VwGH 2011/07/0194

VwGH2011/07/019423.1.2014

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bumberger und die Hofräte Dr. Hinterwirth, Dr. N. Bachler, Dr. Lukasser und Mag. Haunold als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Pitsch, über die Beschwerde des Ing. RA in W, vertreten durch Dr. Georg Haunschmidt, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Stadiongasse 6-8, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Niederösterreich vom 30. Mai 2011, Zl. WA1-W-43004/001-2011, betreffend Zurückweisung einer Berufung in einer Angelegenheit des Wasserrechtes (mitbeteiligte Partei:

Marktgemeinde S, vertreten durch Nusterer & Mayer Rechtsanwälte OG in 3100 St. Pölten, Riemerplatz 1), zu Recht erkannt:

Normen

MRK Art6;
VwGG §39 Abs2 Z6;
WRG 1959 §102 Abs1 litb;
WRG 1959 §12 Abs1;
WRG 1959 §12 Abs2;
MRK Art6;
VwGG §39 Abs2 Z6;
WRG 1959 §102 Abs1 litb;
WRG 1959 §12 Abs1;
WRG 1959 §12 Abs2;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 und der mitbeteiligten Partei Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Melk (BH) vom 19. Jänner 2011 wurde der mitbeteiligten Partei gemäß §§ 41 und 42 WRG 1959 die wasserrechtliche Bewilligung für die Errichtung eines Projektes zum Schutz gegen ein Hochwasser des W-Baches und des W-Graben bis zu einem 100-jährlichen Ereignis unter Vorschreibung von Auflagen erteilt. Als bewilligte Maßnahmen sind im Spruch dieses Bescheides enthalten:

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Auf den vorliegenden, mit Ablauf des 31. Dezember 2013 beim Verwaltungsgerichtshof anhängigen Beschwerdefall sind nach § 79 Abs. 11 letzter Satz VwGG die bis zum Ablauf des 31. Dezember 2013 geltenden Bestimmungen weiter anzuwenden.

Die im vorliegenden Fall entscheidungswesentlichen Bestimmungen der §§ 12 Abs. 1 und 2 sowie 102 Abs. 1 lit. b WRG 1959 haben folgenden Wortlaut:

"§ 12. (1) Das Maß und die Art der zu bewilligenden Wasserbenutzung ist derart zu bestimmen, daß das öffentliche Interesse (§ 105) nicht beeinträchtigt und bestehende Rechte nicht verletzt werden.

(2) Als bestehende Rechte im Sinne des Abs. 1 sind rechtmäßig geübte Wassernutzungen mit Ausnahme des Gemeingebrauches (§ 8), Nutzungsbefugnisse nach § 5 Abs. 2 und das Grundeigentum anzusehen.

...

§ 102. (1) Parteien sind:

  1. a) ...
  2. b) diejenigen, die zu einer Leistung, Duldung oder Unterlassung verpflichtet werden sollen oder deren Rechte (§ 12 Abs. 2) sonst berührt werden, sowie die Fischereiberechtigten (§ 15 Abs. 1) und die Nutzungsberechtigten im Sinne des Grundsatzgesetzes 1951 über die Behandlung der Wald- und Weidenutzungsrechte sowie besonderer Felddienstbarkeiten, BGBl. Nr. 103, sowie diejenigen, die einen Widerstreit (§§ 17, 109) geltend machen;

    ferner

    c) ..."

    Mit dem angefochtenen Bescheid wurde die Berufung des Beschwerdeführers gegen den Bescheid der BH vom 19. Jänner 2011 mangels Parteistellung zurückgewiesen.

    Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes reicht in einem wasserrechtlichen Verfahren bereits die potenzielle Beeinträchtigung von Rechten im Sinn des § 12 Abs. 2 WRG 1959 aus, um die Parteistellung zu begründen; diese ist nicht davon abhängig, dass tatsächlich in geschützte Rechte eingegriffen wird (vgl. zuletzt etwa die hg. Erkenntnisse vom 30. September 2010, Zl. 2009/07/0001, und vom 24. Jänner 2013, Zl. 2012/07/0208).

    Personen, die eine Verletzung wasserrechtlich geschützter Rechte nach § 12 Abs. 2 WRG 1959 durch das von ihnen bekämpfte Vorhaben geltend machen, kommt Parteistellung im Verfahren dann zu, wenn eine Berührung ihrer geltend gemachten Rechte durch die projektsgemäße Ausübung des mit der behördlichen Bewilligung verliehenen Rechtes der Sachlage nach nicht auszuschließen ist. Ob eine Beeinträchtigung von Rechten tatsächlich stattfindet, ist Gegenstand des Verfahrens, vermag jedoch die Parteieigenschaft einer Person nicht zu berühren (vgl. unter vielen das hg. Erkenntnis vom 29. Jänner 2009, Zl. 2008/07/0040, mwN).

    Im Verfahren zur Prüfung der Parteistellung ist jener Sachverhalt zu ermitteln, der es ermöglicht, ein Urteil darüber abzugeben, ob eine Beeinträchtigung von Rechten möglich ist; im folgenden wasserrechtlichen Verfahren ist Thema des Ermittlungsverfahrens die Frage, ob solche Rechte tatsächlich berührt werden. Ob eine Berührung von Rechten möglich ist, ist (auch) eine Sachfrage, für deren Klärung dieselben Grundsätze gelten wie für die Klärung sonstiger Sachfragen, d.h. dass auch Sachverständige beigezogen werden können und erforderlichenfalls beigezogen werden müssen (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 28. Februar 1996, Zl. 95/07/0138, und vom 2. Oktober 1997, Zl. 96/07/0253).

    Zutreffend zeigt die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid auf, dass eine Beeinträchtigung wasserrechtlich geschützter Rechte des Beschwerdeführers durch die vom Beschwerdeführer erhobenen Einwendungen denkunmöglich und daher auch die Berührung dieser Rechte auszuschließen ist, sodass insoweit dem Beschwerdeführer keine Parteistellung zukommt. Zur Klärung dieser Sachfragen bediente sich die belangte Behörde zum einen der Ausführungen des von der BH beigezogenen wasserbautechnischen Amtssachverständigen. Zum anderen konnte sie vom Ausschluss einer Berührung der Rechte des Beschwerdeführers durch ihre im angefochtenen Bescheid vertretene Rechtsansicht zutreffend ausgehen.

    So können die das Bauverfahren betreffenden Vorbringen des Beschwerdeführers nicht Gegenstand im Wasserrechtsverfahren sein.

    Zudem ist es entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers Sache des Antragstellers, den Umfang des Projektsgebietes festzulegen. Somit kann das Verlangen des Beschwerdeführers, das Projektsgebiet auf die Grst. Nrn. 3287/3 und 3287/5 auszuweiten, keine Parteistellung im gegenständlichen Bewilligungsverfahren begründen.

    Darüber hinaus ist festzuhalten, dass am W-Bach im Bereich der Grundstücke des Beschwerdeführers nach dem vorliegenden Projekt keinerlei Maßnahmen vorgesehen sind. Dieser hat daher unter diesem Gesichtspunkt ebenfalls keine Parteistellung.

    Festzuhalten ist auch, dass die Grst. Nrn. 3287/1 bis 3287/6 des Beschwerdeführers nicht vom gegenständlichen Projekt umfasst sind und damit auch nicht die darauf befindlichen Bauwerke.

    Im Zusammenhang mit dem wasserrechtlich bewilligten Biotop des Beschwerdeführers verweist die belangte Behörde zutreffend auf die Ausführungen des wasserbautechnischen Amtssachverständigen in seinem Gutachten vom 26. April 2010. Demgemäß soll dieses Biotop Teil einer zukünftigen Hochwasserschutzmaßnahme sein. Dieser Umstand hat jedoch keinen Einfluss auf die Rechtsstellung des Beschwerdeführers, da sein Biotop eben nicht Gegenstand des vorliegenden Hochwasserschutzprojektes geworden ist.

    Auch wird der Ableitungskanal vom Grst. Nr. 3281 auf öffentlichem Grund neben der Asphaltfahrbahn errichtet. Dass dadurch das dem Beschwerdeführer gehörende Grst. Nr. 3287/4 berührt würde, ist auszuschließen.

    Der Beschwerdeführer wendet ein, dass es durch den neuen Ableitungskanal DN 1000, mit welchem in einem 45 Grad -Knick in den W-Bach ausgeleitet werde, zu einem Rückstau und dadurch zu einer Beeinträchtigung seiner Grundstücke komme.

    Auch diese Einwendung vermag eine potenzielle Beeinträchtigung des Grundeigentums des Beschwerdeführers nicht darzutun.

    Die belangte Behörde stützt sich bei dieser Einwendung auf die Ausführungen des wasserbautechnischen Amtssachverständigen in der Verhandlung vor der BH vom 26. November 2009.

    Der Amtssachverständige führte in diesem Zusammenhang aus, dass der Ableitungskanal DN 1000 natürlich nicht in die bestehende W-Bachverrohrung eingebunden werde, sondern bachabwärts derselben mit einem 45 Grad -Knick in den W-Bach ausgeleitet werde. Somit könne es zu keinem Rückstau im Straßenkanal kommen. Auch komme es durch diese Maßnahme "jedenfalls" zu keiner Beeinträchtigung der Grundstücke des Beschwerdeführers, da diese "Niederschlagswässer über das Einzugsgebiet in die Abflussberechnung eingeflossen sind".

    Auf Grund dieser sachverständigen Ausführungen, denen der Beschwerdeführer nicht entgegengetreten ist, konnte die belangte Behörde im Sinne der wiedergegebenen hg. Judikatur zweifelsfrei davon ausgehen, dass dadurch eine Berührung des Grundeigentums des Beschwerdeführers auszuschließen ist.

    Der Beschwerdeführer bringt schließlich vor, dass er in seiner Stellungnahme vom 26. November 2009 seinen ordentlichen Wohnsitz in Wien bekanntgegeben und um Zustellung sämtlicher Behördenschriftstücke an diese Adresse ersucht habe. Dennoch sei der angefochtene Bescheid am 14. Juni 2011 an eine falsche Anschrift zugestellt worden.

    In diesem Zusammenhang behauptet der Beschwerdeführer lediglich, dass "durch die äußerst späte Kenntniserlangung" die "Vorbereitungsfrist für das Rechtsmittel" verkürzt gewesen sei.

    Dabei unterlässt es der Beschwerdeführer jedoch, die Relevanz dieses behaupteten Verfahrensmangels ausreichend darzustellen.

    Die Beschwerde erweist sich daher als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.

    Gemäß § 39 Abs. 2 Z 6 VwGG konnte von der beantragten mündlichen Verhandlung abgesehen werden. In seinen Entscheidungen vom 10. Mai 2007, Nr. 7.401/04 (Hofbauer/Österreich 2), und vom 3. Mai 2007, Nr. 17.912/05 (Bösch/Österreich), hat der EGMR unter Hinweis auf seine frühere Judikatur dargelegt, dass der Beschwerdeführer grundsätzlich ein Recht auf eine mündliche Verhandlung vor einem Tribunal hat, außer es liegen außergewöhnliche Umstände vor, die eine Ausnahme davon rechtfertigen. Der EGMR hat das Vorliegen solcher außergewöhnlichen Umstände angenommen, wenn das Verfahren ausschließlich rechtliche oder "hoch-technische Fragen" ("exclusively legal or highly technical questions") betrifft, und im Zusammenhang mit Verfahren betreffend "ziemlich technische Angelegenheiten" ("rather technical nature of disputes") auch auf das Bedürfnis der nationalen Behörden nach zweckmäßiger und wirtschaftlicher Vorgangsweise, das angesichts der sonstigen Umstände des Falles zum Absehen von einer mündlichen Verhandlung berechtige, hingewiesen (vgl. auch die Entscheidung des EGMR vom 13. März 2012, Nr. 13.556/07, Efferl/Österreich, ferner auch das den Beschwerdeführer betreffende hg. Erkenntnis vom 23. Mai 2013, Zl. 2010/07/0141, mwN).

    Ein solcher Fall, zu dessen Lösung im Sinne der Judikatur des EGMR eine mündliche Verhandlung nicht geboten ist, liegt hier vor. Art. 6 MRK steht somit dem Absehen von einer mündlichen Verhandlung nicht entgegen.

    Der Ausspruch über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit § 79 Abs. 11 VwGG und § 3 der VwGH-Aufwandersatzverordnung, BGBl. II Nr. 518/2013 idF BGBl. II Nr. 8/2014, in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.

    Wien, am 23. Jänner 2014

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