VwGH Ra 2014/21/0014

VwGHRa 2014/21/001422.5.2014

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Vizepräsidentin Dr. Sporrer als Richterin und die Hofräte Dr. Pelant und Dr. Sulzbacher als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Klammer, in der Revisionssache *****, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Kärnten vom 3. März 2014, Zl. KUVS-2590/16/2013, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbotes (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Normen

AVG §56;
B-VG Art133 Abs4 idF 2012/I/051;
FrPolG 2005 §52 Abs1 idF 2011/I/038;
FrPolG 2005 §53 Abs1 idF 2011/I/038;
FrPolG 2005 §53 Abs3 Z1 idF 2011/I/038;
FrPolG 2005 §61 idF 2011/I/038;
FrPolG 2005 §67 Abs1 idF 2011/I/038;
FrPolG 2005 §70 Abs1 idF 2011/I/038;
FrPolG 2005 §70 Abs3 idF 2011/I/038;
VwGbk-ÜG 2013 §4 Abs1;
VwGbk-ÜG 2013 §4 Abs5;
AVG §56;
B-VG Art133 Abs4 idF 2012/I/051;
FrPolG 2005 §52 Abs1 idF 2011/I/038;
FrPolG 2005 §53 Abs1 idF 2011/I/038;
FrPolG 2005 §53 Abs3 Z1 idF 2011/I/038;
FrPolG 2005 §61 idF 2011/I/038;
FrPolG 2005 §67 Abs1 idF 2011/I/038;
FrPolG 2005 §70 Abs1 idF 2011/I/038;
FrPolG 2005 §70 Abs3 idF 2011/I/038;
VwGbk-ÜG 2013 §4 Abs1;
VwGbk-ÜG 2013 §4 Abs5;

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

Mit dem angefochtenen Erkenntnis vom 3. März 2014 gab das gemäß § 125 Abs. 22 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG) zuständig gewordene Landesverwaltungsgericht Kärnten der Berufung/Beschwerde des aus dem Kosovo stammenden Revisionswerbers gegen den Bescheid der Landespolizeidirektion Kärnten vom 7. November 2013, mit dem gegen den Revisionswerber gemäß § 52 Abs. 1 FPG eine Rückkehrentscheidung und gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 3 Z 1 FPG ein zehnjähriges Einreiseverbot erlassen worden war, teilweise dahin Folge, dass gegen ihn - im Hinblick auf die am 8. Februar 2014 vorgenommene Eheschließung mit einer unionsrechtlich aufenthaltsberechtigten polnischen Staatsangehörigen und auf die damit erlangte Stellung als begünstigter Drittstaatsangehöriger iSd § 2 Abs. 4 Z 11 FPG - ein auf § 67 Abs. 1 FPG (in der im vorliegenden Fall gemäß § 125 Abs. 22 FPG maßgeblichen Fassung des FrÄG 2011) gestütztes, mit fünf Jahren befristetes Aufenthaltsverbot erlassen wurde.

Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis eines Verwaltungsgerichtes die Revision (nur) zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Gemäß § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich (u.a.) wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG "nicht zur Behandlung eignen", ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

Im gegenständlichen Fall hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses gemäß § 25a Abs. 1 VwGG ausgesprochen, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei, wobei es allerdings der im zweiten Satz dieser Bestimmung normierten Begründungspflicht durch die bloße Bezugnahme auf die verba legalia des Art. 133 Abs. 4 B-VG nur unzulänglich entsprach.

An diesen Ausspruch des Verwaltungsgerichtes ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision unter dem genannten Gesichtspunkt gemäß § 34 Abs. 1a VwGG nicht gebunden. In diesem Fall hat die außerordentliche Revision nach § 28 Abs. 3 VwGG gesondert die Gründe zu enthalten, aus denen entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichtes die Revision für zulässig erachtet wird. Im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe hat der Verwaltungsgerichtshof dann die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zu überprüfen (§ 34 Abs. 1a zweiter Satz VwGG).

Die diesbezüglichen Ausführungen in der Revision, mit denen in erster Linie ein Abweichen von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes behauptet wird, richten sich gegen die vom Verwaltungsgericht angenommene Gefährdung iSd § 67 Abs. 1 FPG und gegen die nach § 61 FPG (jeweils idF des FrÄG 2011) vorgenommene Interessenabwägung.

Der Verwaltungsgerichtshof hat aber bereits in seinem Beschluss vom 25. April 2014, Zl. Ro 2014/21/0033, zum Ausdruck gebracht, dass die bei Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme unter Bedachtnahme auf die jeweiligen Umstände des Einzelfalls in Form einer Gesamtbetrachtung vorgenommene Interessenabwägung im Allgemeinen - wenn sie auf einer verfahrensrechtlich einwandfreien Grundlage erfolgte und in vertretbarer Weise im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze vorgenommen wurde - nicht revisibel iSd Art. 133 Abs. 4 B-VG sei. Das gelte sinngemäß auch für die einzelfallbezogene Erstellung einer Gefährdungsprognose.

Das in Bezug auf die genannten Gesichtspunkte nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung vom Verwaltungsgericht fallbezogen erzielte Ergebnis - es liege eine Gefährdung iSd § 67 Abs. 1 FPG vor, die Trennung insbesondere von seiner Ehefrau sei im öffentlichen Interesse in Kauf zu nehmen und eine Rückkehr in den Kosovo sei dem Revisionswerber zumutbar - kann angesichts der ihm zur Last liegenden Straftat (Überlassen von etwa 3 kg Kokain an einen verdeckten Ermittler, wobei der Revisionswerber im Rahmen einer durch einen hohen Organisationsgrad gekennzeichneten, professionell und grenzüberschreitend agierenden Tätergruppe als unmittelbarer Täter handelte), die zu einer rechtskräftigen Verurteilung zu drei Jahren und sechs Monaten Freiheitsstrafe geführt hatte, jedenfalls nicht als unvertretbar angesehen werden.

Das Verwaltungsgericht hat sich zwar bei der getroffenen Gefährdungsannahme auf ältere Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes, wonach für die Prüfung der Voraussetzungen des § 86 Abs. 1 FPG auf den Katalog des § 60 Abs. 2 FPG (jeweils in der Stammfassung) als "Orientierungsmaßstab" zurückgegriffen werden könne, berufen (Erkenntnis vom 13. September 2006, Zl. 2006/18/0111) und dabei außer Acht gelassen, dass diese Aussage in der Folge vom Verwaltungsgerichtshof einerseits entscheidend relativiert (vgl. das Erkenntnis vom 18. Februar 2009, Zl. 2008/21/0441) und andererseits nicht auf die Rechtslage nach dem FrÄG 2011 übertragen wurde. Dem kommt aber im vorliegenden Fall keine Relevanz zu.

Das Verwaltungsgericht hat nämlich darüber hinaus in tragender Weise bei der Gefährdungsprognose entsprechend § 67 Abs. 1 FPG, mit dem Art. 27 der Freizügigkeits-RL umgesetzt wurde, auch auf das persönliche Verhalten des Revisionswerbers und im Einklang mit der dazu ergangenen ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. etwa Punkt 1.2. des Erkenntnisses vom 19. März 2013, Zl. 2011/21/0152, mwN, und daran anschließend zu § 67 Abs. 1 FPG das Erkenntnis vom 12. September 2013, Zl. 2013/21/0101) auch auf die Art und Schwere der zu Grunde liegenden Straftat und auf das sich daraus ergebende Persönlichkeitsbild abgestellt (vgl. Seite 17 unten und Seite 18 des angefochtenen Erkenntnisses). Der Vorwurf in der Revision, das Verwaltungsgericht habe das Aufenthaltsverbot nur mit der strafgerichtlichen Verurteilung des Revisionswerbers begründet, ist daher nicht berechtigt. Schon deshalb war auch der in diesem Zusammenhang in der Revision vorgetragenen Anregung auf Vorabentscheidung durch den Gerichtshof der Europäischen Union nicht näher zu treten.

Im Übrigen lässt der Revisionswerber außer Acht, dass nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes der Gesinnungswandel eines Straftäters grundsätzlich daran zu messen ist, ob und wie lange er sich - nach dem (beim Revisionswerber noch andauernden) Vollzug der Haftstrafe - in Freiheit wohlverhalten hat, und dass bei derart schweren Verbrechen nach dem SMG weder ein langjähriger Aufenthalt in Österreich noch eine sonst vollkommene soziale Integration im Inland einem Aufenthaltsverbot entgegenstehen (vgl. etwa das Erkenntnis vom 25. April 2013, Zl. 2013/18/0056, mwN). Außerdem entspricht es der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes, dass das durch eine soziale Integration erworbene Interesse an einem Verbleib in Österreich in seinem Gewicht gemindert ist, wenn der Fremde keine genügende Veranlassung gehabt hatte, von einer Erlaubnis zu einem dauernden Aufenthalt auszugehen, worauf auch der Verfassungsgerichtshof und der EGMR in ihrer Judikatur sowie die Z 8 des § 66 Abs. 2 FPG idF vor dem FrÄG 2011 bzw. des § 61 FPG idF des FrÄG 2011 abstellen (vgl. zum Ganzen das Erkenntnis vom 20. März 2012, Zlen. 2010/21/0471 bis 0475, mwN). Demzufolge war es nicht rechtswidrig, dass das Verwaltungsgericht der erst nach Erlassung des erstinstanzlichen Bescheides vorgenommenen Eheschließung nur "eingeschränkte" Bedeutung bei der Interessenabwägung zubilligte.

Entgegen dem weiteren Revisionsvorbringen bestand für das Verwaltungsgericht mangels diesbezüglichen Vorbringens kein Anlass, die allfälligen Auswirkungen des Aufenthaltsverbotes auf die "Situation" in den anderen Mitgliedstaaten, insbesondere in Polen, "in den Blick zu nehmen", zumal der Revisionswerber nicht behauptet hatte, mit seiner (nach dem Revisionsvorbringen: nunmehr in Österreich den Lebensmittelpunkt habenden) Ehefrau in Polen ein Familienleben führen zu wollen. Soweit der Revisionswerber schließlich meint, für die Frage, ob gegen ihn ein Aufenthaltsverbot erlassen werden dürfe, wäre unter Bedachtnahme auf § 70 Abs. 1 und 3 FPG (idF des FrÄG 2011) vom Verwaltungsgericht auf den Zeitpunkt seiner Durchsetzbarkeit abzustellen gewesen, ist er zwar im Recht (vgl. die noch zur Stammfassung des FPG ergangenen hg. Erkenntnisse vom 8. November 2006, Zl. 2006/18/0340, und Zl. 2006/18/0323). Daraus, dass sich das Verwaltungsgericht nicht auf diesen Zeitpunkt bezog, ist für den Revisionswerber jedoch nichts zu gewinnen, weil er nicht aufzeigt und auch sonst nicht zu erkennen ist, dass es andernfalls zu einem anderen Ergebnis hätte kommen müssen.

Die genannten Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG wurden somit in der Revision nicht dargetan. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.

Wien, am 22. Mai 2014

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