VG in der mit 1. Jänner 2014 in Kraft getretenen Fassung. Die beschwerde­führende Partei erachtet sich in den verfassungsgesetz­lich gewährleisteten Rechten auf Gleichheit vor dem Gesetz iSd Art7 Abs1 B‑VG sowie auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter (Art83 Abs2 B-VG) verletzt und regt die Prüfung und Aufhebung der §§351c Abs8 und 351i Abs3 Z7 ASVG an.

5. Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und sah von der Er­stattung einer Gegenschrift ab; der Hauptverband der österreichischen Sozialver­sicherungsträger erstattete eine Äußerung, in der er den Beschwerde­ausführungen entgegentritt und die Abweisung der Beschwerde beantragt.

II. Rechtslage

1. Die im Beschwerdefall in Betracht zu ziehenden Bestimmungen des All­gemeinen Sozialversicherungsgesetzes – ASVG, BGBl 189/1955, in der hier maßgeblichen Fassung, lauten auszugsweise:

2. Gemäß §31 Abs3 Z12 ASVG gehört zu den Aufgaben des Hauptverbandes der österreichischen Sozialversicherungsträger:

"12. die Herausgabe eines Erstattungskodex der Sozialversicherung für die Ab­gabe von Arzneispezialitäten auf Rechnung eines Sozialversicherungsträgers im niedergelassenen Bereich; in dieses Verzeichnis sind jene für Österreich zuge­lassenen, erstattungsfähigen und gesichert lieferbaren Arzneispezialitäten aufzu­nehmen, die nach den Erfahrungen im In- und Ausland und nach dem aktuellen Stand der Wissenschaft eine therapeutische Wirkung und einen Nutzen für Patienten und Patientinnen im Sinne der Ziele der Krankenbehandlung (§133 Abs2) annehmen lassen. Die Arzneispezialitäten sind nach dem anatomisch­therapeutisch-chemischen Klassifikationssystem der Weltgesundheits­organisation (ATC-Code) zu ordnen. Sie sind im Erstattungskodex jeweils einem der folgenden Bereiche zuzuordnen:

a) Roter Bereich (red box): Dieser Bereich beinhaltet zeitlich befristet jene Arzneispezialitäten, die erstmalig am österreichischen Markt lieferbar sind und für deren Aufnahme in den Erstattungskodex ein Antrag nach §351c Abs1 gestellt wurde. Sie unterliegen der ärztlichen Bewilligung des chef- und kontroll­ärztlichen Dienstes der Sozialversicherungsträger nach Maßgabe der Richtlinie nach §31 Abs5 Z13. Zur Wahrung des finanziellen Gleichgewichts des Systems der sozialen Sicherheit darf einem Sozialversicherungsträger für eine Arznei­spezialität dieses Bereiches der ermittelte EU-Durchschnittspreis verrechnet werden.

b) Gelber Bereich (yellow box): Dieser Bereich beinhaltet jene Arznei­spezialitäten, die einen wesentlichen zusätzlichen therapeutischen Nutzen für Patienten und Patientinnen aufweisen und die aus medizinischen oder gesund­heitsökonomischen Gründen nicht in den grünen Bereich aufgenommen werden. Arzneispezialitäten dieses Bereiches unterliegen der ärztlichen Bewilligung des chef- und kontrollärztlichen Dienstes der Sozialversicherungsträger nach Maß­gabe der Richtlinie nach §31 Abs5 Z13. Bezieht sich die Aufnahme von Arzneispezialitäten in diesen Bereich auch auf bestimmte Verwendungen (zB Gruppen von Krankheiten, ärztliche Fachgruppen, Altersstufen von Patient(inn)en, Mengenbegrenzung oder Darreichungsform), kann die ärztliche Bewilligung des chef- und kontrollärztlichen Dienstes durch eine nachfolgende Kontrolle der Einhaltung der bestimmten Verwendung ersetzt werden. Zur Wahrung des finanziellen Gleichgewichts des Systems der sozialen Sicherheit darf einem Sozialversicherungsträger für eine Arzneispezialität dieses Bereiches höchstens der ermittelte EU-Durchschnittspreis verrechnet werden.

c) Grüner Bereich (green box): Dieser Bereich beinhaltet jene Arzneispezialitäten, deren Abgabe ohne ärztliche Bewilligung des chef- und kontrollärztlichen Dienstes der Sozialversicherungsträger auf Grund ärztlicher Verschreibung medizinisch und gesundheitsökonomisch sinnvoll und vertretbar ist. Die Auf­nahme von Arzneispezialitäten in diesem Bereich kann sich auch auf bestimmte Verwendungen (zB Gruppen von Krankheiten, ärztliche Fachgruppen, Alters­stufen von Patient(inn)en oder Darreichungsform) beziehen.

d) Die Stoffe für magistrale Zubereitungen gelten als Teil des grünen Bereiches, es sei denn, sie werden auf Grund einer Empfehlung der Heilmittel-Evaluierungs-Kommission ausdrücklich im gelben Bereich angeführt.

Arzneispezialitäten und Stoffe für magistrale Zubereitungen können nur dann als Leistung der Krankenbehandlung auf Rechnung eines Sozialversicherungsträgers abgegeben werden, wenn sie im Erstattungskodex angeführt sind (§350). In begründeten Einzelfällen ist die Erstattungsfähigkeit auch dann gegeben, wenn die Arzneispezialität nicht im Erstattungskodex angeführt ist, aber die Be­hand­lung aus zwingenden therapeutische Gründen notwendig ist und damit die Ver­schreibung in diesen Einzelfällen nicht mit Arzneispezialitäten aus dem Er­stattungskodex durchgeführt werden kann. Diese unterliegen der ärztlichen Bewilligung des chef- und kontrollärztlichen Dienstes. Die nähere Organisation und das Verfahren zur Herausgabe des Erstattungskodex regelt der Haupt­verband in der Verordnung nach §351g. Er hat dazu als beratendes Gremium eine Heilmittel-Evaluierungs-Kommission einzurichten."

3. Die §§351c ff. ASVG lauten auszugsweise:

"Aufnahme von Arzneispezialitäten in den Erstattungskodex

§351c. (1) Das vertriebsberechtigte Unternehmen beantragt beim Hauptverband die Aufnahme einer Arzneispezialität in den gelben oder den grünen Bereich des Erstattungskodex. Mit Einlangen des Antrages, mit dem zumindest die Zu­lassungsnummer und ein Preis bekannt gegeben wird und dem eine Bestätigung der Lieferfähigkeit und eine Bestätigung über die Dauer der Patentlaufzeit ange­schlossen ist, wird die Arzneispezialität zeitlich befristet in den roten Bereich aufgenommen. Stellt der Hauptverband innerhalb von 90 Tagen (wird auch über den Preis entschieden, innerhalb von 180 Tagen) nach Einlangen des Antrages fest, dass die Arzneispezialität nicht in den gelben oder grünen Bereich des Er­stattungskodex aufzunehmen ist, so ist sie aus dem roten Bereich des Er­stattungskodex zu streichen. Der Hauptverband hat die Änderungen des Er­stattungskodex monatlich im Internet kundzumachen.

(2) – (6) […]

(7) Sonderbestimmungen für den roten Bereich (red box) des Erstattungskodex:

1. Der Preis der Arzneispezialität darf den EU Durchschnittspreis nicht über­schreiten.

2. So lange ein EU Durchschnittspreis nicht festgestellt werden kann, ist vorläufig der vom vertriebsberechtigten Unternehmen gemeldete Preis heranzuziehen. Die Preiskommission hat spätestens alle sechs Monate eine Preisevaluierung durchzuführen. Wird dabei festgestellt, dass der vorläufige österreichische Er­stattungspreis über dem ermittelten EU Durchschnittspreis liegt, so hat das vertriebsberechtigte Unternehmen den Differenzbetrag innerhalb von sechs Monaten ab begründeter Aufforderung an die Sozialversicherungsträger zurück­zuzahlen.

(8) Sonderbestimmungen für den gelben Bereich (yellow box) des Erstattungs­kodex: Eine Arzneispezialität kann in den gelben Bereich aufgenommen werden, wenn die Heilmittel-Evaluierungs-Kommission (§351g) eine wesentliche therapeutische Innovation festgestellt hat.

(9) Sonderbestimmungen für den grünen Bereich (green box) des Erstattungs­kodex:

1. Eine Arzneispezialität wird dann in den grünen Bereich aufgenommen, wenn die Heilmittel-Evaluierungs-Kommission in ihrer Empfehlung eine gleiche oder ähnliche therapeutische Wirkung im Vergleich zu bereits im grünen Bereich vorhandenen Arzneispezialitäten festgestellt hat, und ein ausreichend großer Preisunterschied zu diesen Produkten vereinbart werden kann.

2. Wird für die beantragte Arzneispezialität ein höherer Preis, als der für die in diesem Bereich angeführten Vergleichspräparate geltende Preis angestrebt, so muss die Heilmittel-Evaluierungs-Kommission in ihrer Empfehlung einen therapeutischen Mehrwert im Vergleich zu Arzneispezialitäten im grünen Bereich feststellen.

(10) […]

Entscheidung des Hauptverbandes

§351d. (1) Der Hauptverband hat über den Antrag auf Aufnahme in den gelben oder grünen Bereich des Erstattungskodex innerhalb von 90 Tagen (wird auch über den Preis entschieden, innerhalb von 180 Tagen) ab Antragstellung auf Grundlage der Empfehlung der Heilmittel-Evaluierungs-Kommission zu ent­scheiden. Der Fristenlauf wird gehemmt, wenn die vom vertriebsberechtigten Unternehmen vorzulegenden Unterlagen (zB Studien, Gutachten usw.) nicht, nicht vollständig oder nicht in der aktuellen Fassung vorgelegt werden. Bei der Entscheidung über die Aufnahme in den Erstattungskodex sind für alle Arzneispezialitäten die selben Prüfmaßstäbe anzulegen.

(2) Der Hauptverband hat seine Entscheidung nur dann zu begründen, wenn dem Antrag nicht stattgegeben wird. Der Antragsteller ist über die Möglichkeit der Beschwerde an die Unabhängige Heilmittelkommission sowie über die Rechts­mittelfristen nach §351i Abs3 zu belehren.

(3) Ist ein Verfahren abgeschlossen, so ist der Hauptverband zur Entscheidung über einen neuerlichen Antrag hinsichtlich ein und der selben Arzneispezialität erst dann verpflichtet, wenn das vertriebsberechtigte Unternehmen dem Haupt­verband das Vorliegen wesentlicher neuer Erkenntnisse nachweist."

"Streichung aus dem Erstattungskodex

§351f. (1) Der Hauptverband hat den Erstattungskodex regelmäßig daraufhin zu überprüfen, ob die angeführten Arzneispezialitäten den Prüfmaßstäben nach den §§31 Abs3 Z12 und 351c entsprechen. Er hat eine Arzneispezialität aus dem Erstattungskodex zu streichen, in einen anderen Bereich zu übernehmen oder die Anführung auf bestimmte Verwendungen einzuschränken, wenn die Voraus­setzungen für die Aufnahme nicht oder nur mehr für bestimmte Verwendungen erfüllt sind, insbesondere weil neue pharmakologische oder medizinisch-therapeutische oder gesundheitsökonomische Umstände eingetreten sind. Der Hauptverband hat vor der Entscheidung, eine Arzneispezialität aus dem Er­stattungskodex zu streichen oder in einen anderen Bereich zu übernehmen, dem vertriebsberechtigten Unternehmen Gelegenheit zur Stellungnahme binnen 30 Tagen zu geben. Das vertriebsberechtigte Unternehmen legt dem Haupt­verband auf Verlangen binnen 60 Tagen jene Unterlagen vor, die geeignet sind, die Zweifel aus pharmakologischer oder medizinisch-therapeutischer oder gesundheitsökonomischer Sicht auszuräumen. Allfällige Kosten für die Erstellung diesbezüglicher Gutachten oder Studien trägt das vertriebsberechtigte Unter­nehmen.

(2) Das Bundesministerium für Gesundheit und Frauen hat jede Aufhebung der Zulassung einer Arzneispezialität dem Hauptverband mitzuteilen. Die Arznei­spezialität ist unverzüglich aus dem Erstattungskodex zu streichen.

Verordnungsermächtigung, Werbeverbot

§351g. (1) Die nähere Organisation zur Aufnahme einer Arzneispezialität und das Verfahren zur Herausgabe des Erstattungskodex regelt der Hauptverband durch Verordnung, die der Genehmigung der Bundesministerin für Gesundheit und Frauen bedarf. Vor Genehmigung hat eine Anhörung der Wirtschaftskammer Österreich zu erfolgen. Diese Verfahrensordnung hat insbesondere Zahl, Qualität und Form der vorzulegenden Unterlagen festzulegen und Regeln darüber zu enthalten, in welchen Fällen weiterführende Studien notwendig sind. Die Ver­ordnung ist vom Hauptverband im Internet kundzumachen.

(2) In der Verordnung nach Abs1 wird das Verfahren der Heilmittel-Evaluierungs-Kommission geregelt. Dieser Kommission sind alle Anträge auf Aufnahme (einschließlich aller Änderungen) einer Arzneispezialität in den Er­stattungskodex vorzulegen. Diese Kommission ist auch anzuhören, wenn der Hauptverband von sich aus eine Veränderung im Erstattungskodex beabsichtigt. Die Kommission hat dem Hauptverband insbesondere zu empfehlen,

1. ob und für welche Indikationen und Gruppen von Patienten und Patientinnen ein wesentlicher zusätzlicher therapeutischer Nutzen einer Arzneispezialität vorliegt und wie dieser ökonomisch bewertet werden kann, damit die Arznei­spezialität in den gelben Bereich aufgenommen werden oder dort verbleiben kann,

2. ob und welcher therapeutische Mehrwert (Zusatznutzen für Patienten und Patientinnen) einer Arzneispezialität vorliegt und wie dieser ökonomisch be­wertet werden kann, damit die Arzneispezialität in den grünen Bereich aufge­nommen werden oder dort verbleiben kann,

3. ob im Sinne einer sicheren und wirtschaftlichen Versorgung der Patienten und Patientinnen ein Vergabeverfahren für Wirkstoffe oder Wirkstoffgruppen einge­leitet werden sollte, um günstigere Bedingungen für die Heilmittelerstattung zu erreichen (zB wenn das Preisband zu breit oder keine Nachfolge durch ein Generikum möglich ist) und

4. bei welchen medizinischen Bedürfnissen und epidemiologischen Notwendig­keiten die ärztliche Bewilligung des chef- und kontrollärztlichen Dienstes der Sozialversicherungsträger angewendet werden sollte.

Die Empfehlungen der Heilmittel-Evaluierungs-Kommission haben die Kriterien der Wissenschaft, der Transparenz und der gesundheitsökonomischen Be­wertungen zu entsprechen.

(3) Der Heilmittel-Evaluierungs-Kommission gehören zehn Vertreter der Sozial­versicherung, drei unabhängige Vertreter der Wissenschaft aus einschlägigen Fachrichtungen (Pharmakologen und Mediziner von Universitätsinstituten), je zwei Vertreter der Wirtschaftskammer Österreich, der Bundesarbeitskammer und der Österreichischen Ärztekammer sowie ein Vertreter der Österreichischen Apothekerkammer an. Weiters gehört der Heilmittel-Evaluierungs-Kommission eine Vertreterin/ein Vertreter der Bundesländer an, mit der/dem Empfehlungen, ob neue Arzneispezialitäten intra- und/oder extramural verabreicht werden können, abzustimmen sind, ohne dass sich die Mehrheitsverhältnisse in der Kommission dadurch ändern.

(4) Der Hauptverband hat durch Verordnung pauschalierte Kostenersätze für die Kosten der Verfahren nach den §§351c Abs1 und 351e festzusetzen. Die Höhe der pauschalierten Kostenersätze hat sich nach den Kosten eines durchschnitt­lichen Verfahrens zu richten, wobei jedenfalls zwischen Verfahren zur Aufnahme einer Arzneispezialität in den Erstattungskodex und Verfahren zur Änderung der Verschreibbarkeit oder zur Preiserhöhung der im Erstattungskodex angeführten Arzneispezialitäten zu unterscheiden ist. Die Antragsteller/Antragstellerinnen haben die Kostenersätze gleichzeitig mit der Antragstellung an den Haupt­verband zu entrichten, anderenfalls der Antrag als unvollständig gilt. Die Ver­ordnung ist im Internet zu veröffentlichen.

(5) Für die im Erstattungskodex angeführten Arzneispezialitäten, insbesondere für rezeptfreie Produkte, ist jegliche Werbung, die für die Verbraucher/innen bestimmt ist, zu unterlassen; ausgenommen von diesem Werbeverbot sind rezeptfreie Arzneispezialitäten, die vom Hauptverband von sich aus (§351c Abs5) gegen den Willen des vertriebsberechtigten Unternehmens in den Er­stattungskodex aufgenommen wurden.

Einrichtung und Zusammensetzung

der Unabhängigen Heilmittelkommission

§351h. (1) Zur Überprüfung der Entscheidungen des Hauptverbandes über die Aufnahme von Arzneispezialitäten in den Erstattungskodex ist beim Bundes­ministerium für soziale Sicherheit und Generationen eine Unabhängige Heil­mittelkommission einzurichten.

(2) Die Unabhängige Heilmittelkommission besteht aus einem Richter (einer Richterin) des Obersten Gerichtshofes oder eines Oberlandesgerichtes als Vor­sitzendem (als Vorsitzender) und sieben BeisitzerInnen. Die Mitglieder werden jeweils für eine Amtsdauer von fünf Jahren bestellt. Sachverhalte, die ein Nahe­verhältnis zur Sozial- oder Privatversicherung oder zu Pharmaunternehmen begründen könnten, sind vor der Bestellung sowie nach ihrem Eintreten gegen­über dem Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen und den nach Abs3 vorschlagsberechtigten Stellen offen zu legen. Wer befangen ist, hat sich im konkreten Verfahren jeglicher Tätigkeit zu enthalten.

(3) Der (die) Vorsitzende der Unabhängigen Heilmittelkommission wird vom Bundesminister für Justiz bestellt. Als Beisitzer(innen) gehören der Unab­hängigen Heilmittelkommission jeweils ein(e) von den nachfolgenden Organisationen vorgeschlagene(r) Vertreter(in) an:

1. Österreichische Pharmakologische Gesellschaft,

2. Österreichische Ärztekammer,

3. Österreichische Apothekerkammer,

4. Wirtschaftskammer Österreich,

5. Gesundheit Österreich GmbH,

6. Bundesarbeitskammer,

7. Hauptverband.

Die Beisitzer(innen) sowie jeweils ein(e) Stellvertreter(in) werden von der Bundesministerin für Gesundheit und Frauen bestellt und haben über die er­forderlichen Zeitressourcen zur Ausübung ihres Amtes zu verfügen.

(4) Für den (die) Vorsitzende(n) und die BeisitzerInnen sind gleichzeitig mit ihrer Bestellung und auf dieselbe Weise Stellvertreter(innen) zu bestellen. Der (die) jeweilige Stellvertreter(in) hat das Mitglied der Unabhängigen Heilmittel­kommission, zu dessen Vertretung er (sie) bestellt wurde, zu vertreten, wenn dieses an der Ausübung seiner Funktion in der Unabhängigen Heilmittel­kommission verhindert ist.

(5) Die Mitglieder der Unabhängigen Heilmittelkommission und ihre Stell­vertreter(innen) sind in Ausübung ihres Amtes unabhängig und weisungsfrei; sie sind zur Amtsverschwiegenheit verpflichtet. Entscheidungen der Unabhängigen Heilmittelkommission unterliegen weder der Aufhebung noch der Änderung im Verwaltungsweg. Der Bundesminister für Gesundheit hat das Recht, sich über alle Gegenstände der Geschäftsführung zu unterrichten.

(6) Ein Mitglied der Unabhängigen Heilmittelkommission ist vom bestellenden Bundesminister seines Amtes zu entheben, wenn die Bestellungsvoraus­setzungen nach Abs2 nicht mehr vorliegen oder wenn das Mitglied

1. dies beantragt oder

2. seine Pflichten nicht erfüllt oder nicht in der Lage ist, seine Pflichten zu er­füllen.

Aufgaben der Unabhängigen Heilmittelkommission

§351i. (1) Die Unabhängige Heilmittelkommission entscheidet

1. über Beschwerden des Antragstellers,

a) dessen Antrag auf Aufnahme einer Arzneispezialität in den gelben oder grünen Bereich des Erstattungskodex (teilweise) abgelehnt wurde oder

b) über dessen Antrag nicht fristgerecht (§351d Abs1) entschieden wurde;

2. über Beschwerden des vertriebsberechtigten Unternehmens, dessen Arzneispezialität aus dem Erstattungskodex gestrichen werden soll.

(2) Die Unabhängige Heilmittelkommission entscheidet auch über Beschwerden des vertriebsberechtigten Unternehmens gegen Entscheidungen des Haupt­verbandes, mit denen Forderungen nach einer Änderung der Verschreibbarkeit oder nach einer Preiserhöhung von Arzneispezialitäten abgelehnt wurden, oder wenn über diese Forderungen nicht fristgerecht (§351d Abs1) entschieden wurde.

(3) Beschwerden nach den Abs1 und 2 sind binnen 30 Tagen nach Zustellung der Entscheidung des Hauptverbandes bei der Unabhängigen Heilmittel­kommission einzubringen. Gleichzeitig sind die Beschwerden dem Hauptverband zur Kenntnis zu bringen. Die Beschwerden haben aufschiebende Wirkung; Beschwerden gegen die Streichung einer Arzneispezialität nach §351c Abs10 Z1 aus dem grünen Bereich des Erstattungskodex haben aufschiebende Wirkung im Ausmaß von 90 Tagen ab Einbringung der Beschwerde. Beschwerden gegen die Streichung einer Arzneispezialität auf Grund mangelnder Erstattungsfähigkeit (§351c Abs2 und 4) haben keine aufschiebende Wirkung. Sie können sich nur auf Sachverhalte und Umstände beziehen, die zum Zeitpunkt der Entscheidung des Hauptverbandes vom vertriebsberechtigten Unternehmen oder vom Haupt­verband bereits eingebracht worden sind. Die Unabhängige Heilmittel­kommission darf sich bei ihrer Entscheidungsfindung nicht auf Sachverhalte und Umstände stützen, die nach der Entscheidung des Hauptverbandes vom vertriebsberechtigten Unternehmen oder vom Hauptverband eingebracht werden. Allfällige Fragen patentrechtlicher Art sind nicht Gegenstand des Ver­fahrens vor der Unabhängigen Heilmittelkommission.

(4) Die Unabhängige Heilmittelkommission hat die Entscheidung des Haupt­verbandes, mit der

1. der Antrag auf Aufnahme in den gelben oder grünen Bereich des Erstattungs­kodex (teilweise) abgelehnt wurde oder

2. eine Arzneispezialität aus dem Erstattungskodex gestrichen werden soll oder

3. die Verschreibbarkeit einer Arzneispezialität geändert werden soll,

aufzuheben, wenn der Hauptverband im Verfahren sein Ermessen überschritten oder nicht nachvollziehbar ausgeübt hat; dabei sind alle in der Beschwerde vor­gebrachten Argumente zu würdigen. Der Hauptverband hat sodann innerhalb von 120 Tagen nach Zustellung der Aufhebungsentscheidung neu zu ent­scheiden, widrigenfalls der Antrag als angenommen gilt oder die Arzneispezialität wieder in den Erstattungskodex aufzunehmen ist oder die Einschränkung der Verschreibbarkeit aufzuheben ist. Für die Zeit der Einholung eines Gutachtens eines/einer unabhängigen Experten/Expertin auf Betreiben des antragstellenden vertriebsberechtigten Unternehmens nach Maßgabe der Verordnung nach §351g wird der Lauf der Frist von 120 Tagen gehemmt. Wird jedoch eine Ent­scheidung des Hauptverbandes auf Grund mangelnder Erstattungsfähigkeit (§351c Abs2 und 4) einer Arzneispezialität nach §351c Abs1 aufgehoben, beginnt mit dem Tag der Zustellung der Aufhebungsentscheidung an den Haupt­verband die Frist nach §351c Abs1 neu zu laufen. Der Hauptverband ist bei seiner neuerlichen Entscheidung an die in der Aufhebungsentscheidung ge­äußerte Auffassung der Unabhängigen Heilmittelkommission gebunden.

(5) Die Unabhängige Heilmittelkommission entscheidet auf Antrag selbst über die Aufnahme einer Arzneispezialität in den Erstattungskodex, wenn der Haupt­verband nicht fristgerecht entschieden hat. Die Unabhängige Heilmittel­kommission hat innerhalb von 180 Tagen nach Einlangen dieses Antrages zu entscheiden, widrigenfalls der Antrag als angenommen gilt.

(6) Die Unabhängige Heilmittelkommission ist beschlussfähig, wenn der (die) Vorsitzende und mindestens vier andere Mitglieder anwesend sind. Sie trifft ihre Entscheidungen mit einfacher Stimmenmehrheit. Bei Stimmengleichheit gibt die Stimme des (der) Vorsitzenden oder seines (ihres) Stellvertreters (ihrer/seiner Stellvertreterin) den Ausschlag."

4. §§23 bis 25 der vom Hauptverband der Sozialversicherungsträger erlassenen Verfahrensordnung zur Herausgabe des Erstattungskodex nach §351g ASVG – VO‑EKO, Verlautbarung 106/2008, lauten auszugsweise folgendermaßen:

"Pharmakologische Evaluation

§23. (1) Ziel der pharmakologischen Evaluation ist:

1. Die Zuordnung und Bewertung der beantragten Arzneispezialität aus pharma­kologischer Sicht im Kontext der verfügbaren therapeutischen Alter­nativen,

2. Die Festlegung der therapeutischen Alternativen und deren Dosierung als Grundlage für die medizinisch-therapeutische Evaluation. Soweit zweckmäßig sind dabei therapeutische Alternativen mit der gleichen oder praktisch gleichen Darreichungsform auf Basis der vierten Ebene des ATC-Codes festzulegen.

(2) Der Innovationsgrad der beantragten Arzneispezialität ist dabei wie folgt festzulegen:

1. Die beantragte Arzneispezialität hat den gleichen Wirkstoff, die gleiche Wirk­stoffstärke und die gleiche oder praktisch gleiche Darreichungsform wie bereits eine oder mehrere im Erstattungskodex angeführte Arzneispezialitäten (wirk­stoffgleiches Nachfolgeprodukt).

2. Die beantragte Arzneispezialität hat den gleichen Wirkstoff, die gleiche oder praktisch gleiche Darreichungsform wie bereits eine oder mehrere im Er­stattungskodex angeführte Arzneispezialitäten, jedoch eine neue Wirk­stoffstärke.

3. Die beantragte Arzneispezialität hat eine neue Kombination von Wirkstoffen, die bereits im Erstattungskodex angeführt sind.

4. Bei der beantragten Arzneispezialität handelt es sich um eine neue Dar­reichungsform eines im Erstattungskodex angeführten Wirkstoffes oder einer im Erstattungskodex angeführten Wirkstoffkombination.

5. Die beantragte Arzneispezialität hat einen neuen Wirkstoff einer im Er­stattungskodex angeführten Wirkstoffgruppe mit einheitlich definiertem Wirk­prinzip.

6. Die beantragte Arzneispezialität hat einen neuen Wirkstoff mit einem neuen Wirkprinzip zur Behandlung einer Erkrankung, zu deren Behandlung bereits Arzneispezialitäten im Erstattungskodex angeführt sind.

7. Mit der beantragten Arzneispezialität ist die erstmalige medikamentöse Be­handlung einer Erkrankung möglich, welche bisher nichtmedikamentös be­handelt wurde.

8. Mit der beantragten Arzneispezialität ist die erstmalige Behandlung einer Erkrankung möglich.

Medizinisch-therapeutische Evaluation

§24. (1) Ziel der medizinisch-therapeutischen Evaluation ist:

1. Die Festlegung und Quantifizierung der Gruppen von Patienten/Patientinnen, die für die Behandlung mit der beantragten Arzneispezialität in Frage kommt,

2. Die Festlegung und Quantifizierung des Nutzens für Patienten/Patientinnen durch die Behandlung mit der beantragten Arzneispezialität im Vergleich zu den therapeutischen Alternativen (§23 Abs1),

3. Die Überprüfung und Festlegung der Validität der medizinisch-therapeutischen Angaben bei vorgelegten pharmakoökonomischen Studien.

(2) Die beantragte Arzneispezialität ist dabei im Rahmen einer Gesamt­be­trachtung einer der folgenden Gruppen zuzuordnen:

1. Die beantragte Arzneispezialität hat keinen zusätzlichen therapeutischen Nutzen für Patienten/Patientinnen im Vergleich zu den im Rahmen der pharma­kologischen Evaluation festgelegten Arzneispezialitäten (§23 Abs1), weil es sich um ein wirkstoffgleiches Nachfolgeprodukt gemäß §23 Abs2 Z1 handelt.

2. Die beantragte Arzneispezialität ist eine weitere Therapieoption mit gleichem oder ähnlichem therapeutischen Nutzen für Patienten/Patientinnen im Vergleich zu den im Rahmen der pharmakologischen Evaluation festge­legten Arznei­spezialitäten (§23 Abs1).

3. Die beantragte Arzneispezialität hat einen zusätzlichen therapeutischen Nutzen für eine Untergruppe von Patienten/Patientinnen, welche für die Be­handlung mit dem beantragten Mittel in Frage kommen, im Vergleich zu therapeutischen Alternativen (§23 Abs1).

4. Die beantragte Arzneispezialität hat einen zusätzlichen therapeutischen Nutzen für die Mehrzahl der Patienten/Patientinnen, welche für die Behandlung mit dem beantragten Mittel in Frage kommen, im Vergleich zu therapeutischen Alternativen (§23 Abs1).

5. Die beantragte Arzneispezialität hat einen wesentlichen zusätzlichen thera­peutischen Nutzen für eine Untergruppe von Patienten/Patientinnen, welche für die Behandlung mit dem beantragten Mittel in Frage kommen, im Vergleich zu therapeutischen Alternativen (§23 Abs1).

6. Die beantragte Arzneispezialität hat einen wesentlichen zusätzlichen thera­peutischen Nutzen für die Mehrzahl der Patienten/Patientinnen, welche für die Behandlung mit dem beantragten Mittel in Frage kommen, im Vergleich zu therapeutischen Alternativen (§23 Abs1).

(3) Bei der medizinisch-therapeutischen Evaluation ist auf die interne und externe Validität der Evidenz, welche den therapeutischen Nutzen für Patienten/ Patientinnen belegen soll, Bedacht zu nehmen. [...]

Gesundheitsökonomische Evaluation

§25. (1) Ziel der gesundheitsökonomischen Evaluation ist die Beurteilung der beantragten Arzneispezialität im Hinblick auf eine ökonomische Kranken­be­handlung im Kontext der verfügbaren therapeutischen Alternativen. Diese Evaluation basiert auf dem Ergebnis der medizinisch-therapeutischen Evaluation (§24). Dabei ist zu berücksichtigen, ob das Kosten-/Nutzenverhältnis der be­antragten Arzneispezialität in Österreich gesundheitsökonomisch nachvollzieh­bar und vertretbar ist. Bei der Evaluation des Kosten-/Nutzenverhältnisses sind die direkten Kosten der Pflichtleistungen der Sozialversicherungsträger der Krankenbehandlung (Ärztliche Hilfe, Heilmittel, Heilbehelfe), der Anstaltspflege (auf Basis der LKF-Punkte) sowie der medizinischen Maßnahmen der Rehabilitation auf Basis der tatsächlich verrechneten Preise anzusetzen, allfällige Kostenbeteiligungen der Patienten/Patientinnen (insbesondere Selbstbehalte, Rezeptgebühr oder Behandlungsbeitrag) sind außer Ansatz zu lassen.

(2) Für die Aufnahme in den Grünen Bereich des Erstattungskodex ist wie folgt von der Wirtschaftlichkeit auszugehen:

1. Bei der Fallgruppe nach §24 Abs2 Z1 ist von der Wirtschaftlichkeit auszu­gehen, wenn die Voraussetzungen nach §351c Abs10 Z1 ASVG iVm §609 Abs20 ASVG gegeben sind. Maßgeblich für die Feststellung der Reihenfolge ist der Zeitpunkt der Aufnahme in den Grünen Bereich; dabei sind die Anträge nach Möglichkeit in der Reihenfolge ihrer Vollständigkeit zu erledigen.

a) Die Wirtschaftlichkeit des ersten wirkstoffgleichen Nachfolgeproduktes ist somit gegeben, wenn der Preis im Jahr 2004 um mindestens 44,0 %, im Jahr 2005 um mindestens 46,0 %, ab dem Jahr 2006 um mindestens 48,0 % unter dem Preis des im Grünen Bereich angeführten Originalproduktes liegt. Die Wirtschaftlich­keit des zweiten und jedes weiteren wirkstoffgleichen Nachfolgeproduktes ist somit gegeben, wenn ein genügend großer Preisunterschied zum jeweils zuletzt aufgenommenen Nachfolgeprodukt gegeben ist.

b) Die Wirtschaftlichkeit des im Grünen Bereich angeführten Originalproduktes ist dann gegeben, wenn der Preis spätestens drei Monate nach der Aufnahme des ersten wirkstoffgleichen Nachfolgeproduktes um mindestens 30,0 % gesenkt wird. Spätestens drei Monate nach Aufnahme des dritten wirkstoffgleichen Nachfolgeproduktes, ist der Preis des im Grünen Bereich angeführten Original­produktes neuerlich zu senken, damit die Wirtschaftlichkeit gegeben ist. Kann eine Einigung nicht erzielt werden, so ist die Arzneispezialität aus dem Er­stattungskodex zu streichen.

c) Gemäß §351c Abs10 Z2 ASVG kann der Hauptverband zur Förderung der Verfügbarkeit von wirkstoffgleichen Nachfolgeprodukten auf Empfehlung der HEK für bestimmte Wirkstoffe abweichende Regelungen anwenden, um das finanzielle Gleichgewicht der sozialen Krankenversicherungsträger zu gewähr­leisten.

2. Bei der Fallgruppe nach §24 Abs2 Z2 ist von der Wirtschaftlichkeit auszu­gehen, wenn die Behandlungskosten mit der beantragten Arzneispezialität aus­reichend unter den vergleichbaren Behandlungskosten mit dem im Grünen Bereich angeführten günstigsten vergleichbaren Arzneispezialität liegen (§351c Abs9 Z1 ASVG).

3. Bei der Fallgruppe nach §24 Abs2 Z3 ist von der Wirtschaftlichkeit auszu­gehen, wenn die Behandlungskosten mit der beantragten Arzneispezialität im geringen Ausmaß über den vergleichbaren Behandlungskosten mit der im Grünen Bereich angeführten günstigsten vergleichbaren Arzneispezialität liegen (§351c Abs9 Z2 ASVG).

4. Bei der Fallgruppe nach §24 Abs2 Z4 ist von der Wirtschaftlichkeit auszu­gehen, wenn die Behandlungskosten mit der beantragten Arzneispezialität an­gemessen über den vergleichbaren Behandlungskosten mit der im Grünen Bereich angeführten günstigsten vergleichbaren Arzneispezialität liegen (§351c Abs9 Z2 ASVG).

5. Bei der Fallgruppe nach §24 Abs2 Z5 und 6 ist von der Wirtschaftlichkeit auszugehen, wenn deren Abgabe ohne ärztliche Bewilligung des chef- und kontrollärztlichen Dienstes der Sozialversicherungsträger gesundheits­ökonomisch sinnvoll und vertretbar ist, insbesondere im Hinblick auf das zu erwartende Kosten/Nutzenverhältnis für die definierte Gruppe von Patienten/Patientinnen (§351c Abs9 Z2 ASVG). Dies ist vom antragstellenden Unternehmen anhand einer pharmakoökonomischen Studie nachzuweisen. Der Hauptverband kann bei Offensichtlichkeit auf die Vorlage der pharmako­ökonomischen Studie durch das antragstellende Unternehmen vorläufig ver­zichten.

(3) – (6) [...]"

III. Erwägungen

Der Verfassungsgerichtshof hat über die – zulässige – Beschwerde erwogen:

1. Die beschwerdeführende Partei wendet sich zunächst mit der Behauptung der Verletzung im Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter gegen die kollegiale Zusammensetzung der belangten Behörde, und zwar mit der Be­gründung, es habe an dem Bescheid mit dem Leiter der Abteilung "EBM/HTA" ("Evidence Based Medicine" bzw. "Health Technology Assessment") des Haupt­verbandes ein befangener Organ­walter mitgewirkt.

1.1. Das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter wird insbesondere dann verletzt, wenn eine an sich zu­ständige, aber nicht dem Gesetz entsprechend zusammengesetzte Kollegial­behörde entschieden hat (zB VfSlg 10.022/1984, 14.731/1997, 15.588/1999, 15.668/1999, 15.731/2000 und 16.572/2002). Im Hinblick auf ihr diesbezügliches Vorbringen verkennt die beschwerdeführende Partei, dass selbst die Mitwirkung eines befangenen Organwalters keine Verletzung dieses Rechts bewirken würde (s. etwa VfSlg 16.467/2002, 16.959/2003).

1.2. Auch wenn das Beschwerdevorbringen dahin gehend gedeutet wird, dass damit eine Verletzung der Garantien des Art6 EMRK geltend gemacht werden sollte, so ist auch eine solche aus folgenden Erwägungen nicht zu erkennen:

Der Verfassungsgerichtshof hat die Unabhängige Heilmittelkommission bereits in seinem Erkenntnis VfSlg 17.686/2005 (diesem folgend VfSlg 17.701/2005) als Kollegialbehörde mit richterlichem Einschlag iSd Art133 Z4 B‑VG in der bis zum Ablauf des 31. Dezember 2013 geltenden Fassung und als Tribunal iSd Art6 EMRK qualifiziert. Der Gerichtshof hält an dieser Recht­sprechung weiterhin fest.

Nach ständiger Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (vgl. zB VfSlg 9887/1983, 11.912/1988 uva.) lässt sich allein aus der gesetzlich vorge­schriebenen Mitwirkung sogenannter Interessenvertreter an der Entscheidung eine – auch nur scheinbare – Abhängigkeit von den Streitparteien nicht ableiten: Die weisungsfreien Interessenvertreter, die in einer Kollegialbehörde mit richter­lichem Einschlag im Sinne des Art133 Z4 B‑VG in der bis zum Ablauf des 31. Dezember 2013 geltenden Fassung vertreten sind, fungieren keinesfalls als persönliches Sprachrohr der einen oder anderen Partei; sie sollen vielmehr fach­liche Gesichtspunkte in den Entscheidungsvorgang einbringen, die sich aus ihrer jeweiligen Berufsstellung ergeben. Ein Verstoß gegen die ge­forderte Unpartei­lichkeit könnte, wie der Verfassungsgerichtshof in seinem Erkenntnis VfSlg 12.470/1990 mit näherer Begründung ausgesprochen hat, nur in besonderen Umständen liegen, die sich aus einer dienstlichen oder organisatorischen Abhängigkeit der bestellten Kommissionsmitglieder ergeben.

Der Verfassungsgerichtshof hat sich mit dem auch im vorliegenden Verfahren erhobenen Einwand betreffend das oben erwähnte Mitglied der belangten Behörde in seinem Erkenntnis VfSlg 19.631/2012 unter Einbeziehung ein­schlägiger Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte bereits eingehend auseinandergesetzt und ist zu dem Ergebnis gelangt, dass allein aus der dienstrechtlichen Stellung als Abteilungsleiter des Hauptverbandes der österreichischen Sozialversicherungsträger keine Befangenheit bei der Mit­wirkung an der Rechtsfindung der belangten Behörde abzuleiten ist. Gegen die konkrete Zusammensetzung der belangten Behörde sind daher in Bezug auf Unabhängigkeit und Weisungsfreiheit ihrer Mitglieder keine Bedenken ent­standen.

1.3. Auch im vorliegenden Fall wird – abgesehen von der Darlegung der organisationsrechtlichen Stellung des betreffenden Mitgliedes der belangten Behörde und der daraus abgeleiteten Bedenken – kein weiterer Umstand geltend gemacht, der im vorliegenden Verfahren zu Zweifeln an der Unparteilichkeit der belangten Behörde Anlass geben könnte.

1.4. Die behauptete Rechtsverletzung liegt daher nicht vor.

2. Die beschwerdeführende Partei behauptet ferner, dass der Prüfungsmaßstab der belangten Behörde gemessen an den Anforderungen an ein "effektives Rechtsmittel" (offenbar gemeint: iSd Art13 EMRK) nicht ausreiche und einen Verstoß gegen den Gleichheitssatz und das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter dar­stelle. Die Prüfung, ob der Hauptverband "sein Ermessen überschritten oder nicht nachvollziehbar aus­geübt hat", gewährleiste keine ausreichende Kontroll­dichte.

2.1. Die vom Hauptverband für die Aufnahme von Arzneimitteln in den Er­stattungs­kodex zu beachtenden gesetzlichen Kriterien geben einen ausreichend determinierenden Rahmen für eine Abwägungsentscheidung des Haupt­verbandes. Die Unabhängige Heilmittelkommission ist berechtigt, die Ent­scheidung des Hauptverbandes in jeder Hinsicht zu überprüfen, dh. sowohl die Verletzung der gesetzlichen Grenzen der Ermessensübung, als auch eine dieser Prüfung ent­gegenstehende unzureichende (dh. auch widersprüchliche, un­schlüssige oder fehlende) Begründung als zur Aufhebung der Entscheidung des Hauptverbandes führende Rechtswidrigkeit aufzugreifen. Der Umstand, dass die Unabhängige Heilmittelkommission bloß kassatorische Entscheidungsbefugnis hat, reicht angesichts der gesetzlichen Bindungswirkung ihrer Entscheidungen nach dem genannten Maßstab aus (VfGH 28.11.2013, B1415/2011).

2.2. Der in der Beschwerde kritisierte Ausschluss der beschwerdeführenden Partei von neuem Tatsachen- und Beweisvorbringen im Beschwerdeverfahren vor der be­langten Behörde dient der Einhaltung der der Behörde im Interesse einer raschen Erledigung gesetzten Entscheidungsfristen und entspricht der Logik einer bloß nachprüfenden Kontrolle, die der Verfassungsgerichtshof als ver­fassungs­rechtlich unbedenklich beurteilt hat (vgl. schon VfSlg 17.686/2005).

3. Ferner behauptet die beschwerdeführende Partei eine Verfassungswidrigkeit des §351c Abs8 ASVG (der Sache nach einen Verstoß gegen Art18 B‑VG), und zwar mit der Begründung, dass der Rechtsbegriff der "wesentlichen thera­peutischen Innovation" nicht hinreichend definiert sei. Entgegen der Auffassung der beschwerdeführenden Partei handelt es sich dabei um einen unbestimmten Rechtsbegriff, zu dessen Beurteilung im Einzelfall es zwar sachverständigen Wissens bedarf, von dem aber nicht gesagt werden kann, dass er dem Haupt­verband einen "unermesslichen Ermessensspielraum" einräumt.

3.1. Unbestimmte Gesetzesbegriffe entsprechen dem Determinierungsgebot, wenn sie "auslegungsfähig" sind, dh. wenn unter Heranziehung aller Inter­pretationsmethoden beurteilt werden kann, wozu das Gesetz die Verwaltungs­behörde ermächtigt (vgl. dazu und zum Folgenden: VfSlg 11.859/1988; 13.785/1994 ua.). Dafür werden auch die Ent­stehungsgeschichte, der Gegen­stand und der Zweck einer Bestimmung herange­zogen (VfSlg 11.499/1987, 15.447/1999).

3.2. Lehre und Rechtsprechung gehen von einem differenzierten Legalitäts­prinzip aus, demzufolge unterschiedliche Regelungsbereiche einen unterschied­lichen Grad an Vorherbestimmung verlangen (zB VfSlg 13.785/1994, wonach für Regelungen im Bereich des Wirtschaftsrechts keine so weitgehende gesetzliche Vorherbestimmung erforderlich ist wie etwa im Sozialversicherungsrecht). Doch ist dem Gesetzgeber selbst in "eingriffsnahen" Bereichen die Verwendung unbe­stimmter Gesetzesbegriffe, mit denen der Gesetzgeber zwangsläufig Unschärfen in Kauf nimmt und von einer exakten Determinierung des Behördenhandelns Abstand nimmt, nicht verboten (vgl. VfSlg 10.737/1985). Im Sozialversicherungs­recht erachtete der Verfassungsgerichtshof etwa die Verwendung des Begriffs "längere Zeit" im Arbeitslosenversicherungsgesetz für zulässig (VfSlg 14.466/1996).

3.3. Mit der Aufnahme in den Erstattungskodex wird festgelegt, welche Arznei­spezialitäten von welchem Arzt unmittelbar auf Rechnung eines Krankenver­sicherungsträgers mit oder ohne vorherige chefärztliche Genehmigung ver­schrieben werden dürfen; die Verschreibung dieser Medikamente durch den Arzt ist somit für die Krankenversicherungsträger unmittelbar kostenwirksam, sodass die genannten Kriterien für die Aufnahme einer Arzneispezialität in den Kreis der verschreibbaren Medikamente dem wichtigen öffentlichen Interesse der Auf­rechterhaltung der Finanzierbarkeit der gesetzlichen Krankenversicherung dienen.

3.4. Die im Gesetz und in der Verfahrensordnung – auch in Umsetzung der Richt­linie 89/105/EWG des Rates vom 21. Dezember 1988 betreffend die Transparenz von Maßnahmen zur Regelung der Preisfestsetzung bei Arzneimitteln (ABl. 1989 L 40, 8) – vorgesehenen Anforderungen für die Aufnahme einer Arzneispezialität in den Erstattungskodex dienen – gemeinsam mit anderen Preisregelungsvor­schriften auf diesem Gebiet (vgl. VfSlg 19.631/2012) – dem Ziel der "Gewährleistung einer adäquaten Versorgung mit Arzneimitteln zu an­ge­messenen Kosten" sowie einer "Einschränkung der Palette der Erzeugnisse, die vom staatlichen Krankenversicherungssystem gedeckt werden" bzw. – in den verba legalia des §25 Abs1 VO-EKO – dem Ziel einer ökonomischen Krankenbe­handlung im Kontext der verfügbaren therapeutischen Alternativen bei Wahrung des finanziellen Gleichgewichts des Systems der sozialen Sicherheit. Mit den Vorschriften des §351c ff. ASVG hat der Gesetzgeber unmissverständlich den für den Erstattungskodex tragenden Grund­satz zum Ausdruck gebracht, dass eine Arzneispezialität nur dann in den Erstattungskodex aufgenommen werden soll, wenn sie entweder einen medizinischen oder zumindest einen ökonomischen Zusatznutzen gegenüber anderen im Erstattungskodex angeführten Arznei­spezialitäten auf­weist (VfSlg 19.714/2012). Der Begriff der wesentlichen therapeutischen Innovation im Sinne des vor dem Hintergrund der Regelungs­zwecke des Erstattungskodex geradezu auf der Hand liegenden Begriffsverständnisses einer deutlich günstigeren therapeutischen Wirkung ist daher nicht unbestimmt.

3.5. Diesem Grundgedanken folgt die Bestimmung des §351c Abs8 ASVG iVm §25 Abs2 Z2 VO‑EKO: Bei Fehlen einer wesentlichen therapeutischen Innovation ist für die soziale Krankenversicherung die Aufnahme einer neuen Arzneispezialität in das Heilmittelverzeichnis nur dann wirtschaftlich (und daher sinnvoll), wenn die Behandlungskosten ausreichend unter jenen der im grünen Bereich angeführten, günstigsten vergleichbaren Arzneispezialität liegen.

3.6. Einen Verstoß gegen den Gleichheitssatz erblickt die beschwerdeführende Partei darin, dass es Gesetz und Verordnung zulassen, dass ein "first in class"-Produkt wie Valdoxan mit einem Preis "für hoch innovative Produkte", mit Niedrigpreisen von Generika verglichen werden kann. Die beschwerdeführende Partei verkennt in ihrer Argumentation, dass es – ausgehend von den oben dar­gelegten Zwecken des Erstattungskodex – nicht ausreicht, wenn die pharmakologische Innovation eines neuen Wirkmechanismus (wie zB im Falle von Valdoxan), bloß eine "ebenso gute Wirkung zeigt, wie bereits am Markt verfügbare andere Arznei­mittel". Ein Vorteil für die gesetzliche Kranken­ver­sicherung – und darauf kommt es beim Erstattungskodex entscheidend an –besteht vielmehr nur dann, wenn entweder eine wesentliche Verbesserung in den therapeutischen Wirkungen für die Behandlung krankenversicherter Patienten entsteht oder wenn sich Vorteile auf der Finanzierungsseite ergeben, weil es sich im Verhältnis zu den am Markt und nach dem Erstattungskodex verfügbaren Alternativen um ein signifikant kostengünstigeres Medikament handelt. Es ist aber nicht gleichheitswidrig, wenn die gesetzliche Regelung dazu führt, dass ein vertriebsberechtigtes Unternehmen das Marktrisiko für ein im Wirkmechanismus zwar neuartiges und daher hochpreisiges, aber in den therapeutischen Wirkungen den bisherigen Alternativen (von denen überdies bereits Generika existieren) im Wesentlichen bloß entsprechendes Arzneimittel, in erster Linie selbst zu tragen hat.

3.7. Die für die gesundheitsökonomischen Anforderungen maßgebliche gesetz­liche Differenzierung zwischen Arzneimitteln, die eine wesentliche thera­peutische Innovation darstellen und Arzneimitteln, bei denen dies nicht der Fall ist, verstößt daher weder gegen das Rechtsstaatsprinzip noch gegen den Gleich­heitssatz.

4. Schließlich behauptet die beschwerdeführende Partei, im Recht auf Gleichheit vor dem Gesetz iSd Art7 Abs1 B‑VG dadurch verletzt zu sein, dass die belangte Behörde durch gehäuftes Verkennen der Rechtslage Willkür geübt habe.

4.1. Ein willkürliches Verhalten der Behörde, das in die Verfassungssphäre ein­greift, liegt unter anderem in einer gehäuften Verkennung der Rechtslage, aber auch im Unterlassen jeglicher Ermittlungstätigkeit in einem entscheidenden Punkt oder dem Unterlassen eines ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahrens überhaupt, insbesondere in Verbindung mit einem Ignorieren des Parteivor­bringens und einem leichtfertigen Abgehen vom Inhalt der Akten oder dem Außerachtlassen des konkreten Sachverhaltes (zB VfSlg 8808/1980 mwN, 14.848/1997, 15.241/1998 mwN, 16.287/2001, 16.640/2002).

4.2. Der für das Ergebnis zwischen den Parteien des Verfahrens maßgebliche Streitpunkt ist die Frage, ob Valdoxan im Zuge der medizinisch-therapeutischen Evaluation zu Recht in §24 Abs2 Z2 VO‑EKO (als "eine weitere Therapieoption mit gleichem oder ähnlichem therapeutischen Nutzen für Patienten/Patientinnen im Vergleich zu den im Rahmen der pharmakologischen Evaluation festgelegten Arzneispezialitäten") statt wie beantragt in §24 Abs2 Z5 VO‑EKO ("Die be­antragte Arzneispezialität hat einen wesentlichen zusätzlichen therapeutischen Nutzen für die Mehrzahl der Patienten/Patientinnen, welche für die Behandlung mit dem beantragten Mittel in Frage kommen, im Vergleich zu therapeutischen Alternativen") eingestuft wurde.

4.3. Die belangte Behörde hat den in ihrem Verfahren geltend gemachten Ein­wänden der beschwerdeführenden Partei zu dieser Frage Folgendes entgegnet:

"Neben der über den Serotonin-Antagonismus vermittelten [antidepressiven] Wirkung weist Valdoxan als neuer Wirkstoff [ein] weiteres neues Wirkprinzip auf, einen agonistischen Effekt auf Melatonin-Rezeptoren. Der Agonismus an den Melatoninrezeptoren soll dazu beitragen, die im Rahmen einer Depression ge­störte zirkadiane Rhythmik (Schlaf-Wach-Rhythmus) und das Schlafmuster der Patienten zu normalisieren.

Zur Bewertung dieser Wirkung stehen neben der Befragung (HAM‑D, Leeds Schlaf-Fragebogen LSEQ) teils einfache (Aktigrafie), teils komplexe aufwändige Verfahren (Polysomnographie) er­gänzt durch Bewertung von Hormonprofilen zur Verfügung.

Bei der statistischen Auswertung der Daten stellt der Nachweis einer gefundenen Signifikanz im Unterschied noch keine Relevanz dar, wenn nicht dem Unterschied auch eine praktisch klinische Bedeutung zukommt. Der Hin­weis auf einen Ein­fluss-Trend bei Einzel-Parametern durch die Arzneispezialität würde einer wissenschaftlichen Seriosität besser gerecht werden wie auch der Bezug auf mehrere Variable im Sinne eines Reaktionsmusters.

Zur Aufnahme in den Gelben Bereich des Erstattungskodex wird vom Antrag­steller im Sinne des §24 Abs2 Z5 VO‑EKO von einem wesentlichen zusätzlichen therapeutischen Nutzen für eine Untergruppe von Patienten im Vergleich zu therapeutischen Alternativen gesprochen (Schlaf-Wach-Rhythmusstörungen, Schlafmuster).

Aus der Datenlage ergibt sich allerdings – auch mit Blick auf das Gutachten von Univ.-Doz. Dr. M. B. – kein wesentlicher zusätzlicher thera­peutischer Nutzen im Vergleich zu therapeutischen Alternativen:

• Agomelatin ist unter kontrollierten Studienbedingungen zumindest gleich wirksam verglichen mit den heute zur Verfügung stehenden Substanzen (Anti­depressiva aus den Gruppen SSRI u SNRI).

• Bei fast allen Studien besteht ein conflict of interest der Autoren.

• Unterschiede in den Responderraten zwischen Agomelatin und Placebo (er­weiterte Meta-Analyse, Kennedy SH 2010) lagen zwischen 14,8 und 19,0 % (16 % Responderrate wäre die untere Grenze des pharmakologischen Effektes in Placebokontrollierten Studien).

• Zum Einfluss auf den Schlaf-Wach-Rhythmus – potentieller zusätzlicher Patientennutzen: Studie Lemoine P, 2007 – Placebo-kontrollierte Studie zwischen Agomelatin (25-50 mg) und Venlafaxin (75-150 mg), Schlaf-Fragebogen: 'getting to sleep' score war unter Agomelatin signifikant höher, andere Parameter wie Schlafqualität, nächtliches Erwachen, Summe der HAM‑D-Punkte 4-6 gleichfalls im Sinne eines klinisch moderaten Unterschiedes zu Venlafaxin.

• Studie Quera Salva MA 2007: Polysomnographie an den Tagen 7, 14 und 42 unter Agomelatin 25 mg bei 15 Patienten mit MDD. Schlafkontinuität und Schlaf­qualität verbessert.

• Kaspar S 2010: Vergleich der Wirksamkeit von Agomelatin (25–50 mg) mit Sertralin 50-100 mg mittels Aktigraphie. Signifikanter Unterschied für Agomelatin in der ersten Woche, ab Tag 14 waren beide Gruppen vergleichbar beeinflusst. Einzelne abgeleitete Schlafparameter waren unter Agomelatin günstiger beein­flusst bei numerisch niedrigeren Werten in beiden Studien­gruppen.

Basierend auf den verfügbaren klinischen Daten scheint Agomelatin auch bei depressiven Patienten das Potential zu haben, Schlaf-Wach-Rhythmusstörungen ohne sedierende Eigen­schaften zu beeinflussen. Ein Unterschied von Agomelatin dürfte eine etwas frühere Ver­besserung im Hinblick auf das Einschlafen und die Schlafqualität sein. Die in den Studien unter­suchten SSRI und SNRI Anti­depressiva zeigen gleichfalls einen Einfluss auf das Schlafmuster (ohne Placebo-Kontrolle). Für eine Subgruppe von Patienten mit einem beeinträchtigten zirkadianen Rhythmus könnte Agomelatin durch Resynchronisierung gestörter Schlafmuster einen therapeutischen Vorteil gegenüber anderen Antidepressiva darstellen, von denen be­kannt ist, dass sie ihrerseits Einfluss auf das Schlaf­muster nehmen, dieses aber nicht resynchronisieren.

Ein klinisch relevanter wesentlicher zusätzlicher therapeutischer Patientennutzen (§24 Abs2 Z5 VO‑EKO) von Agomelatin im Vergleich zu therapeutischen Alter­nativen ist zusammenfassend nach der Datenlage unzureichend belegt (neben der antidepressiven Wirkung eine besondere Beeinflussung von Schlaf-Wach-Rhythmusstörungen und der Schlafqualität).

Die Aufnahme in den Gelben Bereich des Erstattungskodex ist somit nachvoll­ziehbar nicht gerecht­fertigt."

5. Die beschwerdeführende Partei tritt in ihrem Beschwerdevorbringen vor dem Verfassungsgerichtshof diesen Feststellungen der belangten Behörde mit keinem Wort entgegen. Der Verfassungsgerichtshof vermag daher nicht zu erkennen, dass die belangte Behörde Willkür geübt hätte. Auch der für die Aufnahme einer Arzneispezialität eines im Wesentlichen gleichen therapeutischen Nutzens in den Erstattungskodex geforderte Kosten­vorteil eines um 10 % niedrigeren Abgabe­preises ist weder gesetzwidrig noch unverhältnismäßig (vgl. das noch zum Heil­mittelverzeichnis ergangene Erkenntnis VfSlg 17.500/2005).

6. Ob der angefochtene Bescheid in jeder Hinsicht dem Gesetz entspricht, ist vom Verfassungsgerichtshof nicht zu prüfen, und zwar auch dann nicht, wenn sich die Beschwerde – wie im vorliegenden Fall – gegen die Entscheidung einer Kollegialbehörde nach Art133 Z4 B‑VG in der bis zum Ablauf des 31. Dezember 2013 geltenden Fassung richtet, die beim Verwaltungsgerichtshof nicht bekämpft werden kann (vgl. zB VfSlg 10.659/1985, 12.915/1991, 14.408/1996, 16.570/2002 und 16.795/2003).

IV. Ergebnis

1. Die behauptete Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte hat sohin nicht stattgefunden.

2. Das Verfahren hat auch nicht ergeben, dass die beschwerdeführende Partei in einem von ihr nicht geltend gemachten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht verletzt worden wäre; ebenso wenig entstanden – aus der Sicht dieser Beschwerdesache – verfassungsrechtliche Bedenken gegen die dem bekämpften Bescheid zugrunde liegenden Rechtsvorschriften. Die beschwerdeführende Partei wurde mithin auch nicht wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in ihren Rechten verletzt.

3. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VfGG ohne münd­liche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

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