VwGH 2009/03/0130

VwGH2009/03/013023.11.2009

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Handstanger und Mag. Nedwed als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Zeleny, über die Beschwerde des R S in B, vertreten durch Dr. Andreas Oberhofer, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Schidlachstraße 7, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Tirol vom 22. Juli 2009, Zl E1/16156/09, betreffend Waffenverbot, zu Recht erkannt:

Normen

EMRK Art6;
StGB §83 Abs1;
WaffG 1996 §12 Abs1;
WaffG 1996 §25 Abs3;
WaffG 1996 §8 Abs1 Z1;
WaffG 1996 §8 Abs3;
EMRK Art6;
StGB §83 Abs1;
WaffG 1996 §12 Abs1;
WaffG 1996 §25 Abs3;
WaffG 1996 §8 Abs1 Z1;
WaffG 1996 §8 Abs3;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid wurde über den Beschwerdeführer gemäß § 12 Abs 1 des Waffengesetzes 1996 (WaffG) ein Waffenverbot verhängt.

Begründend führte die belangte Behörde Folgendes aus:

Erstmals sei gegen den Beschwerdeführer von der Bezirkshauptmannschaft Kufstein im Mai 2005 ein Waffenverbot erlassen worden, nachdem dieser gegenüber seiner Lebensgefährtin in alkoholisiertem Zustand Selbstmordabsichten (durch Erschießen) geäußert hätte. Der Amtsarzt habe festgestellt, dass beim Beschwerdeführer eine Alkoholkrankheit bestehe und aus diesem Grund eine Entwöhnungsbehandlung und anschließend therapeutische Maßnahmen erforderlich seien, er habe sich auch "negativ" hinsichtlich eines Waffenbesitzes des Beschwerdeführers geäußert. Im November 2005 habe die Bezirkshauptmannschaft das Waffenverbot aufgehoben, nachdem sich der Beschwerdeführer einer stationären Alkoholentwöhnungsbehandlung sowie einer ambulanten Nachbehandlung unterzogen gehabt hätte und ein positives psychologisches und amtsärztliches Gutachten erstattet worden sei.

Am 21. Februar 2009 um 02:30 Uhr sei die Polizei von der Lebensgefährtin des Beschwerdeführers zur gemeinsamen Wohnung gerufen worden, weil sie vom Beschwerdeführer bedroht und tätlich angegriffen würde. Aus der Verletzungsanzeige des Krankenhauses Schwaz vom 26. Februar 2009 an die Polizei sei ersichtlich, dass die Lebensgefährtin eine Zerrung der Halswirbelsäule und eine Prellung beider Handgelenke, Verletzungsgrad leicht, erlitten hätte.

Die Polizei habe gemäß § 38a SPG eine Wegweisung des Beschwerdeführers aus der Wohnung und ein Betretungsverbot verfügt sowie in der Folge ein vorläufiges Waffenverbot gemäß § 13 WaffG erlassen und die beiden Jagdwaffen, die zugehörige Munition sowie ein Jagdmesser und den Europäischen Feuerwaffenpass des Beschwerdeführers beschlagnahmt.

Die genannte Bezirkshauptmannschaft habe gegen den Beschwerdeführer mit Mandatsbescheid vom 5. März 2009 ein Waffenverbot erlassen. Dagegen habe er rechtzeitig schriftlich Vorstellung erhoben und in der Folge ein psychiatrisches Gutachten von Dr. W D vom 26. März 2009 vorgelegt, wonach seine Leberwerte in Ordnung gewesen seien, "sodass vom derzeitigen Befund her die Tauglichkeit zur Führung einer Jagdwaffe und zur Ausübung der Jagd wiedergegeben wäre. Es ist allerdings davon auszugehen, dass auch pro futuro keine strikte Alkoholabstinenz zu erwarten ist, weshalb eine Befristung zu empfehlen ist."

Die Lebensgefährtin des Beschwerdeführers habe sich im gerichtlichen (sowie auch im verwaltungsbehördlichen) Verfahren der Aussage entschlagen, das gerichtliche Strafverfahren gegen den Beschwerdeführer sei daher gemäß § 190 Z 2 StPO eingestellt worden.

Die Bezirkshauptmannschaft Kufstein habe mit Bescheid vom 23. Juni 2009 die Vorstellung gegen den genannten Mandatsbescheid abgewiesen. In der Berufung bringe der Beschwerdeführer im Wesentlichen vor, er sei gerichtlich und verwaltungsstrafrechtlich unbescholten. Die Staatsanwaltschaft Innsbruck habe das im Zusammenhang mit dem Vorfall vom 21. Februar 2009 eingeleitete Strafverfahren gegen den Beschwerdeführer wegen des Verdachts der Körperverletzung und der gefährlichen Drohung gemäß § 190 Z 2 StPO eingestellt. Seine Lebensgefährtin habe klar zum Ausdruck gebracht, dass sie vor Gericht und vor der Verwaltungsbehörde von ihrem Zeugen-Entschlagungsrecht Gebrauch mache, was einem Verwertungsverbot gleichkomme. Auf allfällige Aussagen der Lebensgefährtin gegenüber den Polizeibeamten beim Einschreiten dürfe daher nicht Bedacht genommen werden. Überlegungen bzw Feststellungen in Bezug auf die Entstehung der Verletzung sowie der gesamten Abläufe in der Wohnung könnten daher von der Behörde nicht gemacht werden, weil jedwedes verwertbare Beweisergebnis fehlte. Er halte der Ordnung halber fest, dass die Situation am 21. Februar 2009 eskaliert wäre. Die Beziehung hätte sich schon seit einigen Wochen in einer Krise befunden. Es hätte sich in erster Linie um eine verbale Auseinandersetzung zwischen dem Beschwerdeführer und seiner Lebensgefährtin an seinem

40. Geburtstag gehandelt. § 12 Abs 1 WaffG treffe auf diesen Fall nicht zu, eine Waffe habe zum Zeitpunkt der geschilderten Abläufe vom 21. Februar 2009 keine Rolle gespielt. Eine "Waffenandrohung" sei am 21. Februar 2009 nie erfolgt. Es bedürfe im Fall des Beschwerdeführers auch keines "Beobachtungszeitraumes". Die Beziehung hätte sich wieder stabilisiert. Sein Verhalten anlässlich der Anlasstat reiche nicht, um ein Waffenverbot zu erlassen. Eine "Aggressionspotentialprüfung" durch einen Sachverständigen sei zugunsten des Beschwerdeführers erfolgt. Richtig wäre, dass es zu wechsel- und gegenseitigen Aggressionen gekommen sei. Es sei nicht auszuschließen, dass eine festgestellte (Bagatell‑)Verletzung der Lebensgefährtin dadurch entstanden sei, dass er Angriffe abgewehrt hätte. Weshalb die Besorgnis bestehe, dass der Beschwerdeführer seine Waffe gesetz- und zweckwidrig einsetzen könnte, weil er als Jäger eine solche besitze, wäre aber nicht nachvollziehbar. Weder wäre am 21. Februar 2009 ein Gewaltexzess erfolgt, noch wäre ein besonderes Aggressionspotential des Beschwerdeführers zu Tage getreten. Der Beschwerdeführer wäre ein seriöser Unternehmer, der auf Grund unglücklicher Umstände auf Grund einer jahrelangen Alkoholabstinenz an seinem 40. Geburtstag zuviel Alkohol getrunken hätte und dann mit seiner Lebensgefährtin in Streit geraten wäre. Von einer permanenten Bedrohung, einem Aggressionspotential, das über der Norm liege, könne daher nicht gesprochen werden.

Die belangte Behörde vertrete die Auffassung, dass im Beschwerdefall auf Grund der Vorgeschichte aus dem Jahr 2005, des Vorfalls vom 21. Februar 2009 und auf Grund des Umstands, dass der Beschwerdeführer alkoholkrank gewesen sei (wenn er auch derzeit wieder "trocken" sei), die Annahme des § 12 Abs 1 WaffG gerechtfertigt sei. Dem Beschwerdeführer sei in Ausnahmesituationen, in welche er jederzeit wieder geraten könnte, die missbräuchliche Verwendung von Waffen zuzutrauen. Auch ein noch so untadeliges Vorleben dürfe die Behörde nicht davon abhalten, ein Waffenverbot zu erlassen, wenn - wie vorliegend - die gesetzlichen Voraussetzungen hiefür vorlägen. Eine strafgerichtliche Verfolgung oder Verurteilung sei nicht Voraussetzung für die Erlassung eines Waffenverbots. Dem Vorbringen betreffend das Beweisverwertungsverbot sei § 46 AVG entgegenzuhalten. Dass die Situation am 21. Februar 2009 eskaliert sei, gestehe der Beschwerdeführer in der Berufung zu. Da eine bereits erfolgte missbräuchliche Verwendung einer Waffe nicht Voraussetzung für die Erlassung eines Waffenverbots sei, könne der Beschwerdeführer mit dem Hinweis, am 21. Februar 2009 keine Waffe iSd WaffG missbräuchlich verwendet zu haben, nichts gewinnen; ein Waffenverbot diene vielmehr der Verhütung missbräuchlicher Verwendung von Waffen. Dass sich die Beziehung des Beschwerdeführers und seiner Lebensgefährtin wieder stabilisiert hätte, ändere nichts an der Beurteilung, zumal der Beschwerdeführer jederzeit wieder in eine Ausnahmesituation geraten könne. Der vom Beschwerdeführer aufgesuchte psychiatrische Gutachter habe zudem festgehalten, dass davon auszugehen sei, dass vom Beschwerdeführer in Zukunft keine strikte Alkoholabstinenz zu erwarten sei und er daher eine Befristung zum Führen von Jagdwaffen und zur Ausübung der Jagd durch den Beschwerdeführer empfehle. Eine solche Befristung sei im WaffG aber nicht vorgesehen. Auch das Angebot des Beschwerdeführers, der Behörde auf freiwilliger Basis alle sechs Monate die CDT-Werte vorzulegen, um einen Alkoholmissbrauch auszuschließen, schließe nicht aus, dass der Beschwerdeführer dennoch in eine Ausnahmesituation - wie aktenkundig in den Jahren 2005 und 2009 - komme. Abgesehen davon, dass das vorliegende Waffenverbot nicht allein auf dem Vorfall vom 21. Februar 2009 basiere, sei eine Verharmlosung des Vorfalls vom 21. Februar 2009 nicht angebracht. Dass dabei die Eskalation durch den Beschwerdeführer erfolgt sei, ergebe sich aus dem Umstand, dass seine Lebensgefährtin die Polizei gerufen hätte, weil sie vom Beschwerdeführer am Körper verletzt und gefährlich bedroht worden sei.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit aufzuheben.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete ein Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

1. Gemäß § 12 Abs 1 WaffG hat die Behörde einem Menschen den Besitz von Waffen und Munition zu verbieten (Waffenverbot), wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass dieser Mensch durch missbräuchliches Verwenden von Waffen Leben, Gesundheit oder Freiheit von Menschen oder fremdes Eigentum gefährden könnte. Die Verhängung eines Waffenverbotes dient der Verhütung von Gefährdungen der in § 12 Abs 1 WaffG bezeichneten Art und setzt nicht voraus, dass es schon zu einem missbräuchlichen Verwenden von Waffen durch den Betroffenen gekommen ist. Dabei genügt es, wenn konkrete Umstände vorliegen, die die Besorgnis erwecken, dass von der Waffe ein gesetz- oder zweckwidriger Gebrauch gemacht werden könnte. Hiebei ist nach dem dem Waffengesetz allgemein innewohnenden Schutzzweck ein strenger Maßstab anzulegen. Der Verbotstatbestand des § 12 Abs 1 WaffG setzt lediglich voraus, dass auf Grund objektiver Sachverhaltsmerkmale eine qualifiziert rechtswidrige Verwendung von Waffen zu befürchten ist. Liegt diese Voraussetzung vor, so hat die Behörde gemäß § 12 Abs 1 WaffG vorzugehen und ein Waffenverbot auszusprechen, ohne dass ein bisher untadeliges Vorleben dem entgegen stünde. Wesentlich ist, dass dem Betroffenen die missbräuchliche Verwendung von Waffen zuzutrauen ist (vgl etwa das hg Erkenntnis vom 25. März 2009, Zl 2007/03/0186, mwH). Weiters hat der Verwaltungsgerichtshof in seiner Rechtsprechung zur Situationen familiärer Gewalt mit Verletzungsfolgen festgehalten, dass schon ein einmaliger Vorfall, bei dem der Betroffene seine Ehefrau durch Würgen und Versetzen von Schlägen, wodurch sie zu Boden gestürzt war, verletzt und auf diese Weise den Tatbestand des § 83 Abs 1 StGB verwirklicht hatte, als Gewaltexzess zu werten sei und ungeachtet eines untadeligen Vorlebens die Verhängung eines Waffenverbots gemäß § 12 Abs 1 rechtfertige, wobei nicht entscheidend sei, durch welches Verhalten auch immer die Auseinandersetzung ihren Ursprung genommen hätte (vgl etwa das hg Erkenntnis vom 23. Oktober 2008, Zl 2005/03/0134, mwH).

2. Die Prognoseentscheidung der belangten Behörde, der Beschwerdeführer könnte durch die missbräuchliche Verwendung von Waffen das Leben, die Gesundheit oder die Freiheit von Menschen oder fremdes Eigentum gefährden, weil ihm auf Grund der im Wesentlichen unstrittigen Vorgeschichte aus dem Jahr 2005 sowie des Vorfalls aus dem Jahr 2009 die missbräuchliche Verwendung von Waffen iSd § 12 Abs 1 WaffG in Ausnahmesituationen - in die der Beschwerdeführer jederzeit wieder geraten könnte - zuzutrauen sei, vermag der Beschwerdeführer nicht wirksam zu entkräften. Dass sich der Beschwerdeführer nach den Vorfall im Jahr 2005 (nach der Beschwerde sei es auf Grund einer tatsächlich bestehenden Alkoholerkrankung zu einer Suizidäußerung des Beschwerdeführers gegenüber der Lebensgefährtin gekommen) - wie in der Beschwerde ausgeführt - einer entsprechenden Therapie unterzog und sich mit der Alkoholerkrankung intensiv auseinandersetzte, vermochte ihn am 21. Februar 2009 (wie im angefochtenen Bescheid festgestellt) nicht vom Alkoholkonsum und seinem weiteren - in der Beschwerde nicht konkret bestrittenen - Verhalten abzuhalten. Dazu kommt, dass sich auch aus dem vom Beschwerdeführer vorgelegten Gutachten eines Facharztes und Gerichtssachverständigen für Neurologie und Psychiatrie vom März 2009 (wie im angefochtenen Bescheid festgehalten) ergibt, dass beim Beschwerdeführer auch pro futuro keine strikte Alkoholabstinenz zu erwarten sei. Vor diesem Hintergrund erweist sich der Einwand, es sei im Jahr 2009 kein Hinweis auf eine Alkoholerkrankung des Beschwerdeführers gegeben, als nicht zielführend. Gleiches gilt für das Vorbringen, in dem besagten ärztlichen Gutachten werde festgehalten, dass nach einem Laborbefund vom 25. Februar 2009 betreffend den Beschwerdeführer der CDT-Wert im Normalbereich sei und auch die Leberfunktionsproben nicht pathologisch verändert seien. Entgegen der Beschwerde kommt es auf dem Boden der dargestellten Rechtslage für das Geschehen am 21. Februar 2009 ferner nicht auf die Frage der Unschuldsvermutung an. Bei einem Waffenverbot wird nämlich nicht über eine strafrechtliche Anklage im Sinne des Art 6 EMRK entschieden, vielmehr handelt es sich dabei um eine administrativrechtliche Maßnahme zum Schutz der öffentlichen Ordnung. Schließlich kann es vorliegend auf dem Boden des Gesagten dahinstehen, ob der Vorfall am 21. Februar 2009 für sich genommen als Gewaltexzess zu bewerten ist.

3. Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

4. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet auf §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl II Nr 455.

Wien, am 23. November 2009

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