Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird, soweit er die Jahre 2000 bis 2003 betrifft, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Im Übrigen (betreffend die Jahre 1995 bis 1999 und das Jahr 2004) wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.
Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die Beschwerdeführerin, die im Streitzeitraum Alleinerzieherin ihrer im Jahr 1994 geborenen Tochter war, brachte am 2. März 2010 gleichlautende Schriftsätze betreffend Alleinerzieherabsetzbetrag 1995, 1996, 1997, 1998, 1999, 2000, 2001, 2002 und 2003 beim Finanzamt ein, in denen sie folgendes ausführte:
"Ich beantrage nachträglich für das Jahr (1995 usw.) den Alleinerzieherabsetzbetrag für 1 Kind. Ich war (1995 usw.) Alleinerzieherin meiner Tochter A, geboren (...) 1994, Sozvers.nr. (...), für die ich auch Familienbeihilfe bezog.
Obwohl ich am Finanzamt immer angegeben habe, dass ich Alleinerzieherin bin, habe ich - wie im Winter 2009 passiert - auch schon früher falsche und irreführende Informationen bekommen was den Alleinerzieherabsetzbetrag betrifft.
Mir wurde am Finanzamt (...) vom Beamten am Infoschalter gesagt, dass ich Alleinerzieher nicht anzukreuzen brauche, weil ich 'eh nichts kriege'.
Diese falsche Information bzw. mangelnde Aufklärung durch die Finanzbeamten (nämlich dass bis 2009 ein Formular E5 bzw. E30 auszufüllen gewesen wäre) hat dazu geführt, dass ich den Alleinerzieherabsetzbetrag für meine Tochter auch im Jahr (1995 usw.), ebensowenig wie in den Jahren davor, nicht den gesetzlichen Vorschriften entsprechend rechtzeitig beantragen konnte.
Da aber die Aufklärungspflicht der Republik Österreich und der Finanzbeamten nicht erfüllt wurde und auch der Text in den mir bekannten Medien nicht geeignet ist, eine nicht speziell geschulte Mutter eindeutig zu informieren bezüglich des Alleinerzieherabsetzbetrages, der ja nichts aber so gar nichts mit dem Alleinverdienerabsetzbetrag zu tun hat, fordere ich über die 5- Jahresfrist hinaus den mir gebührenden Alleinerzieherabsetzbetrag, wegen irreführender Formulierung von Seiten der Verfasser dieser Untexte und/bzw. Versäumnis der Erteilung einer korrekten Information durch die jeweiligen Finanzbeamten.
Ich habe am Schalter des Finanzamts gegenüber der Beamtin/dem Beamten immer angegeben - so ich glaubte, mich dort einfinden zu müssen -, dass ich Alleinerzieherin bin. Den Alleinerzieherabsetzbetrag habe ich meines Wissens die 15 Jahre, die meine Tochter auf der Welt ist und die ich als Alleinerzieherin gelebt habe, noch nie erhalten.
Das liegt natürlich auch daran, dass ich nicht wusste, dass dieser mir auch ohne Arbeitsverhältnis zusteht. Aber nicht aus eigenem Verschulden, denn es ist Alleinerzieher- bzw. Alleinverdienerabsetzbetrag eine sprachliche und inhaltliche Katastrophe und für Ungeschulte unverständlich.
Da Broschüren aufliegen, die den Alleinerzieherabsetzbetrag beschreiben, allerdings so irreführend, dass eine absichtliche Irreführung vermutet werden muss, fordere ich das Bundesfinanzministerium auf mir nachträglich den Alleinerzieherabsetzbetrag zu bewilligen und zwar ab dem Jahr 1995 durchgehend bis 2009.
Außerdem fordere ich die Behörde auf, die diesbezüglich äußerst irreführenden und missverständlichen, absolut unsinnigen Formulierungen in den Formularen, im Rechtssystem und wo immer diese linguistischen Undinge gedruckt sind, umgehend zu revidieren und durch eindeutige Formulierungen zu ersetzen.
Ich kann Ihnen gerne beweisen - und Sie werden mir sicherlich die Gelegenheit geben - dass auch Frauenberatungsstellen und öffentliche Seiten im Internet den Unterschied zwischen Alleinerzieher- und Alleinverdienerabsetzbetrag völlig unrichtig darstellen.
Sollten Sie meiner berechtigten Forderung nicht entsprechen wollen, nämlich erstens, der nachträglichen Geldforderung entsprechen und 2) die unverschämt irreführenden Angaben zum Alleinverdiener- und Alleinerzieherabsetzbetrag korrigieren, werde ich nicht zögern, den Instanzenweg zu beschreiten und für die mir entstandenen Unkosten Rechnung zu legen. Bitte überweisen Sie die Summe auf mein Konto bei der (...), Kontonr.: (...).
Mit freundlichen Grüßen"
Am 15. März 2010 brachte die Beschwerdeführerin weiters einen "Antrag auf Erstattung des Alleinverdiener/Alleinerzieherabsetzbetrages 2004" (Formular E 5) beim Finanzamt ein.
Das Finanzamt wertete die Schriftsätze vom 2. März 2010 als Anträge auf Erstattung des Alleinerzieherabsetzbetrages für die Jahre 1995 bis 2003 und wies diese, ebenso wie den das Jahr 2004 betreffenden Antrag vom 15. März 2010, als verspätet zurück, und begründete dies damit, dass Anträge auf Erstattung des Alleinerzieherabsetzbetrages nur innerhalb von fünf Jahren ab dem Ende des Veranlagungszeitraumes gestellt werden könnten.
Die gegen die Zurückweisungsbescheide erhobenen Berufungen, legte das Finanzamt nach Durchführung eines Mängelbehebungsverfahrens, in dem der Beschwerdeführerin aufgetragen wurde, zu erklären, in welchen Punkten die Bescheide angefochten und welche Änderungen beantragt würden, der belangten Behörde zur Entscheidung vor.
Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufungen als unbegründet ab und führte im Wesentlichen aus, dass gemäß § 40 EStG 1988 in der für den Streitzeitraum geltenden Fassung eine Veranlagung auch bei Steuerpflichtigen erfolge, die kein Einkommen, aber Anspruch auf den Alleinerzieherabsetzbetrag haben und die Erstattung des Absetzbetrages beantragten. Der Antrag könne innerhalb von fünf Jahren ab dem Ende des jeweiligen Veranlagungszeitraumes gestellt werden. Die Antragsfrist sei eine Fallfrist, bei deren Versäumung ein Recht verloren gehe. Die Anträge auf Erstattung des Alleinerzieherabsetzbetrages für die Jahre 1995 bis 2004 seien erst 2010 und daher verspätet eingebracht worden. Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin, die in ihren Schriftsätzen das Vorliegen der Fristversäumnis selbst eingeräumt habe, komme es auf ein allfälliges Verschulden an der Fristversäumnis nicht an.
Zum Vorbringen, die Beschwerdeführerin habe die Erstattungsanträge aus verschiedenen - nicht von ihr zu verantwortenden - Gründen verspätet eingebracht, sei festzuhalten, dass das Abgabenverfahren zur Beseitigung von Rechtsnachteilen, die einer Partei daraus erwachsen, dass sie eine Frist ohne grobes Verschulden versäumt habe, die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (§§ 308 ff BAO) kenne. Der Beschwerdeführerin stehe es offen einen solchen Antrag beim Finanzamt einzubringen. Jedoch sei auf die in den §§ 308 ff BAO normierten Voraussetzungen für die Bewilligung der Wiedereinsetzung (insbesondere auf die in § 308 Abs. 3 BAO genannte Dreimonatsfrist nach Wegfall des Hindernisses und auf die in § 309 BAO normierte Fünfjahresfrist, vom Ende der versäumten Frist an gerechnet) hinzuweisen.
Die gegen diesen Bescheid gerichtete Beschwerde macht Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend.
Der Verwaltungsgerichtshof hat nach Erstattung einer Gegenschrift und Vorlage der Verwaltungsakten durch die belangte Behörde erwogen:
Nach § 308 Abs. 1 BAO idF BGBl. 312/1987 ist gegen die Versäumung einer Frist (§§ 108 bis 110) auf Antrag der Partei, die durch die Versäumung einen Rechtsnachteil erleidet, die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn die Partei glaubhaft macht, dass sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis verhindert war, die Frist einzuhalten. Dass der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt.
Gemäß § 309 BAO idF BGBl. 797/1996 ist nach Ablauf von fünf Jahren, vom Ende der versäumten Frist an gerechnet, ein Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht mehr zulässig.
Mit BGBl. I Nr. 28/1999 wurde die Bestimmung des § 309a BAO eingefügt, die wie folgt lautet:
"Der Wiedereinsetzungsantrag hat zu enthalten:
- a) die Bezeichnung der versäumten Frist;
- b) die Bezeichnung des unvorhergesehenen oder unabwendbaren Ereignisses (§ 308 Abs. 1);
c) die Angaben, die zur Beurteilung des fehlenden groben Verschuldens an der Fristversäumung notwendig sind;
d) die Angaben, die zur Beurteilung der Rechtzeitigkeit des Antrags notwendig sind."
Entspricht der Wiedereinsetzungsantrag nicht den in § 309a BAO umschriebenen Erfordernissen, so hat die Abgabenbehörde dem Antragsteller gemäß § 85 Abs. 2 BAO in der Fassung des Abgabenverwaltungsreformgesetzes, BGBl. I Nr. 20/2009, die Behebung dieser inhaltlichen Mängel mit dem Hinweis aufzutragen, dass der Antrag nach fruchtlosem Ablauf einer gleichzeitig zu bestimmenden angemessenen Frist als zurückgenommen gilt.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes sind Parteierklärungen nach ihrem objektiven Erklärungswert auszulegen, d.h. es kommt darauf an, wie die Erklärung unter Berücksichtigung der konkreten gesetzlichen Regelung, des Verfahrenszweckes und der der Behörde vorliegenden Aktenlage objektiv verstanden werden muss. Bei undeutlichem Inhalt eines Anbringens ist die Absicht der Partei zu erforschen. Im Zweifel ist dem Anbringen einer Partei, das sie zur Wahrung ihrer Rechte stellt, nicht ein solcher Inhalt beizumessen, der ihr die Rechtsverteidigungsmöglichkeit nimmt (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 19. März 2013, 2010/15/0188, mit weiteren Nachweisen).
Die Beschwerdeführerin hat in ihren Schriftsätzen vom 2. März 2010 die Erstattung der Alleinerzieherabsetzbeträge für die Jahre 1995 bis 2003 beantragt und ausgeführt, dass sie die Anträge aufgrund falscher Informationen bzw. mangelnder Aufklärung, "nicht den gesetzlichen Vorschriften entsprechend rechtzeitig" stellen konnte.
Anträge auf Erstattung von Alleinerzieherabsetzbeträgen können gemäß § 40 EStG 1988 idF BGBl. Nr. 818/1993 nur innerhalb von fünf Jahren ab dem Ende des jeweiligen Veranlagungsjahres gestellt werden. Die in Rede stehenden Schriftsätze vom 2. März 2010 erweisen sich demnach als offenkundig verspätet, wenn sie - wie vom Finanzamt - als Anträge auf Erstattung der Alleinerzieherabsetzbeträge 1995 bis 2003 gewertet werden. Dass die Fünfjahresfrist zum Zeitpunkt der Antragstellung bereits abgelaufen ist, räumt die Beschwerdeführerin ausdrücklich ein, die in den Schriftsätzen vom 2. März 2010 auch ausführt, dass sie die Anträge aufgrund falscher Informationen bzw. mangelnder Aufklärung "nicht den gesetzlichen Vorschriften entsprechend rechtzeitig" stellen konnte. Letzteres kann bei verständiger Würdigung nur als (allenfalls nach § 85 Abs. 2 BAO in der Fassung BGBl. I Nr. 20/2009 zu verbessernder) Wiedereinsetzungsantrag iSd § 308 BAO gedeutet werden. Dass die Wiedereinsetzung in den Schriftsätzen nicht erwähnt wird, steht einer solchen Deutung nicht entgegen, weil es für die Beurteilung von Anbringen nicht auf die Bezeichnung von Schriftsätzen und die zufälligen verbalen Formen ankommt, sondern auf den Inhalt, das erkennbare oder zu erschließende Ziel des Parteischrittes (vgl. Ritz, BAO5, § 85 Tz 1, mit Hinweisen auf die hg. Rechtsprechung).
Die objektiven Erklärungsinhalte der Schriftsätze vom 2. März 2010 führen bei der gegebenen Verfahrenssituation zur Deutung auch als Anträge auf Wiedereinsetzung iSd § 308 BAO in die Frist zur Stellung von Anträgen auf Erstattung der Alleinerzieherabsetzbeträge 1995 bis 2003. Das Finanzamt wertete die Schriftsätze bloß als Anträge auf Erstattung der Alleinerzieherabsetzbeträge und wies sie als verspätet zurück. Damit hat es der Beschwerdeführerin - jedenfalls für die Jahre 2000 bis 2003 - die Rechtsverteidigungsmöglichkeit genommen.
Da die belangte Behörde dies verkannt und die Berufung der Beschwerdeführerin gegen die Zurückweisungsbescheide des Finanzamtes als unbegründet abgewiesen hat, hat sie den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes belastet. Der angefochtene Bescheid war daher, soweit er die Jahre 2000 bis 2003 betrifft, gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.
Gemäß § 309 BAO idF BGBl. 797/1996 ist ein Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach Ablauf von fünf Jahren, vom Ende der versäumten Frist an gerechnet, nicht mehr zulässig. Dass eine Wiedereinsetzung in diese Frist begehrt oder Umstände behauptet wären, die eine Wiedereinsetzung in die Versäumung der Frist zur Stellung eines Wiedereinsetzungsantrages rechtfertigen könnten, geht aus den Schriftsätzen vom 2. März 2010 nicht hervor. Hinsichtlich der Jahre 1995 bis 1999 wurde der Beschwerdeführerin daher keine Rechtsverteidigungsmöglichkeit genommen.
Der für das Jahr 2004 unter Verwendung des Formulars E 5 eingebrachte "Antrag auf Erstattung des Alleinverdiener/Alleinerzieherabsetzbetrages 2004" vom 15. März 2010, kann nicht als Wiedereinsetzungsantrag gedeutet werden.
Insoweit die Beschwerde die Jahre 1995 bis 1999 und das Jahr 2004 betrifft, war sie daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.
Die zitierten Bestimmungen über das Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof waren gemäß § 79 Abs. 11 letzter Satz VwGG in der bis zum Ablauf des 31. Dezember 2013 geltenden Fassung anzuwenden.
Wien, am 20. März 2014
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