VwGH 99/20/0460

VwGH99/20/046021.6.2001

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kremla und die Hofräte Dr. Nowakowski, Dr. Strohmayer, Dr. Sulzbacher und Dr. Grünstäudl als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Hohenecker, über die Beschwerde des MM in Wien, geboren am 6. Mai 1974, vertreten durch Mag. Michael-Thomas Reichenvater, Rechtsanwalt in 8010 Graz, Herrengasse 13/II, gegen den Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom 5. August 1999, Zl. 211.388/0-V/14/99, betreffend §§ 6 und 8 AsylG (weitere Partei: Bundesminister für Inneres), zu Recht erkannt:

Normen

AsylG 1997 §32 Abs2;
AsylG 1997 §38;
AsylG 1997 §6;
AsylG 1997 §8;
AVG §58 Abs2;
AVG §66 Abs4;
AVG §67;
FrG 1997 §57 Abs1;
VStG §24;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;
VwRallg;
AsylG 1997 §32 Abs2;
AsylG 1997 §38;
AsylG 1997 §6;
AsylG 1997 §8;
AVG §58 Abs2;
AVG §66 Abs4;
AVG §67;
FrG 1997 §57 Abs1;
VStG §24;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;
VwRallg;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 18. Juni 1999 wurde der Asylantrag des Beschwerdeführers, nach seinen Angaben ein Staatsangehöriger von Sierra Leone, gemäß § 6 Z 3 AsylG als offensichtlich unbegründet abgewiesen und seine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung "in den Herkunftsstaat" gemäß § 8 AsylG für zulässig erklärt.

Die Behörde begründete ihre Entscheidung im wesentlichen damit, dass die Angaben des Beschwerdeführers betreffend seine Staatsangehörigkeit und die von ihm vorgebrachten Fluchtgründe angesichts seines äußerst mangelhaften Grundwissens über seinen angeblichen Heimatstaat und die dortigen politischen Verhältnisse unglaubwürdig seien. Sie gab dazu in der Begründung ihres Bescheides die - im folgenden auszugsweise dargestellten - Aussagen des Beschwerdeführers im Rahmen seiner erstinstanzlichen Einvernahme wieder:

"Ich bin Staatsangehöriger von Sierra Leone und gehöre dem Stamm Sherbro (phonetisch) an. Meine Muttersprache ist Shebro (phonetisch - Shebro oder Shrbro). Wir sprechen aber auch Krio und Englisch.

Frage: Wären Sie in der Lage, die Einvernahme mit einem Krio Dolmetsch durchzuführen?

Antwort: Nein. Ich spreche Englisch, weil ich in dieser Sprache erzogen wurde. Mein Vater hat in England studiert und Vorlesungen besucht.

(...)

Frage: In welcher Sprache wurden Sie in Freetown unterrichtet?

Antwort: In Englisch.

Frage: Sind Sie in der Lage, die Hymne von Sierra Leone zu singen?

Antwort: (AW singt den Text ungefähr richtig - die Melodie ist komplett falsch)

Vorhalt: Die Melodie ist total falsch.

Antwort: So hat man mir das beigebracht - der Sonntagslehrer

in der Schule.

Frage: wo lebten Sie in Freetown?

Antwort: Nr. 4 David Drive.

Frage: Wo ist das ungefähr?

Antwort: Das ist in Freetown, dort gibt es im Zentrum den Baumwollbaum - der wird von den Touristen immer angesehen: Auf der rechten Seite ist die Kissi Street, dort ist dann auch meine Straße.

Frage: Der Baumwollbaum steht bei einem Kreisverkehr - welche Straßen münden in diesen?

Antwort: Ich kenne nicht all diese Straßen.

(Anm. der AW wird aufgefordert, die Straßen aufzuschreiben, an die er sich erinnern kann)

Antwort: Kissy Road, Kissy Street, Garisson, Harrison, Kalabadas ist eine Straße zu einem anderen Land führt.

Frage: Die David Drive - wo befindet sich diese Gasse?

Antwort: Das ist eine Straße, wo ich mein Haus hatte. Ich habe am Hauptpostamt gearbeitet.

Frage: Als was?

Antwort: Ich habe die Briefe, die eingetroffen sind,

eingesammelt, dann habe ich sie verteilt.

(...)

Frage: Wenn Sie nun bei dem Baumwollbaum stehen - was sehen Sie rundherum, bzw. in welche Straßen können Sie gehen?

Antwort: Das ist sehr schwer - aber ich werde versuchen, das zu erklären. Ich stehe jetzt unter dem Baumwollbaum. Dann sieht man den internationalen Gerichtshof. Man sieht die Amerikanische Botschaft (AW deutet nach links) Moment, ich kann mich gleich erinnern, damit habe ich nicht gerechnet.

Man sieht das Hauptpostamt, wo ich arbeitete. Man sieht das Gefängnis. Man sieht das Parlament. Sonst fällt mir nichts ein.

Frage: Wo ist das Postamt?

Antwort: In Freetown, Siaka Steven Street.

Frage: Gleich neben dem Postamt gibt es eine Bank - wie heißt

diese?

Antwort: Genau - das ist die Sierra Leone Bank. Das ist völlig richtig, dort ist eine Bank, aber an die habe ich nicht gedacht, damit habe ich nicht gerechnet, aber jetzt weiß ich es.

(...)

Frage: In welcher Straße befindet sich das Gefängnis?

Antwort: In der (AW schreibt) Padumba Street.

Frage: Wie kommt man vom Postamt in diese Straße?

Antwort: Man geht rechts vom Postamt weg - ich weiß nicht, über welche Straßen man dorthin kommt.

Frage: Gibt es noch weitere Postämter in Freetown?

Antwort: Das ist das Hauptpostamt - sonst gibt es keine anderen.

Frage: Wie heißt das Krankenhaus in Freetown?

Antwort: Ich kenne nur das St. Luke Krankenhaus. Mein Vater

kannte dort einen Privatarzt.

Frage: Wo befindet sich das?

Antwort: In dieser Richtung (AW deutet nach vorne) - im Norden.

Wie die Straße heißt, weiß ich nicht.

(...)

Vorhalt: Versuchen Sie jetzt, sich an Straßen zu erinnern.

Sie haben fünf Minuten Zeit.

(Anm. der AW wird aus dem Zimmer geschickt, um sich "zu

erinnern")

Kissy Road, Kissy Street, Garisson, Harrisson, Padumba Road

(Gefängnis), Gallary Road, David Drive, Calaba Road, Siaka Steven.

Up and down Carriage (Blatt 1)

Mit dem Strich und "Cotton Tree" meine ich, dass der Baum in

der Mitte steht, von dort sieht man all diese Straßen.

Frage: Wie heißen die Seitengassen der Siaka Steven Street,

wo sich das Postamt befindet?

Antwort: Ich kann mich nicht erinnern.

Frage: Wo befindet sich das Nationalmuseum?

Antwort: In Freetown.

Frage: Und wo genau?

Antwort: Ich weiß es nicht, die Straße kenne ich nicht.

Frage: Wie heißen die Nachbarländer von Sierra Leone?

Antwort: Liberia, Guinea, viele andere

(Anm. in einem "Kreis" für Sierra Leone und den

Himmelsrichtungen zeichnet der AW Freetown etwa in die Mitte,

nördlich Guinea, östlich Liberia. Shebron zeichnet er an die süd-

westliche Grenze)

Vorhalt: Freetown liegt aber nicht dort, wo Sie es

eingezeichnet haben.

Antwort: Ich habe nicht Geografie gelernt. Das ist nur ein Kreis, in den kann man das nicht hineinzeichnen.

(...)

Frage: Wer ist der Präsident in Sierra Leone?

Antwort: Früher war Tejan Kabbah. Er wurde gestürzt - von Paul Koromah. Dann kamen die Ecomog Friedensstifter. Sie haben die Macht übernommen und an Tejan Kabbah übergeben. Dann war nichts mehr - er ist noch immer im Amt.

(...)

Frage: Was bedeutet RUF?

Antwort: Das ist eine Organisation - so wie ECOMOG. Sie führen Programme durch. Sie machen zwar ihren eigenen Job, aber ich wollte mit ECOMOG nur ein Beispiel geben. Revolutional irgendetwas. Es gab einen Tag, da gingen Sie durch die Straßen - mit Plakaten, auf denen RUF stand.

Frage: Wer ist Foday Sankoh?

Antwort: Er ist der Anführer.

Frage : Wen führt er an?

Antwort: Die Rebellen.

Frage: Welche Rebellen?

Antwort: Die Leute, die gegen die Regierung kämpfen.

Frage: Wie heißen diese Rebellen?

Antwort: Sie heißen Rebellen.

Frage: Wann waren diese Rebellen das letzte Mal in Freetown?

Antwort: Ende letzten Jahres kamen sie das letzte Mal. Sie töteten Leute. Nach den Tötungen erfuhr die ECOMOG, dass die Rebellen in Freetown sind (AW zeigt Telefonhörer) und kamen nach Freetown..."

Im Zuge dieser Einvernahme wurde der Beschwerdeführer weiters befragt, ob er "in Stichwörtern" angeben könne, warum er seine Heimat verlassen habe. Er führte dazu aus, dass sein Vater Philip M. ein berühmter Ökonom gewesen sei, der von der Operation "No Living Thing" getötet worden sei. Sowohl die Rebellen als auch die Regierung hätten von seinem Vater verlangt, er solle sie unterstützen, doch als sich dieser geweigert habe, da er Christ gewesen sei, sei er erschossen worden. Sein Vater sei in das Privatkrankenhaus St. Luke gebracht worden und noch vor seinem Tod habe er dem Beschwerdeführer gesagt, dass die Attentäter auch ihn töten würden, weshalb er das Land verlassen solle.

Das Bundesasylamt schenkte den Angaben des Beschwerdeführers über dessen Staatsangehörigkeit und die vorgebrachten Fluchtgründe, wie ausgeführt, keinen Glauben. Unter Berücksichtigung seiner sozialen Herkunft sprächen seine unrichtigen und mangelhaften Angaben "eher dafür", dass er nicht Staatsangehöriger von Sierra Leone sei. Er habe zwar einzelne Details nennen können, die er aber ohne weiteres habe auswendig lernen können, es sei ihm aber nicht möglich gewesen, auch nur annähernd Straßenverläufe oder die Stadt Freetown "so zu beschreiben, wie dies ein Briefträger, welcher er angeblich gewesen sei, beschreiben müsste". Auch geographisch habe er Freetown nicht annähernd einordnen können. Den Text der Hymne (von Sierra Leone) habe er zwar fast richtig nennen können, jedoch sei die Melodie absolut falsch gewesen, was zwingend darauf schließen lasse, dass er den Text auswendig gelernt habe, ohne die Hymne jemals gehört zu haben. Obwohl er behauptet habe, Krio zu sprechen, habe er die grundlegendsten Ausdrücke in dieser Sprache nicht nennen können, über die Währung von Sierra Leone habe er "nur Falsches" zu berichten gewusst. In Bezug auf § 8 AsylG sei mangels Feststellbarkeit des tatsächlichen Heimatstaates und mangels Dartuung einer Bedrohung des Beschwerdeführers davon auszugehen, dass er in seinem Herkunftsstaat, um welches Land es sich dabei auch handeln möge, keiner Gefahr im Sinne des § 57 FrG ausgesetzt sei.

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer Berufung, in welcher er nicht nur die dargestellte Beweiswürdigung bekämpfte, sondern auch unter Quellenangaben auf die veränderte politische Situation in Sierra Leone verwies.

Die belangte Behörde holte in der Folge die Auskunft des Generalkonsulates der Republik Sierra Leone in Österreich vom 3. August 1999 zur Frage ein, ob der vom Beschwerdeführer genannte Vater, ein berühmter Ökonom, namens Philip M. bekannt sei und ob das Privatkrankenhaus St. Luke in Freetown existiere.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung des Beschwerdeführers gemäß § 6 Z 3 AsylG ab und stellte "gemäß § 8 AsylG iVm § 57 Abs. 1 FrG " fest, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers nach Sierra Leone zulässig sei. Sie erhob dazu begründend das im Bescheid des Bundesasylamtes wiedergegebene Vorbringen des Beschwerdeführers zum Bestandteil ihres Bescheides und versagte seinen Angaben im Wesentlichen aus den im Bescheid des Bundesasylamtes genannten Gründen die Glaubwürdigkeit. Aufgrund "nachvollziehbarer, von der Erstbehörde detailliert herausgearbeiteter Indizien für die offensichtliche Unglaubwürdigkeit" des Vorbringens des Beschwerdeführers sei mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit die von ihm behauptete Verfolgungsgefahr auszuschließen. Trotz behaupteter Tätigkeit als Briefausträger habe der Beschwerdeführer "erschreckend wenig Straßennamen" (in Freetown) genannt und über die engsten geographischen Gegebenheiten nicht ausreichend Bescheid geben können. Unter Berücksichtigung des Umstandes, dass der Beschwerdeführer sein Vorbringen zu den behaupteten Fluchtgründen darauf aufgebaut habe, dass er aus Freetown stamme, was sich bei "Gesamtbetrachtung" als nicht mit der Wirklichkeit übereinstimmend herausgestellt habe, erscheine sein gesamtes Vorbringen als absolut unglaubwürdig.

Die Entscheidung nach § 8 AsylG sei in Bezug auf jenen Herkunftsstaat zu treffen, hinsichtlich dessen nach dem Antrag des Asylwerbers seine Flüchtlingseigenschaft zu prüfen sei. Mit der Asylentscheidung sei bereits das Vorliegen der Voraussetzungen des § 57 Abs. 2 FrG geprüft und verneint worden. Für eine Annahme, dass der Beschwerdeführer Gefahr liefe, in Sierra Leone einer unmenschlichen Behandlung oder Strafe oder der Todesstrafe unterworfen zu werden, fänden sich keine Anhaltspunkte, da es ihm nicht gelungen sei, sein Vorbringen auch nur annähernd glaubhaft zu machen. Die "amtsbekannten, in Sierra Leone noch teilweise herrschenden kriegerischen Auseinandersetzungen" stellten keinen hinreichenden Grund für die Annahme einer Gefährdung bzw.

Bedrohung im Sinne des § 57 Abs. 1 FrG dar.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende

Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:

Die Beschwerde macht die mangelhafte Begründung des

angefochtenen Bescheides geltend, die den Erfordernissen der §§ 58 und 60 AVG nicht gerecht werde. Aus dem angefochtenen Bescheid sei nicht ersichtlich, von welchen Feststellungen die belangte Behörde ausgegangen sei. Diese begründe ihre abweisende Entscheidung lediglich mit dem Argument, dass der Beschwerdeführer keinerlei geographische Kenntnisse über sein Heimatland zu Protokoll habe geben können, versäume es jedoch, auf seine tatsächlichen Fluchtgründe einzugehen. Auch hinsichtlich der tatsächlichen Situation im Heimatstaat des Beschwerdeführers hätte "ein Minimum an Feststellungen" getroffen und der Beschwerdeführer einvernommen werden müssen.

Mit diesen Einwänden ist die Beschwerde im Ergebnis im Recht:

Gemäß § 6 AsylG sind Asylanträge gemäß § 3 leg. cit. als offensichtlich unbegründet abzuweisen, wenn sie eindeutig jeder Grundlage entbehren. Dies ist nach der von der belangten Behörde herangezogenen Bestimmung des § 6 Z 3 AsylG dann der Fall, wenn ohne sonstigen Hinweis auf Verfolgungsgefahr im Herkunftsstaat das Vorbringen der Asylwerber zu einer Bedrohungssituation offensichtlich den Tatsachen nicht entspricht. Wie aus den Erläuterungen zur Regierungsvorlage (686 BlgNr. 20. GP, 19) hervorgeht und im angefochtenen Bescheid zunächst auch zutreffend dargelegt wurde, orientiert sich die Bestimmung des § 6 AsylG im Wesentlichen an der Entschließung der für Einwanderung zuständigen Minister der Europäischen Gemeinschaften über offensichtlich unbegründete Asylanträge vom 30. November und 1. Dezember 1992. Ein Asylantrag soll demnach "nur dann als offensichtlich unbegründet abgewiesen werden, wenn eine Verfolgungsgefahr mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit (eindeutig) ausgeschlossen werden kann". Die Berufungsbehörde kann daher die auf § 6 AsylG gestützte Abweisung der Berufung nicht damit begründen, dass der Asylantrag zwar nicht "offensichtlich", aber doch "unbegründet" sei. In einem solchen Fall müsste sie vielmehr gemäß § 32 Abs. 2 AsylG mit einer Aufhebung des erstinstanzlichen Bescheides und Zurückverweisung an das Bundesasylamt vorgehen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 8. Juni 2000, Zl. 99/20/0398).

Ob der Asylantrag des Beschwerdeführers zu Recht gemäß § 6 Z 3 AsylG abgewiesen wurde, hängt daher maßgeblich davon ab, ob die Behörde entsprechend der von ihr im Bescheid klar und nachvollziehbar darzustellenden Begründung davon ausgehen durfte, dass das Vorbringen des Beschwerdeführers zur Bedrohungssituation "offensichtlich" den Tatsachen nicht entsprach. Eine solche Begründung beinhaltet der angefochtene Bescheid nicht.

Durch ihren Verweis auf das erstinstanzliche Ermittlungsverfahren und die von der Erstbehörde "detailliert herausgearbeiteten Indizien für die offensichtliche Unglaubwürdigkeit" des Vorbringens des Beschwerdeführers übernimmt die belangte Behörde die beweiswürdigenden Ausführungen des Bundesasylamtes und macht diese zum Inhalt ihrer eigenen Entscheidung. Sie gelangt damit zum Ergebnis, dass dem Vorbringen des Beschwerdeführers über seine Herkunft und seine Fluchtgründe auf Grund seines äußerst mangelhaften Grundwissens über Sierra Leone und über die dortigen politischen Verhältnisse die Glaubwürdigkeit zu versagen und damit die behauptete Verfolgungsgefahr des Beschwerdeführers auszuschließen sei. Nach der ständigen hg. Rechtsprechung ist es nicht rechtswidrig, in der Begründung eines Bescheides auf jene eines anderen Bescheides zu verweisen (vgl. die in Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze I2 unter E 48 zu § 60 AVG referierte hg. Judikatur), durch die bloße Verweisung auf die Gründe der Beweiswürdigung im erstinstanzlichen Bescheid werden Verfahrensvorschriften jedoch nur dann nicht verletzt, wenn sich die Beweiswürdigung des erstinstanzlichen Bescheides als fehlerfrei erweist (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 21. September 1994, Zl. 93/03/0174).

Die Beweiswürdigung des Bundesasylamtes erschöpft sich in bloß allgemein gehaltenen Feststellungen, wonach der Beschwerdeführer Fragen zu bestimmten Themenbereichen unvollständig oder unrichtig beantwortet habe, ohne dass gleichzeitig Unrichtigkeiten oder Unvollständigkeiten in Bezug auf konkrete Aussagen des Beschwerdeführers aufgezeigt wurden. So habe er Freetown und dortige Straßenverläufe "nicht so beschrieben, wie dies ein Briefträger beschreiben müsste", worin jedoch die Mangelhaftigkeit der umfassenden, oben wiedergegebenen Angaben des Beschwerdeführers in Bezug auf Straßennamen und -verläufe in Freetown gelegen sei, lässt der Bescheid im Dunkeln.

Über die Währung in Sierra Leone habe der Beschwerdeführer, so die Beweiswürdigung im erstinstanzlichen Bescheid, "nur Falsches" zu berichten gewusst, die diesbezüglich zahlreichen, beinahe eine ganze Seite des erstinstanzlichen Bescheides umfassenden, Aussagen des Beschwerdeführers blieben von der Behörde jedoch im Einzelnen unbeanstandet.

Auch die Ausführungen des Bundesasylamtes, der Beschwerdeführer habe behauptet, Krio zu sprechen, jedoch die grundlegendsten Ausdrücke dieser Sprache nicht benennen können, übernimmt die belangte Behörde, indem sie auf die detailliert herausgearbeiteten Indizien für die offensichtliche Unglaubwürdigkeit der Aussagen des Beschwerdeführers verweist und übersieht, dass der Beschwerdeführer ausdrücklich betonte, gar nicht Krio zu sprechen, sondern nur die englische Sprache. Soweit die belangte Behörde zur Beweiswürdigung ergänzt, der Beschwerdeführer habe "erschreckend wenig Straßennamen" genannt und seine Angaben stimmten aufgrund "mehrfacher Widersprüchlichkeiten" nicht mit den Tatsachen überein, unterlässt sie gleichfalls, dies zu begründen.

Die Beschwerde rügt daher im Ergebnis zu Recht, die Begründung des angefochtenen Bescheides lasse eine Auseinandersetzung mit konkreten, maßgeblichen Aussagen des Beschwerdeführers in Bezug auf ihre Vollständigkeit und Richtigkeit nicht erkennen (vgl. in diesem Zusammenhang die in Walter/Thienel, aaO unter E 107f zu § 60 AVG referierte hg. Judikatur), wodurch dem Verwaltungsgerichtshof schon die Kontrollmöglichkeit im Hinblick auf das Vorliegen des in § 6 Z 3 AsylG genannten Tatbestandsmerkmales der "Offensichtlichkeit" der nicht den Tatsachen entsprechenden Angaben des Beschwerdeführers genommen und der angefochtene Bescheid mit einem wesentlichen Verfahrensmangel behaftet ist.

Aber auch der Beschwerdeeinwand, die belangte Behörde hätte von der Einvernahme des Beschwerdeführers nicht absehen dürfen, erweist sich als berechtigt. Nach dem Ausweis der vorgelegten Akten hat sie die Auskunft des Generalkonsulates der Republik Sierra Leone in Österreich vom 3. August 1999 zur Frage eingeholt, ob der vom Beschwerdeführer genannte Vater, ein berühmter Ökonom, namens Philip M. bekannt sei sowie das Privatkrankenhaus St. Luke in Freetown existiere, in welches der Vater des Beschwerdeführers nach dem Schussattentat gebracht worden sei. Die belangte Behörde hat somit ein Ermittlungsverfahren durchgeführt, dessen Ergebnisse sie dem angefochtenen Bescheid insoweit zugrundelegte, als sich nach ihren Feststellungen das Vorbringen des Beschwerdeführers, dass er aus Freetown stamme, bei einer "Gesamtbetrachtung" als nicht mit der Wirklichkeit übereinstimmend herausgestellt habe. Schon in Anbetracht dieser Ermittlungen und der darauf gestützten Sachverhaltsfeststellungen lagen die Voraussetzungen für ein Absehen von der mündlichen Verhandlung gemäß der Verfahrensvorschrift des Art. II Abs. 2 Z 43a EGVG nicht vor (vgl. das hg. Erkenntnis vom 22. April 1999, Zl. 98/20/0567).

Die Notwendigkeit einer Berufungsverhandlung ergab sich ungeachtet dessen auch aus dem Berufungsvorbringen des Beschwerdeführers zur Entscheidung nach § 8 AsylG, in dem er unter Bezugnahme auf einen Länderbericht von "Human Rights Watch" darauf hinwies, dass auch nach den Greueltaten ab Dezember 1998 ein hohes Gewaltpotential in Sierra Leone bestehe, das sich jederzeit in einem neuen Bürgerkrieg entladen könne. Selbst im angefochtenen Bescheid wird von den in Sierra Leone noch teilweise herrschenden kriegerischen Auseinandersetzungen ausgegangen, die nach (allerdings nicht weiter begründeter) Ansicht der belangten Behörde keinen hinreichenden Grund für die Annahme einer Gefährdung oder Bedrohung im Sinne des § 57 Abs.1 FrG darstellten. Demgegenüber hat der Verwaltungsgerichtshof bereits mehrfach ausgesprochen, dass eine extreme Gefahrenlage, durch die praktisch jeder, der in den Staat, in dem diese Gefahrenlage herrscht, abgeschoben wird, auch ohne Zugehörigkeit zu einer bestimmten Bevölkerungsgruppe oder Bürgerkriegspartei der konkreten Gefahr einer Verletzung im Besonderen der auch durch Art. 3 EMRK gewährleisteten Rechte ausgesetzt wäre, der Abschiebung eines Fremden in diesen Staat entgegenstünde. Ein Grund, im Falle einer behaupteten extremen Gefahrenlage von einer Prüfung derselben Abstand zu nehmen, besteht für die Behörde auch dann nicht, wenn sie den Angaben des Beschwerdeführers über seine Identität und seine Herkunft keinen Glauben schenkt (vgl. etwa die hg. Erkenntnisse vom 8. Juni 2000, Zl. 99/20/0586 und vom 25. November 1999, Zl. 99/20/0465). In diesen Erkenntnissen hat der Verwaltungsgerichtshof weiters darauf hingewiesen, dass in Sierra Leone gerade zu Beginn des Jahres 1999 eine Phase besonders exzessiver und unkontrollierter Gewaltanwendung, vor allem auch gegenüber der Zivilbevölkerung, eingetreten ist, die aufgrund der Berichterstattung auch in österreichischen Tageszeitungen von den Asylbehörden von Amts wegen zu berücksichtigen gewesen wäre.

In Anbetracht des neuen Tatsachenvorbringens des Beschwerdeführers zur Gefahrensituation in Sierra Leone durfte die belangte Behörde daher den Sachverhalt nicht ohne mündliche Verhandlung, bei deren Durchführung sie zu einem anderen Verfahrensergebnis hätte kommen können, als geklärt ansehen (vgl. etwa die hg. Erkenntnisse vom 11. November 1998, Zl. 98/01/0308 und vom 8. Juni 2000, Zl. 99/20/0203).

Nach dem Gesagten war der angefochtene Bescheid daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. c VwGG wegen Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben. Die Durchführung einer Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 3 VwGG unterbleiben.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 21. Juni 2001

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