VwGH 97/18/0323

VwGH97/18/03234.9.1997

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Wetzel und die Hofräte Dr. Zeizinger, Dr. Rigler, Dr. Handstanger und Dr. Bayjones als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Keller, über die Beschwerde des M in S, vertreten durch Dr. Josef Lindlbauer, Rechtsanwalt in Enns, Bräuergasse 3, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich vom 3. April 1997, Zl. St 105/97, betreffend Erlassung eines unbefristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:

Normen

FrG 1993 §18 Abs2 Z1;
FrG 1993 §19;
FrG 1993 §20 Abs1;
EMRK Art8 Abs2;
SGG §23a Abs1;
FrG 1993 §18 Abs2 Z1;
FrG 1993 §19;
FrG 1993 §20 Abs1;
EMRK Art8 Abs2;
SGG §23a Abs1;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich (der belangten Behörde) vom 3. April 1997 wurde gegen den Beschwerdeführer, einen Staatsangehörigen der Bundesrepublik Jugoslawien, gemäß § 18 Abs. 1 und Abs. 2 Z. 1 iVm den §§ 19 bis 21 des Fremdengesetzes - FrG, BGBl. Nr. 838/1992, ein unbefristetes Aufenthaltsverbot erlassen.

Begründend führt die belangte Behörde aus, daß hinsichtlich des Beschwerdeführers folgende Verurteilungen aufschienen:

1. Verurteilung durch das Bezirksgericht Enns vom 7. August 1985 wegen unbefugten Gebrauchs eines Fahrzeuges zu einer Geldstrafe von 40 Tagessätzen,

2. Verurteilung durch das Bezirksgericht Mauthausen vom 25. November 1985 wegen fahrlässiger Körperverletzung zu einer Geldstrafe von 20 Tagessätzen,

3. Verurteilung durch das Bezirksgericht Enns vom 20. Juni 1990 wegen Körperverletzung (§ 83 Abs. 1 StGB) zu einer Geldstrafe von 60 Tagessätzen,

4. Verurteilung durch das Landesgericht Steyr vom 20. März 1991 nach dem Finanzstrafgesetz (§§ 35 Abs. 1, 38 Abs. 1 lit. a und 44 Abs. 1 lit. c des Finanzstrafgesetzes) zu einer Geldstrafe von S 38.000,--, Ersatzfreiheitsstrafe 6 Wochen und eine Wertersatzstrafe von S 49.525,--,

5. Verurteilung durch das Bezirksgericht Enns vom 25. September 1991 wegen Körperverletzung (§ 83 Abs. 1 StGB) zu einer Geldstrafe von 40 Tagessätzen,

6. Verurteilung durch das Landesgericht Wien vom 27. Juli 1995 nach dem Suchtgiftgesetz (§§ 12 Abs. 1 und 2, 14a und 16 Abs. 1 des Suchtgiftgesetzes) zu einer Freiheitsstrafe von zehn Monaten,

7. Verurteilung durch das Bezirksgericht Enns vom 13. Juni 1996 nach dem Suchtgiftgesetz (§ 16 Abs. 1 des Suchtgiftgesetzes) zu einer Freiheitsstrafe von 34 Tagen.

Der Tatbestand des § 18 Abs. 2 Z. 1 FrG sei in Anbetracht der gerichtlichen Verurteilungen des Beschwerdeführers, insbesondere wegen der genannten Verurteilung durch das Landesgericht Wien zu einer Freiheitsstrafe von zehn Monaten, zweifellos erfüllt, was der Beschwerdeführer in seiner Berufung nicht bestreite.

Durch die Erlassung des Aufenthaltsverbotes werde unbestrittenermaßen massiv in das Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers eingegriffen. Dies schon deshalb, da sich der Beschwerdeführer bereits langjährig (seit 1974) rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten habe und hier mit seiner Frau und seinen zwei minderjährigen Kindern lebe. Auch zu seinen sonstigen Verwandten "(Eltern, Bruder usw.)" habe der Beschwerdeführer "noch engen Kontakt". Im beruflichen Bereich "dürfte" sich der Beschwerdeführer bereits integriert haben. Aufgrund der geschilderten Verhältnisse sei dem Beschwerdeführer zweifellos eine weitgehende Integration zuzubilligen. Diese Integration habe der Beschwerdeführer aber in einem "sehr wesentlichen Bereich, nämlich im sozialen, noch nicht vollständig geschafft", wie auch die regelmäßigen strafbaren Handlungen des Beschwerdeführers verdeutlichten.

Bereits im Hinblick auf die besondere Gefährlichkeit der Suchtgiftkriminalität, insbesondere des Suchtgifthandels, sei die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes bei auch ansonsten völliger sozialer Integration des Fremden dringend geboten, weil die maßgeblichen öffentlichen Interessen in diesen Fällen unverhältnismäßig schwerer wögen als die gegenläufigen privaten Interessen des Fremden.

Ein rigoroses Vorgehen gegen Suchtgiftkriminalität, ganz gleich in welcher Form, sei schon deshalb dringend geboten, da der "immer größer werdende Konsum von Suchtgiften zu verheerenden Schäden und Folgen in der Gesellschaft, und hier wiederum vor allem bei Jugendlichen", führe. Außerdem nehme die mit dem Genuß von Suchtgift einhergehende Suchtgiftkriminalität bereits Dimensionen an, "die zu einer eklatanten Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit" führten.

Schon im Hinblick auf den Schutz der Gesellschaft und hier vor allem wiederum der Jugendlichen, die diesen Gefahren aufgrund ihrer mangelnden Reife vermehrt ausgesetzt seien, sei eine derartige, sicherlich in massiver Weise in das Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers eingreifende Maßnahme "dringendst" erforderlich.

Der Hinweis des Beschwerdeführers darauf, daß er bezüglich Körperverletzungen und sonstiger Delikte seit 1991 nicht mehr rückfällig geworden wäre, könne deshalb nicht zu seinem Vorteil gewertet werden, da sich die strafbaren Handlungen des Beschwerdeführers - wie seine Verurteilungen zeigten - "der Schwere nach gesteigert" hätten und der Beschwerdeführer letztlich "in der Suchtgiftkriminalität" tätig gewesen sei. Im Vergleich mit der Verurteilung durch das Landesgericht Wien nähmen die Körperverletzungsdelikte des Beschwerdeführers eher "verschwindend kleine Maße" an. Aus diesem Grund könne man wohl kaum, wie vom Beschwerdeführer angeführt, von einem nunmehr rechtstreuen, zum Positiven hin gewendeten Verhalten des Beschwerdeführers sprechen, zumal auch der Zeitraum, seitdem er sich - zumindest der Aktenlage nach - wohlverhalten habe, zu kurz sei, um zu einer positiven Zukunftsprognose - auch nur ansatzweise - zu gelangen (die letzte Verurteilung des Beschwerdeführers durch das Bezirksgericht Enns datiere mit 13. Juni 1996).

Vor dem Hintergrund des Gesagten sei auch der Hinweis des Beschwerdeführers darauf, daß er sich mittlerweile vollständig vom Suchtgift losgelöst hätte und mit einem Rückfall nicht zu rechnen wäre, zu sehen. Nicht nur, daß der Beschwerdeführer bereits einmal rückfällig geworden sei, entspreche es auch der allgemeinen Lebenserfahrung, daß die Wiederholungsgefahr bei Suchtgiftdelikten enorm groß sei.

Wenngleich - wie erwähnt - im Beschwerdefall sicherlich bereits eine "verfestigte Integration" vorhanden sei, gehe die belangte Behörde - der Erstbehörde folgend - davon aus, daß in Anbetracht der Schwere der Verfehlungen des Beschwerdeführers nicht nur die im § 18 Abs. 1 FrG umschriebene Annahme gerechtfertigt, sondern das Aufenthaltsverbot auch im Lichte des § 19 FrG dringend geboten sei.

Da - unter Abwägung aller angeführten Tatsachen - im Hinblick auf die für den weiteren Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet zu stellende negative Zukunftsprognose die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes wesentlich schwerer wögen als die Auswirkungen dieser Maßnahme auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers, sei das Aufenthaltsverbot auch zulässig im Sinn des § 20 FrG. Daran vermöchten auch die starken familiären Beziehungen des Beschwerdeführers im Bundesgebiet nichts zu ändern.

Da - wie ausgeführt - die Wiederholungsgefahr bei Suchtgiftdelikten enorm groß sei, könne auch nicht vorhergesagt werden, wann der Grund für die Erlassung des Aufenthaltsverbotes wegfalle, weshalb das Aufenthaltsverbot unbefristet zu erlassen gewesen sei.

Von der Aufnahme weitere Beweise sei insofern Abstand genommen worden, als der entscheidungsrelevante Sachverhalt ausreichend ermittelt gewesen sei. Insbesondere sei von Beweisanträgen des Beschwerdeführers auf zeugenschaftliche Einvernahme der in der Berufung angeführten Personen "kein Gebrauch" gemacht worden, da an den sicherlich vorhandenen starken familiären und beruflichen Bindungen des Beschwerdeführers nicht gezweifelt werde.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes, in eventu wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften, aufzuheben.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1.1. Auf dem Boden der maßgeblichen, in der Beschwerde nicht bestrittenen Sachverhaltsfeststellungen betreffend die strafgerichtlichen Verurteilungen des Beschwerdeführers besteht gegen die Auffassung der belangten Behörde, daß vorliegend der Tatbestand des § 18 Abs. 2 Z. 1 FrG verwirklicht sei, kein Einwand. Der Beschwerdeführer hat mit der genannten Verurteilung durch das Landesgericht Wien den Tatbestand des § 18 Abs. 2 Z. 1 erster Fall FrG erfüllt; hinsichtlich dieser Verurteilung sowie der ebenfalls genannten Verurteilung durch das Bezirksgericht Enns im Jahr 1996 hat der Beschwerdeführer überdies den Tatbestand des § 18 Abs. 2 Z. 1 vierter Fall verwirklicht, da die rechtskräftigen Verurteilungen wegen auf der gleichen schädlichen Neigung beruhender strafbarer Handlungen erfolgt sind.

1.2. Der Beschwerdeführer hält die Annahme nach § 18 Abs. 1 FrG in seinem Fall für nicht gerechtfertigt, weil - anders als in den Fällen, die den von der Behörde zitierten hg. Erkenntnissen vom 14. Jänner 1993, Zl. 92/18/0475, und vom 29. September 1994, Zl. 94/18/0370, zugrundelagen - seine Verurteilungen im Zeitraum von "1981 bis 1995" (offenbar gemeint: von 1985 bis 1991) "bereits Jahre" zurücklägen und - was auch die Behörde bejahe - von untergeordneter Bedeutung im Vergleich zur Verurteilung durch das Landesgericht Wien seien.

Dem ist - was der Beschwerdeführer selbst aufzeigt und was die belangte Behörde zutreffend herausgestrichen hat - vor allem die Verurteilung des Beschwerdeführers durch das Landesgericht Wien im Jahr 1995 entgegenzuhalten. Die Auffassung der Behörde, daß die im § 18 Abs. 1 FrG umschriebene Annahme gerechtfertigt sei, kann nämlich mit Rücksicht auf die vom Beschwerdeführer - dem zwei Verurteilungen nach dem Suchtgiftgesetz zur Last liegen, wobei eine Verurteilung auch wegen des Handels mit Suchtgift erfolgte - ausgehende Gefahr für die im Art. 8 Abs. 2 MRK genannten öffentlichen Interessen (konkret: zur Verhinderung strafbarer Handlungen und für die Gesundheit anderer) nicht als rechtswidrig erkannt werden.

2. Die von der Beschwerde im Hinblick auf die privaten Interessen ins Treffen geführten Gesichtspunkte vermögen an der zu Ungunsten des Beschwerdeführers ausgegangenen Interessenabwägung im Grunde der §§ 19 und 20 FrG nichts zu ändern.

Die belangte Behörde hat den langjährigen Aufenthalt des Beschwerdeführers, seine familiären Bindungen und seine berufliche Tätigkeit in Österreich ohnehin ausdrücklich zu seinen Gunsten in ihre Beurteilung einbezogen. Die auf diese Umstände gerichteten Beschwerdeausführungen zeigen keine Rechtswidrigkeit der von der Behörde vorgenommenen Interessenabwägung auf, da bei Suchtgiftdelikten - wie die belangte Behörde zutreffend erkannt hat - wegen deren großen Sozialschädlichkeit selbst eine ansonsten völlige soziale Integration des Fremden der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes aus der Sicht des § 20 Abs. 1 FrG nicht entgegensteht (vgl. das hg. Erkenntnis vom 26. Juni 1997, Zl. 97/18/0306, mwH). Unter diesem Gesichtspunkt vermögen die in der Beschwerde behaupteten Unterschiede im Tatsächlichen zwischen dem Fall des Beschwerdeführers und den Fällen, die den - schon zitierten - hg. Erkenntnissen Zl. 92/18/0475 und Zl. 94/18/0307 zugrunde lagen, nichts zu ändern. Mit dem Vorbringen, dem Beschwerdeführer wäre vom Landesgericht Wien im Jahr 1995 gemäß § 23 a Abs. 1 des Suchtgiftgesetzes ein "Strafaufschub in der Dauer von 2 Jahren zur Behandlung der Suchtgiftuntergebenheit" gewährt worden, ist für den Beschwerdeführer nichts gewonnen, wurde er doch im Jahr 1996 neuerlich nach dem Suchtgiftgesetz rechtskräftig verurteilt und - nach dem Beschwerdevorbringen - der gewährte Strafaufschub vom Oberlandesgericht Wien widerrufen. Die Beschwerdebehauptung, daß die "Drogenentziehungstherapie", der sich der Beschwerdeführer unterworfen habe, erfolgreich sei - wie aus einem "aktenkundigen Befund vom 6.09.1996" hervorgehe - führt die Beschwerde ebenfalls nicht zum Erfolg, liegt doch im Hinblick auf das vom Beschwerdeführer im Jahr 1995 wiederholt gegen das Suchtgiftgesetz gesetzte Fehlverhalten, das zu den genannten gerichtlichen Verurteilungen in den Jahren 1995 und 1996 geführt hat, erst kurz zurück, weshalb eine (wesentliche) Verringerung der vom Beschwerdeführer ausgehenden Gefahr für die genannten öffentlichen Interessen nach Art. 8 Abs. 2 MRK bislang nicht angenommen werden kann. Ebensowenig zielführend ist daher das Vorbringen des Beschwerdeführers, daß er nicht "mit dem Mitglied eines Rauschgiftringes" vergleichbar sei und "die Gefahren der Suchtgiftkriminalität ... am eigenen Leib als Drogenabhängiger verspürt" habe.

Dem Vorbringen, das gegen den Beschwerdeführer verhängte Aufenthaltsverbot könnte zu negativen Auswirkungen auf seine Kinder führen, ist entgegenzuhalten, daß der Beschwerdeführer den Kontakt mit seinen Kindern dadurch aufrecht erhalten kann, daß diese ihn im Ausland besuchen oder ihn dorthin begleiten.

3. Vor dem Hintergrund des Gesagten ist der Verfahrensrüge, die Behörde habe namentlich genannte Zeugen zum Beweis der vollständigen Integration des Beschwerdeführers in die Gesellschaft, zum Beweis seiner familiären Beziehungen, zum Beweis seiner Integration in den österreichischen Arbeitsmarkt und sonstiger Beziehungen zu Verwandten und Bekannten nicht einvernommen, der Boden entzogen. Ebenfalls nicht zielführend ist die weitere Verfahrensrüge, die Behörde habe diese Zeugen auch zur Frage "der Schwierigkeit der Gründung einer neuen Existenz", die für den Beschwerdeführer in seinem Heimatstaat oder einem sonstigen Staat gegeben seien, nicht vernommen, beziehen sich doch § 19 und § 20 Abs. 1 FrG nur auf das Privat- und Familienleben in Österreich.

4. Da bereits der Inhalt der vorliegenden Beschwerde erkennen läßt, daß die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren als unbegründet abzuweisen.

5. Bei diesem Ergebnis erübrigte sich ein Abspruch über den Antrag, der Beschwerde aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

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