Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer war bis Ende Juli 2003 Geschäftsführer einer GmbH, über deren Vermögen im Mai 2004 der Konkurs eröffnet wurde.
Mit Bescheid vom 7. März 2008 wurde er gemäß § 9 Abs. 1 in Verbindung mit § 80 BAO zur Haftung für Abgabenschulden der GmbH herangezogen. Die geltend gemachte Haftung bezog sich u.a. auf "Umsatzsteuer 01/2003" (EUR 296,47), "04/2003" (EUR 96.376,61) und "05/2003" (EUR 878,44) sowie "Umsatzsteuer 2003" (EUR 2.876,15, fällig am 16. Februar 2004) und "2004" (EUR 1.324,32, fällig am 15. Februar 2005). Der Haftungsbescheid enthielt als Teil der "Recht(mittel)belehrung" einen Hinweis auf das Recht des Beschwerdeführers, innerhalb der für die Einbringung der Berufung gegen den Haftungsbescheid offen stehenden Frist "auch gegen den/die Bescheid/e über den Abgabenanspruch/die Abgabenansprüche Berufung" zu erheben (§ 248 BAO).
Der Berufung des (unvertretenen) Beschwerdeführers gegen den Haftungsbescheid wurde mit Bescheid der belangten Behörde vom 11. August 2009 teilweise stattgegeben, wobei - soweit es die Umsatzsteuer anlangt - die erst nach dem Ausscheiden des Beschwerdeführers als Geschäftsführer fällig gewordenen Beträge (wie "Umsatzsteuer 2003" und "Umsatzsteuer 2004") aus dem Haftungsbetrag ausgeschieden wurden.
Der Beschwerdeführer hatte in Bezug auf die Haftung für "Umsatzsteuer 04/2003", deren besondere Höhe von EUR 96.376,61 sich im Wesentlichen aus einer einzigen Rechnung ergab, Einwendungen erhoben, denen die belangte Behörde im Berufungsbescheid vom 11. August 2009 entgegen hielt, er hätte sie in einem "Berufungsverfahren gemäß § 248 BAO" geltend machen müssen. Zur Begründung dafür wurde ausgeführt, "die Umsatzsteuervorauszahlung 04/2003" sei "mit Bescheid vom 2. Juli 2003 festgesetzt" worden.
Bei dem Betrag von EUR 2.876,15 an "Umsatzsteuer 2003", der aus dem Haftungsbetrag ausgeschieden wurde, handelte es sich um die Nachforderung aus dem zu Handen des Masseverwalters ergangenen Umsatzsteuerbescheid 2003 vom 7. Jänner 2005, der die Umsatzsteuer für das gesamte Jahr 2003 mit EUR 70.000,-- festsetzte. Dieser Bescheid, der den bisher vorgeschriebenen Betrag mit EUR 67.123,85 bezifferte, kam in der Berufungsentscheidung vom 11. August 2009 nicht vor.
Mit Schriftsatz vom 1. März 2010 beantragte der (unvertretene) Beschwerdeführer "die Wiederaufnahme des Verfahrens zur Aufhebung des Haftungsbescheides gemäß § 9 iVm § 80 BAO vom 7.3.2008, Aufhebung des Bescheides über die Aussetzung der Einhebung vom 21.7.2008, Aussetzung der Einhebung bis zur Ausstellung eines neuen Bescheides". Er stützte diesen Antrag auf beigelegte, ihm erst jetzt zugänglich gewordene Schriftstücke, aus denen sich ergebe, dass die für den hohen Betrag im April 2003 verantwortliche Rechnung vom Rechnungsempfänger nicht anerkannt und ungebucht zurückgestellt worden sei.
Gegen die Abweisung des Antrages "betreffend die Wiederaufnahme des Haftungsverfahrens" erhob der (unvertretene) Beschwerdeführer Berufung, die mit Bescheid der belangten Behörde vom 6. Oktober 2010 als unbegründet abgewiesen wurde. Begründend wurde u.a. ausgeführt, vom Beschwerdeführer seien die neu hervorgekommenen Beweismittel im abgeschlossenen Verfahren ohne grobes Verschulden nicht geltend gemacht worden und er habe nach Erlangung des Zugangs zu ihnen auch die Dreimonatsfrist des § 303 Abs. 2 BAO eingehalten. Aus den Beweismitteln ergebe sich jedoch "kein Wiederaufnahmsgrund betreffend das Haftungsverfahren". Sie beträfen Einwendungen, die in einem Verfahren gemäß § 248 BAO geltend zu machen gewesen wären, "da die haftungs- und berufungsgegenständliche Umsatzsteuer 04/2003 mit Bescheid vom 12. März 2004 festgesetzt wurde".
Der Jahresbescheid vom 7. Jänner 2005 kam in dieser Berufungsentscheidung nicht vor. Die Wiedergabe der Berufungsentscheidung vom 11. August 2009 enthielt auch den darin enthaltenen Begründungsteil, die "Umsatzsteuervorauszahlung 04/2003" sei "mit Bescheid vom 2. Juli 2003 festgesetzt worden".
Gegen den Berufungsbescheid vom 6. Oktober 2010 erhob der (nun vertretene) Beschwerdeführer zur hg. Zl. 2010/16/0272 Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof, die mit Erkenntnis vom 24. Februar 2011 als unbegründet abgewiesen wurde. Dem in dieser Beschwerde schon vertretenen Standpunkt, der Wiederaufnahmsantrag vom 1. März 2010 habe sich auch auf die bescheidmäßige Festsetzung des Abgabenbetrages bezogen, hielt der Verwaltungsgerichtshof entgegen, dies könne offen bleiben, weil die Berufungserledigung nur das Haftungsverfahren betroffen habe.
Mit Schriftsatz vom 28. Jänner 2011 hatte der Beschwerdeführer diesen Standpunkt auch im jetzt beschwerdegegenständlichen Devolutionsantrag vertreten, den die belangte Behörde mit dem angefochtenen Bescheid zurückwies. Sie verwies darauf, dass der Beschwerdeführer trotz Belehrung über § 248 BAO mit Schriftsatz vom 20. März 2008 "nur Berufung gegen den Haftungsbescheid" erhoben habe und auf sein diesbezügliches Versäumnis im nachfolgenden Berufungsverfahren auch hingewiesen worden sei. Dessen ungeachtet habe er sich auch im Schriftsatz vom 1. März 2010 "unmissverständlich" nur auf das Haftungsverfahren bezogen. In diesem Schriftsatz fehle "jeglicher Hinweis darauf", dass der Beschwerdeführer "auch eine Wiederaufnahme eines Umsatzsteuerbemessungsverfahrens beantragen wollte".
In der Darstellung des Verfahrensganges erwähnte die belangte Behörde - soweit ersichtlich, erstmals im Verfahren mit dem Beschwerdeführer als Haftungspflichtigen - den Umsatzsteuerjahresbescheid 2003 vom 7. Jänner 2005, der von ihr auch den vorgelegten Aktenteilen angeschlossen wurde. Sie schloss ihnen auch einen Bescheid vom 12. März 2004 über die "Festsetzung von Umsatzsteuer für 04/2003" an, der die Umsatzsteuer für diesen Monat mit EUR 97.328,86 festsetzte und den bisher vorgeschriebenen Betrag mit EUR 96.605,26 bezifferte.
In der Wiedergabe der Berufungsentscheidung vom 11. August 2009 erwähnte die belangte Behörde, der Beschwerdeführer sei in dieser Berufungsentscheidung darauf hingewiesen worden, dass Einwendungen "insbesondere gegen die Umsatzsteuerfestsetzung 4/2003 vom 2.7.2003" nur "vermittels eines Berufungsverfahrens gegen die Umsatzsteuer" erfolgreich geltend zu machen gewesen wären. Ein Bescheid vom 2. Juli 2003 ist in den vorgelegten Aktenteilen nicht enthalten.
Am Schluss ihrer rechtlichen Erwägungen hielt die belangte Behörde fest, der Beschwerdeführer habe in seinem Antrag vom 1. März 2010 "keine Wiederaufnahme der Umsatzsteuer 04/2003 vom 12.3.2004 oder anderer Grundlagenbescheide" beantragt.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.
Die belangte Behörde hat Aktenteile vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie u.a. ausführt, der Beschwerdeführer habe "nicht einmal andeutungsweise die Umsatzsteuer - sei es nun die Umsatzsteuerfestsetzung 4/2003 oder der Jahresbescheid 2003" - als Gegenstand seines Anbringens vom 1. März 2010 erwähnt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes sind Parteierklärungen nach ihrem objektiven Erklärungswert auszulegen, d.h. es kommt darauf an, wie die Erklärung unter Berücksichtigung der konkreten gesetzlichen Regelung, des Verfahrenszweckes und der der Behörde vorliegenden Aktenlage objektiv verstanden werden muss. Bei undeutlichem Inhalt eines Anbringens ist die Absicht der Partei zu erforschen. Im Zweifel ist dem Anbringen einer Partei, das sie zur Wahrung ihrer Rechte stellt, nicht ein solcher Inhalt beizumessen, der ihr die Rechtsverteidigungsmöglichkeit nimmt (vgl. zuletzt - im Zusammenhang mit der fallbezogen erforderlichen Deutung
ausdrücklich "nachträglich", weil "nicht ... rechtzeitig"
gestellter Anträge auch als Anträge auf Wiedereinsetzung - das hg. Erkenntnis vom 20. März 2014, 2010/15/0195).
Maßgeblich ist also, ob es zutrifft, dass dem Anbringen des Beschwerdeführers "jeglicher Hinweis darauf" fehlte, dass die nachträglich zugänglich gewordenen Beweismittel gegen den Abgabenanspruch ins Treffen geführt werden sollten. Diese Frage ließe sich nur bei isolierter Betrachtung der einleitenden Formulierung ("ich beantrage ...") im Sinne der von der belangten Behörde vertretenen Auslegung bejahen. Zieht man hingegen in Betracht, dass die neu hervorgekommenen Beweismittel und die darauf gestützte Argumentation im weiteren Text des Anbringens den Abgabenanspruch betrafen, was dem Beschwerdeführer im Verfahren über die Wiederaufnahme des Haftungsverfahrens ja auch vorgehalten wurde, so kann kein Zweifel daran bestehen, dass es das deutlich erkennbare Anliegen des zu diesem Zeitpunkt noch unvertretenen Beschwerdeführers war, die neu hervorgekommenen Urkunden gegen den Abgabenanspruch, für den er haftete, geltend zu machen. Unter diesem Gesichtspunkt war sein Anbringen auch als Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens zur Abgabenfestsetzung aufzufassen.
Anlass dazu, dem die Erwähnung nur des Haftungsbescheides und nicht auch eines rechtskräftigen Abgabenbescheides in den einleitenden Formulierungen des Anbringens entgegen zu halten, besteht gerade in der vorliegenden Verfahrenssituation (vgl. zu deren Bedeutung für die Auslegung das schon zitierte hg. Erkenntnis vom 20. März 2014) und im vorliegenden Fall nicht, weil nur der Haftungsbescheid an den Beschwerdeführer selbst erging und ihm jedenfalls vorlag und eine einwandfreie Bezeichnung eines rechtskräftigen Abgabenbescheides über den strittigen Betrag auch der belangten Behörde in keiner ihrer drei Entscheidungen gelungen ist.
Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Von der beantragten Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 6 VwGG abgesehen werden.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.
Die zitierten Bestimmungen über das Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof waren gemäß § 79 Abs. 11 letzter Satz VwGG in der bis zum Ablauf des 31. Dezember 2013 geltenden Fassung anzuwenden.
Wien, am 29. Juli 2014
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