VwGH 97/19/0709

VwGH97/19/070923.4.1998

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stoll und die Hofräte Dr. Zens, Dr. Bayjones, Dr. Schick und Dr. Hinterwirth als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Martschin, über die Beschwerden

1.) des 1987 geborenen GD und 2.) der 1983 geborenen FD, beide in S/Türkei, beide vertreten durch Dr. G, Rechtsanwalt in D, gegen die Bescheide des Bundesministers für Inneres je vom 18. April 1996, Zlen. 1.) 100.667/27-III/11/96 und

2.) 100.667/28-III/11/96, betreffend Aufenthaltsbewilligung, zu Recht erkannt:

Normen

61984CJ0122 Kenneth Scrivner VORAB;
61995CJ0351 Kadiman VORAB;
ARB1/80 Art6;
ARB1/80 Art7;
AufG 1992 §5 Abs1;
FamLAG 1967 §2 Abs1;
FamLAG 1967 §3 Abs1;
EMRK Art14;
SHG Vlbg 1971 §3 Abs2 idF 1993/006;
SHV Vlbg 1991 §1 lita;
SHV Vlbg 1991 §5 Abs1 lita idF 1995/054;
VwRallg;
61984CJ0122 Kenneth Scrivner VORAB;
61995CJ0351 Kadiman VORAB;
ARB1/80 Art6;
ARB1/80 Art7;
AufG 1992 §5 Abs1;
FamLAG 1967 §2 Abs1;
FamLAG 1967 §3 Abs1;
EMRK Art14;
SHG Vlbg 1971 §3 Abs2 idF 1993/006;
SHV Vlbg 1991 §1 lita;
SHV Vlbg 1991 §5 Abs1 lita idF 1995/054;
VwRallg;

 

Spruch:

Die angefochtenen Bescheide werden, soweit mit ihnen die Anträge der Beschwerdeführer vom 1. April 1993 auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung abgewiesen wurden, wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat den Beschwerdeführern Aufwendungen in der Höhe von jeweils S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Die Beschwerdeführer stellten - wie auch ihre Mutter und eine weitere Schwester - bei der österreichischen Botschaft in Ankara einen "Antrag für Einwanderungswerber" zum Zweck der Familienzusammenführung mit ihrem in Österreich lebenden Vater. Dieser Antrag wurde nach Inkrafttreten des Aufenthaltsgesetzes gemäß § 7 Abs. 7 des Fremdengesetzes, BGBl. Nr. 838/1992 (FrG), als Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung gewertet und der Bezirkshauptmannschaft Bregenz übermittelt.

Nachdem diese Behörde keine Entscheidung über diese Anträge getroffen hatte, machten die Beschwerdeführer nach der Aktenlage mit Anträgen vom 3. März 1994 den Übergang der Entscheidungspflicht auf die belangte Behörde geltend.

Mit Bescheiden vom 27. Juni 1994 stellte die belangte Behörde fest, daß die Zuständigkeit zur Erteilung einer Bewilligung nach dem Aufenthaltsgesetz auf sie übergegangen sei und wies gemäß § 5 Abs. 1 des Aufenthaltsgesetzes (AufG) die Anträge der Beschwerdeführer auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung mangels gesicherter inländischer Unterkunft ab.

Die Beschwerdeführer erhoben Beschwerde vor dem Verfassungsgerichtshof. Mit Erkenntnis vom 12. Juni 1995 hob dieser Gerichtshof die in Rede stehenden Bescheide vom 27. Juni 1994 mit der Begründung auf, die belangte Behörde habe es unterlassen, die in Art. 8 MRK gebotene Interessenabwägung durchzuführen.

Mit Note vom 11. Jänner 1996 forderte die belangte Behörde die Beschwerdeführer auf, eine aktuelle Lohnbestätigung ihres Vaters vorzulegen.

Die Beschwerdeführer legten daraufhin eine Lohnbestätigung eines inländischen Unternehmens vor, aus der hervorging, daß der Vater der Beschwerdeführer über einen durchschnittlichen Monatslohn von etwa S 13.900,-- "ohne Sonderzahlungen" verfüge. Unter einem brachten die Beschwerdeführer vor, der für die zur Verfügung stehende Unterkunft vereinbarte Mietzins betrage brutto S 3.000,-- monatlich. Darin seien auch die gesamten Betriebskosten enthalten. Die Heizungskosten beliefen sich auf etwa S 2.000,-- pro Heizperiode, weil überwiegend Gratisabfallholz zur Beheizung dieser Wohnung verwendet werde.

Mit den angefochtenen Bescheiden des Bundesministers für Inneres vom 18. April 1996 wurde den Devolutionsanträgen der Beschwerdeführer vom 3. März 1994 stattgegeben. Demgegenüber wurden ihre Anträge auf Erteilung einer Bewilligung nach dem Aufenthaltsgesetz gemäß § 5 Abs. 1 AufG abgewiesen. Begründend führte die belangte Behörde aus, gemäß § 5 Abs. 1 AufG dürfe eine Bewilligung nicht erteilt werden, wenn der Unterhalt für die Geltungsdauer der Bewilligung nicht gesichert sei. Diese Beurteilung zeige im Fall der Beschwerdeführer, daß einem grundsätzlichen Mindestbedarf von S 15.620,-- pro Monat inklusive Mietkosten gemäß dem Sozialhilferichtsatz des Bundeslandes Vorarlberg tatsächlich S 13.900,-- monatlich gegenüberstünden. Angesichts dieser Differenz könne eine Aufenthaltsbewilligung nicht erteilt werden. Die öffentlichen Interessen überwögen die privaten Interessen der Beschwerdeführer, weil die Unterhaltsmittel als nicht ausreichend zu betrachten seien. Es sei daher eine Belastung der Sozialhilfeträger zu befürchten.

Erkennbar nur gegen die Versagung der Erteilung der Aufenthaltsbewilligung richten sich die vorliegenden, nach Ablehnung ihrer Behandlung durch den Verfassungsgerichtshof dem Verwaltungsgerichtshof abgetretenen Beschwerden.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

§ 5 Abs. 1 AufG lautete:

"§ 5. (1) Eine Bewilligung darf Fremden nicht erteilt werden, bei denen ein Sichtvermerksversagungsgrund (§ 10 Abs. 1 FrG) vorliegt, insbesondere aber, wenn deren Lebensunterhalt oder eine für Inländer ortsübliche Unterkunft in Österreich für die Geltungsdauer der Bewilligung nicht gesichert ist."

§ 1 und § 3 des Vorarlberger Sozialhilfegesetzes, LGBl. Nr. 26/1971 in der Fassung der Novelle LGBl. Nr. 6/1993, lauten (auszugsweise):

"§ 1

Allgemeines

(1) Sozialhilfe ist Hilfsbedürftigen nach den Bestimmungen dieses Gesetzes zu gewähren.

...

(3) Hilfsbedürftig ist,

a) wer den Lebensunterhalt für sich und für die mit ihm in Familiengemeinschaft lebenden unterhaltsberechtigten Angehörigen nicht oder nicht ausreichend selbst beschaffen kann und ihn auch nicht von anderen Personen oder Einrichtungen erhält,

...

§ 3

Personenkreis und Umfang der Sozialhilfe

(1) Sozialhilfe ist hilfsbedürftigen Inländern in vollem Umfang zu gewähren.

(2) Den Inländern sind gleichgestellt:

  1. a) Personen, die aufgrund des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum rechtmäßig ihren Aufenthalt in Vorarlberg haben, wenn sie ihr Aufenthaltsrecht nicht durch Inanspruchnahme von Leistungen der Sozialhilfe verlieren," § 1 und § 5 der Vorarlberger Sozialhilfeverordnung, LGBl. Nr. 74/1991 in der im Hinblick auf das Datum der Zustellung der angefochtenen Bescheide (26. April 1996) maßgeblichen Fassung der Novelle LGBl. Nr. 54/1995, lauteten (auszugsweise):

"§ 1

Ausreichender Lebensunterhalt

Die Hilfe zum ausreichenden Lebensunterhalt umfaßt insbesondere Maßnahmen zur Deckung des Aufwandes für

  1. a) Ernährung, Beleuchtung, Kleinhausrat, Reinigung, Körper- und Gesundheitspflege, Bildung und Erholung in einem den Bedürfnissen des Hilfsbedürftigen angemessenen Ausmaß, Beförderung, Instandhaltung der Bekleidung und sonstige kleinere Bedürfnisse;
  2. b) Unterkunft;
  3. c) Beheizung und Bekleidung.

§ 5

Bemessung des ausreichenden Lebensunterhaltes

(1) Soweit die Hilfe zum ausreichenden Lebensunterhalt in Form von Geldleistungen gegeben wird, sind unter Anrechnung der gemäß § 8 des Sozialhilfegesetzes einzusetzenden eigenen Kräfte und Mittel zu gewähren zur Deckung

  1. a) des Aufwandes im Sinne des § 1 lit. a monatliche Leistungen unter Zugrundelegung folgender Richtsätze:

    ...

für Haushaltsvorstände 4700 S

für Haushaltsangehörige, für die Anspruch auf

gesetzliche Familienbehilfe besteht 1670 S

für sonstige Haushaltsangehörige 3000 S

  1. b) des Aufwandes für Unterkunft eine Beihilfe in Höhe der tatsächlichen Kosten;
  2. c) des Aufwandes für Beheizung und Bekleidung in den Monaten Mai und Oktober eine Beihilfe in Höhe der Leistung nach lit. a, soweit nicht ein begründeter Mehrbedarf nachgewiesen wird;

    ..."

Art. 6 und 7 des Beschlusses Nr. 1/80 des aufgrund des Abkommens zur Gründung einer Assoziation zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Türkei eingerichteten Assoziationsrates vom 19. September 1980 lauten auszugsweise:

"Art. 6

(1) Vorbehaltlich der Bestimmungen in Art. 7 über den freien Zugang der Familienangehörigen zur Beschäftigung hat der türkische Arbeitnehmer, der dem regulären Arbeitsmarkt eines Mitgliedstaats angehört, in diesem Mitgliedstaat

Art. 7

Die Familienangehörigen eines dem regulären Arbeitsmarkt eines Mitgliedstaates angehörenden türkischen Arbeitnehmers, die die Genehmigung erhalten haben, zu ihm zu ziehen,

Unter dem Gesichtspunkt einer inhaltlichen Rechtswidrigkeit der angefochtenen Bescheide verweisen die Beschwerdeführer darauf, daß ihr Vater nach den oben zitierten Beschlüssen des aufgrund des Assoziationsabkommens EWG-Türkei eingerichteten Assoziationsrates zum Aufenthalt in Österreich berechtigt sei. Sie vertreten die Auffassung, diesem stünde daher gemäß § 3 Abs. 2 des Vorarlberger Sozialhilfegesetzes ein Anspruch auf Gewährung von Sozialhilfe zu. Eine Versagung der Unterstützung mit dem Hinweis, die Beschwerdeführer seien nicht Inländer, widerspräche Art. 14 MRK, wobei in diesem Zusammenhang auf die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte vom 16. September 1996 im Fall Gaygusuz gegen Österreich 39/1995/545/631 verwiesen werde. Nach Auffassung der Beschwerdeführer sei die Verweigerung einer Erteilung einer Aufenthaltsberechtigung im Rahmen der Familienzusammenführung unzulässig, wenn sich diese Versagung ausschließlich auf den Umstand stütze, die teilweise Inanspruchnahme von Sozialhilfe sei notwendig. In diesem Zusammenhang verweisen die Beschwerdeführer auf das Erkenntnis des Europäischen Gerichtshofes vom 27. März 1985, Rs. 122/84.

Diesen Ausführungen ist zunächst entgegenzuhalten, daß die Beschwerdeführer, welche selbst nicht dem inländischen Arbeitsmarkt angehörten, über kein Aufenthaltsrecht nach Art. 6 des in Rede stehenden Assoziationsratsbeschlusses verfügten. Ein Aufenthaltsrecht nach Art. 7 dieses Beschlusses könnte ihnen nur dann zukommen, wenn ihnen die Genehmigung erteilt würde, zu ihrem Vater zu ziehen. Der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften betont in seinem Urteil vom 17. April 1997 in der Rechtssache Kadiman gegen Freistaat Bayern, Rs. C-351/95 , daß durch Art. 7 des in Rede stehenden Assoziationsratsbeschlusses die Befugnis des betreffenden Mitgliedsstaates nicht berührt wird, den Familienangehörigen die Genehmigung zu erteilen, zu dem in diesem Staat ordnungsgemäß beschäftigten türkischen Arbeitnehmer zu ziehen (vgl. Rz 32 dieses Urteiles). Aus dem von den Beschwerdeführern ins Treffen geführten Assoziationsratsbeschluß ist daher ein Recht auf Familiennachzug für Personen, die dem inländischen Arbeitsmarkt niemals angehörten und auch noch keine Erlaubnis erhielten, zu ihrem Angehörigen zu ziehen, nicht ableitbar.

Ebensowenig läßt sich aus den von den Beschwerdeführern zitierten Entscheidungen internationaler Gerichtshöfe entnehmen, daß die Versagung von Sozialhilfe an Drittstaatsangehörige unzulässig wäre. Das Urteil des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte vom 16. September 1996 bezieht sich nämlich auf die Versagung der Notstandshilfe nach dem Arbeitslosenversicherungsgesetz, bei der es sich um eine nach dem Versicherungsprinzip zustehende Leistung handelt (vgl. hiezu auch das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 11. März 1998,

G 363-365/97-12 u.a.).

In seinem Urteil in Sachen Kenneth Scrivner und Carol Cole gegen Centre public d"aide sociale Chastre (Rs. 122/84) sprach der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften aus, daß der in Belgien zur Auszahlung gelangenden "Hilfe zum Lebensunterhalt", welche der Sozialhilfe vergleichbar ist, der Charakter einer sozialen Vergünstigung im Sinne des Art. 7 Abs. 2 der Verordnung des Europäischen Rates Nr. 1612/68 zukommt, weshalb sie einem Arbeitnehmer, der Staatsangehöriger eines Mitgliedsstaats ist, nicht verweigert werden dürfe. Weder die Beschwerdeführer noch ihr Vater sind aber Staatsangehörige eines Mitgliedsstaates der Europäischen Gemeinschaften.

Dahingestellt bleiben kann die Frage, ob § 3 Abs. 2 des Vorarlberger Sozialhilfegesetzes dem Vater der Beschwerdeführer einen Anspruch auf den Bezug von Sozialhilfe auch für die Beschwerdeführer im Falle der Genehmigung des Familiennachzuges einräumt.

Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. das hg. Erkenntnis vom 3. Mai 1993, Zl. 93/18/0197) verschafft ein Anspruch auf Leistung von Sozialhilfe - im Gegensatz etwa zu einem solchen auf Leistung von Notstandshilfe (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom 20. Juni 1996, Zl. 95/19/0393) - einem Fremden keine eigenen Mittel zur Sicherung seines Lebensunterhaltes.

Der Verwaltungsgerichtshof vermag auch nicht zu erkennen, daß die Differenzierung zwischen Fremden, welche im Falle der Bewilligung des Familiennachzuges ihren Unterhalt ohne Inanspruchnahme von Leistungen aus der Sozialhilfe zu bestreiten in der Lage wären und solchen, bei denen dies nicht der Fall ist, eines objektiven und angemessenen Rechtfertigungsgrundes entbehrte. Diese Beurteilung gilt auch dann, wenn für den Fremden im Falle der Bewilligung des Familiennachzuges ein Anspruch auf Sozialhilfe zustünde. Dennoch ist der Beschwerde aus nachstehenden Gründen Erfolg beschieden:

Es ist nicht rechtswidrig, wenn sich die Aufenthaltsbehörde bei der Ermittlung des Unterhaltsbedarfes eines Fremden an den Richtsätzen der Sozialhilfeverordnung des Landes des geplanten Aufenthaltes (hier: Vorarlberg) orientiert. Ungeachtet der gebotenen Orientierung am jeweiligen Sozialhilferichtsatz bei der Ermittlung des Unterhaltsbedarfes eines Fremden ist dieser nicht notwendigerweise mit dem Richtsatzbedarf gleichzusetzen. Die Feststellung des Unterhaltsbedarfes einer Familie ist daher nicht allein die Lösung einer Rechtsfrage, weshalb die Behörde den von ihr angenommenen Bedarf eines Fremden (bzw. seiner Familie) im Bescheid festzustellen hat (vgl. hiezu auch das hg. Erkenntnis vom 30. April 1996, Zl. 95/18/0345).

Die belangte Behörde stellte im vorliegenden Fall den Monatsbedarf im Sinne des § 1 lit. a (für die aus den Eltern der Beschwerdeführer, den beiden Beschwerdeführern selbst und dem weiteren Kind bestehende Familie) einschließlich der Mietkosten mit S 15.620,-- fest. Hingegen wurden keine Feststellungen über einen Bedarf im Sinne des § 1 lit. c der Vorarlberger Sozialhilfeverordnung getroffen. Bei einer solchen Feststellung hätte sich die belangte Behörde im vorliegenden Fall auch nicht im Sinne des § 5 Abs. 1 lit. c leg. cit. an den Richtsätzen gemäß § 5 Abs. 1 lit. a orientieren dürfen, zumal die Beschwerdeführer konkrete Angaben über die (vergleichbar geringe) Höhe ihres Aufwandes für Beheizung machten. Ein Aufwand im Sinne des § 5 Abs. 1 lit. c leg. cit. wäre daher gegebenenfalls konkret festzustellen gewesen.

Angesichts der oben wiedergegebenen Richtsätze sowie des angegebenen Mietaufwandes von S 3.000,-- ist die Annahme der belangten Behörde betreffend den Monatsbedarf der Familie aus dem Gesichtspunkt einer Verletzung subjektiver Rechte der Beschwerdeführer nicht zu beanstanden, zumal sich der Bundesminister für Inneres an jenem Gesamtbetrag hätte orientieren können, welcher nach Auffassung der Vorarlberger Landesregierung bei Erlassung des Sozialhilferichtsatzes für 1996 zur Deckung des in § 1 lit. a der Vorarlberger Sozialhilfeverordnung umschriebenen Bedarfes für einen Haupt- und drei Mitunterstützte auch dann ausreichend wäre, wenn für die Mitunterstützten keine Familienbeihilfe bezogen würde und wenn dieser Betrag lediglich zwölfmal jährlich zur Auszahlung gelangt (vgl. das hg. Erkenntnis vom 17. Oktober 1997, Zlen. 96/19/2559, 2560, 2561). Dies wären im Fall der Beschwerdeführer S 16.700,--.

Zutreffend rügen die Beschwerdeführer jedoch, daß es die belangte Behörde unterließ, bei Berechnung des ihrer Familie monatlich zur Verfügung stehenden Betrages zu berücksichtigen, daß das bekanntgegebene Nettomonatsgehalt vierzehnmal jährlich ausbezahlt wird. So könnte auch die Bestätigung, der Familienerhalter verfüge über einen Monatslohn von S 13.900,-- "ohne Sonderzahlungen", zu verstehen gewesen sein. Jedenfalls wäre die belangte Behörde verpflichtet gewesen, auf eine diesbezügliche Klarstellung zu dringen. Da auch Sonderzahlungen zur Deckung des laufenden Lebensunterhaltes verfügbare eigene Mittel darstellen (vgl. das bereits zitierte hg. Erkenntnis vom 17. Oktober 1997), errechnete sich unter Berücksichtigung der Sonderzahlungen - unter Außerachtlassung ihrer steuerlichen Begünstigung - ein der Familie monatlich zur Verfügung stehender Nettogehaltsbetrag von etwa S 16.200,--. Dieser überstiege den von der belangten Behörde angenommenen Mindestbedarf von S 15.620,--.

Schließlich ließ die belangte Behörde auch unbeachtet, daß der Familienerhalter im Falle des (rechtmäßigen) Aufenthaltes der Beschwerdeführer im Bundesgebiet für diese Kinder gemäß § 2 Abs. 1 und § 3 Abs. 1 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967 Familienbeihilfe beziehen könnte. Auch dabei handelte es sich um Ansprüche, die bei der Beurteilung gemäß § 5 Abs. 1 AufG zu berücksichtigen sind (vgl. das hg. Erkenntnis vom 22. Mai 1996, Zlen. 95/21/0429 bis 0431). Zu betonen ist in diesem Zusammenhang neuerdings, daß sich die Behörde bei der Berechnung des Bedarfes auch für solche Kinder an den höheren Richtsätzen für "sonstige Haushaltsangehörige" orientieren dürfte. Auf diese höheren Richtsätze wären jedoch auch die Bezüge aus der Familienbeihilfe anzurechnen.

Da der Sachverhalt in den vom Verwaltungsgerichtshof aufgezeigten wesentlichen Punkten einer Ergänzung bedarf, waren die Bescheide im angefochtenen Umfang gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Von der Durchführung der beantragten mündlichen Verhandlung konnte aus dem Grunde des § 39 Abs. 2 Z. 3 VwGG Abstand genommen werden, zumal auch Art. 6 MRK dem nicht entgegensteht.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Neben dem Pauschalbetrag für den Ersatz des Schriftsatzaufwandes können Kosten aus dem Titel der Umsatzsteuer ebensowenig zuerkannt werden wie der Ersatz von Stempelgebühren, welche im Verfahren vor dem Verfassungsgerichtshof beizubringen waren.

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