VwGH 95/07/0062

VwGH95/07/006221.9.1995

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerden des P in K, vertreten durch Dr. M, Rechtsanwalt in W, gegen die Bescheide des Landeshauptmannes von Niederösterreich, 1. (zu Zl. 95/07/0062) vom 20. Februar 1995, Zl. III/1-33.403/21-95,

2. (zu Zl. 95/07/0063) vom 20. Februar 1995, Zl. III/1-33.403/22-95 und 3. (zu Zl. 95/07/0064) vom 20. Februar 1995, Zl. III/1-33.403/23-95, betreffend Zurückweisung von Berufungen, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §10 Abs1;
AVG §37;
AVG §39 Abs2;
AVG §63 Abs1;
AVG §66 Abs4;
AVG §9;
HGB §17;
VwRallg;
AVG §10 Abs1;
AVG §37;
AVG §39 Abs2;
AVG §63 Abs1;
AVG §66 Abs4;
AVG §9;
HGB §17;
VwRallg;

 

Spruch:

Die angefochtenen Bescheide werden wegen Rechtswidrigkeit ihres Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 38.850,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit drei Bescheiden der Bezirkshauptmannschaft Wiener Neustadt vom 8. Februar 1993, vom 23. März 1993 und vom 9. August 1994, wurden der "Firma Walkloden P" und P als Gewerbeinhaber zu gemeinsamen Handen Aufträge nach § 31 Abs. 3 des Wasserrechtsgesetzes 1959 (WRG 1959) erteilt.

Gegen diese Bescheide wurden jeweils als "Einspruch" bezeichnete Berufungen erhoben. In diesen Rechtsmitteln heißt

es: "Die Firma Walkloden P erhebt Einspruch ...... ."

Mit drei Bescheiden vom 20. Februar 1995 wies die belangte Behörde diese Berufungen als unzulässig zurück.

In der Begründung heißt es, die Bescheide der Bezirkshauptmannschaft Wiener Neustadt enthielten als Bescheidadressaten bzw. als Verpflichtete einerseits die "Firma Walkloden P", andererseits den Beschwerdeführer als Gewerbeinhaber. Dazu sei festzuhalten, daß ein Bescheid nur an jemanden ergehen könne, der Träger von Rechten und Pflichten sein könne. Wie der Verwaltungsgerichtshof in mehreren Erkenntnissen ausgesprochen habe, sei die Firma eines Kaufmannes gemäß § 17 HGB der Name, unter dem er im Handel seine Geschäfte betreibe und die Unterschrift gebe. Die Firma sei kein selbständiges Rechtssubjekt, sondern nur Kennzeichen des Unternehmens, dessen Rechtsträger der Kaufmann als physische Person sei. Eine der Firma als solche auferlegte Verpflichtung sei mangels Rechtsfähigkeit der Firma unzulässig und gehe ins Leere (Verwaltungsgerichtshof vom 25. November 1986, Zl. 86/04/0197). Bescheide, die jemanden zu einem Tun verpflichteten, dem die Rechts- und Handlungsfähigkeit fehle, könnten keine Rechtswirkungen hervorrufen. Werde ein Bescheid, mit welchem die Setzung von Maßnahmen aufgetragen werde, an die Firma eines Kaufmannes statt an diesen selbst gerichtet, so handle es sich bei diesem Mangel nicht um ein formelles Versehen, sondern um die materiell falsche Bezeichnung des Verpflichteten. Ein solcher materieller Mangel werde deshalb auch nicht dadurch geheilt, daß aus dem Sachzusammenhang auf den in Wirklichkeit gemeinten Adressaten geschlossen werden könne. Im Beschwerdefall komme noch hinzu, daß daneben rechtlich selbständig die hinter der Firma stehende physische Person ebenfalls als Verpflichteter herangezogen worden sei. Es bestehe daher kein Zweifel, daß die Firma als Rechtssubjekt betrachtet und als solche verpflichtet werden sollte. Die Konsequenz daraus sei, daß die "Firma Walkloden P" niemals bescheidmäßig zur Setzung von Maßnahmen nach § 31 Abs. 3 WRG 1959 verpflichtet worden sei bzw. gar nicht habe verpflichtet werden können. Soweit mit dem angefochtenen Bescheid also die "Firma Walkloden P" verpflichtet werden sollte, liege gar kein Bescheid vor, gegen den Berufung habe erhoben werden können.

Auf Grund der namentlichen Identität der beiden Verpflichteten könnten sich auf den ersten Blick Zweifel darüber ergeben, ob die eingebrachte Berufung nicht (auch) den an den Beschwerdeführer als physische Person gerichteten Bescheid bekämpfe. Die dahinter stehende Frage sei, wem eine Verfahrenshandlung zuzurechnen sei. In einem ähnlich gelagerten Fall habe der Verwaltungsgerichtshof ausgesprochen, der Umstand, daß bei Abfassung eines Rechtsmittels Briefpapier und Briefumschlag der Firma verwendet werde und die "Wir-Form" gebraucht werde, lasse für sich allein nicht eine abschließende Beurteilung zu, daß die Firma und nicht die dahinter stehende natürliche Person Berufung erhoben habe.

Im anhängigen Verfahren ergebe sich aber schon aus dem Wortlaut der Berufung unzweifelhaft, daß die "Firma Walkloden P" und nicht der Beschwerdeführer als Person Berufung habe erheben wollen. Der eindeutige Wortlaut lasse auch keine Deutung dahingehend zu, daß diese Berufung dem Beschwerdeführer selbst zugerechnet und in weiterer Folge als Berufung gegen die mit gleichem Bescheid ausgesprochene persönliche Verpflichtung gewertet werden könnte. Werde in einer Berufung nicht der Kaufmann selbst, sondern seine Firma als Berufungswerber bezeichnet, so werde die Berufung nicht vom Kaufmann selbst, sondern von einem als selbständige Rechtspersönlichkeit nicht existenten Gebilde erhoben (Verwaltungsgerichtshof vom 28. Juni 1989, Zl. 89/16/0041).

Unabhängig davon habe die Behörde vor Erlassung eines Berufungsbescheides zuerst zu prüfen, ob überhaupt ein erstinstanzlicher Bescheid vorliege. Dies sei in bezug auf die Verpflichtung der "Firma Walkloden P" nicht der Fall. Eine Berufung, die gegen eine nicht bescheidmäßige Erledigung erhoben werde, sei unzulässig.

Gegen diese Bescheide richten sich die vorliegenden Beschwerden, in denen Rechtswidrigkeit des Inhalts und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden.

Der Beschwerdeführer bringt vor, jene Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, derzufolge ein Einzelkaufmann, der im Verfahren vor Verwaltungsbehörden nicht seinen bürgerlichen Namen, sondern die von ihm verwendete Firma anführe, nicht antragslegitimiert sei, betreffe Sachverhalte, bei denen die Firma nicht mit dem bürgerlichen Namen übereinstimme. Im Beschwerdefall stimmten jedoch Firma und bürgerlicher Name überein. Im erstinstanzlichen Verfahren sei zu Unrecht angenommen worden, es bestünden zwei Bescheidadressaten, nämlich die Firma Wollverarbeitung P und der Beschwerdeführer. Die Behörde erster Instanz habe diese unrichtige Ansicht aber nicht konsequent eingehalten, da bei diversen Schreiben und auch im Betreff der erstinstanzlichen Bescheide angeführt sei "Firma Walkloden P bzw. Herr P". Diese Formulierung der Behörde spreche dafür, daß lediglich eine Partei angenommen werde. In der Verhandlungsschrift über die mündliche Verhandlung vom 18. März 1993 sei als Gegenstand der Verhandlung angeführt:

"Firma Walkloden P und P". Bei der Aufzählung der anwesenden Personen schienen auf: "P und E. V. für die Firma Walkloden P". Auch hieraus sei zu schließen, daß sich die Behörde selbst nicht im klaren gewesen sei, ob das Verfahren zwei Parteien betreffe oder lediglich eine einzige.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und in Gegenschriften die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerden beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Im Beschwerdefall steht im Vordergrund nicht, ob eine Firma als Rechtssubjekt im Verwaltungsverfahren auftreten kann oder ob ein Bescheid, der an eine Firma gerichtet ist, ins Leere geht, sondern die Frage, wem die - als Einspruch bezeichneten - Berufungen gegen die Bescheide der Bezirkshauptmannschaft Wiener Neustadt zuzurechnen sind.

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist dann, wenn nicht eindeutig klar ist, wem eine Berufung zuzurechnen ist, die Behörde verpflichtet, sich in einem derartigen Zweifelsfall Klarheit darüber zu verschaffen, wer Rechtsmittelwerber ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom 21. September 1993, Zl. 92/08/0172, und die dort angeführte Vorjudikatur). Ein solcher Zweifelsfall lag im Beschwerdefall vor.

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist dann, wenn eine Berufung durch eine "Firma" eingebracht wird, wenn sich Anhaltspunkte für das dahinterstehende Rechtssubjekt ergeben, vorerst zu prüfen, wer tatsächlich als Rechtsmittelwerber einschreitet, bevor die Berufung als unzulässig zurückgewiesen werden darf (vgl. das hg. Erkenntnis vom 27. April 1993, Zl. 92/04/0284, und die dort angeführte Judikatur).

Die Auffassung der belangten Behörde, allein schon deshalb, weil als Berufungswerber eindeutig die "Firma Walkloden P" auftrete, sei die Berufung dieser Firma zuzurechnen und es könnten Zweifel an der Zurechenbarkeit der Berufung nicht auftreten, steht mit dieser Rechtsprechung nicht im Einklang.

Im Beschwerdefall wurden die Berufungen von der "Firma Walkloden P" eingebracht. Diese Bezeichnung enthält Vor- und Zunamen einer physischen Person, und zwar jener physischen Person, die auch Adressat der erstinstanzlichen Bescheide war. Es bestanden daher Anhaltspunkte dafür, daß hinter der als Berufungswerberin auftretenden, als eigenes Rechtssubjekt nicht existenten Firma eine konkrete physische Person stand (vgl. das - den vergleichbaren Fall einer hinter einer Firma stehenden juristischen Person betreffende - hg. Erkenntnis vom 11. November 1987, Zl. 85/03/0045).

Schon auf Grund des Umstandes, daß ausreichende Anhaltspunkte für das hinter der von der Firma eingebrachten Berufung stehende Rechtssubjekt vorhanden waren, hätte die belangte Behörde - die im übrigen in ihren Bescheiden selbst zunächst einräumt, daß Zweifel daran bestehen könnten, wer hinter der Berufung stehe - die Frage der Zurechnung der Berufung zu klären gehabt.

Das von der belangten Behörde zur Stützung ihres gegenteiligen Standpunktes zitierte hg. Erkenntnis vom 28. Juni 1989, Zl. 89/16/0041, betrifft einen vom Beschwerdefall in wesentlichen Punkten abweichenden Sachverhalt. Im Vordergrund stand bei diesem Erkenntnis der Umstand, daß der erstinstanzliche Bescheid ins Leere gegangen war, weil er an ein nicht existentes Rechtssubjekt ergangen war. Im Beschwerdefall hingegen sind die erstinstanzlichen Bescheide nicht ins Leere gegangen, weil sie neben der "Firma" auch eine physische Person als Bescheidadressaten bezeichnen. Überdies scheint im Beschwerdefall in der Firmenbezeichnung nicht nur der Zuname, sondern auch der Vorname der physischen Person auf - ein Umstand, dem in dem zitierten Verwaltungsgerichtshoferkenntnis ebenfalls entscheidende Bedeutung zugemessen wurde.

Zumindest Zweifel daran, wem die Berufungen zuzurechnen waren, bestanden aber auch noch aus einem weiteren Grund. Es war nämlich die Annahme naheliegend, daß die Berufung nicht von jenem der beiden Bescheidadressaten erhoben werden sollte, der nach Auffassung der belangten Behörde kein Rechtssubjekt darstellte, da in diesem Fall die Berufung ins Leere gehen mußte. Es kann aber nicht unterstellt werden, daß die Erhebung der Berufung durch ein Gebilde beabsichtigt war, dessen Rechtsmittel von vornherein wirkungslos bleiben mußte.

Aus den dargestellten Erwägungen erweisen sich die angefochtenen Bescheide als inhaltlich rechtswidrig, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben waren.

Der Ausspruch über den Kostenersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung

BGBl. Nr. 416/1994.

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