VwGH 88/15/0156

VwGH88/15/015616.10.1989

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Simon und die Hofräte Dr. Großmann, Dr. Närr, Dr. Wetzel und Dr. Steiner als Richter, im Beisein des Schriftführers Kommissär Dr. Egger, über die Beschwerde des Dkfm. KK in W, vertreten durch Dr. Wolf-Dieter Arnold, Rechtsanwalt in Wien I, Wipplingerstraße 10, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom 27. Juni 1986, Zl. GA 11 - 890/15/86, betreffend Gebühren für ein Rechtsgeschäft, zu Recht erkannt:

Normen

ABGB §1053
ABGB §1269
BewG 1955 §20
ErbStG §3 Abs1 Z2
GebG 1957 §26
GebG 1957 §3 TP17 Abs1
GebG 1957 §33 TP16
GebG 1957 §33 TP17
GebG 1957 §33 TP17 Abs1

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:1989:1988150156.X00

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 2.760,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Aus den vorgelegten Verwaltungsakten ergibt sich im wesentlichen folgendes:

Der 1907 geborene RK war der Rechtsträger einer - von ihm als gewerbliches Unternehmen betriebenen - Privatschule. Seine Firma war im Handelsregister eingetragen.

Zum Hauptfeststellungszeitpunkt 1. Jänner 1977 war der Einheitswert für diesen - in der Folge als Privatschule bezeichneten - gewerblichen Betrieb bescheidmäßig mit S 3,251.000,-- festgestellt, wovon S 596.667,-- auf ein Betriebsgrundstück entfielen.

Am 21. Dezember 1978 unterzeichneten RK sein - in der Folge als Beschwerdeführer bezeichneter - Schwiegersohn und seine - in der Folge als Gattin des Beschwerdeführers bezeichnete - Tochter (die Echtheit dieser Unterschriften wurden an demselben Tag von einem öffentlichen Notar beglaubigt) einen mit „Kaufvertrag vom 21.12.1978“ überschriebenen Vertrag, der u.a. nachstehende Regelungen traf:

RK verkaufe die Privatschule, wie sie liege und stehe, zum Stichtag 1. September 1978 an den Beschwerdeführer (§ 1 zweiter Satz).

RK hafte mit Ausnahme der in der zum 1. September 1978 zu errichtenden Übernahme-(Eröffnungs-)Bilanz ausgewiesenen Belastungen für die Belastungsfreiheit der Privatschule (§ 2 dritter Satz).

Das Betriebsgrundstück, das RK zum 31. August 1978 aus der Privatschule entnommen habe, sei nicht Gegenstand dieses Vertrages (§ 3).

Als Kaufpreis bezahle der Beschwerdeführer dem RK auf Lebensdauer ab 1. Jänner 1979 eine monatliche (wertgesicherte - § 5) Leibrente von S 7.000,--. Für den Fall des Todes des RK vor seiner am 5. Dezember 1913 geborenen - in der Folge als Schwiegermutter (des Beschwerdeführers) bezeichneten Gattin bestehe die Verpflichtung zur Zahlung der Leibrente an die Schwiegermutter (§ 4).

Das schon bisher bestehende Dienstverhältnis der Gattin des Beschwerdeführers als Angestellte der Privatschule sei von Dienstgeberseite unkündbar (§ 7 erster Satz).

Die Schwiegermutter habe, abgesehen von ihrem Pensionsanspruch gemäß der Vereinbarung vom 17. August 1978, kein Recht mehr an oder in der Privatschule (§ 11).

In der Übergabebilanz zum 1. September 1978 wurden als Passiva folgende Posten angeführt:

I.Rücklage für Abfertigungen S 915.142,--

II. Pensionsrückstellung S 560.000,--

III. Rückstellungen für Abschlußkosten S 100.000,--

IV. Verbindlichkeiten aus Lieferungen und Leistungen S 636.578,47

V. Passive Rechnungsabgrenzungsposten S 782.293,40

VI. Wert der Leibrente S 588.000,--

S 3,582.013,87.“

Ebenfalls am 21. Dezember 1978 nahm der bereits erwähnte öffentliche Notar über eine Erklärung des Rudolf K und der Schwiegermutter einen Notariatsakt auf, dem eine von ihnen unterzeichnete „Vereinbarung über eine Pensionszusage“ vom 17. August 1978 beigeheftet wurde.

Nach dieser Vereinbarung wurde der Schwiegermutter für ihre jahrzehntelange - abgaben- und sozialversicherungsrechtlich als Dienstverhältnis zwischen Ehegatten lange nicht anerkannte - leitende Mitarbeit in der Privatschule ab 1. Jänner 1979 eine wertgesicherte „Firmenpension“ von S 8.000,-- 14 Mal jährlich auf Lebensdauer zugesagt.

Im Schriftsatz vom 15. Mai 1986 brachte der Beschwerdeführer im wesentlichen vor, er habe für den Erwerb der Privatschule insgesamt S 3,582.013,87 aufgewendet, wovon nach der bei den Akten befindlichen Übergabebilanz S 588.000,-- auf die Leibrente entfielen. Daneben habe er - aus dieser Bilanz zu ersehende - Verpflichtungen in Höhe von rund S 2,994.013,-- übernommen. Die übernommenen Schulden würden den Kapitalwert der Leibrente bei weitem übersteigen.

Im nunmehrigen verwaltungsgerichtlichen Verfahren über die vorliegende Beschwerde, deren Behandlung der Verfassungsgerichtshof mit Beschluß vom 27. September 1988, B 763/86-9, abgelehnt und sie dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten hat, ist vor allem die Frage strittig, ob (im Sinn des angefochtenen Bescheides) der zwischen RK und dem Beschwerdeführer geschlossene Vertrag vom 21. Dezember 1978 ein gemäß § 33 TP 17 Abs. 1 Z. 4 GebG 1957 gebührenpflichtiger Leibrentenvertrag ist oder (wie der Beschwerdeführer vermeint) nicht. Für den Fall der Bejahung dieser Frage durch den Verwaltungsgerichtshof wendet sich der Beschwerdeführer aus verschiedenen - in der Folge im einzelnen näher darzustellenden - Gründen auch gegen die Höhe der von der belangten Behörde ermittelten Bemessungsgrundlage.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen

Gemäß § 17 Abs. 1 GebG 1957, in der hier maßgebenden Fassung durch Art. I Z. 25 des Bundesgesetzes vom 30. November 1976, BGBl. Nr. 668, ist für die Festsetzung der Gebühren der Inhalt der über das Rechtsgeschäft errichteten Schrift (Urkunde) maßgebend. Zum Urkundeninhalt zählt auch der Inhalt von Schriften, der durch Bezugnahme zum rechtsgeschäftlichen Inhalt gemacht wird.

Schon im Hinblick auf die oben erwähnten Urkunden, mit deren Unterzeichnung durch die Vertragsteile die in der Folge erst zu erörternde Gebührenschuld auf Grund des § 16 Abs. 1 Z. 1 lit. a GebG 1957 entstanden wäre, bedarf es im vorliegenden Fall keiner Prüfung der vom Beschwerdeführer (erstmals) im verwaltungsgerichtlichen Verfahren aufgeworfenen Frage, ob die betreffende Anmeldung des Überganges der Privatschule im Handelsregister im Sinn des § 18 Abs. 4 GebG 1957 trotz der Spezialbestimmung des § 33 TP 16 Abs. 2 GebG 1957 als gebührenpflichtige Rechtsurkunde anzusehen ist oder nicht. Die erstmalige Behauptung des Beschwerdeführers im erwähnten Mängelbehebungsschriftsatz, der vorliegende Leibrentenvertrag sei nicht beurkundet worden, verstößt gegen das aus § 41 Abs. 1 VwGG abzuleitende Neuerungsverbot und erweist sich darüber hinaus schon auf Grund des dargestellten Akteninhaltes auch als aktenwidrig.

Gebührenpflicht besteht nach § 33 TP 17 Abs. 1 GebG 1957, in der hier maßgebenden Fassung durch Art. I Z. 46 des bereits zitierten Bundesgesetzes vom 30. November 1976, für Glücksverträge, wodurch die Hoffnung eines noch ungewissen Vorteiles versprochen und angenommen wird: ... 4. Leibrentenverträge, die nicht von Versicherungsanstalten abgeschlossen werden, wenn gegen die Leibrente bewegliche Sachen überlassen werden, vom Werte der Leibrente, mindestens aber vom Werte der Sachen ... 2 v.H. ...

Im Sinn des § 1269 ABGB, an den § 33 TP 17 Abs. 1 GebG 1957 offensichtlich anknüpft, ist der Leibrentenvertrag jedenfalls ein Glücksvertrag im weiteren Sinne (siehe z.B. Koziol-Welser, Grundriß des bürgerlichen Rechts, Band I8, Wien 1987, S. 380).

Ausgehend von einem Entgelt, zu dem die durch Übernahme betroffenen Schulden hinzuzurechnen sind (siehe z.B. das in gleicher Weise wie die in der Folge zitierten Erkenntnisse gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG angeführte Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 7. Oktober 1985, Z1.84/15/0071, Slg. Nr. 6036/F), kommt es im vorliegenden Fall für die Beurteilung, ob ein gebührenpflichtiger Leibrentenvertrag oder ein gebührenfreier Kaufvertrag vorliegt, darauf an, ob die durch Übernahme betroffenen betragsmäßig feststehenden Schulden, die hier allein als festbetragsvereinbartes Entgelt in Betracht kommen, oder die nach versicherungsmathematischen Grundsätzen ermittelten - vom Beschwerdeführer auch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren rechnerisch nicht in Zweifel gezogenen -Kapitalwerte beider Leibrenten (S 1,092.000,-- und S 1,346.912,-- = S 2,438.912,--) überwiegen (siehe z.B. das Erkenntnis vom 20. Jänner 1972, Zl. 1837/70, Slg. Nr. 4332/F, und Stoll, Rentenbesteuerung3, Wien 1979, S. 607 Abs. 2) bzw. die Hauptleistung bilden (siehe z.B. das bereits angeführte Erkenntnis vom 7. Oktober 1985).

In diesem Zusammenhang scheint der Beschwerdeführer vor allem folgendes zu übersehen:

Bei der Beantwortung dieser Frage des Überwiegens kommt es im vorliegenden Fall lediglich darauf an, das gesamte - hier aus der auf Grund des § 4 des Vertrages vom 21. Dezember 1978 zu leistenden Leibrente und allen durch die Übernahme betroffenen „Belastungen“ bzw. Schulden (zu denen die als Leibrente zu qualifizierende „Firmenpension“ zählt, die durch Bezugnahme in § 11 dieses Vertrages auf die betreffende Vereinbarung vom 17. August 1978 in Verbindung mit dem Hinweis auf die Übernahmebilanz in § 2 dieses Vertrages zum rechtsgeschäftlichen Inhalt gemacht wurde) bestehende - Entgelt in betragsmäßig feststehende Verbindlichkeiten und in solche, die von für Leibrentenverträge typischen aleatorischen Elementen geprägt sind, aufzuteilen. Dabei ist diese - in der erwähnten Bilanz unter II. der Passiva angeführte - „Firmenpension“ lediglich eine rechnerische Größe und nicht Gegenstand einer allfälligen Vergebührung nach § 33 TP 10 Abs. 4 GebG 1957.

Wegen der - wie bereits oben dargetan - hier gebotenen Ermittlung des Kapitalwertes beider Leibrenten nach versicherungsmathematischen Grundsätzen bedarf es keiner Erörterung der Frage, welcher Vervielfacher im Sinne des § 16 Abs. 2 BewG anzuwenden gewesen wäre.

Selbst wenn man nun die nach versicherungsmathematischen Grundsätzen unbestritten mit einer Summe von S 2,438,912,-- ermittelten Kapitalwerte beider in der Übergabebilanz als II. und VI der Passiva angeführten Leibrenten allen anderen Posten der Passiva (I. und III. bis V. mit einer Summe von insgesamt S 2,434.013,87) gegenüberstellt, dann überwiegen noch immer die erwähnten Kapitalwerte um S 4.898,13, weshalb es sich bei dem vorliegenden Vertrag nicht (mehr) um einen Kauf-, sondern (schon) um einen Leibrentenvertrag handelt.

Daher bedarf es im vorliegenden Fall u.a. keiner Erörterung der Fragen, 1. ob die Rücklage für Abfertigungen im Hinblick auf § 6 Abs. 1 BewG (etwa im Sinne des Erkenntnisses vom 25. November 1954, Zl. 3077/52, Slg. Nr. 1053 F) unberücksichtigt bleiben müßte oder nicht, 2. ob die Rücklage für Abfertigungen, die Rückstellungen für Abschlußkosten und die passiven Rechnungsabgrenzungsposten überhaupt „Belastungen“ im Sinne des § 2 des Vertrages bzw. Schulden oder Verbindlichkeiten sind oder nicht, und 3. woraus sich die passiven Rechnungsabgrenzungsposten (laut erstmals im verfassungsgerichtlichen Verfahren aufgestellter Behauptung des Beschwerdeführers Schulgeldvorauszahlungen !) im einzelnen zusammensetzen. Der Verwaltungsgerichtshof teilt zumindest im Ergebnis die in der angefochtenen Berufungsentscheidung vertretene Auffassung, der in Rede stehende Leibrentenvertrag „führe nicht zu einer Bereicherung (gemischten Schenkung). Voraussetzung einer freigebigen Zuwendung im Sinne des § 3 Abs. 1 Z. 2 ErbStG ist nämlich, daß der Bedachte auf Kosten des Zuwendenden bereichert wird und der Zuwendende den (einseitigen) Willen hat, den Bedachten zu bereichern, ihm also unentgeltlich Vermögen zuzuwenden. Nur wenn bei einem bestehenden Wertmißverhältnis die Bereicherung auf der Freigebigkeit des Zuwendenden beruht und die ansonsten die Leibrentenverträge prägenden typischen aleatorischen Elemente weitgehend ausgeschaltet sind, dann läge im Wert der objektiven Bereicherung (des Vermögenszuwachses) eine freigebige Zuwendung, wonach nur Schenkungssteuer, nicht auch Gebühr vom Leib-rentenvertrag erhoben werden könnte (siehe z.B. das bereits zitierte Erkenntnis vom 25. November 1954, und Stoll, a.a.O., S. 610 f). Im vorliegenden Fall kann aber von einer weitgehenden Ausschaltung der ansonsten die Leibrentenverträge prägenden typischen aleatorischen Elemente nicht gesprochen werden.

Wie der Verwaltungsgerichtshof zuletzt in seinem Erkenntnis vom 6. Oktober 1989, Zl. 88/15/0079, dargetan hat, ist die Sonderregelung des § 26 GebG 1957, wonach bedingte Leistungen und Lasten als unbedingte, betagte Leistungen und Lasten als sofort fällige zu behandeln sind, nur anwendbar, wenn die Finanzämter für Gebühren und Verkehrsteuern zur Festsetzung der Bemessungsgrundlage die Vorschriften des (Ersten Teiles des) BewG direkt bzw.unmittelbar anzuwenden haben.

Daraus ergibt sich aber - nicht nur für der TP 16 sondern auch der TP 17 des § 33 GebG 1957 zu unterstellende Fälle - die Bindung an den letzten im Zeitpunkt des Entstehens der Gebührenschuld maßgebenden Einheitswertbescheid (siehe z.B. Stoll, a.a.O., S. 601 vorletzter Absatz)., Mit der angefochtenen Berufungsentscheidung wurde zutreffend der um den für das Betriebsgrundstück gesondert festgestellt gewesenen Einheitswertverminderte Einheitswert als Bemessungsgrundlage („mindestens aber vom Werte der Sachen“) herangezogen.

Die vorliegende Beschwerde war daher als unbegründet gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

 

Ungeachtet des Antrages des Beschwerdeführers kann der Verwaltungsgerichtshof im vorliegenden Fall von einer Verhandlung gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG absehen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 206/1981.

Wien, am 16. Oktober 1989

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte