Normen
ASVG §412;
ASVG §59 Abs1;
AVG §37;
AVG §63 Abs1;
AVG §8;
AVG §9;
PostG §1;
VwGG §34 Abs1;
VwGG §47 Abs2;
VwGG §47 Abs5;
VwGG §48 Abs1;
VwGG §48 Abs2;
ASVG §412;
ASVG §59 Abs1;
AVG §37;
AVG §63 Abs1;
AVG §8;
AVG §9;
PostG §1;
VwGG §34 Abs1;
VwGG §47 Abs2;
VwGG §47 Abs5;
VwGG §48 Abs1;
VwGG §48 Abs2;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Antrag der beschwerdeführenden Partei auf Zuspruch von Verfahrenskosten wird abgewiesen.
Begründung
Mit dem an die "Post- und Telegraphendirektion für Tirol und Vorarlberg" gerichteten und ihr auch zugestellten Bescheid vom 16. Juli 1991 sprach die mitbeteiligte Vorarlberger Gebietskrankenkasse aus, daß gemäß den §§ 44, 49, 51 und 54 ASVG allgemeine Beiträge und Sonderzahlungen in näher genannter Höhe für im Bereich der Post- und Telegraphendirektion für Tirol und Vorarlberg beschäftigte Postbedienstete nachverrechnet und gemäß § 59 Abs. 1 ASVG in Verbindung mit der Verordnung, BGBl. Nr. 612/1982, näher bezifferte Verzugszinsen bis 5. Juni 1991 zur Zahlung vorgeschrieben würden.
Gegen diesen Bescheid erhob die "Post- und Telegraphendirektion für Tirol und Vorarlberg in Innsbruck" Einspruch, im dem sie bestritt, daß die der Beitragsnachverrechnung zugrunde gelegten Geldbezüge der Postbediensteten beitragspflichtiges Entgelt im Sinne des § 49 Abs. 1 und 2 ASVG seien.
Daraufhin hob die belangte Behörde mit Bescheid vom 26. März 1992 den Bescheid der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse gemäß § 1 des Postgesetzes, BGBl. Nr. 58/1957 in der Fassung der Novelle BGBl. Nr. 575/1989, in Verbindung mit den §§ 8 und 9 AVG auf. Begründet wurde dies nach Zitierung der im Spruch genannten gesetzlichen Bestimmungen damit, daß die Post ein öffentliches Unternehmen des Bundes sei, dessen Tätigkeit der Erfüllung öffentlicher Aufgaben diene. Unternehmensträger sei die Republik Österreich als Gebietskörperschaft. Die Post sei jedoch personell und organisatorisch von dieser ausgegliedert. Sie sei eine Anstalt des Bundes ohne Rechtspersönlichkeit. Dienststellen der Post seien die beim Bundesministerium für öffentliche Wirtschaft und Verkehr eingerichtete Generaldirektion für die Post- und Telegraphenverwaltung; ihr untergeordnet seien die Post- und Telegraphendirektionen sowie die einzelnen Postämter (Antoniolli-Koja, Allgemeines Verwaltungsrecht, Seite 40). Im Verwaltungsverfahren könne nur eine physische oder eine andere vom Gesetz mit Rechtspersönlichkeit ausgestattete Person als Partei auftreten ("VwGH 3.2.1977, 599/76", gemeint: Beschluß des Verwaltungsgerichtshofes vom 3. Februar 1977, Zl. 559/76). Die Post- und Telegraphendirektion für Tirol und Vorarlberg sei aber, wie bereits ausgeführt, keine Person im Sinne des AVG. Sie sei mit der Vollziehung des Post- und Fernmeldewesens betraut. Partei und daher Bescheidadressat könne in der vorliegenden Sozialversicherungsangelegenheit nur sein:
"Republik Österreich mit der Anschrift: Post- und Telegraphendirektion für Tirol und Vorarlberg in Innsbruck."
Mangels Rechtspersönlichkeit sei eine Dienststelle auch nicht fähig, gegen einen Bescheid im Verwaltungsverfahren Berufung (Einspruch) und in weiterer Folge Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof zu erheben ("VwGH 21.6.1979, 3252/79", gemeint: Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 21. Juni 1979, Zl. 3252/78). Es werde daher Aufgabe der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse sein, in dieser Sozialversicherungsangelegenheit - unter Hinweis auf die obigen Ausführungen - einen neuerlichen Bescheid zu erlassen.
Daraufhin erließ die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse am 10. April 1992 einen, nunmehr an die "Republik Österreich, p. A. Post- und Telegraphendirektion für Tirol und Vorarlberg in Innsbruck" adressierten und auch so zugestellten, im übrigen aber mit dem Bescheid vom 16. Juli 1991 inhaltsgleichen Bescheid.
Dagegen erhob neuerlich die "Post- und Telegraphendirektion für Tirol und Vorarlberg in Innsbruck" ohne Hinweis darauf, daß sie namens der "Republik Österreich" einschreite, Einspruch, in dem sie sich wiederum mit der Beitragsnachverrechnung und der Vorschreibung von Verzugszinsen in der Sache selbst auseinandersetzte.
Mit dem an die "Republik Österreich; Post- und Telegraphendirektion für Tirol und Vorarlberg in Innsbruck" adressierten und auch so zugestellten angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde den Einspruch gemäß § 1 Postgesetz in Verbindung mit den §§ 8 und 9 AVG als unzulässig zurück. Begründet wurde dies - nach Wiederholung der Ausführungen des Bescheides vom 26. März 1992 - damit, daß der Post- und Telegraphendirektion für Tirol und Vorarlberg als Dienststelle das Recht der Erhebung eines Einspruches fehle.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, nach der sich die beschwerdeführende Partei in ihrem Recht auf Sachentscheidung gemäß § 413 ASVG durch die belangte Behörde verletzt erachtet. In Ausführung dieses Beschwerdepunktes macht die beschwerdeführende Partei unter dem Gesichtspunkt der Rechtswidrigkeit des Inhaltes und der Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend, daß es lediglich verabsäumt worden sei, der Begründung im Bescheid der belangten Behörde vom 26. März 1992 folgend im Kopf des Einspruchs den Vermerk "Republik Österreich" ergänzend anzuführen. Am Rechtssubjekt könne jedoch kein Zweifel bestehen. Das sei auch daraus ersichtlich, daß die bescheidmäßige Zurückweisung des Einspruchs mit dem angefochtenen Bescheid an die beschwerdeführende Partei adressiert gewesen sei. Für den Fall, daß im Fehlen des Zusatzes "Republik Österreich" dennoch ein formeller Mangel gesehen worden sein sollte, hätte die belangte Behörde den formell mangelhaften Einspruch nicht sofort zurückweisen dürfen, sondern gemäß § 13 Abs. 3 AVG die Behebung des Formgebrechens mit der Wirkung auftragen müssen, daß das Anbringen nach fruchtlosem Ablauf einer gleichzeitig zu bestimmenden angemessenen Frist zurückgewiesen werde.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete ebenso wie die mitbeteiligte Partei eine Gegenschrift.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Der angefochtene Bescheid greift in die Rechtssphäre der beschwerdeführenden Partei (deren Bezeichnung in "Bund" richtig zu stellen war: vgl. Antoniolli-Koja, Allgemeines Verwaltunsgrecht2, § 381 ff.; Walter-Mayer, Grundriß des österreichischen Bundesverfassungsrechts7, Rdzen 247 ff, 560 ff) ein, weil er - implizit - auch die Entscheidung darüber enthält, daß der Einspruch nicht ihr zuzurechnen sei (vgl. insoweit das Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 19. Dezember 1984, Slg. Nr. 11625/A, sowie das Erkenntnis vom 16. Dezember 1985, Slg. Nr. 11971/A). Die Beschwerde ist daher zulässig. Sie ist aber auch begründet.
Zwar hat die Post- und Telegraphendirektion für Tirol und Vorarlberg keine eigene Rechtspersönlichkeit, sondern ist eine dem Bundesminister für öffentliche Wirtschaft und Verkehr unterstehende Dienststelle des Bundes (vgl. außer dem Schrifttumshinweis der belangten Behörde Walter-Mayer, Grundriß des besonderen Verwaltungsrechts2, 510, sowie das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 9. März 1993, Zl. 92/06/0226); es steht ihr daher mangels einer diesbezüglichen Rechtsgrundlage auch kein eigenes selbständiges Einspruchsrecht zu. Allerdings hat der Verwaltungsgerichtshof im bereits zitierten Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 19. Dezember 1984 die Ansicht vertreten, daß dann, wenn nicht eindeutig klar ist, wem eine Berufung zuzurechnen ist, die Behörde (zwar nicht wie die Beschwerdeführerin meint, nach § 13 Abs. 3 AVG, wohl aber nach § 37 AVG) verpflichtet ist, sich in einem derartigen Zweifelsfall Klarheit darüber zu verschaffen, wer Rechtsmittelwerber ist. Ein solcher Zweifelsfall lag aber hier vor. Denn ungeachtet der neuerlichen bloßen Anführung der "Post- und Telegraphendirektion für Tirol und Vorarlberg in Innsbruck" im Einspruch sprach für die Annahme, daß die beschwerdeführende Partei als Einspruchswerberin anzusehen sei - vor dem Hintergrund einerseits der objektiven Rechtslage (die Post- und Telegraphendirektion für Tirol und Vorarlberg ist nur zur Vertretung des Bundes berufen) und andererseits der Begründung des Bescheides der belangten Behörde vom 26. März 1992 - daß der mit Einspruch bekämpfte Bescheid an die beschwerdeführende Partei selbst gerichtet war und ihr zugestellt wurde und im Einspruch nicht etwa die "Post- und Telegraphendirektion für Tirol und Vorarlberg in Innsbruck" behauptete, den Einspruch "im eigenen Namen" zu erheben. Die belangte Behörde durfte daher nach der neueren Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. das schon zitierte Erkenntnis vom 16. Dezember 1985, Slg. Nr. 11971/A, unter Hinweis auf das Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 19. Dezember 1984, mit denen im übrigen die von der belangten Behörde zitierten Entscheidungen des Gerichtshofes nicht in Widerspruch stehen) nicht ohne weiteres davon ausgehen, daß der Einspruch nicht der beschwerdeführenden Partei, sondern der "Post- und Telegraphendirektion für Tirol und Vorarlberg" zuzurechnen sei. Sie hätte vielmehr vor einer Zurückweisung des Einspruchs als unzulässig zu klären gehabt, ob nicht doch die beschwerdeführende Partei als Einspruchswerberin eingeschritten ist.
Zur Vermeidung von Mißverständnissen wird darauf verwiesen, daß dieses Auslegungsergebnis nicht gegen die auch den Verwaltungsgerichtshof bindende Rechtsauffassung der belangten Behörde im unangefochtenen, in Rechtskraft erwachsenen, den erstinstanzlichen Bescheid behebenden Einspruchsbescheid vom 26. März 1992 verstößt. Denn die in diesem Bescheid behandelte Rechtsfrage der korrekten Bezeichnung der Partei im Spruch eines Bescheides ist von der hier maßgebenden Frage, wem das vom Organ des als Partei des Verfahrens in Anspruch genommenen Rechtsträgers erhobene Rechtsmittel zuzurechnen ist, verschieden.
Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
Der Antrag der beschwerdeführenden Partei auf Zuspruch von Kosten war hingegen abzuweisen, weil im Falle der Identität des Rechtsträgers, dem der Kostenersatz aufzuerlegen wäre, mit jenem Rechtsträger, dem er zuzusprechen wäre, der Zuspruch auf Kostenersatz nicht in Betracht kommt (vgl. dazu das schon zitierte Erkenntnis vom 9. März 1993, Zl. 92/06/0226, mit weiteren Judikaturhinweisen).
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