VwGH 2013/12/0113

VwGH2013/12/011327.2.2014

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Sulyok sowie die Hofräte Dr. Zens und Dr. Thoma als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Kupec, über die Beschwerde des KP in N, vertreten durch Dr. Thomas König, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Tuchlauben 15/9, gegen den Bescheid der Bundesministerin für Inneres vom 1. Februar 2013, Zl. 120.786/21- I/1/e/13, betreffend Feststellungen i.A. Erholungsurlaub und Gleitzeitguthaben sowie deren Abgeltung,

Normen

32003L0088 Arbeitszeit-RL Art7;
62010CJ0337 Neidel VORAB;
62011CJ0078 ANGED VORAB;
62012CO0194 Maestre Garcia VORAB;
BDG 1979 §49 Abs9 idF 2007/I/096;
EURallg;
GehG 1956 §19 idF 2003/I/130;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwRallg;
32003L0088 Arbeitszeit-RL Art7;
62010CJ0337 Neidel VORAB;
62011CJ0078 ANGED VORAB;
62012CO0194 Maestre Garcia VORAB;
BDG 1979 §49 Abs9 idF 2007/I/096;
EURallg;
GehG 1956 §19 idF 2003/I/130;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwRallg;

 

Spruch:

I. den Beschluss gefasst:

Soweit sich die Beschwerde nicht gegen die Versagung einer finanziellen Abgeltung des nicht angetretenen Resturlaubes richtet, wird sie zurückgewiesen.

II. zu Recht erkannt:

Soweit der angefochtene Bescheid die finanzielle Abgeltung des nicht angetretenen Resturlaubes versagt, wird er wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer stand bis zu seiner mit Ablauf des 31. März 2011 bewirkten Ruhestandsversetzung als Oberst in einem öffentlich-rechtlichen Aktivdienstverhältnis zum Bund.

Am 12. Juni 2012 beantragte er die Feststellung seines Zeitguthabens im Jahresarbeitszeitmodell sowie die Feststellung seines Resturlaubsanspruches, jeweils mit Ablauf des 31. März 2011 sowie weiters die Zuerkennung und Bemessung einer finanziellen Abgeltung des Zeitguthabens bzw. des Resturlaubes. Er brachte vor, infolge einer Erkrankung während seines Aktivdienstverhältnisses sei es ihm nicht möglich gewesen, die genannten Guthaben zu verbrauchen. Seinen Abgeltungsanspruch stützte er in der Folge ausdrücklich auf die Richtlinie 2003/88/EG über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung, insbesondere auf deren Art. 7 Abs. 2.

Mit Bescheid der erstinstanzlichen Dienstbehörde vom 20. August 2012 wurde Folgendes festgestellt:

"1. Mit Ablauf des 31. März 2011 bestand ein Resturlaubsanspruch aus den Kalenderjahren 2009, 2010 und 2011 im Ausmaß von 720 Stunden und ein Zeitguthaben aus dem Jahresarbeitszeitmodell (Gleitzeit) im Ausmaß von 14 Stunden.

...

2. Der Antrag auf Zuerkennung und Bemessung (betragsmäßige Festlegung) einer finanziellen Abgeltung des wegen Dienstunfähigkeit nicht aufgebrauchten Zeitguthabens und des nicht angetretenen Resturlaubes wird mangels Rechtsanspruch als unzulässig abgewiesen."

Der Beschwerdeführer erhob Berufung gegen den erstinstanzlichen Bescheid mit Ausnahme der Feststellung der Höhe des Gleitzeitguthabens und des Resturlaubsanspruches.

Diese Berufung wurde mit dem angefochtenen Bescheid vom 1. Februar 2013 als unbegründet abgewiesen.

Nach Schilderung des Verfahrensganges führte die belangte Behörde zur Begründung ihrer Entscheidung Folgendes aus:

"Gem. § 69 Beamten-Dienstrechtsgesetz verfällt der Anspruch auf Erholungsurlaub, wenn der Beamte den Erholungsurlaub nicht bis zum 31. Dezember des dem Urlaubsjahr folgenden Kalenderjahres verbraucht hat. Ist der Verbrauch bis zu diesem Zeitpunkt aus dienstlichen Gründen, einem der Gründe des § 51 Abs. 2 erster Satz Beamten-Dienstrechtsgesetz oder aufgrund eines Beschäftigungsverbotes nach dem MSchG nicht möglich, so tritt der Verfall erst mit dem Auflauf des folgenden Kalenderjahres ein. Für eine finanzielle Abgeltung von nicht konsumiertem Erholungsurlaub ist weder im Beamten-Dienstrechtsgesetz noch im Gehaltsgesetz - im Gegensatz zum Vertragsbedienstetengesetz, wo die Frage der Urlaubsabfindung geregelt ist - Vorsorge getroffen. Vielmehr ist im § 69 Beamten-Dienstrechtsgesetz klar geregelt, unter welchen Voraussetzungen der Urlaubsanbruch verfällt.

Gem. § 49 Abs. 9 Beamten-Dienstrechtsgesetz gelten Zeitguthaben aus der gleitenden Dienstzeit nicht als Überstunden und sind ausschließlich im Verhältnis 1:1 in Freizeit abzugelten. Für eine finanzielle Abgeltung solcher Zeiten gibt es weder im Beamten-Dienstrechtsgesetz noch im Gehaltsgesetz eine gesetzliche Grundlage.

Die genannte EU-Richtlinie bedürfte der Umsetzung durch den österreichischen Gesetzgeber, um innerstaatlich Geltung zu erlangen. Darüber hinaus betrifft der angeführte Fall die deutsche Rechtslage, bei der das Dienstverhältnis mit der Pensionierung endet, während in Österreich das Dienstverhältnis auch nach Versetzung in den Ruhestand weiter besteht."

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer zunächst Beschwerde vor dem Verfassungsgerichtshof. Dort rügte er in Ansehung der Versagung einer Abgeltung seines restlichen Zeitguthabens einen Verstoß des § 49 Abs. 9 des Beamten-Dienstrechtsgesetzes 1979, BGBl. Nr. 333 (im Folgenden: BDG 1979) - in seiner Auslegung durch die belangte Behörde -, gegen das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz sowie eine Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechts auf Unverletzlichkeit des Eigentums gemäß Art. 5 StGG, Art. 1 des 1. ZPMRK und Art. 17 GRC.

In Ansehung des Resturlaubes machte er geltend, dass die Versagung der finanziellen Abgeltung gegen die Richtlinie 2003/88/EG verstoße.

Mit Beschluss vom 7. Juni 2013, B 333/2013-4, lehnte der Verfassungsgerichtshof die Behandlung der Beschwerde ab und trat sie dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab.

In der Begründung dieses Beschlusses heißt es (auszugsweise):

"Die vorliegende Beschwerde rügt die Verletzung in näher bezeichneten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten. Nach den Beschwerdebehauptungen wären diese Rechtsverletzungen aber zum erheblichen Teil nur die Folge einer - allenfalls grob - unrichtigen Anwendung des einfachen Gesetzes. Spezifisch verfassungsrechtliche Überlegungen sind zur Beurteilung der aufgeworfenen Fragen sowie insbesondere der Frage, ob von der belangten Behörde innerstaatliche einfachgesetzliche Normen oder unionsrechtliche Normen anzuwenden waren, insoweit nicht anzustellen (VfSlg. 14.886/1997; vgl. in diesem Zusammenhang auch VfSlg. 19.549/2011).

Soweit die Beschwerde aber insofern verfassungsrechtliche Fragen berührt, als die Rechtswidrigkeit des § 49 Beamten-Dienstrechtsgesetz 1979 behauptet wird, lässt ihr Vorbringen vor dem Hintergrund der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes, der zu Folge dem Gesetzgeber auf dem Gebiet des Dienst-, Besoldungs- und Pensionsrechts (vgl. VfSlg. 16.176/2001 mwH und 17.452/2005 für Pension) ein verhältnismäßig weiter Gestaltungsspielraum offen gelassen ist (er ist lediglich gehalten, das Dienst-, Besoldungs- und Pensionsrecht derart zu gestalten, dass es im Großen und Ganzen in einem angemessenen Verhältnis zu den dem Beamten obliegenden Pflichten steht), die behauptete Rechtsverletzung, die Verletzung in einem anderen verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht oder die Verletzung in einem sonstigen Recht wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes als so wenig wahrscheinlich erkennen, dass sie keine hinreichende Aussicht auf Erfolg hat: Es ist nicht unsachlich, wenn der Gesetzgeber keine finanzielle Abgeltung von Zeitguthaben aus der gleitenden Dienstzeit wegen Versetzung in den Ruhestand vorsieht."

In seiner über Auftrag des Verwaltungsgerichtshofes, u.a. den Beschwerdepunkt zu bezeichnen, ergänzten Beschwerde erachtet sich der Beschwerdeführer ausdrücklich in seinem "Recht auf Zuerkennung und Bemessung (betragsmäßige Festlegung) einer finanziellen Abgeltung des wegen Krankheit nicht angetretenen Urlaubes" verletzt.

Erst in der Beschwerdebegründung wendet er sich auch gegen die Versagung einer finanziellen Abgeltung des Zeitguthabens.

Der Beschwerdeführer macht Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides mit dem Antrag geltend, ihn aus diesem Grunde aufzuheben.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in welcher sie die Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Das gegenständliche Beschwerdeverfahren war am 31. Dezember 2013 beim Verwaltungsgerichtshof anhängig; die Beschwerdefrist ist vor diesem Zeitpunkt abgelaufen. Aus dem Grunde des § 79 Abs. 11 letzter Satz VwGG waren auf dieses Verfahren daher die am 31. Dezember 2013 geltenden Bestimmungen anzuwenden. Dies gilt - gemäß § 3 Z. 1 der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014, BGBl. II Nr. 518/2013 idF der Verordnung BGBl. II Nr. 8/2014 - auch für die VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455. Zitate des VwGG in dieser Entscheidung beziehen sich auf dessen am 31. Dezember 2013 in Kraft gestandene Fassung.

§ 49 Abs. 9 BDG 1979 in der Fassung dieses Paragrafen nach dem Bundesgesetz BGBl. I Nr. 96/2007 lautet:

"(9) Folgende Zeiten gelten jedenfalls nicht als Überstunden:

1. Zeiten einer vom Beamten angestrebten Einarbeitung

von Dienstzeit (zB im Fall eines Diensttausches oder einer

sonstigen angestrebten Verlegung der Zeit der Dienstleistung), und

2. Zeitguthaben aus der gleitenden Dienstzeit, soweit

sie die im Gleitzeitdienstplan festgelegte Obergrenze für jeweils in den Folgemonat übertragbare Zeitguthaben nicht übersteigen.

Diese Zeiten sind, soweit dies nicht bereits erfolgt ist, ausschließlich im Verhältnis 1 : 1 in Freizeit abzugelten."

§ 19 des Gehaltsgesetzes 1956, BGBl. Nr. 54 (im Folgenden: GehG), in der Fassung dieses Paragrafen nach dem Bundesgesetz BGBl. I Nr. 130/2003 lautet:

"Belohnung

§ 19. Nach Maßgabe der vorhandenen Mittel können dem Beamten für besondere Leistungen, die nicht nach anderen Vorschriften abzugelten sind, Belohnungen gewährt werden."

I. Zur Zulässigkeit der Beschwerde:

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist ein ausdrücklich und unmissverständlich bezeichneter Beschwerdepunkt einer hievon abweichenden Auslegung aus dem Gesamtzusammenhang der Beschwerde nicht zugänglich (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 18. Oktober 2006, Zl. 2006/04/0109, mit weiteren Hinweisen).

Vorliegendenfalls hat sich der Beschwerdeführer ausdrücklich (nur) in seinem Recht auf finanzielle Abgeltung des Resturlaubes verletzt erachtet.

In diesem Recht konnte der Beschwerdeführer aber durch den angefochtenen Bescheid nur insoweit verletzt sein, als dieser eine solche Abgeltung versagte.

Die im Instanzenzug bestätigte Feststellung des Resturlaubsanspruches durch den Spruchpunkt 1. des erstinstanzlichen Bescheides ist als eine bezogen auf den Zeitpunkt der Ruhestandsversetzung getroffene Feststellung zu qualifizieren, deren Feststellungswirkung sich auch auf diesen Zeitpunkt beschränkt. Keinesfalls ist daraus freilich infolge der Verwendung des Imperfekts (arg: "bestand") im Bescheidspruch eine rechtskraftfähige Feststellung abzuleiten, wonach im Zeitpunkt der Bescheiderlassung ein solches Guthaben nicht mehr bestanden hätte. Da die Höhe des zum Stichtag der Ruhestandsversetzung festgestellten Resturlaubsanspruches auch im Berufungsverfahren nicht bekämpft wurde, fehlt es an einer Möglichkeit einer Rechtsverletzung des Beschwerdeführers durch die Bestätigung des Spruchpunktes 1. des erstinstanzlichen Bescheides durch die belangte Behörde, soweit sich die Bestätigung auf den Urlaubsanspruch bezog.

Soweit sich der angefochtene Bescheid nicht auf die finanzielle Abgeltung des Resturlaubsanspruches bezieht, also insbesondere, soweit er eine finanzielle Abgeltung des Gleitzeitguthabens versagt, ist hiedurch eine Verletzung in dem vom Beschwerdeführer ausdrücklich formulierten Beschwerdepunkt nicht möglich.

Im Übrigen ist aber festzuhalten, dass der Beschwerdeführer auch in einem - nicht als Beschwerdepunkt geltend gemachten - Recht auf finanzielle Abgeltung dieses Gleitzeitguthabens nicht verletzt wurde:

Nach dem klaren Wortlaut des § 49 Abs. 9 BDG 1979 ist ein derartiges Zeitguthaben ausschließlich im Verhältnis 1:1 in Freizeit abzugelten. Schon auf Grund dieser Ausschließlichkeit scheidet eine Abgeltung eines solchen Gleitzeitguthabens im Wege der Gewährung einer Belohnung im Verständnis des § 19 GehG aus, und zwar auch dann, wenn die ausschließlich vorgesehene Abgeltung durch Freizeit infolge einer zwischenzeitigen Ruhestandsversetzung nicht möglich ist. Dies folgt auch aus der ausdrücklichen Subsidiarität des § 19 GehG zu anderen Abgeltungsvorschriften. Eine solche stellt aber der letzte Satz des § 49 Abs. 9 BDG 1979 dar.

Grundrechtliche Bedenken gegen die in Rede stehende Gesetzesbestimmung (in der Auslegung durch die belangte Behörde) sind vor dem Hintergrund der Ausführungen im Ablehnungsbeschluss des Verfassungsgerichtshofes auch beim Verwaltungsgerichtshof nicht entstanden. Schließlich wird im Zusammenhang mit der Rüge einer Verletzung des Art. 17 GRC nicht aufgezeigt, inwiefern die Frage der Abgeltung des in Rede stehenden Gleitzeitguthabens in den durch Art. 51 GRC umschriebenen Anwendungsbereich der GRC fallen sollte.

Unbeschadet dieser Ausführungen war die Beschwerde - soweit sie sich nicht gegen die Versagung einer finanziellen Abgeltung des Resturlaubes richtet - schon aus den eingangs angeführten Gründen (Fehlen einer Rechtsverletzungsmöglichkeit im Beschwerdepunkt) in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 1 lit. a VwGG gebildeten Senat gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG mangels Berechtigung zu ihrer Erhebung zurückzuweisen.

II. Zur Beschwerde gegen die Versagung einer finanziellen Abgeltung des Resturlaubes:

Unbeschadet des Umstandes, dass der mit 2. August 2004 rückwirkend in Kraft getretene § 13e GehG in der Fassung des am 27. Dezember 2013 ausgegebenen Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 210/2013 vorliegendenfalls vom Verwaltungsgerichtshof bei Überprüfung des angefochtenen Bescheides nicht anzuwenden war (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom 26. Jänner 2011, Zl. 2009/12/0125), erweist sich der angefochtene Bescheid, soweit er eine finanzielle Abgeltung des Resturlaubsanspruches abwies, aus den im hg. Erkenntnis vom 27. Juni 2013, Zl. 2013/12/0059, dargelegten Gründen, auf welche gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG verwiesen wird, als mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastet, weshalb er insoweit in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff, insbesondere auf § 50 VwGG.

Wien, am 27. Februar 2014

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