VwGH 2012/01/0017

VwGH2012/01/001719.9.2012

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stöberl und die Hofräte Dr. Blaschek, Dr. Kleiser, Dr. Hofbauer und Dr. Fasching als Richter, im Beisein des Schriftführers MMag. Stelzl, über die Beschwerde des M M in W, vertreten durch Dr. Wolfgang Rainer, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Schwedenplatz 2/74, gegen den Unabhängigen Verwaltungssenat Wien wegen Verletzung der Entscheidungspflicht in Angelegenheit einer Maßnahmen- und Richtlinienbeschwerde gemäß § 42 Abs. 4 zweiter Satz VwGG (weitere Partei: Bundesministerin für Inneres) zu Recht erkannt:

Normen

AVG §67a Abs1 Z2;
AVG §67c Abs3;
AVG §79a;
AVG §67a Abs1 Z2;
AVG §67c Abs3;
AVG §79a;

 

Spruch:

Gemäß § 67a Abs. 2 Z. 2 iVm § 67c Abs. 3 AVG wird die im Zuge der für rechtswidrig erklärten Anhaltung erfolgte Fesselung des Beschwerdeführers mit Handschellen gleichfalls für rechtswidrig erklärt.

Gemäß § 79a AVG iVm der UVS-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 456, hat der Bund dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 6.465,19 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen für die Säumnisbeschwerde in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer erhob mit Schriftsatz vom 29. März 2000 eine auf "§§ 67a Abs. 1 Z. 2 AVG und 88, 89 SPG" gestützte Beschwerde wegen des Einschreitens von Einsatzkräften der Bundespolizeidirektion Wien am 17. Februar 2000 in einer Asylwerberunterkunft. Er wandte sich in seiner Maßnahmen- und Richtlinienbeschwerde gegen eine im Zuge einer (auf Grund eines Hausdurchsuchungsbefehls des Jugendgerichtshofes Wien durchgeführten) Hausdurchsuchung erfolgte - seiner Ansicht nach rechtswidrige - Freiheitsbeschränkung, Fesselung und Durchsuchung seiner Person sowie gegen eine Verletzung von Richtlinien dadurch, dass ihm weder der Anlass noch der Zweck des Einschreitens mitgeteilt worden sei und er über sein Recht auf Verständigung oder Beiziehung einer Vertrauensperson oder eines Rechtsbeistandes nicht in Kenntnis gesetzt worden sei.

Zur Vorgeschichte wird auf die hg. Erkenntnisse vom 7. Oktober 2003, Zl. 2001/01/0311, und vom 20. September 2006, Zl. 2004/01/0308, verwiesen.

Die belangte Behörde erließ, nachdem der Beschwerdeführer eine Säumnisbeschwerde erhoben hatte, den Ersatzbescheid vom 10. September 2008.

In der gegen diesen Ersatzbescheid zur hg. Zl. 2008/17/0229 erhobenen Beschwerde machte der Beschwerdeführer die Unzuständigkeit der belangten Behörde (wegen der Erlassung des Ersatzbescheides nach Ablauf der gemäß § 36 Abs. 2 VwGG eingeräumten Frist) ausdrücklich geltend.

Auf Grund dieser Unzuständigkeitseinrede musste der Ersatzbescheid der belangten Behörde vom 10. September 2008 mit hg. Erkenntnis vom 27. Februar 2009, Zl. 2008/17/0229, gemäß § 42 Abs. 2 Z. 2 VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit aufgehoben werden.

Die belangte Behörde stellte sich nach Zustellung dieses Erkenntnisses - wie sich aus dem Aktenvermerk vom 29. April 2009 ergibt - auf den Standpunkt, in dieser Angelegenheit sei "nichts weiter zu veranlassen und der Akt zu schließen". Über die mit hg. Erkenntnis zu Zl. 2004/01/0308 aufgehobenen Spruchpunkte (Fesselung und Kostenersatzanspruch) traf die belangte Behörde in weiterer Folge keine Entscheidung.

Mit Schriftsatz vom 29. Oktober 2009 erhob der Beschwerdeführer beim Verwaltungsgerichtshof Beschwerde gegen die belangte Behörde wegen Verletzung der Entscheidungspflicht (im Umfang der unerledigten Ersatzentscheidung).

Mit Verfügung vom 2. November 2009 leitete der Verwaltungsgerichtshof gemäß § 35 Abs. 3 VwGG das Vorverfahren ein und trug der belangten Behörde auf, innerhalb einer Frist von drei Monaten den versäumten Bescheid zu erlassen. Diese Verfügung wurde der belangten Behörde am 10. November 2009 zugestellt.

Mit Schriftsatz vom 19. Jänner 2010 (sohin vor Ablauf der gemäß § 36 Abs. 2 VwGG eingeräumten Frist) legte die belangte Behörde die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und führte dazu aus, es liege keine Verletzung der Entscheidungspflicht vor, weil sie "zur Erlassung eines Ersatzbescheides unzuständig ist".

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die - zulässige - Säumnisbeschwerde in der Sache selbst erwogen:

Gemäß Art. 132 B-VG kann Beschwerde wegen Verletzung der Entscheidungspflicht durch Verwaltungsbehörden einschließlich der unabhängigen Verwaltungssenate erheben, wer im Verwaltungsverfahren als Partei zur Geltendmachung der Entscheidungspflicht berechtigt war.

Gemäß § 27 Abs. 1 VwGG kann Beschwerde wegen Verletzung der Entscheidungspflicht (Säumnisbeschwerde) nach Art. 132 B-VG erst erhoben werden, wenn die oberste Behörde, die im Verwaltungsverfahren, sei es im Instanzenzug, sei es im Weg eines Antrages auf Übergang der Entscheidungspflicht oder der unabhängige Verwaltungssenat, der nach Erschöpfung des Instanzenzuges, sei es durch Berufung oder im Weg eines Antrages auf Übergang der Entscheidungspflicht angerufen werden konnte, von einer Partei angerufen worden ist und nicht binnen sechs Monaten, wenn aber das das einzelne Gebiet der Verwaltung regelnde Gesetz für den Übergang der Entscheidungspflicht eine kürzere oder längere Frist vorsieht, nicht binnen dieser in der Sache entschieden hat. Die Frist läuft von dem Tag, an dem der Antrag auf Sachentscheidung bei der Stelle eingelangt ist, bei der er einzubringen war.

Im vorliegenden Fall war die Frist des § 27 Abs. 1 VwGG zur Erlassung des Ersatzbescheides über die unerledigten Spruchpunkte der Maßnahmen- und Richtlinienbeschwerde im Zeitpunkt der Erhebung der Beschwerde abgelaufen. Da die belangte Behörde den versäumten Ersatzbescheid innerhalb der gemäß § 36 Abs. 2 VwGG gesetzten Frist nicht nachgeholt hat bzw. eine Entscheidung sogar verweigerte, ist die Zuständigkeit zur Entscheidung in der Sache auf den Verwaltungsgerichtshof übergegangen.

Entgegen ihrer mit der Aktenvorlage vertretenen Ansicht war die belangte Behörde nach Aufhebung des Ersatzbescheides vom 10. September 2008 wegen Unzuständigkeit im fortgesetzten Verfahren zur Entscheidung in der Verwaltungssache (wieder) zuständig. Sie hätte den Ersatzbescheid erlassen müssen (vgl. dazu die hg. Erkenntnisse vom 23. Februar 2011, Zl. 2009/06/0127, vom 15. März 2010, Zl. 2008/01/0096, und vom 4. September 2008, Zl. 2008/17/0147).

Mit dem gemäß § 63 Abs. 1 VwGG maßgeblichen Vorerkenntnis zu hg. Zl. 2004/01/0308 wurde wie folgt entschieden:

"Die Behandlung der Beschwerde wird, soweit sie sich auf den

2. Spruchpunkt (betreffend die behauptete Personendurchsuchung des Beschwerdeführers) und den 5. Spruchpunkt (betreffend Kostenersatzanspruch des Bundes gemäß § 79a AVG) des angefochtenen Bescheides bezieht, abgelehnt.

Der angefochtene Bescheid, der in seinem

  1. 3. und 4. Spruchpunkt unbekämpft geblieben ist, wird in seinem
  2. 1. Spruchpunkt (betreffend die behauptete Fesselung des Beschwerdeführers) wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften und in seinem 6. und 7. Spruchpunkt (betreffend Kostenersatzanspruch des Beschwerdeführers gemäß § 79a AVG) wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen."

Gemäß § 63 Abs. 1 VwGG sind die Verwaltungsbehörden in dem Fall, dass der Verwaltungsgerichtshof einer Beschwerde gemäß Art. 131 B-VG stattgegeben hat, verpflichtet, mit den ihnen zu Gebote stehenden rechtlichen Mitteln unverzüglich den der Rechtsanschauung des Verwaltungsgerichtshofes entsprechenden Rechtszustand herzustellen; bei Erlassung des Ersatzbescheides ist die Behörde an die vom Verwaltungsgerichtshof im aufhebenden Erkenntnis geäußerte Rechtsansicht gebunden; der obsiegende Beschwerdeführer hat ein subjektives Recht auf Beachtung der Bindungswirkung des § 63 Abs. 1 VwGG.

Die Bindung der Behörde erstreckt sich dabei nur auf jene Fragen, zu denen sich der Verwaltungsgerichtshof geäußert hat, sowie auf die Frage ihrer Zuständigkeit als notwendige Voraussetzung des aufhebenden Erkenntnisses des Verwaltungsgerichtshofes; auch der Verwaltungsgerichtshof selbst hat in einem weiteren, denselben Fall betreffenden Beschwerdeverfahren diese Bindung zu beachten (vgl. das hg. Erkenntnis vom 17. Dezember 2009, Zl. 2009/03/0096, mwN).

Der Verwaltungsgerichtshof trifft folgende Sachverhaltsfeststellungen:

In dem vom Beschwerdeführer am 17. Februar 2000 bewohnten Zimmer (in Wien 10., Sonnwendgasse 22) war auch der aus Uganda stammende, des Suchtgifthandels verdächtige BZ untergebracht. BZ beherrschte die englische Sprache, wohingegen der aus Angola stammende Beschwerdeführer Portugiesisch spricht und die englische Sprache nicht beherrschte.

Die eindringenden Beamten (in Einsatzoverall, beschusshemmender Ausrüstung, Einsatzhelm, Gesichtsmaske und im Anschlag gehaltener Dienstpistole) öffneten durch Nachsperre das Zimmer, schalteten das Licht ein und weckten den Beschwerdeführer und BZ. Einer der Beamten rief in englischer Sprache "Don't move!". Die Beamten fixierten in der Folge den Beschwerdeführer, der entgegen der erwähnten Anordnung aufgestanden war, und dieser versuchte, sich aus der Fixierung zu entwinden. Aus diesem Grund legten die Beamten dem Beschwerdeführer Handfesseln (Handschellen) an.

Beweiswürdigend ist entscheidend, dass die Bundespolizeidirektion Wien in ihrer Gegenschrift an die belangte Behörde vom 29. Juni 2000 u.a. Folgendes (ausdrücklich) vorbrachte:

"Während ein weiterer Zimmerbewohner den sofortigen Anordnungen der Beamten Folge leistete, beachtete der BF (Anmerkung: damit gemeint ist der Beschwerdeführer) diese nicht. Die SWB (Anmerkung: damit gemeint sind Sicherheitswachebeamte) fixierten den BF, und dieser versuchte, sich aus der Fixierung zu entwinden. Aus diesem Grund legten die Beamten dem BF Handfesseln an. … Nachdem der BF seinen Widerstand beendet hatte, wurden ihm die Handfesseln sogleich wieder abgenommen."

Die Fesselung des Beschwerdeführers (mit Handschellen) wurde von der Bundespolizeidirektion Wien somit ausdrücklich zugestanden. Sie war in sachverhaltsmäßiger Hinsicht nicht strittig. Dennoch traf die belangte Behörde in ihren Bescheiden vom 27. Februar 2001 und 27. April 2004 jeweils negative Feststellungen über diese Fesselung des Beschwerdeführers.

Der Verwaltungsgerichtshof erachtete diese Beweiswürdigung bzw. Feststellung der belangten Behörde - wonach dem Beschwerdeführer keine Handfesseln angelegt worden seien - in beiden Vorerkenntnissen als unschlüssig.

Im Erkenntnis vom 20. September 2006 zu Zl. 2004/01/0308 wurde dazu Folgendes ausgeführt:

"Der Verwaltungsgerichtshof hat die von der belangten Behörde im (Erst-)Bescheid vom 27. Februar 2001 vorgenommene Beweiswürdigung als nicht schlüssig angesehen, weil der wesentliche Widerspruch der Aussage des Beamten F. (nach der einer Person Handschellen angelegt worden seien, weil diese entgegen der Aufforderung "don't move" trotzdem aufgestanden sei) gegenüber der Hypothese der belangten Behörde (nach welcher der mitverdächtige Mitbewohner Z. gefesselt worden sei, über dessen Identität sich die Beamten von vornherein im Klaren gewesen seien) keiner Erklärung zugeführt worden sei (vgl. das hg. Erkenntnis vom 7. Oktober 2003, Zl. 2001/01/0311, Punkt 2.1.).

Im angefochtenen Bescheid gesteht die belangte Behörde zu, die Hypothese, wonach das Anlegen der Handschellen gegenüber dem Mitbewohner des Beschwerdeführers nach Feststellung von dessen Identität erfolgt sei, sei unschlüssig, da nach dem festgestellten Sachverhalt diese Identitätsfeststellung erst nach Herstellung der Sicherheit durch die Wega-Beamten von Seiten der Kriminalbeamten und daher erst zu einem späteren Zeitpunkt erfolgt sei. Sie stützt die Feststellung, dem Beschwerdeführer seien keine Handfesseln angelegt worden, nunmehr auf den Umstand, dass seitens der Beamten beim Beschwerdeführer kein Widerstand festgestellt worden sei und das Anlegen der Handschellen schon aus diesem Grunde nicht notwendig gewesen sei. Die belangte Behörde hat in ihrer nunmehrigen Beweiswürdigung in diesem Punkt die Aussage der drei eingesetzten Wega-Beamten G., B. und F. zu Grunde gelegt und diese einander gegenüber gestellt. Dabei ist die Behörde der Aussage des G. gefolgt, der ihrer Auffassung nach "die detailliertesten Erinnerungen" gehabt habe, wohingegen F. nur mehr eine sehr geringe Erinnerung an die gegenständliche Amtshandlung gehabt habe.

Diese Würdigung berücksichtigt jedoch nicht, dass jener Teil der Aussage des F. (wiedergegeben auf S 33 des angefochtenen Bescheides), der den Ablauf der Fesselung beschreibt, durchaus konkret und nachvollziehbar ist (so nennt diese Aussage den Wortlaut der Aufforderung, die Person, von welcher die Aufforderung gekommen war, die Reaktion der zwei Zimmerbewohner auf die Aufforderung, die anschließende Fesselung und Entfernung der Handfesseln). Hinzu kommt, dass B. (welcher nach Aussage des F. diese Aufforderung ausgesprochen haben solle) in seiner Aussage (wiedergegeben auf S 27 des angefochtenen Bescheides) bestätigt, dass derartige Aufforderungen "generell so gehandhabt" würden. Insbesondere wird aber der von F. geschilderte Geschehensablauf in der Gegenschrift der Bundespolizeidirektion Wien an die belangte Behörde vom 29. Juni 2000 im Wesentlichen deckungsgleich wieder gegeben und darüber hinaus angegeben, dass der Beschwerdeführer gefesselt worden sei. Mit diesem Beweismittel hat sich die belangte Behörde in ihrer Beweiswürdigung nicht beschäftigt."

Die vom Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom 20. September 2006 als konkret und nachvollziehbar bewertete Aussage des (u.a. auch) in das Zimmer des Beschwerdeführers eindringenden Beamten F. bestätigt die in der Gegenschrift der Bundespolizeidirektion Wien zugestandene Fesselung. Ausgehend auch vom aktenkundigen (unstrittigen) Sprachunvermögen des Beschwerdeführers (vgl. insbesondere auch das hg. Erkenntnis vom 24. Juni 2003, Zl. 2001/01/0260, betreffend die Kosten des Dolmetschers für die portugiesische Sprache) kann die vom Zeugen F. bezeichnete Person, die entgegen der Anordnung "Don't move" aus dem Bett aufstand, nur der Beschwerdeführer gewesen sein. Dass der Beschwerdeführer am 17. Februar 2000 entgegen seiner Behauptung diese Anordnung hätte verstehen können, ist nicht hervorgekommen.

Insoweit die Bundespolizeidirektion Wien nach Zustellung des Erkenntnisses vom 20. September 2006, Zl. 2004/01/0308, der belangten Behörde - über Anfrage, ob hinsichtlich des aufgehobenen Spruchpunktes 1. eine mündliche Verhandlung für notwendig erachtet werde - mit Schreiben vom 1. August 2007 mitteilte, sie verzichte auf eine mündliche Verhandlung und gleichzeitig werde die Behauptung (aus der Gegenschrift), "der Beschwerdeführer sei mit Handfesseln versehen worden, nicht aufrechterhalten; diese beruhte auf einem Irrtum", bleibt im Dunkeln, warum nunmehr ein nicht näher erklärter "Irrtum" entdeckt worden sein soll, bzw. wodurch ein solcher nunmehr aufgeklärt wurde. Die (nach sieben Jahren) nicht näher begründete Änderung in der Darstellung der zugestandenen Fesselung des Beschwerdeführers durch die Bundespolizeidirektion Wien ist nicht nachvollziehbar. Die Aussage des Beamten F. (in Zusammenhalt mit der Aussage des Beschwerdeführers) wird dadurch nicht entkräftet.

In rechtlicher Hinsicht ist von dem rechtskräftig gewordenen Abspruch des Bescheides vom 27. April 2004 (dessen Spruchpunkt 3.), dass die Anhaltung des Beschwerdeführers in seinem Zimmer rechtswidrig war, auszugehen.

Nach ständiger hg. Rechtsprechung (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 13. November 2008, Zl. 2003/01/0382, VwSlg. 17.567/A; und vom 22. Oktober 2002, Zl. 2001/01/0388) bilden die zur Umsetzung einer ausgesprochenen Verhaftung (Anhaltung) gesetzten Maßnahmen mit der Verhaftung eine Einheit, was letztlich zu dem Ergebnis führt, dass im Fall einer von vornherein rechtswidrigen Festnahme (Anhaltung) auch alle nachfolgenden Akte zur Durchsetzung derselben (etwa auch das Anlegen von Handfesseln) rechtswidrig sein müssen. Die festgestellte, zudem in Beschwerde gezogene Fesselung des Beschwerdeführers mit Handschellen ist daher als Nebenumstand der bereits als rechtswidrig festgestellten Anhaltung gleichfalls rechtswidrig.

Die Kostenentscheidung gemäß § 79a AVG geht von dem genannten Erkenntnis zu Zl. 2004/01/0308 aus (aufgehobener Kostenersatzanspruch des Beschwerdeführers in den Spruchpunkten 6. und 7.). Darin wurde zur Ermittlung der Zahl der Verwaltungsakte auf die Rechtsprechung im hg. Erkenntnis vom 12. April 2005, Zl. 2004/01/0277 mwN, verwiesen.

Im Beschwerdefall ist davon auszugehen, dass Anhaltung und Fesselung als eine (einzige) Amtshandlung und nicht als jeweils selbständige Verwaltungsakte anzusehen sind (vgl. auch Hengstschläger/Leeb, AVG, § 79a, Randzahlen 27 bis 28). Da der Streitpunkt der Fesselung nur eine Modalität des in Beschwerde gezogenen Verwaltungsaktes der Anhaltung betraf, ist dem Beschwerdeführer dafür nicht gesondert Aufwandersatz zuzuerkennen (vgl. insoweit auch das hg. Erkenntnis vom 24. Mai 2005, Zl. 2004/01/0489).

Der Beschwerdeführer war insgesamt in Bezug auf drei Verwaltungsakte erfolgreich (Maßnahme der Anhaltung einschließlich Fesselung und zwei Richtlinienverletzungen). Er hat daher Anspruch auf dreifachen Schriftsatz- und Verhandlungsaufwand gemäß § 79a AVG in Verbindung mit der UVS-Aufwandersatzverordnung 2008 (EUR 737,60 mal 3 = EUR 2.212,80 Schriftsatzaufwand; EUR 922 mal 3 = EUR 2.766,-- Verhandlungsaufwand).

Die im Kostenverzeichnis beantragten Stempelgebühren (EUR 1.280,--) sind - wie bereits im genannten Erkenntnis zu Zl. 2004/01/0308 dargelegt wurde - zu ersetzen.

Auf die Dolmetscherkosten ist das genannte Erkenntnis Zl. 2004/01/0308 ausdrücklich nicht eingegangen. Ausgehend vom hg. Erkenntnis vom 24. Juni 2003, Zl. 2001/01/0260, und dem danach ergangenen Ersatzbescheid der belangten Behörde vom 10. September 2003 ergibt sich, dass dem Beschwerdeführer Ersatz von Barauslagen in der Höhe von EUR 206,39 für die Teilnahme der Dolmetscherin für die portugiesische Sprache an den Verhandlungen am 6. September 2000 und am 27. Jänner 2001 gemäß § 76 Abs. 1 AVG auferlegt wurde. Diese Barauslagen - die am 27. Jänner 2001 noch nicht in ein Kostenverzeichnis aufgenommen werden konnten - sind dem Beschwerdeführer gemäß § 79a Abs. 1 und Abs. 4 Z. 1 AVG zu ersetzen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz für die Säumnisbeschwerde beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.

Wien, am 19. September 2012

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