VwGH 96/18/0473

VwGH96/18/04731.6.1999

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Handstanger, Dr. Bayjones und Dr. Enzenhofer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Ogris, über die Beschwerde des FG in Krems, geboren am 13. November 1955, vertreten durch Dr. Andreas Brandtner, Rechtsanwalt in 6800 Feldkirch, Drevesstraße 6, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Vorarlberg vom 17. April 1996, Zl. Pab-4321-1/96, betreffend Entziehung eines Reisepasses, zu Recht erkannt:

Normen

PaßG 1992 §14 Abs1 Z3 litf;
PaßG 1992 §14 Abs1 Z4;
PaßG 1992 §15 Abs1;
PaßG 1992 §19 Abs2;
SGG §12 Abs1;
SGG §12 Abs3 Z3;
SGG §16 Abs1;
PaßG 1992 §14 Abs1 Z3 litf;
PaßG 1992 §14 Abs1 Z4;
PaßG 1992 §15 Abs1;
PaßG 1992 §19 Abs2;
SGG §12 Abs1;
SGG §12 Abs3 Z3;
SGG §16 Abs1;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid vom 17. April 1996 hat die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Vorarlberg (die belangte Behörde) gemäß § 15 Abs. 1 iVm § 14 Abs. 1 Z. 3 lit. f und Z. 4 des Passgesetzes 1992, BGBl. Nr. 839, idF BGBl. Nr. 507/1995, (im Folgenden: PassG) den von der Bezirkshauptmannschaft Dornbirn am 17. Juli 1990 für den Beschwerdeführer ausgestellten, bis 17. Juli 2000 gültigen Reisepass Nr. V 0329425 entzogen.

Nach Wiedergabe des wesentlichen Inhaltes des - auf Grund einer Vorstellung gemäß § 57 Abs. 2 AVG ergangenen - erstinstanzlichen Bescheids und des Vorbringens des Beschwerdeführers sowie der maßgeblichen Bestimmungen des Passgesetzes führte die belangte Behörde aus, dass der Beschwerdeführer mit Urteil des Landesgerichtes Feldkirch vom 11. Oktober 1994 wie folgt rechtskräftig verurteilt worden sei:

"Er hat

A) den bestehenden Vorschriften zuwider Suchtgift in einer großen Menge ein- und ausgeführt und in Verkehr gesetzt, und zwar

  1. 1) von Frühjahr 1992 bis Anfang Juli 1993 dem D.R. 20 Gramm Heroin überlassen;
  2. 2) von Februar 1993 bis Anfang Juli 1993 durch zehn Fahrten mit dem bereits verurteilten D.R. insgesamt 140 Gramm Heroin aus der Schweiz nach Vorarlberg geschmuggelt;

    B) außer den Fällen der §§ 12 und 14a SGG den bestehenden Vorschriften zuwider Suchtgift erworben und besessen bzw. anderen überlassen, und zwar

  1. 1) seit 31.12.1991 bis 9.9.1992 in Dornbirn einmal Heroin und zweimal Kokain konsumiert;
  2. 2) von Ende 1992 bis Sommer 1993 in Vorarlberg und Wien Heroin und Kokain konsumiert;
  3. 3) von Spätsommer 1991 bis Ende 1991 in Dornbirn dem D.R. 5 Gramm Heroin überlassen.

    Er hat hiedurch begangen

    zu A) das Verbrechen nach § 12 Abs. 1 SGG,

    zu B) das Vergehen nach § 16 Abs. 1 SGG

und er wird hiefür gemäß § 12 Abs. 1 SGG in Anwendung des § 28 StGB zu einer Freiheitsstrafe von 2 1/2 (zweieinhalb) Jahren sowie gemäß § 389 StPO zum Ersatz der Kosten des Strafverfahrens verurteilt."

Der Begründung des Urteils könne entnommen werden, dass von den insgesamt acht Verurteilungen drei wegen des Verstoßes gegen das Suchtgiftgesetz (SGG) erfolgt wären und es sich bei einer um eine Zusatzstrafe nach den §§ 31 und 40 StGB gehandelt hätte. Es hätte damit (gemeint: mit dem Suchtgifthandel) begonnen, dass der Beschwerdeführer nach Abbruch einer Therapie im "Grünen Kreis" wieder vermehrt Kontakt zu D.R. gehabt hätte. Bei der Strafzumessung habe das Gericht die sieben eingetragenen Vorstrafen, die an die "Übermenge" des § 12 Abs. 3 Z. 3 SGG heranreichende Menge, den längeren Tatzeitraum, die zweifache Begehungsform und das Zusammentreffen eines Verbrechens mit einem Vergehen als erschwerend sowie das teilweise Geständnis, die Suchtergebenheit (des Beschwerdeführers) und den Umstand, dass die Verurteilungen wegen Verstoßes gegen das SGG bereits länger zurücklägen, als mildernd gewertet.

Der Beschwerdeführer sei bereits mit Urteil des Bezirksgerichtes Dornbirn vom 22. Jänner 1974 für schuldig erkannt worden, von Frühjahr 1970 bis August 1970 an verschiedenen Orten Rauschgift, nämlich LSD und Haschisch, unberechtigt erworben und besessen zu haben, wodurch er die Übertretung nach § 9 SGG begangen habe. Gemäß § 13 JGG sei der Ausspruch über die verwirkte Strafe für eine Probezeit von drei Jahren vorläufig aufgeschoben worden. Einer dagegen eingebrachten Berufung der Staatsanwaltschaft Feldkirch sei mit Urteil des Landesgerichtes Feldkirch vom 30. Juni 1974 keine Folge gegeben worden.

Mit Urteil des Landesgerichtes Innsbruck vom 15. Jänner 1976 sei der Beschwerdeführer wegen des Verbrechens nach § 6 Abs. 1 SGG und des Vergehens nach § 9 Abs. 1 Z. 1 SGG zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von 18 Monaten (nach der in den Verwaltungsakten erliegenden Strafregisterauskunft: rechtskräftig) verurteilt worden. Der Verurteilung nach § 6 Abs. 1 SGG sei zugrunde gelegen, dass er im September und Oktober 1975 insgesamt ca. 8 Gramm Heroin von den Niederlanden nach Tirol gebracht und dieses Suchtgift teilweise an sechs namentlich genannte Personen verkauft, im Oktober 1975 in Innsbruck einen Schuss Kokain einer namentlich genannten Person überlassen, anfangs November 1975 in den Niederlanden 3,8 Gramm Heroin per Luftpost an eine weitere namentlich genannte Person nach Telfs geschickt und am 26. November 1975 150 Gramm Haschisch von Amsterdam nach München gebracht habe.

Die Häufung der Tathandlungen über einen längeren Zeitraum und die Tatsache, dass der Beschwerdeführer dreimal wegen auf der gleichen schädlichen Neigung beruhender strafbarer Handlungen rechtskräftig gerichtlich habe verurteilt werden müssen, wobei er nach vielen Jahren rückfällig geworden sei, ließen eine günstige Zukunftsprognose nicht zu. Auch derzeit bestehe noch eine sehr große Gefahr, dass er nach Haftentlassung wiederum rückfällig und seinen Reisepass dazu benützen werde, den bestehenden Vorschriften zuwider Suchtgift in einer großen Menge einzuführen bzw. in Verkehr zu setzen. Damit bestehe aber auch die Gefahr, dass der Beschwerdeführer durch einen Aufenthalt im Ausland die innere Sicherheit der Republik Österreich, insbesondere im Hinblick auf die Volksgesundheit, gefährden könnte. Vom Begriff der Abwehr von Gefahren für die innere Sicherheit der Republik Österreich würden alle jene polizeilichen Maßnahmen erfasst, die zum Schutz der Allgemeinheit gegen die Gefährdung durch Einzelpersonen oder durch Sachen getroffen werden müssten. Unter jenen polizeilichen Maßnahmen sei sohin die Vollziehung von Vorschriften zu verstehen, die in erster Linie der Abwehr und der Unterdrückung der allgemeinen Gefahr unter anderem für das Leben und die Sicherheit dienten. Bei der Auslegung dieses Begriffes müsse die Behörde auf objektive Maßstäbe und Vorstellungen Bedacht nehmen, wie sie sich in bestimmten Lebens- und Sachbereichen herausgebildet hätten. Der Handel mit Suchtgiften aller Art stelle in Anbetracht des um sich greifenden Missbrauchs von Suchtgiften jedenfalls eine Gefährdung der Allgemeinheit und damit zugleich auch eine Bedrohung der inneren Sicherheit der Republik Österreich dar. Somit sei dem Beschwerdeführer auch aus diesem Grund der Reisepass zu entziehen gewesen.

Zwar sei die Aufnahme einer Entzugsdauer (Versagungsdauer) in den Spruch eines Entziehungsbescheides gesetzlich nicht vorgesehen, doch werde als Mindestdauer für den Entzug bzw. die Versagung der Ausstellung eines Reisedokumentes ein Zeitraum absoluten Wohlverhaltens in Bezug auf die Begehung von Drogendelikten im Ausmaß von drei Jahren ab Begehung der letzten vom Gericht geahndeten strafbaren Verhaltensweise nach dem SGG angesehen. Je nach der Lage des Einzelfalls könne dieser Zeitraum auch unterschritten werden. Ein Gefängnisaufenthalt verlängere diesen Zeitraum entsprechend.

Dem Beschwerdeführer stehe für die Entzugsdauer des Reisepasses jedes Dokument zur Ausweisleistung zur Verfügung, bei dem es sich nicht um ein Reisedokument handle. Er habe wiederholt gravierend gegen die österreichische Rechtsordnung verstoßen, indem er große Mengen Suchtgift nach Österreich geschmuggelt und in Verkehr gesetzt habe, sodass Art. 2 des vierten Zusatzprotokolls der Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten einem Eingriff in das Grundrecht auf Freizügigkeit nicht entgegenstehe, da dieser Eingriff gemäß Art. 2 Abs. 3 leg. cit. zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit, der Verhütung von Straftaten und dem Schutz der Gesundheit anderer notwendig sei.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, durch den Verfassungsgerichtshof nach Ablehnung von deren Behandlung dem Verwaltungsgerichtshof abgetretene Beschwerde mit dem Begehren, den angefochtenen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

3. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde abzuweisen.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. § 14 Abs. 1 Z. 3 lit. f und Z. 4 sowie § 15 Abs. 1 PassG lauten:

"§ 14. (1) Die Ausstellung, die Erweiterung des Geltungsbereiches und die Änderung eines Reisepasses sind zu versagen, wenn

...

3. Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass der Passwerber den Reisepass benützen will, um

...

f) entgegen den bestehenden Vorschriften Suchtgift in einer großen Menge zu erzeugen, einzuführen, auszuführen oder in Verkehr zu setzen, oder

4. Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass durch den Aufenthalt des Passwerbers im Ausland die innere oder äußere Sicherheit der Republik Österreich gefährdet würde.

...

§ 15. (1) Ein Reisepass, dessen Gültigkeitsdauer nicht länger als fünf Jahre abgelaufen ist, ist zu entziehen, wenn nachträglich Tatsachen bekannt werden oder eintreten, die die Versagung der Ausstellung des Reisepasses rechtfertigen."

2. Der Beschwerdeführer bestreitet nicht seine von der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid festgestellten einschlägigen strafgerichtlichen Verurteilungen nach dem SGG und insbesondere nicht die Feststellungen der belangten Behörde hinsichtlich der der Verurteilung vom 11. Oktober 1994 zugrunde liegenden Handlungen. Im Hinblick darauf und auf das Erfahrungswissen, dass gerade bei Verstößen gegen § 12 SGG - wie auch im vorliegenden Fall angesichts der einschlägigen rechtskräftigen Verurteilungen des Beschwerdeführers unter Beweis gestellt wurde - die Wiederholungsgefahr besonders groß ist (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 16. April 1999, Zl. 99/18/0025, mwN), begegnet die Annahme der belangten Behörde, es bestehe eine sehr große Gefahr, dass der Beschwerdeführer nach seiner Entlassung aus der Haft seinen Reisepass dazu benützen werde, um den bestehenden Vorschriften zuwider Suchtgift in einer großen Menge einzuführen bzw. in Verkehr zu setzen, keinem Einwand. Daran kann auch der Umstand nichts ändern, dass sich der Beschwerdeführer nach seinem Vorbringen seit Juli 1993 wohlverhalten habe. Abgesehen davon, dass bei der Betrachtung seines (behaupteten) Wohlverhaltens die Zeiten seiner Anhaltung im Strafvollzug außer Betracht zu bleiben haben (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 4. Mai 1994, Zl. 93/18/0630) und er sich, wie aus seiner Eingabe vom 20. Juni 1995 (vgl. Blatt 107 der Verwaltungsakten) hervorgeht, zumindest seit diesem Zeitpunkt in Strafhaft befunden hat, wäre der seit Begehung der seiner Verurteilung vom 11. Oktober 1994 zugrunde liegenden Straftaten verstrichene Zeitraum zu kurz, um verlässlich beurteilen zu können, dass die Annahme gemäß § 14 Abs. 1 Z. 3 lit. f PassG trotz der gravierenden Straftaten nicht mehr gerechtfertigt sei. Wenn die Beschwerde ins Treffen führt, dass nach Ansicht der belangte Behörde im angefochtenen Bescheid als Mindestdauer für den Entzug bzw. die Versagung der Ausstellung eines Reisedokumentes ein Zeitraum absoluten Wohlverhaltens im Ausmaß von drei Jahren ab Begehung der letzten vom Gericht geahndeten strafbaren Verhaltensweise nach dem SGG angesehen werden könne, so ist damit für den Beschwerdestandpunkt schon deshalb nichts gewonnen, weil die belangte Behörde bei dieser Betrachtungsweise die Zeiten eines Gefängnisaufenthaltes des Beschwerdeführers ausgenommen hat und daher im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides dieser Beurteilungszeitraum von drei Jahren nicht verstrichen war. Abgesehen davon handelt es sich bei diesen Bescheidausführungen lediglich um informative Hinweise, die keine rechtliche Grundlage des Bescheides darstellen, sodass darauf nicht weiter eingegangen zu werden braucht (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 21. Februar 1997, Zl. 96/18/0221).

3. Unter Zugrundelegung der vorstehenden Erwägungen begegnet auch die weitere Annahme der belangten Behörde, dass durch einen Aufenthalt des Beschwerdeführers im Ausland die innere Sicherheit der Republik Österreich, insbesondere die Volksgesundheit, im Sinn des § 14 Abs. 1 Z. 4 PassG gefährdet werden könnte, keinen Bedenken (vgl. etwa das zum Passgesetz 1969, BGBl. Nr. 422, ergangene, wegen der insoweit nicht geänderten Rechtslage auch hier maßgebliche hg. Erkenntnis vom 13. Jänner 1992, Zl. 91/19/0137, mwN) und kann dem unter Bezugnahme auf Art. 2 Abs. 3 des 4. ZPEMRK erstatteten Vorbringen des Beschwerdeführers, dass es sich bei ihm nur um einen "kleinen Drogenschmuggler" handle und im vorliegenden Fall die Passentziehung nicht notwendig sei, um das besagte öffentliche Interesse zu schützen, nicht beigepflichtet werden.

4. Nach dem Gesagten erweist sich die Beschwerde als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.

5. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Wien, am 1. Juni 1999

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