VwGH 2013/21/0137

VwGH2013/21/013714.11.2013

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stöberl und die Hofräte Dr. Pelant und Dr. Sulzbacher als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Dobner, über die Beschwerde der H K, vertreten durch die Rechtsanwalt Dr. Manfred Buchmüller GmbH in 5541 Altenmarkt, Untere Marktstraße 21, gegen den Bescheid der Österreichischen Botschaft New Delhi vom 18. Juni 2013, Zl. VAN 132597, betreffend Verweigerung eines Visums, zu Recht erkannt:

Normen

32009R0810 Visakodex Art32 Abs1 litb;
32009R0810 Visakodex Art32 Abs2;
EURallg;
Visakodex Handbuch;
VwGG §42 Abs2 Z3 litb;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;
VwRallg;
32009R0810 Visakodex Art32 Abs1 litb;
32009R0810 Visakodex Art32 Abs2;
EURallg;
Visakodex Handbuch;
VwGG §42 Abs2 Z3 litb;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;
VwRallg;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Die Beschwerdeführerin, eine 1962 geborene indische Staatsangehörige, stellte am 17. Mai 2013 bei der Österreichischen Botschaft New Delhi (der belangten Behörde) den formularmäßigen Antrag auf Erteilung eines "Schengen-Visums" für die Dauer von 90 Tagen. Als einladende Person wurde ihr österreichischer Schwager, der auch eine elektronische Verpflichtungserklärung abgegeben hatte, genannt. Als Zweck der Reise war der Besuch ihrer Schwester und deren Familie angegeben. Einem beigelegten Schreiben lässt sich dazu entnehmen, es sei der "einzige Grund" für den Besuch, die Ferien in diesem schönen Land zu verbringen. Im Übrigen erläuterte die Beschwerdeführerin, dass ihr Sohn, der sie begleiten sollte, in dieser Zeit vom Studium frei habe, weil er auf die Ergebnisse von im Frühjahr abgelegten Prüfungen warte. In diesem Zusammenhang wurde auch darauf hingewiesen, dass die Beschwerdeführerin Österreich bereits einmal besucht habe und fristgerecht nach Indien zurückgekehrt sei. Dem Antrag waren auch Bestätigungen betreffend eine für den beabsichtigten Aufenthaltszeitraum abgeschlossene Krankenversicherung und die Reservierung von Hin- und Rückflug angeschlossen.

Über Aufforderung der belangten Behörde legte die Beschwerdeführerin der belangten Behörde weitere Unterlagen vor und erläuterte in einem Schreiben vom 1. Juni 2013 dazu, dass sie ein monatliches Einkommen aus der Vermietung von fünf Räumen und aus einer Landwirtschaft beziehe. Ihr Ehemann sei seit ungefähr fünfzehn Jahren vermisst.

Mit formularmäßiger Erledigung vom 7. Juni 2013 teilte die belangte Behörde der Beschwerdeführerin mit, dass keine weiteren Dokumente benötigt würden. Eine Prüfung habe aber ergeben, dass dem Antrag gemäß den Bestimmungen des Visakodex (Verordnung (EG) Nr. 810/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Juli 2009 über einen Visakodex der Gemeinschaft) "bzw. des Österreichischen Fremdenpolizeigesetzes" nicht stattgegeben werden könne. Zur Begründung wurden die folgenden beiden Textbausteine angekreuzt:

"Die vorgelegten Informationen über den Zweck und die Bedingungen des beabsichtigten Aufenthalts waren nicht glaubhaft." und

"Ihre Absicht, vor Ablauf des Visums aus dem Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten auszureisen, konnte nicht festgestellt werden."

Unter einem wurde der Beschwerdeführerin die Möglichkeit eingeräumt, innerhalb von sieben Kalendertagen eine abschließende Stellungnahme einzubringen.

Ob und in welcher Form die Beschwerdeführerin darauf reagierte, lässt sich den vorgelegten Akten nicht eindeutig entnehmen. Jedenfalls finden sich aber dort unmittelbar nach dem erwähnten Vorhalt auszugsweise Kopien des Reisepasses der Beschwerdeführerin, aus denen sich die Erteilung eines im Zeitraum 16. Februar 2007 bis 15. Mai 2007 gültigen Visums für den Schengen-Raum durch die belangte Behörde ergibt; einem Stempelabdruck lässt sich die damalige Ausreise via Flughafen Wien-Schwechat am 4. April 2007 entnehmen.

In der Folge verweigerte die belangte Behörde mit dem angefochtenen Bescheid vom 18. Juni 2013 unter Verwendung des nach dem Visakodex dafür vorgesehenen Formulars das beantragte Visum. Die Begründung besteht nur aus den schon oben wiedergegebenen Textbausteinen, wobei zur Verdeutlichung noch jeweils in Klammer "Art. 32 (1) b 8" bzw. "Art. 32 (1) b 9" angeführt wurde.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor, wobei von der Erstattung einer Gegenschrift ausdrücklich abgesehen wurde.

Die belangte Behörde gründete die Versagung des beantragten Visums erkennbar auf Art. 32 Abs. 1 lit. b Visakodex. Danach wird die Erteilung eines Visums (u.a.) verweigert, wenn begründete Zweifel an der Glaubwürdigkeit der Aussagen des Antragstellers oder der von ihm bekundeten Absicht bestehen, das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten vor Ablauf der Gültigkeit des beantragten Visums zu verlassen. Bei ihrer Entscheidung verwendete die belangte Behörde in Entsprechung des Art. 32 Abs. 2 Visakodex das in Anhang VI vorgesehene Standardformular, wobei die im angefochtenen Bescheid enthaltenen Begründungselemente den im Punkt 8. und 9. des genannten Formulars vorgesehenen Textbausteinen entsprechen. Diese Form der Begründung genügt, sofern der für die Entscheidung maßgebliche Sachverhalt im Akt nachvollziehbar ist (vgl. aus der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes etwa das Erkenntnis vom 2. August 2013, Zl. 2013/21/0057, Punkt 2.3., mit dem Hinweis auf das Erkenntnis vom 16. Mai 2013, Zl. 2012/21/0158, Punkt 3., mwN).

Die letztgenannte Voraussetzung ist allerdings im vorliegenden Fall nicht erfüllt:

Die belangte Behörde legte ihrer Entscheidung die Auffassung zugrunde, die Angaben der Beschwerdeführerin zum beabsichtigte Zweck der geplanten Reise - bloß vorübergehender Besuch naher Verwandter - seien nicht glaubwürdig; vielmehr werde die Beschwerdeführerin nach Ablauf der Befristung des Visums (unrechtmäßig) in Österreich verbleiben. Diese Annahme des entscheidenden Organs der belangten Behörde gründete sich nach dem Inhalt eines Aktenvermerks vom 18. Juni 2013 nur darauf, dass "keine wirtschaftliche oder soziale Verwurzelung" der Beschwerdeführerin in Indien erkennbar sei.

Diese Begründung ist aber vor dem Hintergrund, dass die Beschwerdeführerin - wie sie in der Beschwerde neuerlich vorbringt - Erträge aus ihrer landwirtschaftlich genutzten Liegenschaft und aus der Vermietung einiger Appartements erzielt, für sich genommen nicht nachvollziehbar, indizieren diese Umstände doch wirtschaftliche Bindungen im Heimatland. Dazu kommt, dass die belangte Behörde in der dargestellten Begründung auch nicht auf die (sozialen) Bindungen der Beschwerdeführerin zu ihrem in Indien studierenden Sohn, mit dem sie offenbar zusammenlebt, einging.

Überdies berücksichtigte die belangte Behörde nicht, dass der Beschwerdeführerin schon einmal ein Visum erteilt wurde und sie rechtzeitig vor dessen Ablauf wieder ausreiste. Diesem Umstand kommt aber bei der Beurteilung des Risikos einer rechtswidrigen Einwanderung maßgebliche Bedeutung zu (vgl. etwa nur das hg. Erkenntnis vom 20. Dezember 2007, Zl. 2007/21/0104, wonach es für die Beurteilung der Wiederausreiseabsicht entscheidend auch darauf ankommt, ob dem Antragsteller ein in der Vergangenheit liegendes fremdenrechtliches Fehlverhalten anzulasten ist; siehe daran anschließend auch das hg. Erkenntnis vom 14. Juni 2012, Zl. 2011/21/0028, wonach ein korrektes Vorverhalten, wie die unaufgeforderte Ausreise vor Ablauf eines früher erteilten Visums, der Annahme einer nicht gesicherten Wiederausreise entgegensteht). In diesem Sinn ist auch im Handbuch zum Visakodex (Anhang zum Beschluss der Kommission vom 19. März 2010 über ein Handbuch für die Bearbeitung von Visumanträgen und die Änderung von bereits erteilten Visa) im Punkt II.7.12. bestimmt, dass bei der Beurteilung des Risikos einer illegalen Einwanderung sowie der Absicht des Antragstellers, das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten vor Ablauf der Gültigkeitsdauer des Visums zu verlassen, auch zu prüfen ist, ob sich der Antragsteller zuvor illegal in den Mitgliedstaaten aufgehalten hat. Dem kommt insofern verbindlicher Charakter zu, als nach Art. 2 Z 1 des genannten Kommissionsbeschlusses die Mitgliedstaaten die Behörden, die für die Bearbeitung von Visumanträgen zuständig sind, anzuweisen haben, sich bei der Bearbeitung von Visumanträgen in erster Linie auf dieses Handbuch zu stützen.

Im Übrigen hat die belangte Behörde die schon mit dem Antrag vorgelegten Reservierungsbestätigungen betreffend den Hin- und Rückflug in ihre Überlegungen nicht erkennbar einbezogen (vgl. zu deren möglicher Relevanz die Judikaturnachweise etwa im hg. Erkenntnis vom 17. November 2011, Zl. 2010/21/0423, und darauf - auch im Geltungsbereich des Visakodex - Bezug nehmend das schon erwähnte Erkenntnis vom 16. Mai 2013, Zl. 2012/21/0158, Punkt 4.).

Der akteninternen Begründung der belangten Behörde in Verbindung mit dem Inhalt der vorgelegten Akten lassen sich somit keine ausreichenden Anhaltspunkte dafür entnehmen, dass die Beschwerdeführerin im Falle der Erteilung des beantragten Visums unter Missachtung fremdenrechtlicher Vorschriften im Anschluss an dessen Gültigkeitsdauer weiterhin im Schengenraum (unrechtmäßig) aufhältig bleiben werde. Demnach erweist sich die von der belangten Behörde vorgenommene Antragsabweisung am Maßstab der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zum Verweigerungsgrund nach Art. 32 Abs. 1 lit. b Visakodes (vgl. dazu neuerlich das schon mehrfach erwähnte Erkenntnis vom 2. August 2013, Zl. 2013/21/0057, Punkt. 2.1.) als mangelhaft begründet.

Im Übrigen hätte die belangte Behörde der Beschwerdeführerin nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes vor der Abweisung ihres Visumantrages die konkreten Umstände zur Kenntnis bringen müssen, die beim Botschaftsorgan die Zweifel an der Glaubwürdigkeit des angegebenen Besuchszwecks und an der Wiederausreiseabsicht begründeten. Nur wenn die aus der Sicht der Botschaft bestehenden Anhaltspunkte für den Verdacht eines Verbleibens in Österreich (bzw. im Schengenraum) über die Gültigkeitsdauer des Visums hinaus im Rahmen der Einräumung des Parteiengehörs konkret dargelegt werden, wird der Antragsteller nämlich in die Lage versetzt, aber dann auch verpflichtet, die sich daraus ergebenden Bedenken durch unter Beweis zu stellendes geeignetes Vorbringen zu zerstreuen (vgl. zu einer insoweit ähnlichen Konstellation das hg. Erkenntnis vom 2. August 2013, Zl. 2013/21/0064, mwN).

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Der Kostenzuspruch gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008. In den dort angeführten Pauschalbeträgen ist die Umsatzsteuer bereits enthalten, sodass das Mehrbegehren auf deren gesonderten Zuspruch abzuweisen war.

Wien, am 14. November 2013

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