VwGH 91/19/0137

VwGH91/19/013713.1.1992

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Stoll, Dr. Zeizinger, Dr. Sauberer und Dr. Graf als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Weich, über die Beschwerde der B in W, vertreten durch Dr. R, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 25. März 1991, Zl. 9.560.016/2-III/12/90, betreffend Entziehung eines Reisepasses, zu Recht erkannt:

Normen

PaßG 1969 §18 Abs1 litd;
PaßG 1969 §18 Abs1 lite;
SGG §12 Abs1;
PaßG 1969 §18 Abs1 litd;
PaßG 1969 §18 Abs1 lite;
SGG §12 Abs1;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Bundesministers für Inneres (der belangten Behörde) vom 25. März 1991 wurde der Reisepaß der nunmehrigen Beschwerdeführerin (ausgestellt von der Bundespolizeidirektion Wien am 12. Juli 1988 mit Gültigkeitsdauer bis 12. Juli 1998, Nr. T 0505016) gemäß § 19 Abs. 1 iVm § 18 Abs. 1 lit. d und e des Paßgesetzes 1969 entzogen.

Begründend ging die belangte Behörde davon aus, daß die Beschwerdeführerin mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 1. März 1989 (rechtskräftig geworden am selben Tag) zu einer Freiheitsstrafe von 15 Monaten wegen Begehung des teils vollendeten, teils versuchten Verbrechens gemäß § 12 Abs. 1 Suchtgiftgesetz und § 15 StGB sowie des Vergehens gemäß § 16 Abs. 1 Suchtgiftgesetz verurteilt worden sei. Die Beschwerdeführerin sei für schuldig befunden worden, in Schwechat, Wien und anderen Orten den bestehenden Vorschriften zuwider Suchtgifte

"A

in einer großen Menge aus den Niederlanden aus- und nach Österreich eingeführt sowie in Wien durch Verkauf an verschiedene abgesondert verfolgte Abnehmer in Verkehr gesetzt bzw. in Verkehr zu setzen versucht zu haben, und zwar:

I.) Aus den Niederlanden aus- und in Österreich eingeführt zu

haben

  1. 1.) in der Zeit zwischen September 1988 und Ende Dezember 1988 in wiederholten Schmuggelfahrten zumindest 2 Kilogramm Haschisch;
  2. 2.) am 22.12.1988 zumindest 190 Gramm Kokain;

    II.) In Wien in Verkehr gesetzt zu haben:

    1. 1.) in der Zeit zwischen September 1988 und Mitte Dezember 1988 durch wiederholten Verkauf insgesamt ca. 1,5 Kilogramm Haschisch an unbekannt gebliebene Kleinabnehmer;
    2. 2.) Mitte Dezember 1988 durch Verkauf von 310 Gramm Haschisch an die abgesondert Verfolgten G und N und
    3. 3.) am 22.12.1988 durch Verkauf von 160 Gramm Kokain an die abgesondert Verfolgten G und N sowie

      III.) am 23.12.1988 durch Bereithalten von zumindest 33 Gramm

      Kokain, welches großteils zum Weiterverkauf bestimmt war und

B

in der Zeit zwischen Anfang 1984 und dem 23.12.1988 wiederholt Haschisch, Marihuana und Kokain erworben und bis zum jeweiligen Eigenkonsum besessen zu haben."

Da von Gesetzes wegen eine Güterabwägung (von persönlichen und wirtschaftlichen Interessen des Betroffenen einerseits und der öffentlichen Interessen anderseits) durch die Paßbehörde nicht vorgesehen sei, obliege es der belangten Behörde lediglich, anhand der vorliegenden Beweismittel festzustellen, ob die Voraussetzungen für die Entziehung des Reisepasses bei der Beschwerdeführerin gegeben seien. Die laut dem angeführten strafgerichtlichen Urteil von der Beschwerdeführerin gesetzten Verstöße gegen die "gesetzlichen Bestimmungen auf dem Suchtgiftsektor" stellten auch im Zeitpunkt der vorliegenden Entscheidung durch die belangten Behörde Tatsachen dar, die der Überlassung eines Reisepasses an die Beschwerdeführerin entgegenstünden, weil der seit Ende Dezember 1988 verstrichene Zeitraum entsprechenden Wohlverhaltens in bezug auf die Abstandnahme der Begehung von Delikten auf dem Suchtgiftsektor - vom Mindestzeitraum von drei Jahren könne keinesfalls abgegangen werden - noch zu kurz sei, um bei der Beschwerdeführerin die Begehung von Straftaten i.S. der beiden herangezogenen Entziehungsgründe (bzw. Versagungsgründe) bei Überlassung bzw. Belassung eines Reisedokumentes für die Zukunft ausschließen zu können.

2. Die Beschwerdeführerin erachtet sich durch diesen Bescheid in ihrem Recht auf "Nichtentzug eines Reisepasses" verletzt, behauptet Rechtswidrigkeit des Inhaltes sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften und begehrt deshalb die Aufhebung des angefochtenen Bescheides.

3. Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Gemäß § 19 Abs. 1 des Paßgesetzes 1969 ist ein Reisepaß zu entziehen, wenn nachträglich Tatsachen bekannt werden oder eintreten, die die Versagung der Ausstellung des Reisepasses gerechtfertigt hätten oder rechtfertigen würden.

Nach § 18 Abs. 1 leg. cit. ist u.a. die Ausstellung eines Reisepasses zu versagen, wenn (lit. d) Tatsachen die Annahme rechtfertigen, daß der Paßwerber den Reisepaß benützen will, um Zollvorschriften zu übertreten oder zu umgehen oder (lit. e) Tatsachen die Annahme rechtfertigen, daß durch den Aufenthalt des Paßwerbers im Ausland die innere oder äußere Sicherheit der Republik Österreich gefährdet würde.

2.1. Unter dem Titel inhaltlicher Rechtswidrigkeit wirft die Beschwerde der belangten Behörde vor, sie habe zum einen ihren "Ermessensspielraum", der im Begriff "Annahme" (§ 18 Abs. 1 lit. d und e Paßgesetz 1969) zu erblicken sei, nicht gesetzmäßig ausgeübt, zum anderen das Erkenntnis vom 1. Februar 1989, Zl. 88/01/0251, verfehlterweise zur Prüfung der Frage der Gefährdung der inneren Sicherheit Österreichs durch die Beschwerdeführerin herangezogen, da es sich bei dem dortigen Beschwerdeführer um einen professionellen Suchtgifthändler gehandelt habe, der deswegen zu vier Jahren Haft verurteilt worden sei, also wesentlich schwerwiegendere Verstöße begangen habe, die eine Übernahme der dortigen Beurteilung auf den vorliegenden Fall nicht erlaubten. Die belangte Behörde habe sohin insgesamt gesehen keine auf die Beschwerdeführerin "individuell zutreffende Zukunftsprognose" gestellt.

2.2. Dieses Vorbringen ist nicht zielführend. Entgegen der Ansicht der Beschwerde hat die belangte Behörde, indem sie ausgehend von der gerichtlichen Verurteilung der Beschwerdeführerin wegen eines Verbrechens und eines Vergehens nach dem Suchtgiftgesetz bzw. den dieser Verurteilung zugrunde liegenden Taten die Annahme für gerechtfertigt hielt, bei der Beschwerdeführerin könne weiterhin nicht ausgeschlossen werden, daß sie bei Überlassung eines Reisepasses diesen dazu benützen werde, neuerlich Suchtgift nach Österreich zu bringen, und solcherart Zollvorschriften umgehen wie auch die innere Sicherheit Österreichs gefährden werde, auf die konkrete Situation der Beschwerdeführerin abgestellt. Daß aber der durch rechtskräftige gerichtliche Verurteilung festgestellte Handel mit Suchtgiften in größerer Menge - wie dies auf die Beschwerdeführerin zutrifft - sowohl eine Tatsache i.S. des § 18 Abs. 1 lit. d als auch eine solche i.S. des § 18 Abs. 1 lit. e des Paßgesetzes 1969 darstellt, entspricht der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. dazu das Erkenntnis vom 1. Februar 1989, Zl. 88/01/0251, und das dort zitierte Erkenntnis vom 4. Mai 1983, Zl. 83/01/0029 = Slg. Nr. 11 055/A - nur Rechtssatz). Der Hinweis in der Begründung des bekämpften Bescheides auf das zuerst genannte hg. Erkenntnis war somit auch für den vorliegenden Beschwerdefall durchaus zutreffend.

3. Der Verfahrensrüge - Unterlassung der Beischaffung des Gerichtsaktes; Nichteinvernahme der Beschwerdeführerin, ihrer Mutter und ihrer Betreuerin; Unterlassung einer Anfrage an den psychosozialen Dienst der Stadt Wien sowie Nichtberücksichtigung des Umstandes, daß der Beschwerdeführerin vom Gericht Strafaufschub gewährt worden sei - kommt gleichfalls keine Berechtigung zu. Angesichts dessen, daß die Gefahr einer Wiederholung bei den der Beschwerdeführerin zur Last liegenden Straftaten besonders groß ist (vgl. aus der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes die beiden oben zitierten Erkenntnisse), ist es im Hinblick auf die erst relativ kurze Zeit, die bei Erlassung des angefochtenen Bescheides seit dem der gerichtlichen Verurteilung der Beschwerdeführerin zugrundeliegenden deliktischen Verhalten verstrichen war (etwas mehr als zwei Jahre), ausgeschlossen, daß die belangte Behörde bei Aufnahme der bezeichneten Beweise zu einem anderen Bescheid hätte kommen können.

4. Da nach dem Gesagten dem angefochtenen Bescheid die behauptete Rechtswidrigkeit nicht anhaftet, war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

5. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 und 48 Abs. 2 Z. 1 und 2 VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte