Normen
AVG §37;
AVG §45 Abs2;
AVG §46;
MRK Art6 Abs1;
MRK Art6 Abs3 litd;
MRK Art6;
VStG §38;
VStG §51g Abs1;
VStG §51i;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwGVG 2014 §38;
VwGVG 2014 §46 Abs1;
VwGVG 2014 §48;
Spruch:
Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Das Land Niederösterreich hat dem Revisionswerber Aufwendungen in Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Dem Revisionswerber wurde mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Zwettl vom 7. Jänner 2014 vorgeworfen, er habe am 20. April 2013 an einem näher angeführten Ort ein Fahrzeug gelenkt, obwohl er sich in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand befunden habe und dadurch § 5 Abs. 1 StVO übertreten. Über den Revisionswerber wurde wegen dieser Übertretung gemäß § 99 Abs. 1a StVO eine Geldstrafe in der Höhe von EUR 1.200,-- (Ersatzfreiheitsstrafe 240 Stunden) verhängt.
Mit Erkenntnis vom 30. September 2014 wies das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich die dagegen erhobene Beschwerde ab. Das Verwaltungsgericht sprach aus, dass gemäß § 25a VwGG gegen dieses Erkenntnis eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig ist.
Das Verwaltungsgericht stellte zunächst das Beschwerdevorbringen des Revisionswerbers dar, wonach dieser unter anderem ausgeführt habe, dass die Bezirkshauptmannschaft Zwettl "ihre Bestrafung auf eine in unzulässiger Weise gewonnene Einvernahme des Sohnes (des Revisionswerbers) vor der Polizei" gestützt habe.
Nach Darstellung des Verfahrensganges sowie der Aussagen der Zeugen und des Revisionswerbers führt das Verwaltungsgericht in der Begründung des angefochtenen Erkenntnisses aus, dass nach der Anzeige der Polizeiinspektion O der Sohn des Revisionswerbers am 20. April 2013 bei dieser Polizeiinspektion Anzeige darüber erstattet habe, dass sein Vater am selben Tag alkoholisiert nach Hause gekommen sei und ihn verbal angegriffen und gefährlich bedroht habe. Gegen den Revisionswerber seien eine Wegweisung und ein Waffenverbot ausgesprochen worden. Ebenfalls am selben Tag sei ein Alkotest durchgeführt worden. Außerdem sei unter anderem der Sohn des Revisionswerbers einvernommen worden; dieser habe angegeben, dass sein Vater seinen PKW zur Tatzeit in Betrieb genommen habe und mit diesem in Richtung H gefahren sei. Diese Aussage habe der Zeuge "im Zuge einer Zeugeneinvernahme wegen gefährlicher Drohung" gemacht. Vor der Zeugenbefragung sei er auf das Aussageverweigerungsrecht nach § 158 StPO iVm § 156 Abs. 1 Z 1 StPO aufmerksam gemacht worden.
Der Revisionswerber habe bei einer niederschriftlichen Einvernahme ausgeführt, dass er in seinem Kellerstüberl 4 1/2 Dosen Bier getrunken habe. Nach Beendigung der Amtshandlung durch die einschreitenden Beamten (im Zuge der Wegweisung) sei sein PKW von seiner Tochter gegenüber seinem Grundstück auf einem Privatweg abgestellt worden. Den PKW-Schlüssel habe die Tochter abgezogen. Er habe nicht gewusst, wo sie diesen verwahrt habe. Er habe sich auf den Beifahrersitz gelegt und sei eingeschlafen. Am nächsten Tag sei er in seinem PKW aufgewacht. Sein PKW sei im Wald auf einem Waldweg ca. 25 Meter von der Straße entfernt gestanden. Nach ca. einer halben Stunde habe er den PKW-Schlüssel unter dem Fahrersitz im Fußbereich der hinteren Sitzbank vorfinden können. Er habe nicht gewusst, wer mit seinem PKW bis zum Waldweg gefahren sei. Er sei, unmittelbar nachdem seine Tochter den PKW abgestellt habe, eingeschlafen und könne sich an nichts mehr erinnern.
Dem Vorbringen des Revisionswerbers, dass durch die Verwertung der Aussage seines Sohnes ein Verstoß gegen Art. 6 Abs. 1 und Abs. 3 EMRK vorliege, halte das Verwaltungsgericht entgegen, dass der Sohn des Revisionswerbers als Zeuge niederschriftlich einvernommen und in diesem Zusammenhang auf das Aussageverweigerungsrecht nach § 157 StPO hingewiesen worden sei. Dies habe der Sohn des Revisionswerbers im Zuge der öffentlichen mündlichen Verhandlung bestätigt. Nach den im Verwaltungsstrafverfahren bestehenden Grundsätzen der materiellen Wahrheit und der Unbeschränktheit der Beweismittel würde der Ausschluss von Aussagen in anderen Verfahren die Ermittlung der materiellen Wahrheit verhindern. Im Übrigen habe der Sohn des Revisionswerbers lediglich ausgesagt, dass sein Vater mit dem Fahrzeug weggefahren sei. Er habe weder den Verdacht der Alkoholisierung ausgesprochen, noch eine andere verwaltungsstrafrechtliche Übertretung angezeigt.
Aufgrund der Aussagen des Sohnes des Revisionswerbers hätten die Beamten gewusst, dass der Revisionswerber weggefahren sei. Näheres sei zu diesem Zeitpunkt noch nicht bekannt gewesen und sei auch im Zuge der öffentlichen mündlichen Verhandlung nicht hervorgekommen. Die Beamten hätten dann Nachschau gehalten und das Fahrzeug habe an der Stelle, an der es vorher von der Tochter abgestellt worden sei, nicht mehr vorgefunden werden können. Erst durch die Aussage des Revisionswerbers, wonach er am nächsten Tag gegen 10.00 Uhr in seinem PKW aufgewacht sei und er sich nicht erklären habe können, wie er dort hingekommen sei, sei auch der Schluss zulässig, dass der Revisionswerber das Fahrzeug dorthin gelenkt habe. Von ihm sei weder ein Lenker namhaft gemacht worden, noch habe ein Angehöriger von sich aus angegeben, das Fahrzeug in den Wald gelenkt zu haben. Selbst bei fehlender Beobachtung durch ein Organ der öffentlichen Aufsicht über die zurückgelegte Strecke oder durch eine direkte Beobachtung des Sohnes des Revisionswerbers sei die Lenkereigenschaft des Revisionswerbers "als schlüssig anzunehmen". Dies auch unter dem Gesichtspunkt der vorangegangenen Auseinandersetzung und dem Umstand, dass der Revisionswerber keine Unterkunft gesucht, sondern im Fahrzeug habe schlafen wollen. Es sei daher durchaus nachvollziehbar, dass er nicht in unmittelbarer Nähe seines Wohnhauses auf dem Nachbargrundstück im PKW schlafend von Passanten habe gesehen werden wollen. Selbst wenn der Sohn des Revisionswerbers keine Angaben zum Tatzeitpunkt gemacht hätte, wäre bei einer Kontrollfahrt der Polizei das nicht vorhandene Fahrzeug des Revisionswerbers aufgefallen und durch weitere Erhebungen hätte der Sachverhalt auch festgestellt werden können.
Im Zuge der öffentlichen mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht habe sich der Sohn des Revisionswerbers der Aussage entschlagen. Der Meldungsleger habe den Zeugen (gemeint wohl: anlässlich der Einvernahme als Opfer gemäß § 65 Z 1 lit. a StPO im Zusammenhang mit dem Verdacht der gefährlichen Drohung) auf das Aussageverweigerungsrecht aufmerksam gemacht und, weil er vom Lenken des Fahrzeuges vor der Aufnahme der Niederschrift in Kenntnis gesetzt worden sei, den Zeugen auch noch gefragt, ob ihm bewusst sei, was er da sage. Der Meldungsleger sei in Kenntnis der festgestellten Alkoholisierung gewesen. Das Fehlen des Fahrzeuges sei in weiterer Folge festgestellt worden und der Revisionswerber habe in der niederschriftlichen Einvernahme vor dem Meldungsleger angegeben, dass er am nächsten Tag gegen 10.00 Uhr in seinem Fahrzeug aufgewacht sei. Dies sei vom Revisionswerber in der öffentlichen mündlichen Verhandlung auch bestätigt worden. Eine Person sei nicht namhaft gemacht worden, die den Revisionswerber weggebracht habe. Der Fahrzeugschlüssel habe sich im Fahrzeuginneren befunden.
Das Verwaltungsgericht sei durch die im Zuge der öffentlichen mündlichen Verhandlung aufgenommenen Beweise zu dem Ergebnis gekommen, dass der Revisionswerber zum Tatzeitpunkt das Fahrzeug in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand gelenkt habe.
Gegen dieses Erkenntnis erhob der Revisionswerber außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof mit dem Antrag, dieser möge das angefochtene Erkenntnis wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes, in eventu wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften kostenpflichtig aufheben. Die belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht erstattete eine Revisionsbeantwortung, in der sie beantragte, der Verwaltungsgerichtshof möge die Revision für unzulässig erklären, in eventu der Revision keine Folge geben.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1. Die §§ 46 und 48 VwGVG lauten wie folgt:
"§ 46. (1) Das Verwaltungsgericht hat die zur Entscheidung der Sache erforderlichen Beweise aufzunehmen.
(2) Außer dem Verhandlungsleiter sind die Parteien und ihre Vertreter, insbesondere der Beschuldigte, im Verfahren vor dem Senat auch die sonstigen Mitglieder berechtigt, an jede Person, die vernommen wird, Fragen zu stellen. Der Verhandlungsleiter erteilt ihnen hiezu das Wort. Er kann Fragen, die nicht der Aufklärung des Sachverhaltes dienen, zurückweisen.
(3) Niederschriften über die Vernehmung des Beschuldigten oder von Zeugen sowie die Gutachten der Sachverständigen dürfen nur verlesen werden, wenn
1. die Vernommenen in der Zwischenzeit gestorben sind, ihr Aufenthalt unbekannt ist oder ihr persönliches Erscheinen wegen ihres Alters, wegen Krankheit oder Behinderung oder wegen entfernten Aufenthaltes oder aus anderen erheblichen Gründen nicht verlangt werden kann oder
2. die in der mündlichen Verhandlung Vernommenen in wesentlichen Punkten von ihren früheren Aussagen abweichen oder
3. Zeugen, ohne dazu berechtigt zu sein, oder Beschuldigte die Aussage verweigern oder
4. alle anwesenden Parteien zustimmen.
(4) Sonstige Beweismittel, wie Augenscheinsaufnahmen, Fotos oder Urkunden, müssen dem Beschuldigten vorgehalten werden. Es ist ihm Gelegenheit zu geben, sich dazu zu äußern.
§ 48. Wenn eine Verhandlung durchgeführt wurde, dann ist bei der Fällung des Erkenntnisses nur auf das Rücksicht zu nehmen, was in dieser Verhandlung vorgekommen ist. Auf Aktenstücke ist nur insoweit Rücksicht zu nehmen, als sie bei der Verhandlung verlesen wurden, es sei denn, der Beschuldigte hätte darauf verzichtet, oder als es sich um Beweiserhebungen handelt, deren Erörterung infolge des Verzichts auf eine fortgesetzte Verhandlung gemäß § 44 Abs. 5 entfallen ist."
Gemäß § 38 VStG - der gemäß § 38 VwGVG auch im Verfahren vor den Verwaltungsgerichten sinngemäß anzuwenden ist - sind die Angehörigen (§ 36a AVG) des Beschuldigten, die mit seiner Obsorge betrauten Personen, sein Sachwalter und seine Pflegebefohlenen von der Aussagepflicht befreit.
Artikel 6 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) bestimmt wie folgt:
"(1) Jedermann hat Anspruch darauf, daß seine Sache in billiger Weise öffentlich und innerhalb einer angemessenen Frist gehört wird, und zwar von einem unabhängigen und unparteiischen, auf Gesetz beruhenden Gericht, das über zivilrechtliche Ansprüche und Verpflichtungen oder über die Stichhaltigkeit der gegen ihn erhobenen strafrechtlichen Anklage zu entscheiden hat. (...)
(2) Bis zum gesetzlichen Nachweis seiner Schuld wird vermutet, daß der wegen einer strafbaren Handlung Angeklagte unschuldig ist.
(3) Jeder Angeklagte hat mindestens (englischer Text) insbesondere (französischer Text) die folgenden Rechte:
a) in möglichst kurzer Frist in einer für ihn verständlichen Sprache in allen Einzelheiten über die Art und den Grund der gegen ihn erhobenen Beschuldigung in Kenntnis gesetzt zu werden;
b) über ausreichende Zeit und Gelegenheit zur Vorbereitung seiner Verteidigung zu verfügen;
c) sich selbst zu verteidigen oder den Beistand eines Verteidigers seiner Wahl zu erhalten und, falls er nicht über die Mittel zur Bezahlung eines Verteidigers verfügt, unentgeltlich den Beistand eines Pflichtverteidigers zu erhalten, wenn dies im Interesse der Rechtspflege erforderlich ist;
d) Fragen an die Belastungszeugen zu stellen oder stellen zu lassen und die Ladung und Vernehmung der Entlastungszeugen unter denselben Bedingungen wie die der Belastungszeugen zu erwirken;
e) die unentgeltliche Beiziehung eines Dolmetschers zu verlangen, wenn der Angeklagte die Verhandlungssprache des Gerichts nicht versteht oder sich nicht darin ausdrücken kann."
2. Der Revisionswerber führt zur Zulässigkeit der Revision unter anderem aus, dass die belangte Behörde und auch das Verwaltungsgericht ihre Feststellungen bezüglich der vorgeworfenen Verwaltungsübertretung auf die Angaben des Sohnes des Revisionswerbers gestützt haben, der sich vor der belangten Behörde und vor dem Verwaltungsgericht berechtigterweise seiner Aussage gemäß § 38 VStG entschlagen habe.
Das Entschlagungsrecht dieses Zeugen habe das Verwaltungsgericht in unzulässiger Weise durch Einvernahme jener Polizeibeamten umgangen, die diesen Zeugen zum Tatgeschehen befragt und vernommen haben. Die Einbringung solcher Sachverhaltsschilderungen in die mündliche Verhandlung sei unstatthaft, zumal der Revisionswerber keine Möglichkeit gehabt habe, an seinen Sohn als einzigen Belastungszeugen Fragen zu stellen. Es handle sich dabei um eine unzulässige Umgehung des Entschlagungsrechtes. Derartige Beweismittel könnten nicht zum Gegenstand von Feststellungen einer unverwertbaren Niederschrift gemacht werden, laufe doch die mündliche Wiedergabe von Angaben, die entschlagungsberechtigte Personen bei ihrer Einvernahmen machten, bei der mündlichen Verhandlung und Urteilsfindung im Ergebnis auf eine Umgehung des Entschlagungsrechtes nach § 38 VStG iVm § 48 VwGVG hinaus. Art. 6 EMRK gebiete bei der Verwertung eines derartigen Beweismittels, wie es von der belangten Behörde und vom Verwaltungsgericht im Rahmen der Beweiswürdigung herangezogen worden sei, die Anforderungen eines fairen Verfahrens zu beachten. Gegen diese elementaren Grundsätze habe das Verwaltungsgericht in der nunmehr bekämpften Entscheidung nachhaltig verstoßen.
3. Die vorliegende Revision ist zulässig und berechtigt.
Im gegenständlichen Fall wird dem Revisionswerber vorgeworfen, er habe in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand ein Fahrzeug gelenkt. Der Revisionswerber hat im Verwaltungsstrafverfahren sowohl vor der Verwaltungsstrafbehörde als auch in weiterer Folge vor dem Verwaltungsgericht bestritten, das Fahrzeug gelenkt zu haben. Das Verwaltungsgericht sah die Lenkereigenschaft des Revisionswerbers jedoch als erwiesen an und stützte sich hierfür erkennbar auf die Aussage des Sohnes des Revisionswerbers, wonach der Revisionswerber mit dem Fahrzeug weggefahren sei. Die Verwertung dieser Aussage entsprach jedoch nicht den Verfahrensgrundsätzen des Art. 6 EMRK.
4. Wie aus dem Akteninhalt hervorgeht, wurde der Sohn des Revisionswerbers zunächst von der Polizeiinspektion O am 20. April 2013 als Zeuge zum Vorwurf der gefährlichen Drohung einvernommen, wobei er auf die Aussagebefreiung gemäß § 156 StPO hingewiesen wurde. Im Zuge dieser Vernehmung hat der Sohn des Revisionswerbers angegeben, dass der Revisionswerber ein Fahrzeug in Betrieb genommen habe.
Zum hier gegenständlichen Tatvorwurf wurde der Sohn des Revisionswerbers in weiterer Folge von der Verwaltungsstrafbehörde einvernommen. Dabei hat er von seinem Recht Gebrauch gemacht, die Aussage zu verweigern. Auch in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht im gegenständlichen Fall verweigerte er die Aussage. Einer Verlesung und Verwertung außerhalb der Verhandlung abgelegter (früherer) Aussagen des Zeugen stand § 46 Abs. 1 iVm § 48 VwGVG entgegen (vgl. - zu den inhaltlich entsprechenden Vorgängerbestimmungen § 51g Abs. 1 iVm § 51i VStG - die hg. Erkenntnisse vom 28. September 2000, Zl. 98/09/0358, und vom 23. März 1994, Zl. 94/09/0047).
Aus dem Verhandlungsprotokoll geht hervor, dass der Revisionswerber in der mündlichen Verhandlung der Verlesung "sämtlicher Angaben, die den Tatvorwurf betreffen", sowie der "unmittelbaren und mittelbaren Verwertung der einzig belastenden Zeugenaussage des Sohnes zum Tathergang" widersprochen hat und lediglich die Beschuldigteneinvernahme des Revisionswerbers verlesen wurde.
5. Obwohl die Zeugenaussage des Sohnes des Revisionswerbers vom 20. April 2013 nicht verlesen wurde, erfolgte dennoch eine Verwertung dieser Aussage im Wege der Einvernahme eines "Zeugen vom Hörensagen". So wurden im Zuge der mündlichen Verhandlung neben dem Sohn des Revisionswerbers auch die im gegenständlichen Fall tätig gewordenen Polizeibeamten einvernommen, wobei laut Verhandlungsprotokoll einer der Polizeibeamten aussagte, dass der Sohn des Revisionswerbers im Zuge seiner Einvernahme mitgeteilt hätte, sein Vater sei mit dem Auto weggefahren.
Art. 6 EMRK gebietet bei der Verwertung eines Beweismittels wie dem gegenständlichen, die Anforderungen eines fairen Verfahrens zu beachten. Alle Beweise müssen normalerweise in Anwesenheit des Angeklagten in einer öffentlichen Verhandlung mit dem Ziel einer kontradiktorischen Erörterung vorgebracht werden. Das bedeutet jedoch nicht, dass die Aussagen eines Zeugen, wenn sie als Beweismittel zugelassen werden, stets vor Gericht und öffentlich zu erfolgen haben; insbesondere kann dies in gewissen Fällen unmöglich sein. Daher ist die Verwendung von Aussagen, die im Vorverfahren gemacht worden sind, nicht als solche unvereinbar mit den Absätzen 3 lit. d und 1 des Art. 6 EMRK, sofern nur die Rechte der Verteidigung respektiert worden sind. In der Regel erfordern diese Rechte, dass der Angeklagte eine angemessene und ausreichende Gelegenheit zur Widerlegung und Befragung eines Belastungszeugen entweder zu dem Zeitpunkt, zu dem dieser seine Aussage macht, oder in einem späteren Verfahrensstadium erhält (vgl. hiezu das bereits zitierte hg. Erkenntnis vom 28. September 2000, Zl. 98/09/0358, mit weiteren Hinweisen auf die Judikatur des EGMR).
6. Diesen Vorgaben entsprach die - mittelbar durch Einvernahme des Polizeibeamten erfolgte - Verwertung der Aussage des Sohnes im gegenständlichen Fall nicht. Durch die Aussageverweigerung seines Sohnes sowohl vor der Behörde erster Instanz als auch vor dem Verwaltungsgericht war dem Revisionswerber während des gesamten Verfahrens die Möglichkeit genommen, diesen Zeugen zu befragen. Auch zu dem Zeitpunkt, als der Sohn die Aussage vor der Polizeiinspektion O am 20. April 2013 tätigte, war der Revisionswerber nicht zugegen und konnte keine Fragen an ihn richten.
Hinzu kommt, dass die Aussage des Polizeibeamten über die Vernehmung des Sohnes des Revisionswerbers als einzig belastendes Beweismittel die maßgebliche Beweisgrundlage für die Annahme der Lenkereigenschaft darstellte (vgl. hierzu das hg. Erkenntnis vom 18. November 1998, Zl. 96/09/0366). Zwar führt das Verwaltungsgericht im angefochtenen Erkenntnis mehrere Umstände an, die darauf hindeuten würden, dass der Revisionswerber das Fahrzeug gelenkt habe und wonach die Lenkereigenschaft des Revisionswerbers "als schlüssig anzunehmen" sei. Die als Zeugen einvernommenen Polizeibeamten waren zur Tatzeit jedoch nicht am Tatort anwesend und konnten, wie sich auch aus dem Verhandlungsprotokoll ergibt, über eine allfällige Inbetriebnahme des Fahrzeuges durch den Revisionswerber keine Wahrnehmungen machen. Andere Beweise dafür, dass der Revisionswerber das Fahrzeug gelenkt hat, hat das Verwaltungsgericht nicht aufgenommen.
7. Da der Revisionswerber in keinem Stadium des Verfahrens Fragen an seinen Sohn als einzigen Belastungszeugen stellen konnte, wurde er in seinen Verteidigungsrechten erheblich beeinträchtigt. Da dadurch die Erfordernisse des Art. 6 EMRK im Verfahren nicht eingehalten wurden, erweist sich die Verwertung der Aussage des Sohnes des Revisionswerbers als unzulässig (vgl. dazu erneut das hg. Erkenntnis vom 28. September 2000, Zl. 98/09/0358, sowie das hg. Erkenntnis vom 29. Jänner 2009, Zl. 2007/09/0243).
8. Das angefochtene Erkenntnis war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014, BGBl. II Nr. 518/2013 in der Fassung BGBl. II Nr. 8/2014.
Wien, am 6. Juli 2015
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