VwGH 2012/01/0133

VwGH2012/01/013329.11.2012

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stöberl und die Hofräte Dr. Blaschek, Dr. Kleiser, Dr. Hofbauer und Dr. Fasching als Richter, im Beisein des Schriftführers MMag. Stelzl, über die Beschwerde der N F in P, vertreten durch Dr. Monika Pitzlberger, Rechtsanwalt in 1090 Wien, Rooseveltplatz 13/2/15, gegen den Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom 9. August 2012, Zl. IVW2-PS-1670/001-2009, betreffend Staatsbürgerschaft, zu Recht erkannt:

Normen

AsylG 1997 §19 Abs1;
AsylG 1997 §19 Abs4;
NAG 2005 §43 Abs2 idF 2009/I/029;
NAG 2005 §44a idF 2009/I/029;
NAG 2005 §44b Abs3 idF 2009/I/029;
StbG 1985 §10 Abs1 Z1 idF 2006/I/037;
AsylG 1997 §19 Abs1;
AsylG 1997 §19 Abs4;
NAG 2005 §43 Abs2 idF 2009/I/029;
NAG 2005 §44a idF 2009/I/029;
NAG 2005 §44b Abs3 idF 2009/I/029;
StbG 1985 §10 Abs1 Z1 idF 2006/I/037;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Land Niederösterreich Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde den Antrag der Beschwerdeführerin, einer albanischen Staatsangehörigen, vom 1. August 2007 auf Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft gemäß "§§ 10 Abs. 1 Z 1 und 39 des Staatsbürgerschaftsgesetzes 1985 (StbG), BGBl. Nr. 311/1985 in der derzeit geltenden Fassung" ab.

Begründend führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, die Beschwerdeführerin habe seit dem Jahr 2002 einen ununterbrochenen Hauptwohnsitz bzw. Aufenthalt in Österreich. Ihr rechtmäßiger Aufenthalt im Bundesgebiet habe auf Grund einer vorläufigen Berechtigung nach § 19 Asylgesetz (1997) am 2. Mai 2002 begonnen. Diese Aufenthaltsberechtigung habe mit dem rechtskräftigen negativen Abschluss ihres Asylverfahrens am 20. Oktober 2010 geendet. Im Zeitraum zwischen dem 20. Oktober 2010 und dem 23. November 2010 (rechtswirksame Erteilung der "Erstniederlassungsbewilligung unbeschränkt" nach § 43 Abs. 2 NAG) habe sich die Beschwerdeführerin ohne Aufenthaltstitel im Bundesgebiet aufgehalten. In diesem Zeitraum sei daher der rechtmäßige Aufenthalt der Beschwerdeführerin im Bundesgebiet unterbrochen gewesen.

Die Erteilung der Niederlassungsbewilligung wirke in dem Sinne konstitutiv, dass erst mit Aushändigung bzw. Gültigkeit des Aufenthaltstitels einem Fremden ein Aufenthaltsrecht eingeräumt werde. Die Behauptung der Beschwerdeführerin, wonach die Erteilung der Niederlassungsbewilligung infolge des am 27. Oktober 2010 bei der Bezirkshauptmannschaft Baden gestellten Antrages auf humanitären Aufenthalt rückwirkend mit dem Zeitpunkt des rechtskräftigen Abschluss des Asylverfahrens zu einem rechtmäßigen Aufenthalt führe, gehe ins Leere.

Im Übrigen erfülle die Beschwerdeführerin infolge ihrer erst am 23. November 2010 erteilten Niederlassungsbewilligung auch nicht das Erfordernis der fünfjährigen Niederlassung im Sinne des § 10 Abs. 1 Z. 1 StbG.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragte.

 

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Gemäß § 10 Abs. 1 Z. 1 Staatsbürgerschaftsgesetz 1985, BGBl. Nr. 311, in der Fassung der Staatsbürgerschaftsrechts-Novelle 2005, BGBl. I Nr. 37/2006 (StbG), darf die Staatsbürgerschaft einem Fremden, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, nur verliehen werden, wenn er sich seit mindestens zehn Jahren rechtmäßig und ununterbrochen im Bundesgebiet aufgehalten hat und davon zumindest fünf Jahre niedergelassen war.

Gemäß § 19 Abs. 1 erster Satz Asylgesetz 1997, BGBl. I Nr. 76 in der Fassung BGBl. I. Nr. 82/2001 (AsylG), sind Asylwerber, die sich im Bundesgebiet befinden, vorläufig zum Aufenthalt berechtigt, es sei denn, ihr Antrag wäre wegen entschiedener Sache zurückzuweisen. Gemäß Abs. 4 erster Satz leg. cit. endet die vorläufige Aufenthaltsberechtigung, wenn das Verfahren eingestellt oder rechtskräftig abgeschlossen ist.

Gemäß § 43 Abs. 2 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz, BGBl. I. Nr. 100/2005 in der im Beschwerdefall maßgeblichen Fassung BGBl. I. Nr. 29/2009 (NAG), ist - unter den dort genannten Voraussetzungen (Z. 1 bis 3.) - im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen von Amts wegen (§ 44a) oder auf begründeten Antrag (§ 44b), der bei der örtlich zuständigen Behörde im Inland einzubringen ist, eine quotenfreie "Niederlassungsbewilligung - unbeschränkt" zu erteilen.

Gemäß § 44a erster Satz NAG hat die Behörde einen Aufenthaltstitel gemäß § 43 Abs. 2 oder 44 Abs. 3 von Amts wegen zu erteilen, wenn eine Ausweisung des Drittstaatsangehörigen gemäß § 10 AsylG 2005 oder gemäß § 66 FPG rechtskräftig auf Dauer für unzulässig erklärt wurde.

Gemäß § 44 b Abs. 3 erster Satz NAG begründen Anträge gemäß § 43 Abs. 2 und 44 Abs. 3 kein Aufenthalts- oder Bleiberecht nach diesem Bundesgesetz.

2. Dem angefochtenen Bescheid liegt die Auffassung zu Grunde, die Beschwerdeführerin erfülle weder die Voraussetzung des zehnjährigen rechtmäßigen und unterbrochenen Aufenthalts noch jene der fünfjährigen Niederlassung im Sinne des § 10 Abs. 1 Z. 1 StbG.

3. Die Beschwerde bringt dagegen zusammengefasst vor, es sei davon auszugehen, dass in Aufenthalts- und Niederlassungsangelegenheiten einem Antragsteller schon ab dem Zeitpunkt der Antragstellung ein Aufenthaltsrecht eingeräumt sei. Die Beschwerdeführerin erfülle überdies aufgrund ihrer jahrelangen Beschäftigung, Kranken- und Pensionsversicherung und Wohnungnahme in Österreich bzw. infolge ihrer Kenntnisse der deutschen Sprache das Erfordernis der fünfjährigen Niederlassung.

Mit diesem Vorbringen vermag die Beschwerde - welche die von der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid getroffenen Feststellungen im Übrigen nicht bestreitet - keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides aufzuzeigen.

4. Der Verwaltungsgerichtshof hat in seiner Rechtsprechung klargestellt, dass nach dem Wortlaut des § 10 Abs. 1 Z. 1 StbG ("rechtmäßig und ununterbrochen") Verleihungsvoraussetzung ist, dass der Verleihungswerber zurückgerechnet vom Zeitpunkt der Entscheidung der Staatsbürgerschaftsbehörde einen - unter Berücksichtigung der Unterbrechungstatbestände des § 15 Abs. 1 StbG - durchgehenden (eben "ununterbrochenen") legalen Aufenthalt im Bundesgebiet vorweisen kann (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 26. Jänner 2012, Zl. 2010/01/0003, mwN).

Die Bestimmung des § 10 Abs. 1 Z. 1 StbG erfordert, dass der Staatsbürgerschaftswerber mindestens zehn Jahre rechtmäßig im Bundesgebiet aufhältig und in dieser Zeit zumindest fünf Jahre niedergelassen ist, wobei diese beiden Verleihungsvoraussetzungen kumulativ vorliegen müssen (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 26. Jänner 2012, Zl. 2010/01/0008, mwN).

Der Verwaltungsgerichtshof hat im Erkenntnis vom 25. Juni 2009, Zl. 2006/01/0520, unter Hinweis auf Vorjudikatur das Kriterium des zehnjährigen rechtmäßigen und ununterbrochenen Aufenthalts im Bundesgebiet zusammenfassend erläutert sowie die Voraussetzungen für die Erfüllung des Erfordernisses der fünfjährigen Niederlassung dargelegt. Auf die Entscheidungsgründe dieses Erkenntnisses wird gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG verwiesen.

"Niedergelassen" im Sinne des § 10 Abs. 1 Z. 1 StbG ist demnach, wer - als Drittstaatsangehöriger - zu einem der in § 2 Abs. 2 NAG genannten Zwecke auf der Grundlage eines entsprechenden Aufenthaltstitels (Niederlassungsbewilligung bzw. Niederlassungsberechtigung) mindestens fünf Jahre in Österreich aufhältig ist (vgl. abermals das hg. Erkenntnis vom 26. Jänner 2012, Zl. 2010/01/0008, mwN).

5. Zum "rechtmäßigen und ununterbrochenen" zehnjährigen Aufenthalt:

Nach den unstrittigen Feststellungen im angefochtenen Bescheid endete das vorläufige Aufenthaltsrecht der Beschwerdeführerin (im Asylverfahren) mit Wirksamkeit vom 20. Oktober 2010; erst am 23. November 2010 wurde ihr - nach Ausweis der vorgelegten Verwaltungsakten: "amtswegig" - eine "(Erst)Niederlassungsbewilligung-unbeschränkt" gemäß § 43 Abs. 2 (iVm. § 44a) NAG erteilt.

Nach den Gesetzesmaterialien (vgl. RV 88 BlgNR, 24. GP) stellt § 44a NAG "das wesentliche Bindeglied zwischen NAG, Asylgesetz 2005 und FPG dar, indem es in den Fällen einer auf Dauer unzulässigen Ausweisungsentscheidung die gleichsam 'automatische' Erteilung eines Aufenthaltstitels - unter den in den §§ 43 Abs. 2 und 44 Abs. 3 normierten Voraussetzungen - vorsieht und damit dem Bedürfnis Rechnung trägt, nicht auszuweisenden Fremden ein Aufenthaltsrecht in Österreich zu gewähren".

Weder dem Gesetzeswortlaut noch den erwähnten Gesetzesmaterialien ist demnach zu entnehmen, dass die amtswegige Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 43 Abs. 2 iVm. § 44a NAG ein (im Beschwerdefall: auf den Abschluss des Asylverfahrens der Beschwerdeführerin) rückwirkendes Aufenthalts- oder Bleiberecht begründet bzw. einen unrechtmäßigen Aufenthalt legalisiert (vgl. das hg. Erkenntnis vom 19. September 2012, Zl. 2010/01/0043).

Daran würde sich im Übrigen auch nichts ändern, sollte die Beschwerdeführerin - wie von ihr im Verwaltungsverfahren vorgebracht - (am 27. Oktober 2010) einen Antrag auf Erteilung einer "Aufenthaltsgenehmigung" gestellt haben. Gemäß § 44b Abs. 3 NAG begründen nämlich gemäß § 43 Abs. 2 leg. cit. im Inland gestellte Anträge kein Aufenthalts- oder Bleiberecht bzw. legalisieren solche Anträge einen unrechtmäßigen Aufenthalt nicht (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 15. September 2010, Zl. 2010/18/0271, mwN; vgl. auch das hg. Erkenntnis vom 19, September 2012, Zl. 2011/01/0198).

Die belangte Behörde ist demnach zu Recht von einer Unterbrechung des rechtmäßigen Aufenthalts der Beschwerdeführerin im erwähnten Zeitraum ausgegangen.

6. Zur fünfjährigen Niederlassung:

Nach dem bisher Gesagten war die Beschwerdeführerin zum Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides im Sinne der oberwähnten hg. Rechtsprechung auch noch nicht fünf Jahre in Österreich niedergelassen. Die von der Beschwerdeführerin vorgebrachten integrationsbegünstigenden Umstände vermögen am Erfordernis eines mindestens fünf Jahre gültigen Aufenthaltstitels nichts zu ändern (vgl. das erwähnte hg. Erkenntnis vom 25. Juni 2009, wonach der tatsächliche Aufenthalt im Bundesgebiet das Erfordernis der Niederlassung nach § 10 Abs. 1 Z. 1 StbG nicht erfüllt, sondern die Niederlassung auch "rechtmäßig" sein muss).

7. Die belangte Behörde hat daher das Verleihungsansuchen der Beschwerdeführerin zu Recht abgewiesen, weil diese weder die Verleihungsvoraussetzung des zehnjährigen rechtmäßigen und ununterbrochenen Aufenthalts im Bundesgebiet noch jene der fünfjährigen Niederlassung im Sinne des § 10 Abs. 1 Z. 1 StbG erfüllte.

8. Da sich die Beschwerde somit als unbegründet erweist, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

9. Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.

Wien, am 29. November 2012

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