VwGH 2013/07/0047

VwGH2013/07/004726.9.2013

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bumberger und die Hofräte Dr. Beck, Dr. Hinterwirth, Dr. N. Bachler und Mag. Haunold als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Pühringer, über die Beschwerde des C S in D, vertreten durch Längle Fussenegger Singer Rechtsanwälte Partnerschaft, in 6900 Bregenz, Brosswaldengasse 12, gegen die Bescheide des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Vorarlberg vom 17. Jänner 2013, 1. Zl. UVS-1-260/K2-2011 (2013/07/0047) und 2. Zl. UVS-1-259/K2-2011 (2013/07/0049), betreffend Übertretung des AWG 2002 (weitere Partei:

Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft), zu Recht erkannt:

Normen

AWG 2002 §37 Abs1;
AWG 2002 §37;
AWG 2002 §62 Abs3;
AWG 2002 §79 Abs1 Z11;
AWG 2002 §79 Abs1 Z17;
AWG 2002 §79 Abs1 Z9;
AWG 2002 §79 Abs2 Z11;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwRallg;

 

Spruch:

Die angefochtenen Bescheide werden wegen Rechtswidrigkeit ihres Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 2.692,80 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer ist handelsrechtlicher Geschäftsführer der S. GmbH, die eine Betriebsanlage für die Zwischenlagerung und teilweise Aufarbeitung von Abfällen betreibt.

Infolge von Anrainerbeschwerden wegen Lärmbelästigung erließ der Landeshauptmann von Vorarlberg (im Folgenden: LH) am 22. Februar 2010 einen Bescheid, mit dem u.a. ein von der S-GmbH vorgelegtes Sanierungskonzept, das Änderungen der bestehenden Betriebsanlage mit sich brachte, unter Vorschreibung von Auflagen bewilligt wurde.

Unter dem Punkt "Verfahrenschronologie" wird im Bescheid angeführt, dass gemäß § 77 Abs. 2 Abfallwirtschaftsgesetz 2002 (im Folgenden: AWG 2002) davon auszugehen sei, dass die gegenständliche Anlage als in das Abfallwirtschaftsrecht übergeleitete gewerbliche Anlage zu werten sei. Die Einbringung des gegenständlichen Projektes sei die Folge des rechtskräftigen Bescheides des LH vom 28. August 2008, mit dem nach § 62 Abs. 3 AWG 2002 die Vorlage eines Sanierungskonzeptes aufgetragen worden sei (vgl. dazu auch das hg. Erkenntnis vom 20. März 2013, 2012/07/0050, welches dieselbe Anlage betraf).

Der Projektbeschreibung des mit dem Bescheid vom 22. Februar 2010 bewilligten Sanierungskonzeptes sind, soweit für den vorliegenden Fall wesentlich, unter Punkt 2.2.2. die vorgesehenen "Betrieblichen Maßnahmen" zu entnehmen. Diese Maßnahmen beschäftigen sich inhaltlich mit Betriebszeiten im allgemeinen und für den Einsatz bestimmter Maschinen, mit der Anzahl der Anlieferungen und LKW-Fahrten zu einzelnen Anlagenbereichen und mit Schalldämmmaßnahmen an den Arbeitsgeräten; allgemein heißt es unter lit. b in Bezug auf die Betriebszeiten, diese seien "wie bisher" von Montag bis Samstag von 8 bis 12 Uhr und Montag bis Freitag von 14 bis 18 Uhr. Diese Festlegung der allgemeinen Betriebszeiten stellt einen Teil des Gesamtkonzeptes der "Betrieblichen Maßnahmen" dar.

Mit Spruchpunkt I. des genannten Bescheides wurde die abfallwirtschaftsrechtliche Genehmigung für die Änderung der Betriebsanlage (ua) durch verschiedene lärmschutztechnische Maßnahmen nach Maßgabe des im Bescheid festgestellten Sachverhaltes und der eingereichten, einen wesentlichen Bestandteil dieses Bescheides bildenden Plan- und Beschreibungsunterlagen erteilt.

Unter Punkt III.2. des Spruches des Bescheides vom 22. Februar 2010 wurde auf der Grundlage des § 62 Abs. 3 iVm § 43 Abs. 1 AWG 2002 in Bezug auf die "Betrieblichen Maßnahmen" unter Punkt 2.2.2. vorgeschrieben, dass diese unverzüglich nach Rechtskraft des Bescheides umzusetzen seien.

Mit Schreiben vom 29. Juli 2010 zeigte der LH der Bezirkshauptmannschaft D (im Folgenden: BH) an, dass nach Meldung einer Anrainerin die S. GmbH am Betriebsstandort am 28. Juli 2010 um 5.25 Uhr (morgens) Betriebstätigkeiten mit einem LKW durchgeführt habe.

Mit Schreiben vom 9. August 2010 zeigte der LH der BH wiederum auf Grund der Meldung einer Anrainerin Betriebstätigkeiten am 2. und am 3. August 2010 um 5.15 Uhr (morgens) durch LKW-Fahrten an.

Mit zwei Schreiben, jeweils vom 30. Oktober 2010, wurde der Beschwerdeführer von der BH zur Rechtfertigung hinsichtlich dieser Betriebszeitenüberschreitungen aufgefordert. Mit den Überschreitungen habe er Verwaltungsübertretungen nach § 79 Abs. 1 Z 9 iVm § 37 Abs. 1 AWG 2002 iVm dem "Bescheid des Amtes der Vorarlberger Landesregierung vom 22.10.2010, Zl. 52.0192, Sachverhalt Pkt. 2 Z. 2.2 lit. b" begangen.

Mit im Wesentlichen übereinstimmenden Schreiben vom 25. November 2010 rechtfertigte sich der Beschwerdeführer bezüglich dieser Vorwürfe.

Den Akten ist eine Vernehmung der die Anzeigen legenden Anrainerin vom 26. Jänner 2011 zu entnehmen, zu welcher der Beschwerdeführer mit Schriftsatz vom 18. Februar 2012 Stellung nahm.

Mit Bescheid der BH vom 10. März 2011 wurde über den Beschwerdeführer eine Geldstrafe von EUR 3.630,-- (Ersatzfreiheitsstrafe 33 Stunden) verhängt, da er als gemäß § 9 VStG zur Vertretung nach außen berufenes Organ der S. GmbH dafür verantwortlich sei, dass am 28. Juli 2010 um 5.25 Uhr Betriebstätigkeiten mit einem LKW durchgeführt worden seien, was eine wesentliche Änderung der genehmigten Betriebsanlage darstelle. Er habe dadurch die Rechtsvorschriften des § 79 Abs. 1 Z 9 iVm § 37 Abs. 1 AWG 2002 iVm dem "Bescheid des Amtes der Vorarlberger Landesregierung vom 22.10.2010, Zl. 52.0192, Sachverhalt Pkt. 2 Z. 2.2 lit. b" verletzt.

Ebenfalls mit Bescheid vom 10. März 2011 und wegen Verletzung derselben Rechtsvorschriften wurde über den Beschwerdeführer wegen der Betriebszeitenüberschreitungen am 2. und 3. August 2010, jeweils um 5.15 Uhr, eine Geldstrafe von EUR 3.630,-- (Ersatzfreiheitsstrafe 33 Stunden) verhängt.

Der Beschwerdeführer erhob gegen beide Bescheide mit zwei Schriftsätzen, jeweils vom 25. März 2011, Berufung.

Mit Schreiben vom 4. Mai 2011 ergänzte der Beschwerdeführer sein Vorbringen, in welchem er mit näherer Begründung unter anderem ausführte, dass eine Verwaltungsübertretung im Sinne des § 79 Abs. 1 Z 9 AWG 2002 nicht vorliege.

Die belangte Behörde führte am 7. Februar 2012 eine mündliche Verhandlung durch.

Mit Schreiben vom 21. März 2012 stellte die belangte Behörde gemäß Art. 140 Abs. 1 B-VG an den Verfassungsgerichtshof den Antrag, in § 79 Abs. 1 AWG 2002 in der Fassung BGBl. I Nr. 43/2007 die Wortfolge "wer jedoch gewerbsmäßig im Bereich der Abfallwirtschaft tätig ist, ist mit einer Mindeststrafe von 3 630 EUR bedroht", in eventu die Wortfolge "von 730 EUR" und die Wortfolge "wer jedoch gewerbsmäßig im Bereich der Abfallwirtschaft tätig ist, ist mit einer Mindeststrafe von 3 630 EUR bedroht", als verfassungswidrig aufzuheben.

Mit Erkenntnis vom 20. September 2012 wies der Verfassungsgerichtshof den Antrag ab (G 37/12-7, G 38/12-7, G 39/12-7).

Mit dem nunmehr zur hg. Geschäftszahl 2013/07/0047 angefochtenen Bescheid vom 17. Jänner 2013 wurde der Berufung des Beschwerdeführers keine Folge gegeben und der angefochtene Bescheid mit der Maßgabe bestätigt, dass die Tatumschreibung dahingehend zu lauten habe, dass es der Beschwerdeführer als handelsrechtlicher Geschäftsführer der S. GmbH und somit als zur Vertretung nach außen berufenes Organ gemäß § 9 VStG zu verantworten habe, dass die mit Bescheid des LH vom 22. Februar 2010 genehmigten Betriebszeiten der Behandlungsanlage nicht eingehalten worden seien, indem am Mittwoch, dem 28. Juli 2010, um 5.25 Uhr ein LKW vom Betriebsgelände weggefahren sei. Diese Änderung sei geeignet, Nachbarn durch Lärm zu beeinträchtigen und stelle somit eine wesentliche Änderung der ortsfesten Behandlungsanlage dar, die einer Genehmigung der Behörde bedürfe. Eine entsprechende Genehmigung sei nicht vorgelegen. Die Übertretungsnorm wurde dahingehend korrigiert, dass sie zu lauten habe: "§ 79 Abs 1 Z 9 iVm §§ 37 Abs 1, § 43 Abs 1 und 2 Abs 8 Z 3 AWG 2002".

Mit dem zur hg. Geschäftszahl 2013/07/0049 angefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom 17. Jänner 2013 wurde der Berufung des Beschwerdeführers hinsichtlich der Betriebszeitenüberschreitungen am 2. und 3. August 2010, jeweils um 5.15 Uhr, keine Folge gegeben, dies ebenfalls mit Konkretisierung der Tatumschreibungen und Angabe derselben Übertretungsnormen wie im zur Geschäftszahl 2013/07/0047 angefochtenen Bescheid.

Den im Wesentlichen gleichlautenden Begründungen der angefochtenen Bescheide ist unter anderem zu entnehmen, dass die Ausdehnung der Betriebszeiten jedenfalls erhebliche nachteilige Auswirkungen auf die in § 43 AWG 2002 normierten Schutzinteressen betreffend die Nachbarn haben könne, gerade wenn dies den Nachtzeitraum betreffe. Das Starten und Abfahren eines LKW von der Behandlungsanlage außerhalb der genehmigten Betriebszeiten stelle somit eine genehmigungspflichtige Änderung der Betriebsanlage dar. Unstrittigerweise habe die S. GmbH zu den Tatzeitpunkten nicht über eine entsprechende Änderungsgenehmigung verfügt.

Beim Vorbringen, er habe nicht gegen den Bescheid vom 22. Februar 2010 verstoßen, verkenne der Beschwerdeführer, dass ihm nicht ein Verstoß gegen Auflagen vorgeworfen werde. Vielmehr werde ihm eine Änderung der genehmigten Behandlungsanlage ohne entsprechende Genehmigung vorgeworfen. Der genehmigte Bestand der Behandlungsanlage ergebe sich aus der Betriebsbeschreibung und den genehmigten Planunterlagen.

Arbeiten außerhalb der sich aus dem Bescheid vom 22. Februar 2010 ergebenden Betriebszeiten stellten eine konsenswidrige und gemäß § 37 Abs. 1 AWG 2002 genehmigungspflichtige Änderung der Behandlungsanlage dar. Wenn der Beschwerdeführer angebe, diese Projektbeschreibung sei nicht Gegenstand des Spruches des angefochtenen Bescheides (gemeint wohl: des Bescheides des LH vom 22. Februar 2010), liege ein Irrtum vor. Unter Spruchpunkt I. sei klar ausgeführt, dass die Genehmigung "nach Maßgabe des oben festgestellten Sachverhaltes und der eingereichten, einen wesentlichen Bestandteil dieses Bescheides bildenden Plan- und Beschreibungsunterlagen" erteilt werde. Somit sei diese Projektbeschreibung Bestandteil des Spruches des Bescheides des LH vom 22. Februar 2010.

Abschließend führte die belangte Behörde aus, dass die Änderung der Tatumschreibung des erstinstanzlichen Bescheides zur Präzisierung erforderlich gewesen sei.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes, Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragte.

 

Der Verwaltungsgerichtshof hat beschlossen, die Beschwerden wegen ihres persönlichen, sachlichen und rechtlichen Zusammenhanges zur gemeinsamen Beratung und Entscheidung zu verbinden und hat hierüber in einem gemäß § 12 Abs. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

1. Der Beschwerdeführer bringt in seinen in großen Teilen übereinstimmenden Beschwerden unter anderem vor, dass der angenommene Sachverhalt, nämlich das einmalige bzw. zweimalige Wegfahren eines LKW außerhalb der Betriebszeiten, keine Ausdehnung der Betriebszeiten im Sinne des AWG 2002 und nicht geeignet sei, erhebliche nachteilige Auswirkungen auf die in § 43 AWG 2002 normierten Schutzinteressen der Nachbarn oder erhebliche andere nachteilige Auswirkungen auf Menschen nach sich zu ziehen.

Für die Sachlichkeit der Einordnung von Tatbeständen unter § 79 Abs. 1 AWG 2002 sei es allein entscheidend, ob die potentiellen nachteiligen Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit und die Umwelt als hoch einzuschätzen seien. Die belangte Behörde übersehe, dass dies bei der einmaligen bzw. zweimaligen Inbetriebnahme (nur Wegfahren, keine längere Störung) eines LKW außerhalb der Betriebszeiten nicht der Fall sei.

Weiters sei für nicht wesentliche Änderungen einer Betriebsanlage eine bloße Anzeigepflicht nach § 37 Abs. 4 AWG 2002 vorgesehen. Eine Betriebszeitenüberschreitung sei allenfalls gemäß § 79 Abs. 2 Z 11 iVm § 43 Abs. 4 AWG 2002 wegen Nichteinhaltung vorgeschriebener Auflagen, Bedingungen oder Befristungen strafbar, weil es sich bei den im angefochtenen Bescheid zitierten normierten Betriebszeiten zweifellos um Auflagen im Sinne des § 43 Abs. 4 leg. cit. handle. Die belangte Behörde verkenne, dass es sich bei den gegenständlichen Vorfällen nicht um eine Änderung der genehmigten Behandlungsanlage ohne entsprechende Genehmigung gehandelt habe, sondern dass, wenn überhaupt, ein Verstoß gegen eine Auflage vorliege.

2.1. Dieses Vorbringen verhilft der Beschwerde im Ergebnis zum Erfolg.

Die hier wesentlichen Bestimmungen des AWG 2002 in der Fassung vor der Novelle BGBl. I Nr. 103/2013 lauten:

"Begriffsbestimmungen

§ 2. (1) …

(8) Im Sinne dieses Bundesgesetzes ist

  1. 1.
  2. 3. "wesentliche Änderung" eine Änderung einer Behandlungsanlage, die erhebliche nachteilige Auswirkungen auf den Menschen oder auf die Umwelt haben kann; als wesentliche Änderung gilt auch eine Änderung einer Verbrennungs- oder Mitverbrennungsanlage für nicht gefährliche Abfälle, welche die Verbrennung gefährlicher Abfälle mit sich bringt; als wesentliche Änderung einer IPPC-Behandlungsanlage gilt auch eine Änderung mit einer Kapazitätsausweitung von mindestens 100 Prozent des im Anhang 5 festgelegten Schwellenwertes;

    4. …

    Genehmigungs- und Anzeigepflicht für ortsfeste Behandlungsanlagen

§ 37. (1) Die Errichtung, der Betrieb und die wesentliche Änderung von ortsfesten Behandlungsanlagen bedarf der Genehmigung der Behörde.

(2) Der Genehmigungspflicht gemäß Abs. 1 unterliegen nicht

1. …

(3) Folgende Behandlungsanlagen und Änderungen einer Behandlungsanlage sind nach dem vereinfachten Verfahren (§ 50) zu genehmigen:

1. …

(4) Folgende Maßnahmen sind - sofern nicht eine Genehmigungspflicht gemäß Abs. 1 oder 3 vorliegt - der Behörde anzuzeigen:

1. …

Genehmigungsvoraussetzungen

§ 43. (1) Eine Genehmigung gemäß § 37 ist zu erteilen, wenn zu erwarten ist, dass die Behandlungsanlage neben den Voraussetzungen der gemäß § 38 anzuwendenden Vorschriften folgende Voraussetzungen erfüllt:

1. Das Leben und die Gesundheit des Menschen werden nicht gefährdet.

2. Die Emissionen von Schadstoffen werden jedenfalls nach dem Stand der Technik begrenzt.

3. Nachbarn werden nicht durch Lärm, Geruch, Rauch, Staub, Erschütterung oder in anderer Weise unzumutbar belästigt.

4. Das Eigentum und sonstige dingliche Rechte der Nachbarn werden nicht gefährdet; unter einer Gefährdung des Eigentums ist nicht die Möglichkeit einer bloßen Minderung des Verkehrswertes zu verstehen.

5. …

(4) Erforderlichenfalls hat die Behörde zur Wahrung der Voraussetzungen gemäß Abs. 1 bis 3 geeignete Auflagen, Bedingungen oder Befristungen vorzuschreiben. Dies gilt auch, wenn im Einzelfall durch die Einhaltung der Bestimmungen zum Stand der Technik einer Verordnung gemäß § 65 Abs. 1 die gemäß § 43 wahrzunehmenden Interessen nicht hinreichend geschützt sind. Sofern die Voraussetzungen nicht erfüllt sind und auch durch die Vorschreibung von Auflagen, Bedingungen oder Befristungen nicht erfüllt werden können, ist der Genehmigungsantrag abzuweisen.

(5) …

Überwachung von Behandlungsanlagen

§ 62. (1) …

(3) Ergibt sich nach der Erteilung einer Genehmigung gemäß den §§ 37, 44, 52 oder 54, dass die gemäß § 43 wahrzunehmenden Interessen trotz Einhaltung der im Genehmigungsbescheid enthaltenen Auflagen, Bedingungen oder Befristungen nicht hinreichend geschützt sind, so hat die Behörde die erforderlichen, nach dem nunmehrigen Stand der Technik geeigneten Maßnahmen vorzuschreiben. Geeignete Maßnahmen sind insbesondere Untersuchungen, Beprobungen, Messungen, nachträgliche Auflagen, Erstellung und Durchführung eines Sanierungskonzepts, Beseitigung von bereits eingetretenen Folgen von Auswirkungen der Behandlungsanlage, vorübergehende oder dauernde Einschränkungen der Behandlungsanlage oder die gänzliche oder teilweise Einstellung des Betriebs.

(4) ….

Strafhöhe

§ 79. (1) Wer

  1. 1.
  2. 9. eine Behandlungsanlage errichtet, betreibt oder ändert, ohne im Besitz der nach § 37 erforderlichen Genehmigung zu sein,
  3. 10.
  4. 17. den Anordnungen oder Aufträgen gemäß § 62 Abs. 2, 2a, 2b, 3, 6 oder 7 nicht nachkommt,

    18. …

    begeht - sofern die Tat nicht den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung bildet oder nach anderen Verwaltungsstrafbestimmungen mit strengerer Strafe bedroht ist - eine Verwaltungsübertretung, die mit Geldstrafe von 730 EUR bis 36 340 EUR zu bestrafen ist; wer jedoch gewerbsmäßig im Bereich der Abfallwirtschaft tätig ist, ist mit einer Mindeststrafe von 3 630 EUR bedroht.

(2) Wer

  1. 1.
  2. 11. die gemäß § 43 Abs. 4, § 44, § 54 Abs. 2 oder § 58 Abs. 2 vorgeschriebenen Auflagen, Bedingungen oder Befristungen oder die Auflagen, Bedingungen oder Befristungen der gemäß § 77 übergeleiteten Bescheide oder die gemäß § 48 Abs. 1 vorgeschriebenen Befristungen nicht einhält,

    12. …

    begeht - sofern die Tat nicht den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung bildet oder nach anderen Verwaltungsstrafbestimmungen mit strengerer Strafe bedroht ist - eine Verwaltungsübertretung, die mit Geldstrafe bis zu 2 910 EUR zu bestrafen ist.

(3) …"

2.2. Die Verantwortlichkeit des Beschwerdeführers nach § 9 VStG ist unstrittig.

Die belangte Behörde stützt die Bestrafung des Beschwerdeführers auf die §§ 2 Abs. 8 Z 3, 37 Abs. 1, 43 Abs. 1 und 79 Abs. 1 Z 9 AWG 2002. Demnach wird dem Beschwerdeführer vorgeworfen, dass er eine Behandlungsanlage geändert habe, ohne im Besitz der dafür erforderlichen Genehmigung zu sein, wobei der angefochtene Bescheid klarstellt, dass der Beschwerdeführer durch den Betrieb der Anlage außerhalb der Betriebszeiten eine im Sinne des § 37 Abs. 1 AWG 2002 wesentliche Änderung der Betriebsanlage vorgenommen habe.

Die Betriebsanlage des Beschwerdeführers ist - wie dem Bescheid des LH vom 22. Februar 2010 entnommen werden kann - eine gemäß § 77 Abs. 2 AWG 2002 übergeleitete Anlage, deren aufrechte Bewilligung durch den Bescheid des LH vom 22. Februar 2010 in Teilbereichen abgeändert wurde. Der letztgenannte Bescheid erging in Folge eines Auftrages zur Vorlage eines Sanierungskonzeptes und beinhaltet zum einen eine abfallrechtliche Bewilligung des letztlich vorgelegten Sanierungsplanes (Spruchpunkt I) und zum anderen - in Spruchpunkt III - die Verpflichtung, diese baulichen und betrieblichen Maßnahmen innerhalb näher bestimmter Fristen umzusetzen.

Mit dem Bescheid vom 22. Februar 2010 wurde nicht allein eine Bewilligung zur Abänderung der auf Grund einer rechtskräftigen Bewilligung betriebenen Anlage verliehen, sondern unter einem auch eine Verpflichtung ausgesprochen, ab einem bestimmten Zeitpunkt die genannten Abänderungsmaßnahmen baulicher und betrieblicher Art durchzuführen. Der Bescheid vom 22. Februar 2010 beinhaltet in diesem Sinn nicht nur eine Abänderungsbewilligung mit Nebenbestimmungen, sondern unter einem auch Aufträge und Anordnungen auf Grundlage des § 62 Abs. 3 AWG 2002. Damit soll sichergestellt werden, dass der Anlageninhaber die bislang auf Grund eines rechtskräftigen Konsenses betriebene Anlage auch tatsächlich im Sinne der für das Sanierungskonzept erteilten Bewilligung abändert.

2.3. Diese Besonderheit ist angesichts des Strafkatalogs des § 79 Abs. 1 und Abs. 2 AWG 2002 von Bedeutung. Dort finden sich mehrere Tatbestände, die auf den (hier vorliegenden) Fall einer Übertretung einer Betriebszeit anwendbar sein könnten.

2.3.1. § 79 Abs. 2 Z 11 AWG 2002 bezieht sich auf die Übertretung der typischerweise in Genehmigungsbescheiden oder übergeleiteten Bescheiden enthaltenen Auflagen, Bedingungen oder Befristungen. Auch Beschreibungen in den Projektsunterlagen, die in den Bewilligungsbescheid aufgenommen wurden, stellen - soweit sie Verpflichtungen des Anlagenbetreibers umschreiben - nach der Rechtsprechung Bedingungen iSd § 79 Abs. 2 Z 11 AWG 2002 dar (vgl. dazu die hg. Erkenntnisse vom 16. Juli 2010, 2007/07/0116, und vom 22. März 2012, 2010/07/0143).

Eine in Projektsunterlagen enthaltene Vorschreibung von Betriebszeiten in einem Bewilligungsbescheid beinhaltet eine solche Verpflichtung des Anlagenbetreibers; nach der obgenannten Rechtsprechung ist eine solche Vorschreibung daher einer Bedingung im Sinne des § 79 Abs. 2 Z 11 AWG 2002 gleichzuhalten.

2.3.2. Wurde hingegen auf der Rechtsgrundlage des § 62 Abs. 3 AWG 2002 ein Auftrag oder eine Anordnung erlassen und ihr nicht nachgekommen, so wird der Tatbestand des § 79 Abs. 1 Z 17 AWG 2002 verwirklicht.

2.3.3. Die Sanktion für den Betrieb einer Betriebsanlage ohne Genehmigung nach § 37 findet sich in § 79 Abs. 1 Z 9 AWG 2002. Darunter fällt auch der - hier seitens der belangten Behörde erhobene - Vorwurf einer wesentlichen Änderung der Betriebsanlage, ohne dafür eine Genehmigung nach § 37 Abs. 1 AWG 2002 eingeholt zu haben.

Fraglich ist, unter welchen der drei dargestellten Tatbestände die verfahrensgegenständliche Übertretung der Betriebszeiten fällt.

2.4. Die belangte Behörde vertrat die Ansicht, in der Überschreitung der Betriebszeiten läge eine nach § 37 Abs. 1 AWG 2002 genehmigungspflichtige Änderung der Betriebsanlage.

Die Betriebszeiten, um deren Überschreitung es geht, wurden zwar offenbar bereits in einem der bestehenden Genehmigungsbescheide (Bescheid der BH vom 6. September 1995 in der Fassung des Bescheides des LH vom 24. September 1996; nicht im Akt erliegend) vorgeschrieben.

Diese Verpflichtung wurde aber im Bescheid des LH vom 22. Februar 2010 auf der Rechtsgrundlage des § 62 Abs. 3 AWG 2002 als eine von mehreren betrieblichen Maßnahmen und somit als Bestandteil des Sanierungskonzeptes neuerlich verpflichtend vorgeschrieben; sie stellt einen Teil der die lärmintensiven Zeiten betreffenden umfangreichen betrieblichen Maßnahmen dar, die allesamt Gegenstand des Sanierungskonzeptes sind, sodass nicht davon ausgegangen werden kann, es handle sich dabei lediglich um eine Wiederholung einer bereits bestehenden Auflage.

Findet sich - wie im vorliegenden Fall - die Vorschreibung der Betriebszeiten im Bescheid des LH vom 22. Februar 2010 zum einen als Teil der Bewilligung des Sanierungskonzeptes (Spruchpunkt I in Verbindung mit Punkt 2.2.2. der Projektsbeschreibung) und zum anderen als Gegenstand einer auf § 62 Abs. 3 AWG 2002 gestützten ausdrücklichen Anordnung (Spruchpunkt III.2.), so geht die Bestrafung wegen der Nichteinhaltung der Betriebszeiten nach § 79 Abs. 1 Z 17 AWG 2002 (Nichterfüllung eines Auftrages nach § 62 Abs. 3 AWG 2002) einer Bestrafung wegen der Übertretung einer Bescheidvorschreibung nach § 79 Abs. 2 Z 11 AWG 2002 vor. Die Nichteinhaltung der Betriebszeiten wäre daher richtigerweise nach § 79 Abs. 1 Z 17 AWG 2002 zu bestrafen gewesen (vgl. dazu auch das hg. Erkenntnis vom heutigen Tag, 2013/07/0046).

3. Indem die belangte Behörde das Verhalten des Beschwerdeführers in Verkennung der Rechtslage einer unrichtigen Strafnorm unterstellte, hat sie den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes belastet. Er war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben, ohne dass auf das weitere Vorbringen der Beschwerde einzugehen war.

4. Der Ausspruch über den Kostenersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.

Wien, am 26. September 2013

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