VwGH 2008/03/0154

VwGH2008/03/015417.4.2009

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Handstanger und Mag. Nedwed als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Zeleny, über die Beschwerde des F H in O, vertreten durch Dr. Franz Amler, Rechtsanwalt in 3100 St. Pölten, Brunngasse 12/2, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich vom 8. September 2008, Zl E1/14860/2008, betreffend Erlassung eines Waffenverbots, zu Recht erkannt:

Normen

StGB §83 Abs1;
WaffG 1996 §12 Abs1;
WaffG 1996 §25 Abs3;
WaffG 1996 §8 Abs1 Z1;
WaffG 1996 §8 Abs3;
StGB §83 Abs1;
WaffG 1996 §12 Abs1;
WaffG 1996 §25 Abs3;
WaffG 1996 §8 Abs1 Z1;
WaffG 1996 §8 Abs3;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid wurde gegen den Beschwerdeführer gemäß § 12 Abs 1 des Waffengesetzes 1996 - WaffG, BGBl I Nr 12/1997, ein Waffenverbot erlassen.

Begründend wurde im Wesentlichen Folgendes festgehalten:

Polizeibeamte der Polizeiinspektion Obergrafendorf hätten den Beschwerdeführer am 30. September 2007 von der mit seiner Lebensgefährtin bestehenden gemeinsamen Unterkunft in Obergrafendorf weggewiesen bzw ein Betretungsverbot erlassen, weil der Beschwerdeführer verdächtig gewesen sei, seine Lebensgefährtin in alkoholisiertem Zustand derart verletzt zu haben, dass sie eine Rissquetschwunde am Kopf, Würgemale am Hals, einen Kratzer links an der Nase sowie Abschürfungen am Knie erlitten hätte. Bei der Verhandlung des Bezirksgerichts St. Pölten am 4. Februar 2008 wegen des Verdachtes des Vergehens nach § 83 StGB habe der Beschwerdeführer diesbezüglich Folgendes angegeben:

"Ich bekenne mich schuldig.

Die Beziehung ist beendet und zwar seit dem Vorfall zwischen uns.

Wir waren damals gemeinsam zuerst am Fußballplatz und haben dann noch zwei Lokale besucht. In diesem Zeitraum, von 18.00 Uhr bis ca. 01.00 Uhr habe ich fünf bis sechs große Bier, einen Schnaps und einen Cocktail konsumiert.

Wir haben schon den ganzen Abend gestritten, dabei ist es auch um eine Kellnerin gegangen. Als wir dann zu Hause angekommen sind, haben wir weiter gestritten, meine damalige Lebensgefährtin wollte weglaufen, ich bin ihr nachgelaufen. Ich habe sie dann von hinten beim Hals gepackt, zumindest habe ich sie so fest gepackt, dass wir beide umgefallen sind, sie ist dabei mit dem Kopf gegen eine Keramikigel gestoßen und hat nachher deswegen am Kopf geblutet. Sie war dann für ein paar Sekunden nicht da, sie ist dann selber ins Haus gegangen.

Sie hat sich dann im Haus das Blut weggewischt. Wir sind dann gemeinsam ins Bett gegangen. Ich bin dann eingeschlafen. Als ich in der Früh aufwachte, war meine Lebensgefährtin weg. Die Verletzungen, eine Gehirnerschütterung, eine Platzwunde am Kopf, Abschürfungen am Hals und im Gesicht sowie eine Kieferprellung sind meiner Meinung nach auf den von mir beschriebenen Ablauf zurückzuführen.

Seit dem Vorfall habe ich etliche Male mit Frau E. telefoniert.

Frau E. hat an diesem Tag auch alkoholische Getränke zu sich genommen, sie hat aber nicht so viel wie ich getrunken."

Das Bezirksgericht St. Pölten habe als Diversionsmaßnahme eine Probezeit von zwei Jahren plus Schadenswiedergutmachung in der Höhe von EUR 500,-- festgesetzt. Weiters sei dem Beschwerdeführer jegliche Kontaktaufnahme zur damaligen Lebensgefährtin (egal in welcher Form) untersagt worden.

Der Beschwerdeführer sei ferner bereits im Jahr 2004 wegen Verdachtes nach §§ 83 und 107 StGB bei der Staatsanwaltschaft St. Pölten angezeigt worden. Ausschlaggebend dafür seien auch damals tätliche Auseinandersetzungen des Beschwerdeführers mit seiner Lebensgefährtin gewesen. Diese habe gegenüber erhebenden Polizeibeamten angegeben, bereits im Jahr 2003 im Zug eines Streits vom Beschwerdeführer mit einem Kampfmesser bedroht und am Hals verletzt worden zu sein und einen Faustschlag auf das rechte Auge bekommen zu haben. Außerdem habe sie bei diversen Auseinandersetzungen mit dem Beschwerdeführer Prellungen und Blutergüsse erlitten. Auf diese bereits im Erstbescheid enthaltenen Ausführungen sei der Beschwerdeführer in der Berufung nicht eingegangen. Nach der von der Polizeiinspektion Obergrafendorf erstatteten Strafanzeige sei der Beschwerdeführer damals wie folgt verdächtigt gewesen:

"1.

Etwa März 2003 im Zuge eines Streites, Frau E. mit einem Kampfmesser bedroht und am Hals leicht verletzt zu haben.

2.

Im August 2003 im Zuge eines Streits Frau E. durch einen Faustschlag auf das rechte Auge verletzt zu haben.

3.

Im September 2003 Frau E. durch Faustschläge und Fußtritte verletzt zu haben, wodurch sie Prellungen und einen Nasenbeinbruch erlitt.

4.

Im Oktober 2003 ihr durch einen Stoß gegen die Wand Prellungen zugefügt zu haben.

5.

A. 26.10.2004 beim Schifahren in Scheffau ihr wieder durch Fußtritte Prellungen und Blutergüsse zugefügt zu haben."

Bezüglich der gefährlichen Drohung habe die Staatsanwaltschaft St. Pölten das Verfahren gegen den Beschwerdeführer eingestellt, bezüglich der Körperverletzung sei diese (nach Angaben des Beschwerdeführers) mit der Diversionsmaßnahme des außergerichtlichen Tatausgleichs vorgegangen. Für die belangte Behörde bestehe kein Grund, an den diesbezüglichen Aussagen des Beschwerdeführers und den Aussagen der früheren Lebensgefährtin zu zweifeln, zumal diese Aussagen weitgehend deckungsgleich seien.

Vor diesem Hintergrund stehe fest, dass der Beschwerdeführer mehrmals in alkoholisiertem Zustand gegen seine damalige Lebensgefährtin tätlich vorgegangen sei und diese am Körper verletzt habe. Selbst wenn auch die damalige Lebensgefährtin zum tatrelevanten Zeitraum Alkohol konsumiert habe, könne dies keine Entschuldigung für das äußerst aggressive Verhalten des Beschwerdeführers sein. Der Beschwerdeführer habe mehrmals (mindestens zweimal) in alkoholisiertem Zustand Aggressionshandlungen gesetzt und dadurch seine frühere Lebensgefährtin am Körper verletzt. Dies sei auch durch die jeweiligen Diversionsmaßnahmen (die vom Beschwerdeführer angenommen worden seien) eindeutig festgestellt worden. Bei Menschen, wie dem Beschwerdeführer, die unter bestimmten Voraussetzungen dazu neigten, Aggressionshandlungen zu setzen und dadurch eine Gefahr für die in § 12 WaffG angeführten Schutzgüter darstellten, sei es keineswegs ausgeschlossen, dass sie Waffen missbräuchlich verwenden und eine erhebliche Gefahr für diese Schutzgüter darstellen könnten. Vorfälle derart, dass jemand in alkoholisiertem Zustand zu Unbeherrschtheit, Jähzorn, Aggressivität und Gewalttätigkeit neige, seien als eine Tatsache zu werten, die die Annahme rechtfertige, dass eine Gefährdung der öffentlichen Sicherheit durch missbräuchliche Verwendung einer Waffe im Bereich der Möglichkeit liege, jedenfalls nicht ausgeschlossen werden könne. Auf Grund der Trennung des Beschwerdeführers von seiner Lebensgefährtin seien die Voraussetzungen für die Erlassung des Waffenverbots nicht weggefallen, zumal der Wegfall der Konfliktsituation, in der es zu aggressiven Verhaltensweisen gekommen sei, mit Rücksicht darauf, dass sich aus gänzlich anderem Anlass ähnliche Affektsituationen ergeben könnten, der Verhängung eines Waffenverbots nicht entgegenstehe. Die belangte Behörde gehe davon aus, dass der Beschwerdeführer (wie bereits erwähnt) dazu neige, unbeherrscht und äußerst aggressiv zu reagieren.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes oder wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem nach § 12 Abs 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Gemäß § 12 Abs 1 WaffG hat die Behörde einem Menschen den Besitz von Waffen und Munition zu verbieten (Waffenverbot), wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass dieser Mensch durch missbräuchliches Verwenden von Waffen Leben, Gesundheit oder Freiheit von Menschen oder fremdes Eigentum gefährden könnte. Nach § 12 Abs 2 leg cit sind die im Besitz des Menschen, gegen den ein Waffenverbot erlassen wurde, befindlichen (1.) Waffen und Munition sowie (2.) Urkunden (ausgenommen Jagdkarten), die nach dem WaffG zum Erwerb, Besitz, Führen oder zur Einfuhr von Waffen oder Munition berechtigen, unverzüglich sicherzustellen. Für die damit betrauten Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes gilt § 50 des Sicherheitspolizeigesetzes.

Die Verhängung eines Waffenverbotes dient der Verhütung von Gefährdungen der in § 12 Abs 1 WaffG bezeichneten Art und setzt nicht voraus, dass es schon zu einem missbräuchlichen Verwenden von Waffen durch den Betroffenen gekommen ist. Dabei genügt es, wenn konkrete Umstände vorliegen, die die Besorgnis erwecken, dass von der Waffe ein gesetz- oder zweckwidriger Gebrauch gemacht werden könnte. Hiebei ist nach dem dem WaffG allgemein innewohnenden Schutzzweck ein strenger Maßstab anzulegen (vgl etwa das hg Erkenntnis vom 23. Oktober 2008, Zl 2005/03/0134, mwH). Weiters hat der Verwaltungsgerichtshof in seiner Rechtsprechung zu Situationen familiärer Gewalt mit Verletzungsfolgen festgehalten, dass schon ein einmaliger Vorfall, bei dem der Betroffene - mit der Folge einer Verurteilung zu einer Geldstrafe - seine Ehegattin durch Würgen und Versetzen von Schlägen, wodurch sie zu Boden gestürzt war, verletzt und auf diese Weise den Tatbestand des § 83 Abs 1 StGB verwirklicht hatte, als Gewaltexzess zu werten sei und ungeachtet eines untadeligen Vorlebens die Verhängung eines Waffenverbotes gemäß § 12 Abs 1 WaffG rechtfertige, wobei nicht entscheidend sei, durch welches Verhalten auch immer die Auseinandersetzungen ihren Ursprung genommen hätten (vgl nochmals das Erkenntnis Zl 2005/03/0134, mwH).

Vor diesem rechtlichen Hintergrund ist der Beschwerde kein Erfolg beschieden. Nach den nicht bestrittenen Ausführungen im angefochtenen Bescheid hat der Beschwerdeführer mehrfach ein durch besondere Aggressivität gekennzeichnetes Verhalten gegenüber der Person, mit der er damals zusammen wohnte - seine damalige Lebensgefährtin -, gesetzt und diese dabei am Körper verletzt. Durch das dabei zutage getretene Aggressionspotential weist dieses Verhalten einen waffenrechtlichen Bezug auf, sodass es die belangte Behörde ihrer Verhaltensprognose zugrunde legen durfte. Auch das Ergebnis der behördlichen Beurteilung, dass dieses Verhalten die Besorgnis erweckt, dass der Beschwerdeführer von der Waffe einen gesetz- oder zweckwidrigen Gebrauch machen könnte, und deshalb nach § 12 Abs 1 WaffG das vorliegende Waffenverbot zu verhängen war, erweist sich als rechtskonform. Angesichts seines wiederholten Fehlverhaltens ist für den Beschwerdeführer mit dem Einwand, nach dem gerichtlichen Strafverfahren treffe ihn nur ein geringfügiges Verschulden, und die belangte Behörde habe sich nicht damit auseinandergesetzt, ob ihn ein Alleinverschulden treffe oder ob eine Provokation durch die verletzte Person oder "allenfalls unglückliche Zufälle" vorgelegen hätten, nichts zu gewinnen. Gleiches gilt für den vom Beschwerdeführer geltend gemachten Umstand, dass der Vorfall vom 30. September 2007 mehr als drei Jahre nach dem letzten davor liegenden Vorfall erfolgte. Bei Erlassung des angefochtenen Bescheides lag dieses frühere Fehlverhalten noch nicht so lange zurück, dass auf Grund des bis zur Erlassung des angefochtenen Bescheids verstrichenen Zeitraums von einem Wegfall oder zumindest einer entscheidungswesentlichen Minderung der dadurch (im Zusammenhalt mit dem Vorfall im Jahr 2007) erweckten Besorgnis iSd § 12 Abs 1 WaffG auszugehen gewesen wäre. Damit war es für die Behörde nicht erforderlich, eine "neue Gefahrenprognose" mit Hilfe eines medizinischen Sachverständigen zu erstellen, weshalb auch die Einholung eines Sachverständigengutachtens aus dem Bereich Psychiatrie entbehrlich war. Dass "im Verfahren zur Überprüfung auf allfällige gesundheitliche Nichteignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen" ein psychiatrisches Gutachten eingeholt und ein verkehrspsychologischer Test durchgeführt worden seien, vermag daran nichts zu ändern.

Vor diesem Hintergrund gehen auch die Verfahrensrügen fehl, die belangte Behörde habe den angefochtenen Bescheid bezüglich des Verschuldens Beschwerdeführers für sein Fehlverhalten nicht hinreichend begründet und es unterlassen, ein Sachverständigengutachten der genannten Art einzuholen. Bezüglich des behaupteten Verfahrensmangels, die belangte Behörde hätte weder den Beschwerdeführer noch seine frühere Lebensgefährtin einvernommen, unterlässt es die Beschwerde schließlich, dessen Wesentlichkeit darzutun, wird doch nicht ausgeführt, zu welchen konkreten anderen Tatsachenfeststellungen die belangte Behörde bei Vermeidung des Mangels hätte kommen können (vgl § 42 Abs 2 Z 3 VwGG).

Die Beschwerde erweist sich somit als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs 1 VwGG abzuweisen war.

Der Spruch über den Aufwandersatz gründet im Rahmen des gestellten Begehens auf §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl II Nr 455.

Wien, am 17. April 2009

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