VwGH 95/21/0097

VwGH95/21/009722.5.1996

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pokorny und die Hofräte Dr. Sulyok, Dr. Robl, Dr. Rosenmayr und Dr. Baur als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Loibl, über die Beschwerde des C, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in I, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Tirol vom 19. Dezember 1994, Zl. III 123-1/94, betreffend Aufenthaltsverbot, zu Recht erkannt:

Normen

FrG 1993 §18 Abs2 Z2;
KFG 1967 §64 Abs1;
KFG 1967 §64 Abs5;
FrG 1993 §18 Abs2 Z2;
KFG 1967 §64 Abs1;
KFG 1967 §64 Abs5;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid der belangten Behörde wurde gegen den Beschwerdeführer, einen rumänischen Staatsangehörigen, gemäß § 18 Abs. 1 Z. 1, Abs. 2 Z. 2 und den §§ 19, 20, 21 FrG ein Aufenthaltsverbot für die Dauer von zehn Jahren erlassen.

Der Beschwerdeführer sei am 2. Juli 1990 - ohne im Besitz des für die Einreise erforderlichen Sichtvermerkes gewesen zu sein - unter Umgehung der Grenzkontrolle (versteckt in einem LKW) in das Bundesgebiet eingereist. Das über Antrag des Beschwerdeführers abgeführte Asylverfahren sei mit dem in Rechtskraft erwachsenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Steiermark negativ abgeschlossen worden. Im Dezember 1990 sei der Beschwerdeführer nach Tirol zugezogen. Er habe "rechtmäßig Arbeitsbeschäftigungen" bekommen und in der Folge auch Sichtvermerke. Im Oktober 1990 seien die Ehefrau des Beschwerdeführers und die gemeinsamen Kinder - ebenfalls rechtswidrig - in das Bundesgebiet eingereist. Der Beschwerdeführer verfüge zur Zeit über keine gültige Aufenthaltsbewilligung und gehe seit 31. März 1994 keiner legalen Beschäftigung nach. Die Ehegattin des Beschwerdeführers arbeite als Hilfsarbeiterin im Gastgewerbe. Ein Sohn (geboren 1983) besuche die Volksschule, die anderen beiden Kinder (geboren 1975 und 1974) gingen einem Lehrberuf nach. Die Familienangehörigen des Beschwerdeführers seien im Besitz gültiger Aufenthaltsbewilligungen.

Der Beschwerdeführer sei bisher wie folgt rechtskräftig bestraft worden:

Mit Strafverfügung der Bezirkshauptmannschaft Kitzbühel vom 22. Juli 1992 wegen § 14b Abs. 1 Z. 4 i.V.m. § 2 Abs. 1 Fremdenpolizeigesetz, weil er sich in der Zeit vom 8. Juni 1992 bis einschließlich 15. Juni 1992 im Bundesgebiet aufgehalten habe, obwohl die Dauer seines Aufenthaltes in dem ihm zuletzt erteilten Sichtvermerk bis 7. Juni 1992 beschränkt gewesen sei.

Mit den Bescheiden der Bezirkshauptmannschaft Kitzbühel vom 25. März 1993, 20. September 1993, 25. Jänner 1994 (in drei Fällen), 21. Oktober 1994 und nochmals 21. Oktober 1994 sei der Beschwerdeführer jeweils nach § 64 Abs. 1 KFG (Lenken eines Kraftfahrzeuges auf öffentlichen Verkehrsflächen ohne die hiefür erforderliche behördliche Lenkerberechtigung zu haben) mit Geldstrafen belegt worden (Tatzeiten: 17. Jänner 1993, 8. Juli 1993, September 1993, 24. Februar 1994 und 25. Februar 1994).

Die Verwaltungsübertretungen nach § 64 Abs. 1 KFG seien schwerwiegende im Sinne des § 18 Abs. 2 Z. 2 FrG. Die genannten rechtskräftigen Bestrafungen erfüllten den Tatbestand der genannten Bestimmung. Das den Bestrafungen zugrundeliegende Gesamtfehlverhalten des Beschwerdeführers rechtfertige die in § 18 Abs. 1 FrG umschriebene Annahme.

Die Erlassung des Aufenthaltsverbotes gegen den Beschwerdeführer sei ein Eingriff in sein Privat- und Familienleben. Dieser Eingriff sei aber im Hinblick auf die Neigung des Beschwerdeführers zu Verwaltungsstraftaten zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 MRK genannten Ziele der Verhinderung von weiteren Straftaten des Beschwerdeführers im Bundesgebiet bzw. zum Schutz der Rechte anderer sowie zum Schutz der öffentlichen Ordnung dringend geboten.

Der Beschwerdeführer sei seit Juli 1990 in Österreich, seine Familienangehörigen etwas weniger lang. Sie seien dementsprechend gut integriert und mit ebensolchen "sonstigen Bindungen" an das Bundesgebiet versehen. Die familiären Bindungen der Familie des Beschwerdeführers zueinander seien intensiv, wenngleich die beiden älteren Kinder berufs- bzw. ausbildungsbedingt nicht ständig mit dem Rest der Familie in einem gemeinsamen Haushalt zusammenlebten. Durch das Aufenthaltsverbot werde die Lebenssituation des Beschwerdeführers und seiner Familie zwar beeinträchtigt, dies müsse aber angesichts der vom Beschwerdeführer ausgehenden, aus seinem Vorleben erschließbaren großen Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit in den Hintergrund treten. Dies auch angesichts der relativen Kürze des Aufenthaltes des Beschwerdeführers und seiner Familie im Bundesgebiet und des Umstandes, daß der Beschwerdeführer ohnehin nicht mehr der "Ernährer" der Familie sei.

Aufgrund der Permanenz der schweren Verwaltungsstraftaten des Beschwerdeführers nach § 64 Abs. 1 KFG seit Anfang 1993 trotz Bestrafungen sei bis zum Wegfall des Grundes für die Erlassung des Aufenthaltsverbotes das Verstreichen von zehn Jahren vonnöten.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde mit dem Begehren, ihn kostenpflichtig aufzuheben.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und beantragte die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet. Auf die Erstattung einer Gegenschrift wurde verzichtet.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Der Beschwerdeführer erblickt einen erheblichen Verfahrensmangel darin, daß ihm keine vollständige Akteneinsicht gewährt worden sei. Es seien Aktenteile ohne Angabe von Gründen von der Einsicht ausgeschlossen worden; aus der Systematik im Akt sei nicht zu ersehen, daß die entsprechenden Aktenstücke nach § 17 Abs. 3 AVG von der Akteneinsicht ausgenommen wären. Da nicht auszuschließen sei, daß der Inhalt dieser "geheimen" Aktenstücke zumindest eine Motivation für die Erlassung des Aufenthaltsverbotes gewesen sei, liege ein erheblicher Verfahrensmangel vor.

Dem ist entgegenzuhalten, daß die belangte Behörde die in Rede stehenden Aktenteile gemäß § 17 Abs. 3 AVG von der Akteneinsicht ausgeschlossen hat. Dadurch ist der Beschwerdeführer jedoch nicht in der Verfolgung seiner Rechte gehindert. Das gegen ihn erlassene Aufenthaltsverbot stützt sich ausschließlich auf die im angefochtenen Bescheid getroffenen Feststellungen, welche wiederum auf den auch ihm zur Einsicht offenstehenden Aktenteilen beruhen. Ein Verfahrensmangel liegt daher nicht vor. Das Vorbringen des Beschwerdeführers, der Inhalt der von der Akteneinsicht ausgenommenen Aktenteile sei Motivation für die belangte Behörde zur Erlassung des Aufenthaltsverbotes gewesen, ist eine unbegründete Vermutung.

Der Beschwerdeführer rügt, daß die belangte Behörde lediglich auf die Rechtskraft der Bestrafungen verweise und davon ausgehe, daß er diese Bestrafungen ohnehin ausführlich kenne. Dies sei aber nicht der Fall. Er habe einen "Aktenvermerk" per Post erhalten, dem ein rechtswidriges Verhalten nicht zu entnehmen sei. Nach diesem Vermerk habe der Beschwerdeführer keine Unterschrift geleistet und somit weder ein Geständnis abgegeben noch auf die Ausfolgung einer schriftlichen Ausfertigung oder auch eine Berufung verzichtet.

Dieses Vorbringen ist aktenwidrig. Im Verwaltungsakt der Behörde erster Instanz findet sich der vom Beschwerdeführer vorgelegte Aktenvermerk, allerdings mit einer Unterschrift des Beschwerdeführers und mit einer Niederschrift über die Vernehmung des Beschwerdeführers vom 25. Jänner 1994 verbunden. Nach dem Inhalt dieser Niederschrift ersuchte der Beschwerdeführer um Ratenzahlung a S 2.000,-- ab 15. April 1994. Nach dem Inhalt dieser vom Beschwerdeführer ebenfalls unterschriebenen Niederschrift bekannte sich der Beschwerdeführer hinsichtlich der ihm zur Last gelegten Verwaltungsübertretungen für schuldig und erklärte, bemüht zu sein, in Bälde den Führerschein zu erlangen.

Aus der Begründung der Straferkenntnisse jeweils vom 21. Oktober 1994 ergibt sich, daß dem Beschwerdeführer für die Verständigung eines Rechtsanwaltes und zur Stellungnahme zum Ergebnis der Beweisaufnahme eine Frist eingeräumt wurde. Dem Beschwerdeführer sind somit entgegen seiner Behauptung die rechtskräftigen Bestrafungen bekannt. Dies zeigt aber auch der Inhalt seiner Berufung gegen den Bescheid der Behörde erster Instanz, wonach er ausführte, daß er sein Auto weggegeben (verkauft) habe, weil er mittlerweile eingesehen habe, daß er aufgrund der Vorgangsweise der Führerschein- und Strafbehörde nur Probleme haben werde.

Die belangte Behörde konnte daher in einem mängelfreien Verfahren dem Beschwerdeführer die im Bescheid angeführten rechtskräftigen Bestrafungen anlasten. Die belangte Behörde hat die Verstöße gegen § 64 Abs. 1 KFG zutreffend jeweils als schwerwiegende Verwaltungsübertretung im Sinne des § 18 Abs. 2 Z. 2 FrG gewertet und aufgrund der rechtskräftigen Bestrafungen wegen dieser Übertretungen den Tatbestand des § 18 Abs. 2 Z. 2 (erster Fall) leg. cit. als verwirklicht angesehen. Daß die belangte Behörde darüber hinaus die in § 18 Abs. 1 FrG umschriebene Annahme für gerechtfertigt erachtet hat, begegnet ebensowenig Bedenken wie ihre Auffassung, daß die in der Vielzahl der inkriminierten Verstöße - die zu den schwerwiegendsten Verfehlungen gegen kraftfahrrechtliche Vorschriften zählen - begründeten maßgeblichen öffentlichen Interessen die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen den Beschwerdeführer dringend geboten erscheinen ließen (vgl. zum Ganzen etwa die hg. Erkenntnisse vom 13. September 1994, Zl. 93/18/0553, vom 27. Jänner 1994, Zl. 93/18/0587, und vom 29. September 1994, Zl. 94/18/0550).

Das Vorbringen des Beschwerdeführers, daß er schon vor 20 Jahren seine Führerscheinprüfung in Rumänien abgelegt und seit 20 Jahren Fahrpraxis habe, ändert an der vorstehenden Beurteilung nichts (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom 22. November 1995, Zl. 95/21/0274). Denn angesichts der siebenmaligen rechtskräftigen Bestrafung wegen Verstöße gegen § 64 Abs. 1 KFG könnte dem Beschwerdeführer mit Blick auf die Bestimmung des § 64 Abs. 5 leg. cit. allenfalls in Ansehung der ersten diesbezüglichen Bestrafung ein von ihm behauptetes geringes Verschulden (Fahrlässigkeit) zugute gehalten werden, nicht mehr jedoch auch hinsichtlich der weiteren Bestrafungen wegen Übertretung des § 64 Abs. 1 leg. cit., sodaß auch im für den Beschwerdeführer günstigsten Fall sechs Bestrafungen wegen schwerwiegender Verwaltungsübertretungen zu seinen Lasten zu veranschlagen wären.

Der rechtskräftigen Bestrafung nach dem Fremdenpolizeigesetz hat die belangte Behörde ohnehin nicht dieses Gewicht beigemessen, wie der Beschwerdeführer vermeint.

Ist demnach mit der belangten Behörde von der Zulässigkeit eines Aufenthaltsverbotes gegen den Beschwerdeführer im Grunde des § 19 FrG auszugehen, so stößt im vorliegenden Fall auch der von ihr aus der nach § 20 Abs. 1 leg. cit. vorgenommenen Abwägung gezogene Schluß auf das Überwiegen der für die Erlassung des Aufenthaltsverbotes sprechenden maßgeblichen öffentlichen Interessen auf keinen Einwand. Im angefochtenen Bescheid wurden der ca. viereinhalbjährige Aufenthalt des Beschwerdeführers sowie der Aufenthalt der Gattin und der Kinder des Beschwerdeführers in Österreich und seine Bindungen zu diesen Personen berücksichtigt. Das Ausmaß der Integration des Beschwerdeführers und seiner Familie aufgrund dieses Aufenthaltes ist nicht so groß, daß es die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes als unzulässig erscheinen ließe (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom 23. Juni 1994, Zl. 94/18/0305).

Der sich aus den besagten Verwaltungsübertretungen ergebenden Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit kommt im Allgemeinen großes Gewicht zu. Dies wird im Beschwerdefall angesichts der besonderen Hartnäckigkeit, mit der gegen wesentliche, der Sicherheit der Allgemeinheit dienende Vorschriften verstoßen wurde, noch verstärkt. Die belangte Behörde hat zutreffend darauf hingewiesen, daß der Beschwerdeführer erstmals am 17. Jänner 1993 bei der Begehung dieser Verwaltungsübertretung betreten wurde und er trotzdem seinen PKW noch über ein Jahr, zumindest zu den im Bescheid festgesetzten Tatzeiten, ohne Berechtigung lenkte. Wenn die belangte Behörde angesichts dieser Umstände die maßgebenden öffentlichen Interessen für gewichtiger erachtete als die gegenläufigen privaten Interessen des Beschwerdeführers, kann ihr nicht mit Erfolg entgegengetreten werden.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG i.V.m. der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

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