Normen
AufG 1992 §5 Abs1;
FamLAG 1967 §2;
AufG 1992 §5 Abs1;
FamLAG 1967 §2;
Spruch:
Die angefochtenen Bescheide werden wegen Rechtswidrigkeit ihres Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat den Beschwerdeführern Aufwendungen in der Höhe von S 11.120,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die vorliegende Beschwerde richtet sich gegen drei weitgehend gleichlautende Bescheide des Bundesministers für Inneres (belangte Behörde) vom 23. November 1994, mit welchen die Anträge der Beschwerdeführer vom 1. August 1994 auf Erteilung von Bewilligungen nach dem Aufenthaltsgesetz gemäß § 5 Abs. 1 AufG abgewiesen wurden. Die belangte Behörde begründete die angefochtenen Bescheide damit, daß der Beschwerdeführerin, einer Mutter und zwei minderjährigen Kindern sowie dem Ehegatten der Erstbeschwerdeführerin bzw. Vater des Zweitbeschwerdeführers und der Drittbeschwerdeführerin, Unterhaltsmittel im Ausmaß von bloß S 308,90 täglich zur Verfügung stünden. Gerade die Notwendigkeit, in einem ohnedies sensiblen Bereich die weitere Zuwanderung sorgfältig zu steuern, mache es erforderlich, stenge Maßstäbe an die Beurteilung der gesicherten Unterhaltsmittel von Zuwanderern anzulegen. Im Fall der Beschwerdeführer verhielten sich ihre tatsächlichen Mittel zu "einem grundsätzlichen Mindestbedarf von öS 11.949,-- gemäß Sozialhilferichtsatz des Bundeslandes Wien ... in keiner Relation". Angesichts dieser Differenz könne eine Aufenthaltsbewilligung nicht erteilt werden.
Gegen diese Bescheide ist die vorliegende Beschwerde gerichtet, die Beschwerdeführer beantragen deren Aufhebung wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und beantragte die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 5 Abs. 1 AufG darf eine Bewilligung Fremden nicht erteilt werden, bei denen ein Sichtvermerksversagungsgrund (§ 10 Abs. 1 FrG) vorliegt, insbesondere aber, wenn deren Lebensunterhalt oder eine für Inländer ortsübliche Unterkunft in Österreich für die Geltungsdauer der Bewilligung nicht gesichert ist.
Die Beschwerdeführer halten den angefochtenen Bescheid im wesentlichen deswegen für rechtswidrig, weil die belangte Behörde überhaupt nicht auf die spezifische Situation der Beschwerdeführer eingegangen sei. Die Erstbeschwerdeführerin lebe seit dem Jahre 1989 in Wien, sie sei mit dem Vater ihrer Kinder seit 1982 verheiratet, die gemeinsame Tochter, die Drittbeschwerdeführerin habe die gesamte Volksschule in Österreich besucht, der Zweitbeschwerdeführer sei in Österreich geboren. Die Erstbeschwerdeführerin sei als Schneiderin beschäftigt gewesen und befinde sich bis zum 14. Dezember 1995 auf Karenzurlaub. Der Ehegatte der Erstbeschwerdeführerin sowie Vater von Zweitbeschwerdeführer und Drittbeschwerdeführerin sei von Beruf Dreher, zum Zeitpunkt der Antragsstellung zwar arbeitslos, aber ständig auf Arbeitssuche. Die belangte Behörde habe die Erstbeschwerdeführerin im Verwaltungsverfahren zu Unrecht nicht angeleitet, die für die beiden minderjährigen Kinder bezogenen Familienbeihilfen und den Kinderabsetzbetrag als Bezüge anzugeben; unter Einrechnung dieser Beträge wäre der von der belangten Behörde errechnete Mindestbedarf gemäß Sozialhilferichtsatz überschritten worden. Die belangte Behörde habe weder die Kriegsereignisse in der Heimatgemeinde der Erstbeschwerdeführerin Brcko noch die Tatsache berücksichtigt, daß der Zweitbeschwerdeführer in Österreich geboren sei sowie die Drittbeschwerdeführerin vor dem Abschluß der zur Gänze in Österreich besuchten Volksschule stehe und die Familie bereits seit Jahren in Österreich lebe.
Die Beschwerde ist im Ergebnis aus folgenden Gründen im Recht:
Zwar ist die Heranziehung des Sozialhilferechtes jenes Bundeslandes, in welchem der Antragsteller seinen Wohnsitz hat bzw. nehmen will, zur Beurteilung der Frage, ob sein Lebensunterhalt im Sinne des § 5 Abs. 1 AufG gesichert ist, ein grundsätzlich taugliches Mittel (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom 25. Jänner 1996, Zl. 95/19/1607 bis 1610). Bei der Familienbeihilfe gemäß §§ 2 ff des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967 handelt es sich um einen gesetzlichen Anspruch, der bei der Beurteilung gemäß § 5 Abs. 1 AufG zu berücksichtigen ist (zum vergleichbaren Fall des gesetzlichen Anspruches gemäß §§ 292 ff ASVG vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 14. Dezember 1995, Zl. 95/19/0465). Im vorliegenden Fall hat die belangte Behörde verabsäumt, in einer zu keinem Zweifel in Anlaß gebenden Weise darzulegen, ob sie die Familienbeihilfe für den Zweitbeschwerdeführer und die Drittbeschwerdeführerin bei der Berechnung des Familieneinkommens berücksichtigt hat. Damit hat sie den angefochtenen Bescheid aber mit Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften belastet (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 28. September 1995, Zl. 95/18/0668).
Die Beschwerdeführer werfen der belangten Behörde aber auch zu Recht vor, daß sie ihre private und familiäre Situation nicht ausreichend berücksichtigt habe. Würde die Versagung einer Bewilligung nach dem Aufenthaltsgesetz mangels Sicherung des Lebensunterhaltes in das durch Art. 8 MRK geschützte Recht des Fremden auf Achtung des Privat- und Familienlebens eingreifen, so gebietet eine verfassungskonforme Auslegung des § 5 Abs. 1 AufG eine Bedachtnahme auf die privaten und familiären Interessen des Bewilligungswerbers derart, daß eine Versagung der Bewilligung nur zulässig ist, wenn dies zur Erreichung der in Art. 8 Abs. 2 MRK umschriebenen öffentlichen Interessen notwendig ist (vgl. dazu das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 16. März 1995, B 2259/94). Im vorliegenden Fall wären die privaten und familiären Interessen der Beschwerdeführer durch die Versagung der beantragten Bewilligungen zweifellos erheblich beeinträchtigt. Die belangte Behörde unterließ jede Bedachtnahme auf diese Interessen und wog sie nicht mit allenfalls gegen den Aufenthalt der Beschwerdeführer in Österreich sprechenden öffentlichen Interessen ab, wodurch sie die angefochtenen Bescheide mit - einer von Amts wegen aufzugreifenden - Rechtswidrigkeit ihres Inhaltes belastete.
Der Aufhebungsgrund des § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG geht jenem des § 42 Abs. 2 Z. 3 VwGG vor. Die angefochtenen Bescheide waren daher wegen Rechtswidrigkeit ihres Inhaltes aufzuheben.
Die Kostenentscheidung gründet sich - im Rahmen des gestellten Begehrens - auf die §§ 47 ff VwGG i.V.m. der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 416/1994.
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