VwGH 94/07/0047

VwGH94/07/004721.11.1996

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hoffmann und die Hofräte Dr. Hargassner, Dr. Bumberger, Dr. Pallitsch und Dr. Beck als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Rose, in der Beschwerdesache

1. des G S, 2. der H E, 3. des R E und 4. des M E, alle in M und alle vertreten durch Dr. W, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Tirol vom 23. Februar 1994, Zl. U-11.745/60, betreffend Vorschreibung von Maßnahmen nach dem Tiroler Luftreinhaltegesetz (mitbeteiligte Partei: F in M, vertreten durch Dr. J, Rechtsanwalt in T), den Beschluß gefaßt:

Normen

AVG §8;
LRG Tir 1973 §1 lita;
LRG Tir 1973 §4 Abs1;
VwGG §34 Abs1;
AVG §8;
LRG Tir 1973 §1 lita;
LRG Tir 1973 §4 Abs1;
VwGG §34 Abs1;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Die Beschwerdeführer haben dem Bund Aufwendungen in der Höhe von insgesamt S 4.565,-- und der mitbeteiligten Partei Aufwendungen in der Höhe von insgesamt S 11.360,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das Mehrbegehren der mitbeteiligten Partei wird abgewiesen.

Begründung

Zur Vorgeschichte des Beschwerdefalls wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf den hg. Beschluß vom 21. September 1993, 92/08/0259, verwiesen. Mit diesem Beschluß hat der Verwaltungsgerichtshof das über Beschwerde der mitbeteiligten Partei (MP) gegen den Bescheid der belangten Behörde vom 2. Oktober 1992 eingeleitete Verfahren eingestellt.

Mit Bescheid des Gemeinderates der Gemeinde M. vom 4. November 1993 wurde der Berufung der MP gemäß § 66 Abs. 4 AVG in Verbindung mit § 4 Abs. 1 des Tiroler Luftreinhaltegesetzes (kurz: TLRG), LGBl. für Tirol Nr. 68/1973, teilweise Folge gegeben und der Betrieb des Roxidationsstalles der MP für die Schweinemast unter Vorschreibung von zwei Auflagen genehmigt.

Des weiteren wurden im Spruch dieses Bescheides mehrere Anträge der beschwerdeführenden Parteien auf Einholung ergänzender Gutachten abgewiesen.

Gegen diesen Bescheid vom 4. November 1993 erhoben sowohl die beschwerdeführenden Parteien als auch die MP Vorstellung an die belangte Behörde.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde sowohl der Vorstellung der MP (Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides) als auch der Vorstellung der beschwerdeführenden Parteien (Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides) Folge, hob den angefochtenen Bescheid des Gemeinderates auf und wies die Rechtssache an den Gemeinderat der Gemeinde M. zur neuerlichen Verhandlung und Erlassung eines Bescheides zurück.

In der Begründung führte die belangte Behörde zur Frage der Parteistellung der beschwerdeführenden Parteien aus, daß sich im TLRG keine von den Bestimmungen des AVG abweichenden Regelungen hinsichtlich "des Parteienkreises" befänden. Aus dem Gesamtzusammenhang des Gesetzes und aus dessen Zweck sei erkennbar, "daß zentraler Regelungsinhalt der Schutz des Wohlbefindens von Menschen vor Beeinträchtigungen der freien Luft durch luftfremde Stoffe" sei. Die Bestimmungen dieses Gesetzes seien gerade im Interesse derjenigen festgelegt worden, deren Wohlbefinden durch Maßnahmen, die Ursache einer Luftverunreinigung durch ungebührliche Erregung üblen Geruchs seien, beeinträchtigt werden könnten. Sofern eine Person ein Interesse, das für die gesetzliche Festlegung der verpflichtenden Norm maßgeblich gewesen sei, an der "Abstellung solcher Maßnahmen" habe, streite die Vermutung für eine Befugnis zur Rechtsverfolgung. Eine derartige Vermutung sei nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes auch dann gegeben, wenn im Gesetz selbst eine Qualifikation des Interesses etwa hinsichtlich der Parteistellung nicht zu entnehmen sei. Im übrigen würde für die Parteistellung schon die Möglichkeit der Verletzung subjektiv-öffentlicher Rechte genügen. Die Möglichkeit der Rechtsverletzung von Nachbarn sei das entscheidende Kriterium bei der Prüfung der Parteistellung, weshalb diese den beschwerdeführenden Parteien zuerkannt werde.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der die Beschwerdeführer die Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes sowie wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften beantragen. Die Beschwerdeführer erachten sich in ihrem Recht auf Wahrung des Parteiengehöres und auf ordnungsgemäße und gesetzeskonforme Durchführung des Verfahrens nach dem Tiroler Luftreinhaltegesetz als verletzt. Darüber hinaus vermissen die Beschwerdeführer die Setzung und Vorschreibung geeigneter Maßnahmen sowie Auflagen zur Verhinderung von ihr Wohlbefinden merklich beeinträchtigenden Luftverunreinigungen durch ungebührliche Erregung üblen Geruchs. Ferner begehren die Beschwerdeführer die Durchführung einer mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.

Auch die MP hat eine Gegenschrift eingebracht und beantragt, die gegenständliche Beschwerde mangels Beschwerdelegitimation kostenpflichtig zurückzuweisen oder allenfalls als unbegründet abzuweisen.

Zur Erhebung der Beschwerde fehlt es den Beschwerdeführern aus folgenden Erwägungen an der Berechtigung:

Gemäß Art. 131 Abs. 1 Z. 1 B-VG kann gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde nach Erschöpfung des Instanzenzuges wegen Rechtswidrigkeit Beschwerde erheben, wer durch den Bescheid in seinen Rechten verletzt zu sein behauptet. Ausschlaggebend für die Beurteilung der Beschwerdelegitimation ist damit die Frage, ob ein Beschwerdeführer nach Lage des Falles durch den bekämpften Bescheid - ohne Rücksicht auf dessen Gesetzmäßigkeit - in einem subjektiven Recht überhaupt verletzt sein kann (vgl. für viele den hg. Beschluß vom 19. September 1996, Zl. 96/07/0169, mit weiterem Nachweis). Diese Möglichkeit scheidet dann schon aus, wenn einem Beschwerdeführer das von ihm als verletzt behauptete subjektiv-öffentliche Recht vom Gesetz gar nicht eingeräumt ist (vgl. die hg. Beschlüsse vom 19. September 1996, 96/07/0137, und vom 27. Juni 1995, 94/07/0102).

Gemäß § 1 des Tiroler Luftreinhaltegesetzes (TLRG), LGBl. Nr. 68/1973, ist jedermann verpflichtet, alles zu unterlassen, was die natürliche Zusammensetzung der freien Luft durch luftfremde Stoffe (wie Rauch, Ruß, Staub, Dampf, Gase und Geruchsstoffe) derart verändert, daß dadurch

  1. a) das Wohlbefinden von Menschen,
  2. b) das Leben von Tieren und Pflanzen oder
  3. c) Sachen in ihren für den Menschen wertvollen Eigenschaften merklich beeinträchtigt werden.

Gemäß § 4 Abs. 1 leg. cit. hat der Bürgermeister die Eigentümer von Grundstücken, auf denen sich Anlagen befinden oder auf denen Maßnahmen durchgeführt werden, die Ursache einer Luftverunreinigung durch ungebührliche Erregung üblen Geruches sind, durch Bescheid zu verpflichten, die Anlagen oder die Durchführung der Maßnahmen so zu ändern, daß eine Beeinträchtigung im Sinne des § 1 vermieden wird.

Gemäß § 8 Abs. 1 leg. cit. unterliegen Personen, die in ähnlicher Weise wie die Grundstückseigentümer zur Nutzung eines Grundstückes ausschließlich befugt sind (z.B. Furchtnießer, Gebrauchsberechtigte, Mieter, Pächter), anstelle des Grundstückseigentümers den für ihn geltenden Vorschriften dieses Gesetzes.

Gemäß § 9 leg. cit. sind die von der Gemeinde nach diesem Gesetz zu besorgenden Aufgaben solche des eigenen Wirkungsbereiches.

Gemäß Art. VIII der Bundes-Verfassungsgesetz-Novelle 1988, BGBl. Nr. 685, werden landesrechtliche Vorschriften über die Luftreinhaltung, soweit sie sich nicht auf Heizungsanlagen beziehen, ..., bundesrechtliche Vorschriften für das Land, in dem sie erlassen worden sind.

Gemäß Art. X Abs. 1 Z. 4 dieser B-VG-Novelle ist u.a. auch Art. VIII mit 1. Jänner 1989 in Kraft getreten.

Als Partei im Sinne des § 8 AVG ist jedenfalls derjenige anzusehen, dessen Rechtssphäre durch die zu treffende Maßnahme unmittelbar berührt (gestaltet) wird, wobei Parteistellung auch derjenige genießt, dem das materielle Recht keine "Berechtigungen", sondern "Verpflichtungen" auferlegt. Maßgebend für die Parteistellung ist, daß die Sachentscheidung in die Rechtssphäre des Betreffenden bestimmend eingreift und weiters, daß darin eine unmittelbare, nicht bloß abgeleitete mittelbare Wirkung zum Ausdruck kommt (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 30. Jänner 1979, Slg. 9.751/A).

Aus der dargestellten Rechtslage ist ersichtlich, daß dem von Maßnahmen nach § 4 Abs. 1 TLRG unmittelbar Betroffenen (Belasteten) Parteistellung zukommt. Über eine allfällige Parteistellung Dritter - im Beschwerdefall von Nachbarn, die behaupten, vom üblen Geruch eines Schweinestalls in ungebührlicher Weise belästigt zu werden - sagt das TLRG nichts aus. Wenn die belangte Behörde offenbar vermeint, aus § 1 lit. a leg. cit. ein rechtliches Interesse einzelner Personen an der Abstellung solcher Geruchsbelästigungen - und sohin auch eine Parteistellung dieser Personen bei entsprechender Beeinträchtigung - ableiten zu können, übersieht sie einerseits, daß vom Gesetz her kein unmittelbarer Eingriff in die Rechtssphäre dieser Dritten vorgesehen ist, die zu treffende Anordnung eine höchstens abgeleitete mittelbare Wirkung gegenüber diesen Dritten Personen entfaltet, und daß andererseits auch die Formulierung der Zielbestimmung des § 1 leg. cit. klar zum Ausdruck bringt, daß es sich dabei um öffentliche Interessen handelt, die die belangte Behörde infolge des Verweises auf § 4 Abs. 1 leg. cit. bei ihren Maßnahmen zu berücksichtigen hat. Auf die Wahrung öffentlicher Interessen aber bestehen keine subjektiv-öffentlichen Rechte Dritter (vgl. für viele etwa das hg. Erkenntnis vom 26. April 1995, 92/07/0159, mwN). Daß die belangte Behörde die Vorstellung der Beschwerdeführer anstatt der gebotenen Zurückweisung meritorisch erledigt hat, bewirkte keinen Eingriff in ihre Rechtsposition (vgl. neben dem bereits zitierten Erkenntnis vom 26. April 1995, 92/07/0159, auch den hg. Beschluß vom 9. Juni 1994, 94/06/0028). Abgesehen davon, daß die ohne gesetzliche Grundlage vorgenommene Behandlung einer Person als Partei eines Verfahrens durch die Behörde die Begründung einer Parteistellung der betroffenen Person rechtlich nicht zur Folge hat (vgl. etwa auch die grundsätzliche Aussage im hg. Erkenntnis vom 31. Jänner 1995, 94/07/0191), fehlte es den Beschwerdeführern im vorliegenden Fall schon an einem ihnen vom Gesetz eingeräumten subjektiv-öffentlichen Recht, das einer Verletzung durch eine - wie immer auch objektiv rechtswidrige behördliche Vorgangsweise - zugänglich gewesen wäre. Nicht bestehende Rechte können nicht verletzt werden.

Da es somit an der Möglichkeit einer Rechtsverletzung in der Sphäre der Beschwerdeführer aufgrund des TLRG mangelt, war die Beschwerde in einem gemäß § 12 Abs. 3 VwGG gebildeten Senat gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG zurückzuweisen.

Von der beantragten mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 1 VwGG abgesehen werden.

Der Abspruch über den Kostenersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Da die mitbeteiligte Partei im Zuge des Vorverfahrens lediglich zur Vorlage der Gegenschrift in zweifacher Ausfertigung aufgefordert wurde, war der Ersatz von Stempelgebühren auch nur für zwei Ausfertigungen (insgesamt S 240,--) an Stelle der beantragten drei Ausfertigungen zuzuerkennen.

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