VwGH 94/09/0047

VwGH94/09/004723.3.1994

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hoffmann und die Hofräte Dr. Fürnsinn und Dr. Höß als Richter, im Beisein des Schriftführers Kommissär Mag. Fritz, über die Beschwerde des LAA OÖ gegen den Bescheid des UVS OÖ vom 13. Dezember 1993, Zl. VwSen-250224/16/Lg/Bk, betreffend Einstellung eines Verwaltungsstrafverfahrens nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz (mP: M in L; weitere Partei:

Bundesminister für Arbeit und Soziales), zu Recht erkannt:

Normen

AVG §49 Abs1 Z1;
VStG §24;
VStG §51e Abs1;
VStG §51g Abs1;
VStG §51g Abs3;
VStG §51i;
AVG §49 Abs1 Z1;
VStG §24;
VStG §51e Abs1;
VStG §51g Abs1;
VStG §51g Abs3;
VStG §51i;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Aus der Beschwerde und aus der mit dieser vorgelegten Ausfertigung des angefochtenen Bescheides ergibt sich folgender Sachverhalt:

Die mitbeteiligte Partei (mP) betreibt das "XY" in L. Am 2. Mai 1991 und am 17. Februar 1992 hat eine Ausländerin der Gendarmerie bzw. der erstinstanzlichen Behörde gegenüber ausgesagt, sie sei ab Anfang April im XY als "Tänzerin" beschäftigt gewesen. Für die Zeit ab 17. Mai 1991 lag unbestritten eine Beschäftigungsbewilligung für sie als Tänzerin vor. Die mP hat im Verwaltungsverfahren bestritten, die Ausländerin vor diesem Zeitpunkt ohne Beschäftigungsbewilligung beschäftigt zu haben. Mit Bescheid des Bürgermeisters der Stadt Linz vom 25. Februar 1993 wurde die mP einer Verwaltungsübertretung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz (AuslBG) schuldig befunden und zu einer Geldstrafe von S 20.000,-- verurteilt.

In der im Berufungsverfahren vor der belangten Behörde durchgeführten mündlichen Verhandlung verweigerte die als Zeugin geladene Ausländerin, die mittlerweile nicht mehr "einschlägig" arbeitet, sondern Hausfrau und Mutter ist, unter Hinweis auf § 49 Abs. 1 Z. 1 AVG (Schande) die Aussage.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 13. Dezember 1993 gab die belangte Behörde der Berufung der mP gemäß § 24 VStG iVm § 66 Abs. 4 AVG statt, hob das erstinstanzliche Straferkenntnis auf und verfügte die Einstellung des Strafverfahrens gemäß § 45 Abs. 1 Z. 1 VStG. Begründend führte die belangte Behörde aus, frühere Aussagen eines Zeugen dürften nicht verwendet werden, wenn sich der Zeuge berechtigter Weise der Aussage enthalten habe. Da sonstige Beweise, auf welche die Schuld der mP gestützt werden könnte, nicht vorlägen, sei spruchgemäß einzustellen gewesen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, unter Verweis auf § 28a AuslBG erhobene Amtsbeschwerde, in welcher Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden. Das Landesarbeitsamt Oberösterreich vertritt in seiner Beschwerde die Auffassung, die belangte Behörde hätte die Aussagen der ausländischen Zeugin, welche sich in der mündlichen Verhandlung zu Unrecht der Aussage entschlagen habe, verlesen und bei seiner Entscheidungsfindung verwerten müssen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Im Verfahren vor dem Unabhängigen Verwaltungssenat ist gemäß § 51e Abs. 1 VStG dann, wenn die Berufung nicht zurückzuweisen ist oder nicht bereits aus der Aktenlage ersichtlich ist, daß der angefochtene Bescheid aufzuheben ist, eine öffentliche mündliche Verhandlung anzuberaumen. Zu dieser sind die Parteien und die anderen zu hörenden Personen, insbesondere Zeugen und Sachverständige, zu laden.

Gemäß § 51g Abs. 1 VStG hat der Unabhängige Verwaltungssenat die zur Entscheidung der Sache erforderlichen Beweise aufzunehmen. Niederschriften über die Vernehmung des Beschuldigten oder von Zeugen sowie die Gutachten der Sachverständigen dürfen nach § 51g Abs. 3 VStG nur verlesen werden, wenn 1. die Vernommenen in der Zwischenzeit gestorben sind, ihr Aufenthalt unbekannt ist oder ihr persönliches Erscheinen wegen ihres Alters, wegen Krankheit oder Gebrechlichkeit oder wegen entfernten Aufenthaltes oder aus anderen erheblichen Gründen nicht verlangt werden kann oder

2. die in der mündlichen Verhandlung Vernommenen in wesentlichen Punkten von ihren früheren Aussagen abweichen oder

3. Zeugen, ohne dazu berechtigt zu sein, oder Beschuldigte die Aussage verweigern oder 4. alle anwesenden Parteien zustimmen.

§ 51i VStG, der unter dem Titel "Unmittelbarkeit des Verfahrens" steht, sieht vor, daß dann, wenn eine Verhandlung durchgeführt wurde, bei der Fällung des Erkenntnisses nur auf das Rücksicht zu nehmen ist, was in dieser Verhandlung vorgekommen ist. Auf Aktenstücke ist nur insoweit Rücksicht zu nehmen, als sie bei der Verhandlung verlesen wurden, es sei denn, der Beschuldigte hätte darauf verzichtet.

Die Aussage darf gemäß dem nach § 24 VStG auch im Verwaltungsstrafverfahren anzuwendenden § 49 Abs. 1 Z. 1 letzter Teilsatz AVG u.a. von einem Zeugen verweigert werden über Fragen, deren Beantwortung dem Zeugen zur Schande gereichen würde.

Von dem zuletzt genannten Entschlagungsrecht hat die ausländische Zeugin - als einzig belastendes Beweismittel - in der Verhandlung vor der belangten Behörde Gebrauch gemacht, und die belangte Behörde hat dieses Entschlagungsrecht anerkannt, ohne daß - gemäß dem vorgelegten Verhandlungsprotokoll - das nunmehr beschwerdeführende Landesarbeitsamt dagegen etwas vorgebracht hätte. Dem dazu erstmals in der Beschwerde neu erstatteten Tatsachenvorbringen steht daher bereits das im verwaltungsgerichtlichen Verfahren gemäß § 41 Abs. 1 VwGG geltende Neuerungsverbot entgegen. Davon abgesehen kann die frühere Tätigkeit einer nunmehr ehrbaren Hausfrau und Mutter als "Tänzerin" in einem Nachtlokal auch bei liberaler Betrachtung durchaus zur Schande gereichen.

Hat sich aber demnach die Zeugin vor der belangten Behörde zu Recht der Aussage entschlagen, dann stand der Verlesung und Verwertung außerhalb dieser Verhandlung abgelegter Aussagen eben dieser Zeugin § 51g Abs. 1 VStG entgegen. Darauf hat die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid unter Anführung einschlägiger Meinungen aus der rechtswissenschaftlichen Literatur (Thienel, Das Verfahren der Verwaltungssenate2, S. 316; Wiederin in JAP 1990/91, S. 75) zutreffend hingewiesen. Die Beschwerde ist daher nicht im Recht, wenn sie der belangten Behörde vorwirft, sie hätte dessenungeachtet den diesbezüglichen Akteninhalt im angefochtenen Bescheid verwerten müssen. Welche weiteren Beweise die belangte Behörde aufzunehmen unterlassen hätte, zeigt das beschwerdeführende Landesarbeitsamt nicht auf, sodaß die Relevanz eines insoweit behaupteten Verfahrensmangels nicht dargetan wurde. Soweit in der Beschwerde die Einvernahme eines vom Beschuldigtenvertreter () beantragten "in Graz lebenden Bankbeamten, der im Tatzeitraum mit der Zeugin eng befreundet gewesen sein soll", begehrt wird, ist das beschwerdeführende Landesarbeitsamt nicht einmal in der Lage, anzuführen, welches relevante Beweisergebnis von einer solchen Aussage zu erwarten wäre. Auf derart unsubstantiiert, erstmals in der Beschwerde vorgetragene Erkundungsbeweisanträge braucht die belangte Behörde nicht einzugehen. Die behaupteten Verfahrensmängel haften dem angefochtenen Bescheid somit offenkundig nicht an.

Da somit schon der Inhalt der Beschwerde erkennen läßt, daß die von der beschwerdeführenden Partei behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren als unbegründet abzuweisen.

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