VwGH 2013/03/0119

VwGH2013/03/011930.1.2014

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Thienel und die Hofräte Dr. Handstanger und Mag. Nedwed als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Zeleny, über die Beschwerde des U H in W, vertreten durch Dr. Ingrid Köhler, Rechtsanwalt in 1070 Wien, Halbgasse 18/2, gegen den Bescheid der Landespolizeidirektion Wien vom 10. Dezember 2012, Zl E1/282.774/2011, betreffend Waffenverbot, zu Recht erkannt:

Normen

WaffG 1996 §12 Abs1;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid wurde gegen den Beschwerdeführer gemäß § 12 Abs 1 Waffengesetz 1996, BGBl I Nr 12/1997 (WaffG), ein Waffen- und Munitionsverbot verhängt.

Begründend führte die Landespolizeidirektion Wien im Wesentlichen aus, der Beschwerdeführer sei am 21. Dezember 2009 wegen des Verdachtes der schweren Körperverletzung zum Nachteil einer näher bezeichneten weiblichen Person zur Anzeige gebracht worden. Der Beschwerdeführer habe dazu im Zuge einer niederschriftlichen Einvernahme am 19. Jänner 2010 angegeben, dass er sich nur wehren habe wollen. Er und seine Begleiterin seien zum Vorfallszeitpunkt stark alkoholisiert gewesen. Er habe vermutet, dass die Frau ihn mit einem Sessel habe schlagen wollen. Sie sei nur auf sein Geld aus gewesen. Daraufhin sei gegen den Beschwerdeführer mit Mandatsbescheid der erstinstanzlichen Behörde vom 2. Februar 2010 ein Waffen- und Munitionsverbot verhängt worden. In seiner Vorstellung gegen diesen Mandatsbescheid habe der Beschwerdeführer im Wesentlichen ausgeführt, dass er mit der genannten Frau bei ihm zu Hause einiges an Alkohol konsumiert habe. Er sei dann am Tisch eingeschlafen. Ein Schmerz im Rücken habe ihn geweckt und er habe gesehen, dass die Frau seitlich von ihm stehend mit einem Sessel bewaffnet gewesen sei. Sie habe ihn mit dem Sessel auf den Schädel schlagen wollen. Er habe sich lediglich gewehrt und die Frau sei dabei zu Sturz gekommen. Er habe nie die Absicht gehabt, die Frau vorsätzlich zu verletzen. Er habe nur Abwehrhandlungen gesetzt. Er sei davon überzeugt, dass die Frau ihn bestehlen habe wollen.

Am 23. März 2010 sei der Beschwerdeführer von einem Amtsarzt der Bundespolizeidirektion Wien untersucht worden. Dem Befund und Gutachten sei zu entnehmen, dass gerötete Augenbindehäute und ein deutlicher Fingertremor beim Armhalteversuch festgestellt worden seien. Es bestehe der Verdacht auf chronischen Alkoholmissbrauch. Zur endgültigen Gutachtenserstellung sei noch die Beibringung von alkoholspezifischen Laborwerten erforderlich. Einem weiteren polizeiamtsärztlichen Befund und Gutachten vom 20. April 2010 sei zu entnehmen, dass die nunmehr vorliegenden Laborbefunde einen deutlich erhöhten Langzeitalkoholwert anzeigen würden. Somit könne von einem regelmäßigen Alkoholkonsum ausgegangen werden. Aufgrund des letzten Vorfalles unter reichlichem Alkoholkonsum, welcher zu einer Körperverletzung geführt habe, könne daher davon ausgegangen werden, dass eine erhöhte Gewaltbereitschaft im Zusammenhang mit extensivem Alkoholkonsum gegeben sei.

Am 1. Juni 2010 sei der Beschwerdeführer vom Landesgericht für Strafsachen Wien wegen der §§ 83 Abs 1, 84 Abs 1, 107 Abs 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe von neun Monaten (bedingt) verurteilt worden. Den Entscheidungsgründen des in Rechtskraft erwachsenen Urteiles sei zu entnehmen, dass der Beschwerdeführer am 19. Dezember 2009 in Wien eine näher bezeichnete weibliche Person vorsätzlich am Körper verletzt habe, indem er sie zu Boden geworfen und danach mehrmals gegen den Boden und Tisch bzw Stuhlbeine geschleudert habe, wodurch diese einen knöchernen Abriss am Endglied des rechten Kleinfingers, eine Prellung des Schädels, des Gesichts, des linken Brustkorbes sowie einen Bruch der 4. und 5. Rippe rechts und der 6., 7. und 9. Rippe links, sohin eine an sich schwere Körperverletzung, erlitten habe. Weiters habe er die Frau durch die Äußerung, dass seine Freunde kommen würden und sie mit einem Besenstiel in den Arsch ficken würden, mit einer Verletzung der sexuellen Selbstbestimmung, somit der Freiheit, und einer Verletzung am Körper, gefährlich bedroht, um sie in Furcht und Unruhe zu versetzen.

Mit Verständigung vom Ergebnis der Beweisaufnahme vom 25. Mai 2011 seien dem Beschwerdeführer unter anderem die Ergebnisse der amtsärztlichen Untersuchungen bekannt gegeben worden. Weiters sei ihm mitgeteilt worden, dass beabsichtigt sei, das über ihn verhängte Waffenverbot aufrecht zu erhalten.

In einer Stellungnahme vom 14. Juni 2011 habe der Beschwerdeführer ausgeführt, dass er den Vorfall vom 19. Dezember 2009 zutiefst bedauere. Es könnten aber durchaus in der Persönlichkeitsstruktur der verletzten Frau gelegene Verhaltensmuster dazu geführt haben, dass er überreagiert habe. Der Vorfall vom 19. Dezember 2009 sei der erste und mit Sicherheit der letzte seiner Art. Eine einmalige aggressive Verhaltensweise könne aber nicht ausreichen, ihm grundsätzlich erhöhte Gewaltbereitschaft zu attestieren.

In seiner Berufung gegen den erstinstanzlichen Bescheid vom 28. Juni 2011, mit dem der Vorstellung des Beschwerdeführers keine Folge gegeben und das Waffen- und Munitionsverbot bestätigt worden sei, mache er darüber hinaus geltend, dass es dringend angeraten gewesen wäre, ihn vor Erlassung des Bescheides neuerlich einer amtsärztlichen Untersuchung zu unterziehen. Außerdem sei nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ein chronischer Alkoholüberkonsum keine Rechtfertigung für ein Waffenverbot. Vielmehr müssten zum Alkoholkonsum noch zusätzliche Gefährdungsmomente hinzutreten. So zum Beispiel, wenn sich die Person auf den Genuss von Alkohol wiederholt aggressiv gezeigt habe. Beim Beschwerdeführer habe es im Zusammenhang mit Alkoholkonsum nur einen Vorfall gegeben.

Vor diesem Hintergrund sehe die Landespolizeidirektion Wien nach der gesamten Wesensart und Sinneshaltung des Beschwerdeführers die Annahme gerechtfertigt, dass dieser durch missbräuchliches Verwenden von Waffen Leben, Gesundheit und Freiheit von Menschen oder fremdes Eigentum gefährden könnte. Wer, wie der Beschwerdeführer, sich in einen durch Alkohol beeinträchtigten Zustand versetze, dabei eine Frau schwer am Körper verletze und sie darüber hinaus gefährlich bedrohe, gebe zu erkennen, dass er nicht nur über eine äußerst niedrige Hemmschwelle, sondern darüber hinaus über eine potentielle Gewaltbereitschaft verfüge. Es sei daher ein Waffenverbot auszusprechen gewesen.

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der ihre Behandlung mit Beschluss vom 13. September 2013, B 113/2013-7, ablehnte und sie dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat.

In seiner über Auftrag des Verwaltungsgerichtshofes vom 30. Oktober 2013 ergänzten Beschwerde beantragte der Beschwerdeführer, den angefochtenen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

 

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

1. Gemäß § 79 Abs 11 VwGG sind - soweit wie im vorliegenden Fall durch das Verwaltungsgerichtsbarkeits-Übergangsgesetz, BGBl I Nr 33/2013, nichts anderes bestimmt ist - in den mit Ablauf des 31. Dezember 2013 beim Verwaltungsgerichtshof anhängigen Beschwerdeverfahren die bis zum Ablauf des 31. Dezember 2013 geltenden Bestimmungen weiter anzuwenden. Letztere gelangen daher auch im gegenständlichen Fall zur Anwendung.

2. In seiner Beschwerdeergänzung macht der Beschwerdeführer geltend, der vorliegende Sachverhalt rechtfertige die Annahme, dass der Beschwerdeführer durch missbräuchliche Verwendung von Waffen Leben, Gesundheit oder Freiheit von Menschen oder fremdes Eigentum gefährden könnte, nicht. Nur das wiederholte aggressive Verhalten jeweils nach Genuss von Alkohol könnte eine solche Annahme begründen. Im vorliegenden Fall sei der Beschwerdeführer nur wegen einer einmaligen Übertretung verurteilt worden, die nunmehr vier Jahre zurückliege. Seither habe er sich wohlverhalten. Es liege somit kein wiederholtes aggressives Verhalten vor, weswegen § 12 Abs 1 WaffG nicht zur Anwendung gelangen könne.

Als Verfahrensmangel rügt die Beschwerde, dass die Landespolizeidirektion Wien auf seine Stellungnahme vom 15. Juni 2011 (gemeint offenbar: 14. Juni 2011) nicht eingegangen sei und daher ihren Bescheid nicht ausreichend begründet habe. Dem Beschwerdeführer sei überdies das Parteiengehör dadurch entzogen worden, dass er von den Ergebnissen der amtsärztlichen Untersuchung am 23. März 2010 und am 20. April 2010 nicht informiert worden sei bzw ihm keine Möglichkeit eingeräumt worden sei, um dazu eine Stellungnahme abzugeben.

2. Mit diesem Vorbringen zeigt der Beschwerdeführer keine relevante Fehlerhaftigkeit des angefochtenen Bescheides auf:

2.1. Gemäß § 12 Abs 1 Waffengesetz 1996 (WaffG) hat die Behörde einem Menschen den Besitz von Waffen und Munition zu verbieten (Waffenverbot), wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass dieser Mensch durch missbräuchliches Verwenden von Waffen Leben, Gesundheit oder Freiheit von Menschen oder fremdes Eigentum gefährden könnte.

Die Verhängung eines Waffenverbotes dient der Verhütung von Gefährdungen der im § 12 Abs 1 WaffG bezeichneten Art und setzt nicht voraus, dass es schon zu einem missbräuchlichen Verwenden von Waffen durch den Betroffenen gekommen ist. Es genügt, wenn konkrete Umstände vorliegen, die die Besorgnis erwecken, dass von der Waffe ein gesetz- oder zweckwidriger Gebrauch gemacht werden könnte. Dabei ist nach dem dem WaffG allgemein innewohnenden Schutzzweck ein strenger Maßstab anzulegen. Der Verbotstatbestand des § 12 Abs 1 WaffG setzt lediglich voraus, dass auf Grund objektiver Sachverhaltsmerkmale eine qualifiziert rechtswidrige Verwendung von Waffen zu befürchten ist. Liegt diese Voraussetzung vor, so hat die Behörde nach § 12 Abs 1 WaffG vorzugehen und ein Waffenverbot auszusprechen, ohne dass ein bisher untadeliges Vorleben dem entgegenstünde. Wesentlich ist, dass dem Betroffenen die missbräuchliche Verwendung von Waffen zuzutrauen ist (vgl aus der ständigen hg Rechtsprechung etwa VwGH vom 22. Mai 2013, 2013/03/0025, mwN).

2.2. Dem Beschwerdeführer ist zwar zuzustimmen, dass ein Alkoholmissbrauch für sich genommen ein Waffenverbot nicht zu begründen vermag (vgl VwGH vom 30. Juni 2011, 2008/03/0114, betreffend einen zeitweiligen, und VwGH vom 25. Jänner 2001, 2000/20/0153, betreffend einen chronischen Alkoholmissbrauch). Vielmehr wurden in der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs die Voraussetzungen für die Verhängung eines Waffenverbots nur dann angenommen, wenn zum Alkoholkonsum noch zusätzliche Gefahrenmomente hinzutreten. Derartige zusätzliche Gefahrenmomente liegen beispielsweise vor, wenn sich der Betroffene nach dem Genuss von Alkohol wiederholt aggressiv zeigte (vgl nochmals VwGH vom 25. Jänner 2001, 2000/20/0153, mwN). Daraus lässt sich allerdings der Umkehrschluss des Beschwerdeführers, bei der festgestellten einmaligen Gewalttat des Beschwerdeführers gegen eine weibliche Person könne von der Gefahr einer missbräuchlichen Verwendung von Waffen im Sinne des § 12 Abs 1 WaffG keinesfalls ausgegangen werden, nicht ziehen.

Nach ständiger hg Rechtsprechung kann nämlich auch schon eine einmalige Gewalttat mit Verletzungsfolgen, die als Gewaltexzess zu werten ist, ungeachtet eines untadeligen Vorlebens des Betroffenen die Verhängung eines Waffenverbotes gemäß § 12 Abs 1 WaffG rechtfertigen. Dabei ist auch nicht entscheidend, durch welches Verhalten auch immer die Auseinandersetzung ihren Ursprung genommen hat (vgl etwa VwGH vom 23.Oktober 2008, 2005/03/0134, vom 17. April 2009, 2008/03/0154, vom 23. November 2009, 2009/03/0130, vom 24. März 2010, 2009/03/0049, und vom 8. September 2011, 2008/03/0175).

Im vorliegenden Fall hat der Beschwerdeführer - unbestritten -

eine weibliche Person in der vom Strafgericht festgestellten Art und Weise schwer am Körper verletzt und sie gefährlich bedroht. Das als Gewaltexzess zu wertende Verhalten des Beschwerdeführers weist durch das dabei zu Tage getretene Aggressionspotenzial einen waffenrechtlichen Bezug auf, sodass es die Landespolizeidirektion Wien ihrer Gefährdungsprognose im Sinne des § 12 Abs 1 WaffG zugrunde legen durfte. Es kann auch nicht erkannt werden, dass diese Gefährdungprognose unter Bedachtnahme auf den zwischen dem Vorfall und der Erlassung des angefochtenen Bescheides verstrichenen Zeitraum von nur drei Jahren, in dem sich der Beschwerdeführer nach seinem Vorbringen wohl verhalten haben will, unrichtig gewesen sein soll.

Dass die Gewalttat unter Einfluss von Alkohol geschah, vermag an diesem Ergebnis schon deshalb nichts zu ändern, weil der Beschwerdeführer nach den Ausführungen der Amtsgutachten Anzeichen regelmäßigen Alkoholmissbrauchs zeigt, also sich wiederholt in einen Zustand versetzt, in dem er - wie die festgestellte Straftat zeigt - zu hoher Gewaltbereitschaft neigt. Die Beschwerde rügt im Zusammenhang mit den eingeholten Gutachten zwar, es sei das Parteiengehör verletzt worden, sie bestreitet das inhaltliche Ergebnis der Gutachten aber nicht. Ausgehend davon zeigt sie nicht auf, dass dem behaupteten Verfahrensmangel Relevanz zukommen könnte.

Da somit bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen lässt, dass die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

Wien, am 29. Jänner 2014

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