VwGH 2010/21/0471

VwGH2010/21/047120.3.2012

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Novak und die Hofräte Dr. Pelant, Dr. Sulzbacher und Dr. Pfiel sowie die Hofrätin Dr. Julcher als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Dobner, über die Beschwerde von 1. N, 2. A, 3. Q, 4. A und 5. A, alle in L und vertreten durch Dr. Helmut Blum, Rechtsanwalt in 4020 Linz, Mozartstraße 11/6, gegen die Bescheide der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich jeweils vom 13. Oktober 2010, Zl. E1/13712/2009, Zl. E1/13719/09, Zl. E1/13716/2009, Zl. E1/13723/09 und Zl. E1/13709/2009, jeweils betreffend Ausweisung, zu Recht erkannt:

Normen

FrPolG 2005 §53 Abs1;
FrPolG 2005 §66 Abs1;
FrPolG 2005 §66 Abs2 Z7 idF 2009/I029;
FrPolG 2005 §66 Abs2 Z8 idF 2009/I/029;
FrPolG 2005 §66 Abs2 Z8;
EMRK Art8 Abs2;
EMRK Art8;
VwRallg;
FrPolG 2005 §53 Abs1;
FrPolG 2005 §66 Abs1;
FrPolG 2005 §66 Abs2 Z7 idF 2009/I029;
FrPolG 2005 §66 Abs2 Z8 idF 2009/I/029;
FrPolG 2005 §66 Abs2 Z8;
EMRK Art8 Abs2;
EMRK Art8;
VwRallg;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführer haben dem Bund Aufwendungen in der Höhe von insgesamt EUR 57,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Erstbeschwerdeführerin und der Fünftbeschwerdeführer sind miteinander verheiratet, die anderen Beschwerdeführer sind deren Kinder. Alle sind Staatsangehörige des Kosovo.

Der Fünftbeschwerdeführer reiste bereits am 21. Februar 2003 illegal nach Österreich ein; die Erstbeschwerdeführerin folgte ihm gemeinsam mit den Kindern und kam am 9. Oktober 2005 ebenfalls unter Umgehung der Grenzkontrolle nach Österreich. Alle Beschwerdeführer stellten Asylanträge. Das Bundesasylamt wies den Antrag des Fünftbeschwerdeführers am 28. Februar 2004, die Anträge der anderen Beschwerdeführer am 13. April 2006 ab und stellte jeweils die Zulässigkeit der Abschiebung in den Heimatstaat fest. Die dagegen erhobenen Berufungen wurden - der Aktenlage zufolge - vom unabhängigen Bundesasylsenat mit Bescheiden vom 18. Oktober 2006 abgewiesen. Die Behandlung der gegen diese Bescheide eingebrachten Beschwerden lehnte der Verwaltungsgerichtshof, nachdem ihnen mit Beschluss vom 1. Dezember 2006 aufschiebende Wirkung zuerkannt worden war, am 19. Februar 2009 ab.

Mit Bescheiden der Bundespolizeidirektion Linz vom 7. Juli 2009 wurden die Beschwerdeführer sodann gemäß § 53 Abs. 1 Fremdenpolizeigesetz 2005 - FPG aus dem Bundesgebiet ausgewiesen. Die dagegen erhobenen Berufungen wies die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich (die belangte Behörde) mit den nunmehr angefochtenen Bescheiden vom 13. Oktober 2010 ab.

In der Begründung der im Wesentlichen inhaltsgleichen Bescheide gab die belangte Behörde zunächst jeweils den erstinstanzlichen Bescheid und die Berufung wieder und zitierte die maßgeblichen Rechtsvorschriften. Im Rahmen der rechtlichen Beurteilung führte sie dann anknüpfend an die Beendigung der Asylverfahren weiter aus, die Beschwerdeführer hielten sich seit 9. März 2009 rechtswidrig im Bundesgebiet auf, weil ihnen seit diesem Zeitpunkt weder ein Einreisetitel noch ein Aufenthaltstitel nach dem NAG erteilt worden sei. Es komme ihnen nach der Aktenlage auch kein Aufenthaltsrecht nach anderen gesetzlichen Bestimmungen zu. Derartiges sei von den Beschwerdeführern auch nicht behauptet worden.

Danach erwähnte die belangte Behörde in den angefochtenen Bescheiden die von den einzelnen Beschwerdeführern geltend gemachten, für ihren Verbleib sprechenden Umstände, nämlich die jeweilige Aufenthaltsdauer, die Führung eines Familienlebens im gemeinsamen Haushalt und die seit September 2008 ausgeübte selbständige Tätigkeit des Fünftbeschwerdeführers als "Verspachtler". Weiters berücksichtigte die belangte Behörde die sehr guten Deutschkenntnisse und die Unbescholtenheit sowie den Schulbesuch der Kinder (1. bzw. 3. Klasse Hauptschule und 2. Klasse Volksschule). Zudem nahm die belangte Behörde darauf Bedacht, dass der älteste Sohn (der Drittbeschwerdeführer) seit Juni 2008 bei einem Fußballverein spiele und sein Vater dem Trainer behilflich sei. Überdies sei der Fünftbeschwerdeführer auch Klassenelternvertreter. In allen Fällen berücksichtigte die belangte Behörde noch den Aufenthalt der Schwester des Fünftbeschwerdeführers samt Familie (Ehemann mit vier Kindern), die alle österreichische Staatsbürger seien, sowie die im Verwaltungsverfahren vorgelegten Unterstützungsschreiben. Daraus folgerte die belangte Behörde jeweils, den Beschwerdeführern sei "eine diesen Umständen entsprechende Integration zuzugestehen" und es werde "in erheblicher Weise" in ihr "Privat- und Familienleben" eingegriffen.

Dem sei jedoch gegenüber zu stellen, dass das Gewicht der aus der Aufenthaltsdauer ableitbaren Integration maßgebend dadurch gemindert werde, als der Aufenthalt während des Asylverfahrens nur aufgrund eines Antrages, der sich "letztendlich" als unberechtigt erwiesen habe, temporär berechtigt gewesen sei. Den Beschwerdeführern sei bewusst gewesen, dass sie ein Privat- und Familienleben während dieses Zeitraums geschaffen hätten, in dem sie einen unsicheren Aufenthaltsstatus gehabt hätten. Die Beschwerdeführer hätten nicht von vornherein damit rechnen dürfen, nach einem allfällig negativen Ausgang des Asylverfahrens weiterhin in Österreich bleiben zu können. Dabei sei auch zu berücksichtigen, dass der Asylantrag des Fünftbeschwerdeführers erstinstanzlich bereits am 28. Februar 2004 und jene der anderen Beschwerdeführer am 13. April 2006 negativ entschieden worden seien; dies habe jeweils ein eindeutiges Indiz dafür dargestellt, dass der weitere Aufenthalt der Beschwerdeführer temporär begrenzt sein werde. Ein bloß aufgrund einer vorläufigen Aufenthaltsberechtigung rechtmäßiger Aufenthalt sei aber nicht mit einem aufgrund einer ausdrücklichen Bewilligung zur Niederlassung rechtmäßigen Aufenthalt gleichzusetzen. Die asylrechtliche Aufenthaltsberechtigung vermittle einen unsicheren Rechtsstatus, dem bei der Abwägung iSd Art. 8 EMRK ein geringerer Stellenwert zukomme.

Aus diesem Grund relativiere sich auch die berufliche Integration des Fünftbeschwerdeführers, zumal er diese Tätigkeit zu einem Zeitpunkt aufgenommen habe, als sein Asylverfahren bereits seit mehr als vier Jahren erstinstanzlich negativ beurteilt worden sei. Die Erstbeschwerdeführerin sei bisher keiner sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung nachgegangen; insoweit könne von keiner beruflichen Integration ausgegangen werden. Zudem habe auch integrationsmindernd berücksichtigt werden müssen, dass die Beschwerdeführer (mit einer einmonatigen Unterbrechung) in der Zeit vom 1. Juni 2004 bis 31. Oktober 2008 durch die Grundversorgung des Landes Oberösterreich unterstützt worden seien. Aber auch die soziale Integration der Beschwerdeführer, die einerseits im Schulbesuch und den Vereinsaktivitäten begründet sei und andererseits in den Unterstützungserklärungen zum Ausdruck komme, relativiere sich infolge des unsicheren Aufenthaltsstatus. Überdies sei die Erstbeschwerdeführerin mit den Kindern erst zu einem Zeitpunkt eingereist, als das Asylverfahren des Fünftbeschwerdeführers bereits erstinstanzlich negativ beurteilt worden sei.

Die strafrechtliche Unbescholtenheit und die Deutschkenntnisse könnten die persönlichen Interessen der Beschwerdeführer im vorliegenden Fall nicht derart verstärken, dass sich ihre Ausweisung als unzulässig erweise. Das gelte auch für die Beziehung zur Schwester des Fünftbeschwerdeführers und deren Familie, weil kein gemeinsamer Haushalt bestehe und die Bindungen während unsicheren Aufenthalts (wieder) aufgebaut worden seien. Zudem bleibe es unbenommen, im Fall einer Abschiebung den Kontakt mittels Telefon oder e-mail aufrecht zu erhalten.

Durch die Ausweisung werde nicht in das Familienleben der Beschwerdeführer, sondern nur in ihr Privatleben eingegriffen und es lägen - so die belangte Behörde die bisherigen Ausführungen zusammenfassend - bei einer Gesamtbetrachtung trotz der langen Aufenthaltsdauer und der mittlerweile erlangten Integration (noch) keine derart außergewöhnlichen Umstände vor, dass den Beschwerdeführern ein direkt aus Art. 8 EMRK ableitbares Aufenthaltsrecht zugestanden werden müsste.

Die Erstbeschwerdeführerin und der Fünftbeschwerdeführer seien erst im Alter von 42 bzw. 36 Jahren in das Bundesgebiet eingereist und sie hätten somit den überwiegenden Teil ihres Lebens im Heimatland verbracht. Dort hätten sie die Grundschule besucht, der Fünftbeschwerdeführer danach von 1981 bis 1985 auch eine "allgemeinbildende höhere Schule". Im Kosovo befänden sich die Mutter der Erstbeschwerdeführerin sowie der Vater und zwei Schwestern des Fünftbeschwerdeführers, sodass dort ein "familiäres und soziales Netzwerk" bestehe. Auch die im Alter von 7 bzw. 9 Jahren eingereisten älteren Kinder hätten den überwiegenden Teil ihres bisherigen Lebens im Kosovo verbracht und dort auch die Grundschule besucht. Den Beschwerdeführern sei daher eine Reintegration zumutbar. Schwierigkeiten bei einem wirtschaftlichen Neubeginn seien im öffentlichen Interesse in Kauf zu nehmen.

Aus den Akten und aufgrund einer persönlichen Vorsprache sei einerseits bekannt, dass die Erstbeschwerdeführerin an Weinkrämpfen und (einer ärztlichen Bestätigung vom 13. April 2010 zufolge) an Panikattacken und Depressionen mit Angstzuständen leide, die einer dauernden Therapie bedürften, und sei andererseits bekannt, dass der Fünftbeschwerdeführer seit 1999 an einer psychischen Krankheit leide, die sich dahin äußere, dass er Schmerzen wie Nagelstiche unterhalb des Knies verspüre (Restless-Legs-Syndrom und psychophysiologische Insomnie) und deshalb alle zwei Jahre für zwei Nächte in einem Schlaflabor und zusätzlich durch die tägliche Einnahme von Tabletten therapiert werden müsse.

Es habe - so die belangte Behörde zu diesem Thema unter Bezugnahme auf im angefochtenen Bescheid zitierte Judikatur des EGMR - jedoch kein Fremder ein Recht, in seinem Aufenthaltsstaat zu verbleiben, bloß um dort medizinisch behandelt zu werden, und zwar selbst dann nicht, wenn er an einer schweren Krankheit leide. Außerdem müsse beim Fünftbeschwerdeführer berücksichtigt werden, dass seine Krankheitssymptome bereits vor der Einreise nach Österreich bestanden hätten.

Zur Behandelbarkeit der erwähnten Erkrankungen traf die belangte Behörde sodann - unter Heranziehung näher genannter Quellen - Feststellungen zum Gesundheitssystem im Kosovo. Daraus ist hervorzuheben, dass die Gesundheitsleistungen für bestimmte Bevölkerungsgruppen - u.a. für Kinder unter 15 Jahren, Schüler und Studenten, Sozialhilfeempfänger und Patienten mit ernsthaften chronischen Erkrankungen - von den öffentlichen Gesundheitsinstitutionen kostenfrei bereitgestellt würden. Ebenso seien die wichtigsten Medikamente kostenfrei in jedem öffentlichen Gesundheitszentrum erhältlich. Das Problem seien nicht die Behandlungskosten, sondern die Verfügbarkeit der Medikamente und technischen Einrichtungen sowie der Ausbildungsstand von Fachärzten. Generell sei aber die "überwiegende Anzahl der notwendigen Medikamente" im Kosovo vorhanden. Die Behandlung von psychischen Erkrankungen erfolge im öffentlichen Gesundheitssystem in acht regionalen Gesundheitszentren. Ferner verfüge der Kosovo über acht "Integrationshäuser", die der Rehabilitation und Reintegration von chronisch erkrankten Patienten mit psychiatrischem Behandlungsbedarf dienten. Patienten, die einer stationären Behandlung bedürften, würden in den vier Regionalkrankenhäusern und in der psychiatrischen Klinik der Universität Pristina behandelt.

Die Beschwerdeführer würden sich - so begründete die belangte Behörde weiter - nunmehr ca. ein Jahr und sieben Monate illegal in Österreich aufhalten. Bereits ein mehrmonatiger unrechtmäßiger Aufenthalt gefährde aber die öffentliche Ordnung in hohem Maße, weshalb die Ausweisung der Beschwerdeführer gemäß § 66 Abs. 1 FPG dringend geboten sei. Laut ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes stelle die Übertretung fremdenpolizeilicher Vorschriften einen gravierenden Verstoß gegen die österreichische Rechtsordnung dar. Den für die Einreise und den Aufenthalt von Fremden getroffenen Regelungen und deren Beachtung durch die Normadressaten komme nämlich aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung (Art. 8 Abs. 2 EMRK) ein sehr hoher Stellenwert zu. Die öffentliche Ordnung werde schwerwiegend beeinträchtigt, wenn sich einwanderungswillige Fremde unerlaubt nach Österreich begeben, um damit die Behörden vor vollendete Tatsachen zu stellen. Das gelte auch dann, wenn Fremde nach Auslaufen einer Aufenthaltsberechtigung bzw. nach Abschluss eines Asylverfahrens das Bundesgebiet nicht rechtzeitig verlassen. Die Ausweisung sei in solchen Fällen erforderlich, um jenen Zustand herzustellen, der bestünde, wenn sich der Fremde gesetzestreu verhalten hätte. Vor diesem Hintergrund sei auch das Ermessen nicht zugunsten der Beschwerdeführer zu üben, insbesondere weil das ihnen vorwerfbare (Fehl-)Verhalten (vor allem die Weigerung, das Bundesgebiet nach dem rechtkräftigen negativen Abschluss der Asylverfahren zu verlassen) im Verhältnis zu der geltend gemachten, wie erwähnt erheblich zu relativierenden Integration überwiege. Darüber hinaus könnten weder aus dem Akt noch aus der Berufung besondere Umstände ersehen werden, die eine Ermessensübung zugunsten der Beschwerdeführer begründen würden.

Gegen diese Bescheide richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Aktenvorlage durch die belangte Behörde erwogen hat:

Vorauszuschicken ist, dass die angefochtenen Bescheide vom Verwaltungsgerichtshof auf Basis der Sach- und Rechtslage bei ihrer Erlassung zu überprüfen sind. Wird daher im Folgenden auf Bestimmungen des FPG Bezug genommen, so handelt es sich dabei jeweils um die im Zeitpunkt der Erlassung der angefochtenen Bescheide im Oktober 2010 geltende Fassung (vor dem FrÄG 2011). Demnach kann vom Verwaltungsgerichtshof auch nicht auf danach eingetretene Sachverhaltsänderungen, insbesondere auf die mittlerweile längere Aufenthaltsdauer und eine fortgeschrittene Integration, Bedacht genommen werden.

Unter der Überschrift "Ausweisung Fremder ohne Aufenthaltstitel" ordnet § 53 Abs. 1 FPG an, dass Fremde mit Bescheid ausgewiesen werden können, wenn sie sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten. In der Beschwerde wird zugestanden, dass die Asylverfahren der Beschwerdeführer rechtskräftig beendet sind. Die behördliche Annahme, der Ausweisungstatbestand des § 53 Abs. 1 FPG sei im vorliegenden Fall verwirklicht, ist daher zutreffend und wird auch in der Beschwerde nicht bestritten.

Würde durch eine Ausweisung in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist sie gemäß § 66 Abs. 1 FPG nur dann zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist. Bei dieser Beurteilung ist unter Bedachtnahme auf alle Umstände des Einzelfalls eine gewichtende Abwägung des öffentlichen Interesses an einer Aufenthaltsbeendigung mit den gegenläufigen privaten und familiären Interessen, insbesondere unter Berücksichtigung der im § 66 Abs. 2 FPG genannten Kriterien und unter Einbeziehung der sich aus § 66 Abs. 3 FPG ergebenden Wertungen, in Form einer Gesamtbetrachtung vorzunehmen. Bei einer Entscheidung über eine Ausweisung ist der Behörde Ermessen eingeräumt (siehe unter vielen etwa zuletzt das hg. Erkenntnis vom 29. Februar 2012, Zlen. 2010/21/0310 bis 0314, mwN).

Unter dem Gesichtspunkt der Interessenabwägung verweisen die Beschwerdeführer zunächst auf die Dauer ihres Aufenthalts in Österreich und auf die gelungene soziale Integration, die durch die Vorlage zahlreicher Unterstützungserklärungen dargelegt worden sei, sowie auf die Unbescholtenheit. Die berufliche Integration ergebe sich aus der selbständigen Tätigkeit des Fünftbeschwerdeführers, mit der er den Lebensunterhalt für die gesamte Familie sicherstelle. Weiters wird in der Beschwerde ins Treffen geführt, in Österreich lebten "zahlreiche Verwandte", zu denen ein enger Kontakt bestehe. Demgegenüber verfügten die Beschwerdeführer im Kosovo über kein soziales Netzwerk mehr, auf das sie im Falle ihrer Abschiebung zurückgreifen könnten. Die in der Heimat lebenden Verwandten hätten nicht die Möglichkeit, eine fünfköpfige Familie bei sich aufzunehmen oder sie finanziell zu unterstützen. "Mangels finanzieller Ressourcen und Versicherung" stünde den Beschwerdeführern überdies die erforderliche Krankenbehandlung nicht zur Verfügung. Vor diesem Hintergrund würden - auch wenn dem öffentlichen Interesse an der Einhaltung der die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften ein hoher Stellenwert zukomme - die negativen Auswirkungen der Ausweisung zweifellos jene ihrer Unterlassung überwiegen. Außerdem habe die belangte Behörde keine Gesamtabwägung vorgenommen, sondern die abweisende Entscheidung einzig und allein darauf gestützt, dass sich die Integration aufgrund eines letztendlich als unberechtigt erwiesenen Asylantrages ergeben habe; die belangte Behörde habe damit lediglich auf ein Kriterium (gemeint: die Z 8) der demonstrativen Aufzählung des § 66 Abs. 2 FPG abgestellt. Das werde als entscheidungswesentlicher Begründungsmangel geltend gemacht.

Der angesprochene § 66 Abs. 2 FPG lautet:

"Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:

1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthalts und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war;

  1. 2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens;
  2. 3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens;
  3. 4. der Grad der Integration;
  4. 5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden;
  5. 6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit;
  6. 7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts;

    8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren."

    Dem Beschwerdevorbringen ist zunächst zu entgegnen, dass die belangte Behörde - wie sich schon aus der obigen Wiedergabe der Bescheidbegründung ergibt - alle von den Beschwerdeführern ins Treffen geführten Umstände ohnehin ausreichend berücksichtigt und in ihre Interessenabwägung einbezogen hat. Sie hat demnach nicht nur auf die Z 8 des § 66 Abs. 2 FPG abgestellt, sondern auch auf die in den anderen Ziffern dieser Bestimmung genannten Kriterien Bedacht genommen. Diesbezüglich liegt daher entgegen der Beschwerdemeinung kein maßgeblicher Begründungsmangel vor.

    Wenn die Beschwerde in diesem Zusammenhang noch geltend macht, die Beschwerdeführer hätten aufgrund der in den Asylverfahren eingebrachten Berufungen mit einem für sie positiven Ausgang rechnen können, ist daraus nichts zu gewinnen. Dieses Vorbringen ändert nämlich nichts daran, dass jedenfalls der Erstbeschwerdeführerin und dem Fünftbeschwerdeführer (spätestens) nach der erstinstanzlichen Abweisung ihrer Asylanträge - auch wenn sie subjektiv berechtigte Hoffnungen auf ein positives Verfahrensende gehabt haben sollten - im Hinblick auf die negative behördliche Beurteilung der Anträge von einem nicht gesicherten Aufenthaltsstatus ausgehen mussten. Das muss auch auf die Kinder durchschlagen, wenngleich ihnen ihr fremdenrechtliches Fehlverhalten nicht zum Vorwurf gemacht werden kann (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom 26. Jänner 2012, Zlen. 2010/21/0124, 0182 bis 0184).

    Es entspricht aber der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, dass das durch eine soziale Integration erworbene Interesse an einem Verbleib in Österreich in seinem Gewicht gemindert ist, wenn der Fremde keine genügende Veranlassung gehabt hatte, von einer Erlaubnis zu einem dauernden Aufenthalt auszugehen, worauf auch der Verfassungsgerichtshof und der EGMR in ihrer Judikatur abstellen. In diesem Sinn ordnet § 66 Abs. 2 Z 8 FPG an, dass bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens des Fremden die Frage zu berücksichtigen ist, ob es in einem Zeitpunkt entstanden ist, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren. Weder nach dem Wortlaut dieser Bestimmung noch im Hinblick auf die beabsichtigte Übernahme der erwähnten Judikaturlinie in das Gesetz bestehen ausreichende Anhaltspunkte dafür, dass damit nur Missbrauchsfälle, die ja ohnehin unter die Z 7 zu subsumieren wären, erfasst werden sollten (so schon Punkt 2.4.2. der Entscheidungsgründe des hg. Erkenntnisses vom 22. Dezember 2009, Zl. 2009/21/0348). Die Auffassung der belangten Behörde, der während eines bloß auf Grund einer vorläufigen asylrechtlichen Aufenthaltsberechtigung rechtmäßigen Aufenthalts erlangten Integration komme ein geringerer Stellenwert zu als einer Integration auf Basis einer ausdrücklichen Bewilligung zur Niederlassung, steht daher im Einklang mit der Rechtslage (vgl. insoweit auch das hg. Erkenntnis vom 24. September 2009, Zl. 2008/18/0493). Dabei ist freilich ein gradueller Unterscheid dahin zu machen, ob die Integration auf einem nur durch Folgeanträge begründeten unsicheren Aufenthaltsstatus basierte oder während eines einzigen, ohne schuldhafte Verzögerung durch den Beschwerdeführer lange dauernden Asylverfahrens erfolgte (siehe dazu das Erkenntnis vom 29. Februar 2012, Zl. 2010/21/0233, in dem auch auf den in der Beschwerde ins Treffen geführten und wörtlich zitierten Punkt II.2.4. des Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofes vom 7. Oktober 2010, B 950 - 954/10, Bezug genommen wird).

    Im vorliegenden Fall gab es zwar keine Folgeanträge, doch hat die belangte Behörde zu Recht zusätzlich berücksichtigt, dass die Einreise der Erstbeschwerdeführerin und der Kinder erst zu einem Zeitpunkt erfolgte, als mit einem positiven Abschluss des Asylverfahrens des Fünftbeschwerdeführers nicht mehr gerechnet werden durfte. Im Übrigen ist entgegen der Meinung in der Beschwerde der gegenständliche Fall nicht in allen Punkten mit jenem vergleichbar, der vom Verfassungsgerichtshof in dem genannten Erkenntnis entschieden wurde. So dauerte das Asylverfahren bis zur rechtskräftigen Entscheidung hier nicht sieben Jahre, sondern beim Fünftbeschwerdeführer drei Jahre und acht Monate und bei den anderen Beschwerdeführern überhaupt nur ein Jahr. Auch die Gesamtaufenthaltsdauer (bis zur Erlassung der bekämpften Bescheide) ist im vorliegenden Fall deutlich kürzer; insbesondere sind die Kinder erst fünf Jahre in Österreich, während sie sich im Fall des Verfassungsgerichtshoferkenntnisses bereits mehr als acht Jahre im Bundesgebiet befanden. Für die Beschwerdeführer ist daher - bezogen auf den Bescheiderlassungszeitpunkt - aus dem erwähnten Erkenntnis letztlich nichts zu gewinnen.

    Vielmehr erweist sich die Beurteilung der belangten Behörde, die - nur in das Privatleben und nicht auch das Familienleben der Beschwerdeführer eingreifende - Ausweisung der Beschwerdeführer sei nicht unverhältnismäßig, als nicht rechtswidrig.

    Auszugehen ist dabei zunächst von der Situation des Fünftbeschwerdeführers, der sich am längsten in Österreich aufhält, und zwar bis zum maßgeblichen Bescheiderlassungszeitpunkt etwa sieben Jahre und acht Monate. Auch unter Bedachtnahme auf seine Berufstätigkeit seit Herbst 2008 und seine (auch durch ein Zertifikat belegten) Deutschkenntnisse liegen in Bezug auf diesen Beschwerdeführer aber nicht so außergewöhnliche Umstände vor, dass ihm - bezogen auf den Zeitpunkt der Erlassung der angefochtenen Bescheide - ein direkt aus Art. 8 EMRK abgeleitetes Aufenthaltsrecht zugestanden und deshalb von einer Ausweisung Abstand genommen hätte werden müssen. Das gilt umso mehr für die später eingereiste und erst knapp fünf Jahre in Österreich aufhältige und nicht erwerbstätige Ehefrau des Fünftbeschwerdeführers, die Erstbeschwerdeführerin. Bei diesen Beschwerdeführern war es somit nicht zu beanstanden, dass die belangte Behörde in ihrem Verhalten - illegale Einreise und Verbleib trotz rechtskräftigen Abschlusses der Asylverfahren - eine maßgebliche Beeinträchtigung des öffentlichen Interesses an einem geordneten Fremdenwesen gesehen hat und die Abwägung nicht zu ihren Gunsten vorgenommen hat. Es trifft nämlich auch zu, dass den die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Normen aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechthaltung der öffentlichen Ordnung - und damit eines von Art. 8 Abs. 2 EMRK erfassten Interesses - ein hoher Stellenwert zukommt (siehe unter vielen etwa aus der letzten Zeit das Erkenntnis vom 24. November 2011, Zl. 2011/23/0465).

    Demnach könnte sich eine Unverhältnismäßigkeit der Ausweisung der Beschwerdeführer nur aus den persönlichen Interessen der Kinder an einem Verbleib in Österreich ergeben. Bei dieser Beurteilung ist aber entscheidend, dass diese Beschwerdeführer erst im Oktober 2005 nach Österreich kamen und sich somit hier (gerechnet bis zur Erlassung des angefochtenen Bescheides) erst fünf Jahre aufhielten. Auch unter Bedachtnahme auf das Alter der Kinder bei der Einreise (3, 7 und 9 Jahre) kann daher der im Ergebnis vertretenen Auffassung der belangten Behörde, dass auch diesen Beschwerdeführern eine Rückkehr in den Kosovo zumutbar sei, vom Verwaltungsgerichtshof nicht entgegen getreten werden, zumal der Zweit- und der Drittbeschwerdeführer dort schon die Schule besucht hatten und sich auch der Viertbeschwerdeführer noch in einem anpassungsfähigen Alter befindet (vgl. zum Ganzen eine ähnliche Konstellation betreffend das schon genannte Erkenntnis vom 29. Februar 2012, Zlen. 2010/21/0310 bis 0314, mwN).

    Soweit in der Beschwerde schließlich auch noch geltend gemacht wird, der Erstbeschwerdeführerin und dem Fünftbeschwerdeführer stünde im Kosovo wegen fehlender finanzieller Mittel die erforderliche Krankenbehandlung nicht zur Verfügung, sind dem die Feststellungen der belangten Behörde entgegen zu halten. Danach besteht zusammengefasst (u.a.) für mittellose Personen und für ernsthaft chronisch kranke Patienten die Möglichkeit, die notwendigen Medikamente kostenlos zu erhalten und auch bei psychischen Erkrankungen kostenlos in bestimmten Gesundheitseinrichtungen behandelt zu werden. Die Richtigkeit dieser Annahmen wird in der Beschwerde nicht konkret bekämpft. Davon ausgehend vermag das bei den genannten Beschwerdeführern festgestellte Krankheitsbild keine ausschlaggebende Verstärkung des Interesses an einem Verbleib in Österreich zu begründen (siehe idS das hg. Erkenntnis vom 29. April 2010, Zlen 2009/21/0055 bis 0057; vgl. auch dazu das schon mehrfach genannte Erkenntnis Zlen. 2010/21/0310 bis 0314).

    In der Beschwerde werden schließlich auch keine Gründe aufgezeigt, wonach die Ermessensübung durch die belangte Behörde nicht im Sinne des Gesetzes erfolgt wäre.

    Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

    Der Kostenzuspruch gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.

    Wien, am 20. März 2012

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