VwGH 99/09/0222

VwGH99/09/022218.4.2002

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Germ und die Hofräte Dr. Händschke und Dr. Blaschek als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Flendrovsky, über die Beschwerde der M B in A, vertreten durch Dr. Hannes Paulweber, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Anichstraße 3, gegen den Bescheid der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Tirol vom 25. Juni 1999, Zl. LGSTi/V/13117/934444-701/1999, betreffend Nichtausstellung eines Befreiungsscheines nach § 4c Abs. 2 Ausländerbeschäftigungsgesetz, zu Recht erkannt:

Normen

61995CJ0351 Kadiman VORAB;
61997CJ0210 Akman VORAB;
ARB1/80 Art7;
VwRallg;
61995CJ0351 Kadiman VORAB;
61997CJ0210 Akman VORAB;
ARB1/80 Art7;
VwRallg;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Arbeitsmarktservice hat der beschwerdeführenden Partei Aufwendungen in der Höhe von 908,-- EUR binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Beschwerdeführerin, eine türkische Staatsangehörige, stellte beim Arbeitsmarktservice Imst am 29. Dezember 1998 mit dem amtlich aufgelegten Formular den Antrag auf "Ausstellung eines Befreiungsscheines nach § 4c Abs. 2 des Ausländerbeschäftigungsgesetzes". In diesem Antrag stützte sich die Beschwerdeführerin auf ihren (seit 13. September 1989 in Österreich aufhältigen und "derzeit bei Fa beschäftigten") Ehegatten H B als Familienangehörigen; Beschäftigungszeiten der Beschwerdeführerin enthält ihr Antrag nicht.

Mit Schreiben vom 24. November 1998 bestätigte die Bezirkshauptmannschaft Imst gegenüber dem Arbeitsmarktservice Imst, dass die Beschwerdeführerin "im Wege der Familienzusammenführung nach Österreich eingereist und sich am 23.11.1993 ordnungsgemäß bei der zuständigen Gemeinde gemeldet hat".

Mit Bescheid vom 29. Dezember 1998 lehnte das Arbeitsmarkservice Imst den Antrag der Beschwerdeführerin vom 29. Dezember 1998 auf Ausstellung eines Befreiungsscheines gemäß § 4c Abs. 2 des Ausländerbeschäftigungsgesetzes (AuslBG), BGBl. Nr. 218/1975, in der geltenden Fassung, in Verbindung mit

Artikel 7 Abs. 1 zweiter Unterabsatz des Beschlusses 1/1980 des Assoziationsrates vom 19. September 1980 über die Entwicklung der Assoziation (ARB Nr. 1/1980) ab.

In ihrer dagegen erhobenen Berufung brachte die Beschwerdeführerin unter anderem vor, auch wenn ihr Ehegatte gerade im Zeitpunkt ihrer Einreise arbeitslos gewesen sei, habe er dennoch dem regulären Arbeitsmarkt angehört, zumal er arbeitsfähig und arbeitswillig gewesen sei und aufgrund seiner Bemühungen bereits im Dezember 1993 wieder eine neue Arbeitsstelle gefunden habe. Im übrigen sei nicht der Zeitpunkt der Einreise entscheidend sondern jener der Antragstellung; der Ehegatte sei zu diesem Zeitpunkt beschäftigt und so Teil des regulären Arbeitsmarktes.

Mit dem im Instanzenzug ergangenen, vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom 25. Juni 1999 wurde der Berufung der Beschwerdeführerin gemäß § 66 Abs. 4 AVG in Verbindung mit § 4c Abs. 2 AuslBG und Artikel 7 zweiter Untersatz des ARB Nr. 1/1980 keine Folge gegeben und der erstinstanzliche Bescheid vom 29. Dezember 1998 bestätigt.

Diese Entscheidung wurde - hinsichtlich der Voraussetzungen nach Art. 7 des ARB Nr. 1/1980 - von der belangten Behörde im Wesentlichen damit begründet, es sei festgestellt worden, dass der Ehegatte der Beschwerdeführerin im Zeitraum 27. Juni 1993 bis 31. Dezember 1993 keine Leistungen nach dem Arbeitslosenversicherungsgesetz bezogen, nicht als arbeitssuchend gemeldet und der Arbeitsmarktverwaltung nicht für Zwecke der Arbeitsvermittlung zur Verfügung gestanden sei und damit nicht die in Österreich geltenden "Formalitäten" erfüllt habe. Der Ehegatte der Beschwerdeführerin habe "im Ergebnis" während dieses Zeitraumes nicht dem österreichischen Arbeitsmarkt angehört. In diesen Zeitraum falle "die Antragstellung der Beschwerdeführerin zu ihrem Ehegatten nach Österreich zu ziehen und ihre tatsächliche Einreise in das Bundesgebiet". Der Ehegatte der Beschwerdeführerin hätte "auch zum Zeitpunkt der Genehmigung der Einreise der Beschwerdeführerin in das Bundesgebiet zum Zwecke der Familienzusammenführung und auch im Zeitpunkt der tatsächlichen Einreise dem regulären Arbeitsmarkt in Österreich angehören müssen". Da diese Voraussetzungen nicht erfüllt seien, habe der Berufung der Erfolg versagt bleiben müssen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Die Beschwerdeführerin erachtet sich durch den angefochtenen Bescheid nach ihrem gesamten Beschwerdevorbringen in dem Recht auf Ausstellung des beantragten Befreiungsscheines nach § 4c Abs. 2 AuslBG in Verbindung mit Art. 7 des ARB Nr. 1/1980 verletzt. Sie beantragt, den angefochtenen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes kostenpflichtig aufzuheben.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt wird.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Vorauszuschicken ist, dass die Beschwerdeführerin sich im gesamten Verwaltungsverfahren nicht darauf berufen hat, sie selbst habe Beschäftigungszeiten in der Dauer von vier Jahren aufzuweisen. Die Ausstellung des begehrten Befreiungsscheines wurde demnach nicht auf die Anspruchsvoraussetzungen nach der Bestimmung des Art. 6 Abs. 1 dritter Unterabsatz des Beschlusses des Assoziationsrates vom 19. September 1980, Nr. 1/80 (ARB Nr. 1/80) gestützt. Prüfungsgegenstand des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens ist daher ausschließlich das Vorliegen der - für die Ausstellung eines Befreiungsscheines nach § 4c Abs. 2 AuslBG in Betracht kommenden anderen - Tatbestandsvoraussetzung nach Art. 7 Satz 1 zweiter Unterabsatz ARB Nr. 1/80.

Art. 7 Satz 1 (Abs. 1) ARB Nr. 1/80 lautet:

"Artikel 7

Die Familienangehörigen eines dem regulären Arbeitsmarkt eines Mitgliedstaats angehörenden türkischen Arbeitnehmers, die die Genehmigung erhalten haben, zu ihm zu ziehen,

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