VwGH 94/18/0694

VwGH94/18/06947.9.1995

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte

Dr. Zeizinger, Dr. Robl, Dr. Rosenmayr und Dr. Rigler als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Runge, über die Beschwerde des C, vertreten durch Dr. R, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich vom 30. Juni 1994, Zl. Fr 1416/94, betreffend Ausweisung und Zurückweisung eines Antrages auf Verlängerung eines Abschiebungsaufschubes, zu Recht erkannt:

Normen

AsylG 1991 §7 Abs1;
AVG §1;
AVG §6 Abs1;
FrG 1993 §17 Abs2 Z6;
FrG 1993 §17;
FrG 1993 §36 Abs2;
VerfGG 1953 §85 Abs2;
AsylG 1991 §7 Abs1;
AVG §1;
AVG §6 Abs1;
FrG 1993 §17 Abs2 Z6;
FrG 1993 §17;
FrG 1993 §36 Abs2;
VerfGG 1953 §85 Abs2;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich (der belangten Behörde) vom 30. Juni 1994 wurde der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger von Liberia, gemäß § 17 Abs. 2 Z. 6 des Fremdengesetzes - FrG, BGBl. Nr. 838/1992, ausgewiesen; des weiteren wies die belangte Behörde (insoweit nicht in ihrer Funktion als Berufungsbehörde) den Antrag des Beschwerdeführers auf Verlängerung eines Abschiebungsaufschubes zurück.

Der Beschwerdeführer sei am 28. März 1994 ohne erforderlichen österreichischen Sichtvermerk, somit jedenfalls unter Mißachtung der Bestimmungen des 2. Teiles des Fremdengesetzes, in das Bundesgebiet eingereist. Er habe am selben Tag einen Asylantrag gestellt, der jedoch mit Bescheid (des Bundesasylamtes) vom 15. April 1994 abgewiesen worden sei. Eine vorläufige Aufenthaltsberechtigung nach dem Asylgesetz 1991 komme dem Beschwerdeführer nicht zu, weil keine "direkte Einreise" vorliege, er sich vielmehr vor seinem Eintritt in das Bundesgebiet in Holland und Rumänien aufgehalten habe. Da der Beschwerdeführer innerhalb eines Monates nach der Einreise betreten und der Bescheid der Erstbehörde binnen dieser Frist erlassen worden sei, lägen die Voraussetzungen des § 17 Abs. 2 Z. 6 FrG vor. Es sei daher die Ausweisung zu verfügen gewesen; ein Ermessen sei der Behörde hiebei nicht eingeräumt.

Über den Antrag des Beschwerdeführers auf Verlängerung des Abschiebungsaufschubes auf "mindestens ein Jahr" habe die örtliche zuständige Bezirksverwaltungsbehörde zu entscheiden. Dieser (an die belangte Behörde) gerichtete Antrag sei somit zurückzuweisen gewesen.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

3. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

A. Zur Ausweisung

1.1. Nach Ansicht des Beschwerdeführers sei die "Anwendung des § 17 FrG rechtlich völlig verfehlt", weil ihm aufgrund der rechtzeitigen Stellung eines Asylantrages eine vorläufige Aufenthaltsberechtigung nach dem Asylgesetz 1991 zukomme.

1.2. Damit verkennt die Beschwerde, daß eine vorläufige Aufenthaltsberechtigung (§ 7 Abs. 1 Asylgesetz 1991) nach dieser Bestimmung - unter der Voraussetzung rechtzeitiger Antragstellung - nur jenen Asylwerbern zukommt, die "gemäß § 6 eingereist" sind. Letzteres aber trifft auf den Beschwerdeführer - unter Zugrundelegung der von ihm nicht bestrittenen maßgeblichen Sachverhaltsfeststellungen der belangten Behörde - nicht zu: Er fällt nicht unter § 6 Abs. 1 Asylgesetz 1991, weil er nicht direkt aus dem Staat gekommen ist, in dem er behauptet Verfolgung befürchten zu müssen (Liberia); § 6 Abs. 2 leg. cit. kommt deshalb nicht zum Tragen, weil sich kein Anhaltspunkt dafür ergibt, daß ihm die Einreise formlos gestattet worden wäre (vgl. dazu etwa die hg. Erkenntnisse vom 15. Dezember 1994, Zl. 94/18/0743, und vom 1. Februar 1995, Zl. 94/18/1033).

1.3. Schon im Hinblick auf das Vorgesagte ist es im Beschwerdefall rechtlich ohne Bedeutung, daß der Verfassungsgerichtshof (mit Beschluß vom 12. September 1994) der Beschwerde des Beschwerdeführers gegen den seinen Asylantrag im Instanzenzug abweisenden Bescheid des Bundesministers für Inneres (vom 30. Mai 1994) die aufschiebende Wirkung zuerkannt hat. Denn der Beschluß des Verfassungsgerichtshofes hätte dem Beschwerdeführer (für den Zeitraum der Anhängigkeit des besagten Beschwerdeverfahrens vor diesem Gerichtshof) nur dann eine vorläufige Aufenthaltsberechtigung nach dem Asylgesetz 1991 zu verschaffen vermocht, wenn ihm eine solche Berechtigung bereits vorher zugekommen wäre. Dies war indes, wie oben 1.2. dargetan, nicht der Fall. Der unter dem Gesichtspunkt der Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerdevorwurf der Nichtbeachtung des genannten Beschlusses des Verfassungsgerichtshofes seitens der belangten Behörde entbehrt demnach der Relevanz.

2. Bei Anwendung des § 17 Abs. 2 FrG ist der Behörde nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes Ermessen eingeräumt (vgl. etwa die Erkenntnisse vom 30. September 1993, Zl. 93/18/0349, vom 1. Februar 1995, Zl. 94/18/1135, und vom 29. Juni 1995, Zl. 95/18/1099). Die belangte Behörde hat dies im vorliegenden Fall zwar verkannt; ihre insoweit unrichtige Rechtsansicht bewirkte allerdings keine Verletzung von Rechten des Beschwerdeführers. Denn im Hinblick darauf, daß den für die Einreise und den Aufenthalt von Fremden getroffenen Regelungen und deren Befolgung durch die Normadressaten ein hoher Stellenwert zukommt, handelt es sich bei diesbezüglichen Verstößen - hier gegen § 5 FrG (Sichtvermerkspflicht) und nach der Aktenlage auch gegen § 2 Abs. 1 leg. cit. (Paßpflicht) - keinesfalls um eine bloß geringfügige Beeinträchtigung der öffentlichen Ordnung (vgl. dazu die bereits zitierten hg. Erkenntnisse Zl. 93/18/0349, und Zl. 95/18/1099). Von daher gesehen ist die im Grunde des § 17 Abs. 2 Z. 6 FrG verfügte Ausweisung - daß der Beschwerdeführer binnen einem Monat betreten wurde, ist unbestritten - im Ergebnis nicht als rechtswidrig zu erkennen.

B. Zurückweisung des Antrages auf Verlängerung eines Abschiebungsaufschubes

1. Mit dem an die Erstbehörde gerichteten Berufungsschriftsatz vom 11. April 1994 hatte der Beschwerdeführer (u.a.) beantragt, den Abschiebungsaufschub "mindestens auf ein Jahr zu verlängern". Dieser Antrag wurde mit dem bekämpften Bescheid wegen Unzuständigkeit zurückgewiesen.

2. Diesen Ausspruch bekämpft die Beschwerde mit dem Argument, daß die belangte Behörde "für die Entscheidung über diesen Antrag in erster Instanz sachlich unzuständig ist".

3. Dieses Vorbringen ist verfehlt. Gerade weil sich die belangte Behörde - mit Recht - zu einer Sachentscheidung über den Antrag des Beschwerdeführers auf Verlängerung eines Abschiebungsaufschubes "in erster Instanz" für nicht befugt gehalten hat, hat sie mit ihrem diesen Antrag zurückweisenden Abspruch - woran die dazu gegebene Bescheidbegründung keinen Zweifel aufkommen läßt - lediglich ihre Unzuständigkeit zu einer meritorischen Entscheidung ausgesprochen. Darin vermag der Gerichtshof eine Verletzung von Rechten des Beschwerdeführers nicht zu erkennen, zumal solcherart die Zuständigkeit der Behörde erster Instanz zur meritorischen Entscheidung über den Antrag unberührt blieb und im übrigen - unbeschadet der Verpflichtung der belangten Behörde, nach § 6 Abs. 1 AVG vorzugehen - dem Einschreiter durch diese Bestimmung kein subjektives Recht auf Weiterleitung oder Weiterverweisung eingeräumt wird.

C. Zusammenfassend erweist sich die Beschwerde nach den vorstehenden Erwägungen als zur Gänze unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.

Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 und 48 Abs. 2 Z. 1 und 2 VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

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