VwGH 97/18/0532

VwGH97/18/053213.11.1997

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Wetzel und die Hofräte Dr. Zeizinger, Dr. Rigler, Dr. Handstanger und Dr. Bayjones als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Keller, über die Beschwerde der S, vertreten durch Dr. Wolfgang Schimek, Rechtsanwalt in Amstetten, Graben 42, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 29. August 1997, Zl. SD 757/97, betreffend Ausweisung, zu Recht erkannt:

Normen

FrG 1993 §17 Abs1;
FrG 1993 §19;
EMRK Art8 Abs2;
FrG 1993 §17 Abs1;
FrG 1993 §19;
EMRK Art8 Abs2;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom 29. August 1997, wurde die Beschwerdeführerin, eine jugoslawische Staatsangehörige, gemäß § 17 Abs. 1 des Fremdengesetzes - FrG, BGBl. Nr. 838/1992, ausgewiesen.

Die Beschwerdeführerin sei nach der Aktenlage 1993 sichtvermerksfrei nach Österreich eingereist und habe sich am 17. August 1993 an einer näher genannten Adresse in Wien angemeldet. Am 1. September 1993 habe sie einen näher genannten österreichischen Staatsbürger geheiratet und daraufhin vom Arbeitsamt für persönliche Dienste und Gastgewerbe einen Befreiungsschein, gültig vom 14. Oktober 1993 bis "13. Oktober 1989" (wohl: 13. Oktober 1999) erhalten. Ein von der Beschwerdeführerin am 13. Februar 1995 eingebrachter Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung sei vom Landeshauptmann von Wien mit Bescheid vom 27. September 1995 gemäß § 5 Abs. 1 des Aufenthaltsgesetzes iVm § 10 Abs. 1 Z. 6 FrG abgewiesen worden, da die Erteilung eines Sichtvermerks nach sichtvermerksfreier Einreise nicht zulässig sei. Die Beschwerdeführerin habe daraufhin zwei weitere Anträge gestellt, die ebenfalls abgewiesen worden seien; zuletzt sei am 27. Juni 1996 ein Antrag erfolgt, der durch den rechtsfreundlichen Vertreter der Beschwerdeführerin über die österreichische Botschaft in Preßburg eingereicht worden und der im Instanzenzug vom Bundesminister für Inneres mit Bescheid vom 6. Juni 1997 abgewiesen worden sei. Die Beschwerdeführerin sei somit nach ihrer sichtvermerksfreien Einreise lediglich zu einem Aufenthalt in der Dauer von drei Monaten berechtigt gewesen; trotzdem sei sie weiterhin in Österreich verblieben, sodaß die Erstbehörde zu Recht davon ausgegangen sei, daß die Voraussetzungen des § 17 Abs. 1 erster Halbsatz FrG gegeben seien.

Was die Zulässigkeit der Ausweisung im Grunde des § 19 FrG betreffe, so sei zweifellos im Hinblick auf ihre familiären Bindungen (Ehemann sowie zahlreiche Verwandte in Österreich) von einem mit dieser Maßnahme verbundenen Eingriff in ihr Privat- und Familienleben auszugehen. Dessen ungeachtet sei aber die Zulässigkeit der Ausweisung zu bejahen, komme doch gerade den für die Einreise und den Aufenthalt von Fremden getroffenen Regelungen und deren Befolgung durch den Normadressaten aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung (Art. 8 Abs. 2 MRK) ein sehr hoher Stellenwert zu. Diese Regelungen seien von der Beschwerdeführerin in gravierender Weise mißachtet worden. Das maßgebliche öffentliche Interesse werde durch den nun bald mehr als dreieinhalb Jahre dauernden unerlaubten Aufenthalt der Beschwerdeführerin, und zwar auch nach und trotz der rechtskräftigen Abweisung ihrer vier Anträge nach dem Aufenthaltsgesetz, erheblich beeinträchtigt. Dazu komme, daß einer Antragstellung nach dem Aufenthaltsgesetz vom Inland aus die Bestimmung des § 10 Abs. 1 Z. 6 FrG entgegenstehe und die Beschwerdeführerin nicht in der Lage sei, ihren Aufenthalt in Österreich vom Inland aus zu legalisieren. Das erhebliche Gewicht der genannten öffentlichen Interessen werde durch die von der Beschwerdeführerin ins Treffen geführten privaten und familiären Interessen nicht aufgewogen, zumal die Eheschließung der Beschwerdeführerin zu einem Zeitpunkt erfolgt sei, in dem sie rechtens nicht mit einem längeren Aufenthalt in Österreich habe rechnen dürfen. Außerdem schließe die Heirat eines Fremden im Inland nicht die Anwendbarkeit der für die Einreise und den Aufenthalt von Fremden in Österreich geltenden rechtlichen Bestimmungen aus. Was die Erteilung eines Befreiungsscheines sowie die Berufstätigkeit der Beschwerdeführerin anlange, so sei dazu festzustellen, daß ein Befreiungsschein ebenfalls nicht eine fehlende Bewilligung nach dem Aufenthaltsgesetz zu ersetzen vermöge. Die vorliegende Ausweisung verfolge lediglich den Zweck, die Beschwerdeführerin zu verhalten, den illegalen Zustand durch Ausreise zu beenden, und vom Ausland aus einen zulässigen Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung zu stellen.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1.1. Die Beschwerdeführerin wendet gegen den angefochtenen Bescheid ein, daß es sich bei ihr um die Ehegattin eines österreichischen Staatsbürgers handle und daß gemäß "§ 2 Z. 1 FrG-DV 1994" Angehörigen von österreichischen Staatsbürgern Sichtvermerke auch nach sichtvermerksfreier Einreise erteilt werden könnten. Aufgrund der "Novelle BGBl. Nr. 351/1995" hätten Ehegatten bereits nach sechs Monaten Ehe einen Rechtsanspruch auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung. Die Beschwerdeführerin habe gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 6. Juni 1997, mit dem ihr (zuletzt) von Preßburg aus am 27. Juni 1996 eingebrachter Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung abgewiesen worden sei, Beschwerde beim Verwaltungsgerichtshof erhoben, der in diesem Beschwerdefall das Vorverfahren eingeleitet habe.

1.2. Mit diesem Vorbringen ist für die Beschwerdeführerin nichts zu gewinnen. Sie läßt damit unbekämpft, daß der Beschwerdeführerin keine Aufenthaltsberechtigung in Österreich zukommt und ihr genannter zuletzt gestellter Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung vom Bundesminister für Inneres abgewiesen wurde. Auch die dagegen beim Verwaltungsgerichtshof eingebrachte Beschwerde kann der Beschwerdeführerin eine Aufenthaltsberechtigung nicht verschaffen, zumal in der vorliegenden Beschwerde nicht einmal behauptet wird, daß ihrer Beschwerde gegen die Versagung der Aufenthaltsbewilligung vom Verwaltungsgerichtshof aufschiebende Wirkung zuerkannt worden wäre. Die ihrem Vorbringen entnehmbare Auffassung, der Beschwerdeführerin wäre die Aufenthaltsbewilligung zu Unrecht versagt worden, kann daran nichts ändern.

Der Gerichtshof hegt daher gegen die auf den unbestrittenen maßgeblichen Sachverhaltsfeststellungen beruhende Auffassung der belangten Behörde, daß sich die Beschwerdeführerin nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalte, keine Bedenken. Damit hat die belangte Behörde das Vorliegen der Voraussetzung des § 17 Abs. 1 FrG für die Erlassung einer Ausweisung gegen die Beschwerdeführerin - vorbehaltlich ihrer Zulässigkeit nach § 19 FrG - zutreffend bejaht.

2.1. Die Beschwerdeführerin bekämpft die von der belangten Behörde gemäß § 19 FrG vorgenommene Beurteilung. Sie habe den Mittelpunkt ihrer Lebensinteressen in Österreich begründet und neben ihrer Ehe mit einem österreichischen Staatsbürger zahlreiche verwandtschaftliche Beziehungen zu österreichischen Staatsbürgern; es bestünden auch sonst "erhebliche Familienbindungen" in Österreich. Die Beschwerdeführerin gehe einer geregelten Arbeit nach, sorge für ihren Lebensunterhalt sowie für die Erhaltung der ehelichen Wohnung und sei unbescholten. Sie habe sich völlig ordnungsgemäß in Österreich aufgehalten, "bei der Einreise seien" keine wie immer gearteten Versagungsgründe vorgelegen. Der Beschwerdeführerin sei ein Befreiungsschein mit Gültigkeit vom 14. Oktober 1993 bis zum 13. Oktober 1998 ausgestellt worden, sie gehe seit der Gültigkeit dieses Befreiungsscheins einer geregelten Arbeit nach und befinde sich nach wie vor in einem aufrechten Beschäftigungsverhältnis. Die belangte Behörde führe selbst aus, daß im Hinblick auf die familiären Bindungen der Beschwerdeführerin von einem mit der Ausweisung verbundenen Eingriff in ihr Privat- und Familienleben auszugehen sei. In der Folge habe die belangte Behörde aber keine Interessenabwägung vorgenommen, sondern sich lediglich darauf bezogen, daß den für die Einreise und den Aufenthalt von Fremden getroffenen Regelungen und deren Befolgung durch den Normadressaten aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung ein sehr hoher Stellenwert zukomme. Worin die Annahme gerechtfertigt sein solle, daß der Aufenthalt der Beschwerdeführerin in Österreich den Schutz und die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung gefährde, lasse sich dem angefochtenen Bescheid aber nicht entnehmen.

2.2. Mit diesem Vorbringen zeigt die Beschwerde keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf. Die belangte Behörde hat die familiären und privaten Verhältnisse der Beschwerdeführerin im Rahmen der Abwägung nach § 19 FrG zu ihren Gunsten berücksichtigt und zutreffend einen mit der Ausweisung verbundenen relevanten Eingriff in ihr Privat- und Familienleben angenommen. Ebenso zutreffend hat sie diesem Eingriff das - nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes aus der Sicht des Schutzes der öffentlichen Ordnung (Art. 8 Abs. 2 MRK) einen hohen Stellenwert aufweisende - öffentliche Interesse an der Einhaltung der die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften gegenübergestellt (vgl. dazu etwa das hg. Erkenntnis vom 17. April 1997, Zl. 97/18/0171, mwH).

Dieses maßgebliche öffentliche Interesse hat die Beschwerdeführerin durch ihren langen unberechtigten Aufenthalt in der Dauer von jedenfalls mehr als dreieinhalb Jahren gravierend beeinträchtigt.

Bei dieser gravierenden Beeinträchtigung kann es dahingestellt bleiben, ob der Aufenthalt der Beschwerdeführerin schon von Anfang an (und somit für die Dauer von etwa vier Jahren) im Hinblick darauf unrechtmäßig war, daß die von der Beschwerde herausgestrichene Begründung des Lebensmittelpunktes der Beschwerdeführerin in Österreich von Anfang an eine Aufenthaltsbewilligung erforderlich gemacht hätte (vgl. § 1 Abs. 1 des Aufenthaltsgesetzes). Abgesehen davon wäre der Beschwerdeführerin - was ebenfalls dahingestellt bleiben kann - nach der Kundmachung des Bundeskanzlers betreffend die Aussetzung der Sichtvermerksfreiheit im Verhältnis zur "Bundesrepublik Jugoslawien", BGBl. Nr. 386a/1992 iVm der Verordnung des Bundesministers für Inneres über die Ausnahme von der Sichtvermerkspflicht, BGBl. Nr. 407/1992, eine sichtvermerksfreie Einreise nach Österreich überhaupt nur dann erlaubt gewesen, wenn auf sie die in der genannten Verordnung umschriebenen Voraussetzungen (für ihren Fall maßgeblich: das Vorweisen eines gültigen Reisepasses und weiters eines aufenthaltsrechtlichen Titels Deutschland, der Schweiz, Frankreichs, Belgiens, der Niederlande oder Luxemburgs, der zum Zeitpunkt der Einreise nach Österreich noch mehr als drei Monate gültig ist) zugetroffen hätten, was die Beschwerde im übrigen nicht einmal behauptet.

Die diesem sehr gewichtigen öffentlichen Interesse an der Ausweisung gegenüberstehenden privaten Interessen der Beschwerdeführerin wiegen vergleichsweise geringer, wurden doch die Grundlagen hiefür - nämlich die Eheschließung mit einem österreichischen Staatsbürger sowie die Aufnahme einer Beschäftigung nach Erteilung eines Befreiungsscheins - zu einem Zeitpunkt geschaffen, als die Beschwerdeführerin rechtens nicht mit einem weiteren Aufenthalt in Österreich rechnen durfte. Eine allfällige familiäre und berufliche Integration der Beschwerdeführerin schlägt von daher gesehen nur unwesentlich zu ihren Gunsten zu Buche. Auch das Vorbringen, die Beschwerdeführerin sei legal nach Österreich eingereist, kann - selbst wenn dies zutreffen sollte - das Gewicht der Beeinträchtigung des maßgeblichen öffentlichen Interesses nicht entscheidend verringern; dasselbe gilt für die Behauptung, bei der Einreise der Beschwerdeführerin seien "keine wie immer gearteten Versagungsgründe" vorgelegen. Mit ihrer Behauptung, die Beschwerdeführerin sei unbescholten, tut die Beschwerde keinen Umstand dar, der das genannte maßgebliche öffentliche Interesse an der Ausweisung verringern bzw. die privaten Interessen der Beschwerdeführerin stärken könnte (vgl. das hg. Erkenntnis vom 21. Februar 1997, Zl. 97/18/0043).

3. Vor dem Hintergrund des Gesagten ist die Verfahrensrüge, die belangte Behörde hätte in Ansehung des Privat- und Familienlebens der Beschwerdeführerin den entscheidungsrelevanten Sachverhalt nicht ausreichend ermittelt, nicht zielführend. Dasselbe gilt für die weitere Verfahrensrüge, der angefochtene Bescheid wäre im Hinblick auf diesen behaupteten Mangel nicht ausreichend begründet, zumal sich die Behörde "lediglich auf eine oberflächliche Beurteilung der Situation der Beschwerdeführerin" zurückzöge.

4. Auch der Beschwerdehinweis, die Ausweisung würde für die Beschwerdeführerin bedeuten, daß sie in ihrer Heimat ohne Einkommen, Vermögen und Wohnung sei und überdies Repressalien zu befürchten hätte (nach wie vor komme es in ihrer Heimat zu täglichen Übergriffen auf Rückkehrer, die mitunter sogar tödlich endeten), geht ins Leere. Zum einen verkennt die Beschwerdeführerin, daß mit der Ausweisung lediglich die Verpflichtung des Fremden begründet wird, das Bundesgebiet zu verlassen (siehe § 22 Abs. 1 FrG), nicht aber (auch) ausgesprochen wird, daß sie in ein bestimmtes Land auszureisen hat oder daß sie (allenfalls) abgeschoben wird (vgl. das hg. Erkenntnis vom 12. Juni 1997, Zl. 96/18/0600, mwH); zum anderen bezieht sich § 19 FrG lediglich auf das Privat- und Familienleben der Beschwerdeführerin in Österreich (vgl. dazu das hg. Erkenntis vom 4. September 1997, Zl. 97/18/0323).

5. Da schon der Beschwerdeinhalt erkennen läßt, daß die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren (somit auch ohne die Durchführung der beantragten mündlichen Verhandlung) als unbegründet abzuweisen.

6. Bei diesem Ergebnis erübrigte sich ein Abspruch über den Antrag, der Beschwerde aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

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