VwGH 2010/18/0123

VwGH2010/18/012330.4.2010

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Höfinger und den Hofrat Dr. Enzenhofer, die Hofrätin Mag. Merl sowie die Hofräte Dr. Lukasser und Mag. Haunold als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Becker, über die Beschwerde des B G in Wien, geboren am 15. Mai 1979, vertreten durch Dr. Michael Drexler, Rechtsanwalt in 1090 Wien, Hörlgasse 4/5, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 22. März 2010, Zl. E1/96.346/2010, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:

Normen

EheG §23;
FrPolG 2005 §60 Abs2 Z9;
FrPolG 2005 §66;
EMRK Art8 Abs2;
EheG §23;
FrPolG 2005 §60 Abs2 Z9;
FrPolG 2005 §66;
EMRK Art8 Abs2;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom 22. März 2010 wurde gegen den Beschwerdeführer, einen türkischen Staatsangehörigen, gemäß § 60 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z. 9 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 - FPG, BGBl. I Nr. 100, ein auf die Dauer von acht Jahren befristetes Aufenthaltsverbot erlassen.

Der Beschwerdeführer sei mit einem in Deutschland ausgestellten, vom 24. Jänner 2004 bis 7. April 2004 gültigen "Besuchervisum" nach Österreich gelangt und nach dessen Ablauf unrechtmäßig hier verblieben. Am 4. Juli 2005 habe er in Wien die österreichische Staatsbürgerin D. geheiratet. Daraufhin habe er bei der Erstbehörde am 12. Juli 2005 einen von seiner österreichischen Ehegattin abgeleiteten Erstantrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels zum Zweck "begünstigter Drittstaatsangehöriger - Ö, § 49 Abs. 1 FrG 1997" gestellt und in weiterer Folge den beantragten, vom 29. September 2005 bis 30. September 2006 gültigen Erstaufenthaltstitel erhalten.

Im Hinblick auf zwei bei der Erstbehörde im September und Oktober 2007 eingegangene anonyme Hinweise, wonach der Beschwerdeführer gegen Bezahlung eines Entgeltes eine Scheinehe eingegangen wäre, seien Erhebungen eingeleitet worden. Im Zuge einer mit seiner Ehegattin am 15. Februar 2008 aufgenommenen Niederschrift habe sie eingestanden, mit ihm eine Scheinehe eingegangen zu sein. Sie hätte nie mit ihm zusammengewohnt und Geschlechtsverkehr gehabt.

Mit (seit 2. Februar 2010 rechtskräftigem) Urteil des Bezirksgerichtes Hernals sei die zwischen dem Beschwerdeführer und D. geschlossene Ehe, die zunächst mit Beschluss desselben Gerichtes vom 27. Jänner 2009 im Einvernehmen geschieden worden sei, gemäß § 23 Ehegesetz für nichtig erklärt worden. Diesem Urteil sei zu entnehmen, dass das Ehepaar zu keiner Zeit eine eheliche Lebensgemeinschaft im Sinne einer Lebens-, Geschlechts- und Wohngemeinschaft beabsichtigt und keine solche bestanden hätte. Für das Eingehen der Ehe hätte D. einen Geldbetrag von EUR 10.000,-- erhalten. Der Zweck der Eheschließung wäre gewesen, dem Beschwerdeführer die Erlangung eines Arbeits- und Aufenthaltstitels zu erleichtern und die Möglichkeit zu geben, eine Anwartschaft auf die Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft zu erwerben.

Für die belangte Behörde bestehe kein Zweifel daran, dass die gegenständliche Ehe ausschließlich deshalb geschlossen worden sei, um dem Beschwerdeführer die Möglichkeit zu verschaffen, problemlos eine Arbeits- und Aufenthaltsbewilligung und damit eine Anwartschaft auf den Erwerb der österreichischen Staatsbürgerschaft zu erlangen, wobei zu keiner Zeit eine Lebens-, Geschlechts- und Wohngemeinschaft beabsichtigt gewesen sei oder bestanden habe. Für die belangte Behörde stehe fest, dass der Beschwerdeführer die Ehe mit einer österreichischen Staatsbürgerin geschlossen und sich für die Erteilung eines Aufenthaltstitels auf diese Ehe berufen habe, ohne mit jener ein gemeinsames Familienleben im Sinn des Art. 8 EMRK geführt zu haben. Die Tatbestandsvoraussetzungen des § 60 Abs. 2 Z. 9 FPG seien erfüllt.

Der Missbrauch des Rechtsinstitutes der Ehe zur Erlangung fremdenrechtlich bedeutsamer Rechte stelle eine schwerwiegende Gefährdung der öffentlichen Ordnung dar, die die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gemäß § 60 Abs. 1 leg. cit. rechtfertige.

In Anbetracht aller Umstände sei von einem mit dem Aufenthaltsverbot verbundenen Eingriff in das Privat-, Berufs- und Familienleben des Beschwerdeführers auszugehen. Dieser Eingriff sei jedoch zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung - somit zur Erreichung von im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Zielen - dringend geboten. Wer, wie der Beschwerdeführer, rechtsmissbräuchlich vorgehe, um sich aus dem Blickwinkel des Fremdenrechtes wesentliche Berechtigungen zu verschaffen, verstoße gegen gewichtige öffentliche Interessen, die ein Aufenthaltsverbot zum Schutz der öffentlichen Ordnung notwendig erscheinen ließen.

Die Zulässigkeit des Aufenthaltsverbotes sei auch im Rahmen der gemäß § 66 Abs. 2 FPG erforderlichen Interessenabwägung zu bejahen. Nur auf Grund der durch seine Eheschließung mit einer österreichischen Staatsbürgerin bevorzugten Stellung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz habe der Beschwerdeführer eine unselbstständige Beschäftigung eingehen und (auf Grund der damaligen Rechtslage) seinen illegalen Aufenthalt legalisieren können. Die durch seinen Aufenthalt im Bundesgebiet erzielte Integration werde durch die bewirkte Beeinträchtigung des öffentlichen Interesses an der Aufrechterhaltung eines geordneten Fremdenwesens auf Grund seines Eingehens einer Scheinehe wesentlich gemindert. Seine persönlichen Interessen an einem weiteren Aufenthalt im Bundesgebiet wögen keinesfalls schwerer als das öffentliche Interesse an der Erlassung des Aufenthaltsverbotes. Der Umstand, dass im Bundesgebiet nicht nur sein Onkel (ein österreichischer Staatsbürger), sondern auch ein weiterer Onkel mit einer gültigen Niederlassungsbewilligung sowie seine Tante und vier Nichten (diese wären ebenfalls Österreicher) lebten, könne daran nichts ändern, habe der Beschwerdeführer doch nicht behauptet und es sei auch nicht aktenkundig, dass er mit diesen Personen in einem gemeinsamen Haushalt wohnte.

Mangels besonderer, zu Gunsten des Beschwerdeführers sprechender Umstände habe von der Erlassung des Aufenthaltsverbotes auch nicht im Rahmen des der belangten Behörde zustehenden Ermessens Abstand genommen werden können.

In Anbetracht des aufgezeigten Gesamt(fehl)verhaltens des Beschwerdeführers könne - selbst unter Bedachtnahme auf dessen private Situation - ein Wegfall des für die Erlassung dieser Maßnahme sprechenden Grundes, nämlich der Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit durch seinen Aufenthalt im Bundesgebiet, nicht vor Verstreichen des festgesetzten Zeitraumes von acht Jahren erwartet werden.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die inhaltliche Rechtswidrigkeit und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde mit dem Begehren, ihn aufzuheben.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1.1. Die Beschwerde bestreitet nicht, dass die vom Beschwerdeführer mit der österreichischen Staatsbürgerin D. geschlossene Ehe mit Urteil des Bezirksgerichtes Hernals (rechtskräftig seit 2. Februar 2010) gemäß § 23 Ehegesetz mit der (tragenden) Begründung für nichtig erklärt worden ist, dass zwischen den Ehegatten zu keiner Zeit eine eheliche Lebensgemeinschaft im Sinne einer Lebens-, Geschlechts- und Wohngemeinschaft beabsichtigt gewesen sei oder bestanden habe, D. für das Eingehen der Ehe einen Geldbetrag von EUR 10.000,-- erhalten habe und es Zweck der Eheschließung gewesen sei, dem Beschwerdeführer die Erlangung eines Arbeits- und Aufenthaltstitels zu erleichtern und eine Anwartschaft auf die Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft zu verschaffen. Auf Grund dieses Urteils steht in bindender Weise fest, dass der Beschwerdeführer die Ehe ausschließlich zu den genannten Zwecken geschlossen hat, ohne dass eine eheliche Lebensgemeinschaft hätte begründet werden sollen (vgl. zur genannten Bindungswirkung etwa das hg. Erkenntnis vom 29. Jänner 2008, Zl. 2008/18/0078, mwN). Wenn die Beschwerde vorbringt, dass der Beschwerdeführer "im Zivilverfahren" freimütig zugegeben habe, keinen Geschlechtsverkehr mit seiner Ehegattin gehabt zu haben und es sich auf Grund ihrer freundschaftlichen Beziehung um eine Vernunftehe gehandelt habe, so stehen diesem Vorbringen die Wirkungen des genannten Urteiles des Bezirksgerichtes Hernals entgegen.

Im Hinblick darauf begegnet die Ansicht der belangten Behörde, dass der Tatbestand des § 60 Abs. 2 Z. 9 FPG erfüllt sei, keinen Bedenken.

1.2. Das Eingehen einer Ehe zum ausschließlichen Zweck, fremdenrechtlich oder ausländerbeschäftigungsrechtlich bedeutsame Berechtigungen zu erlangen, stellt eine gravierende Beeinträchtigung des großen öffentlichen Interesses an der Aufrechterhaltung eines geordneten Fremdenwesens dar (vgl. dazu etwa das hg. Erkenntnis vom 13. April 2010, Zl. 2007/18/0836, mwN).

2.1. Die Beschwerde wendet sich gegen das Ergebnis der von der belangten Behörde gemäß § 66 FPG vorgenommenen Interessenabwägung und bringt unter Hinweis auf die Bindungen des Beschwerdeführers zu seinen in Österreich lebenden Verwandten vor, dass er hier sozial integriert sei und sich seit seines - ex ante betrachtet - überwiegend rechtmäßigen Aufenthaltes wohlverhalten habe. Er habe sofort gearbeitet, nach wie vor eine aufrechte Kranken- und Unfallversicherung und sei dem österreichischen Staat nicht zur Last gefallen. Ein "bloßes Nichtigkeitsurteil" könne seine Integration rechtlich nicht ungültig machen.

2.2. Auch mit diesem Vorbringen zeigt die Beschwerde keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf.

Die belangte Behörde hat bei der Prüfung der Zulässigkeit des Aufenthaltsverbotes gemäß § 66 FPG den inländischen Aufenthalt des Beschwerdeführers seit 2004 und seine Bindungen zu seinen hier lebenden Angehörigen, nämlich zwei Onkeln, einer Tante und vier Nichten, berücksichtigt und zutreffend einen mit dieser Maßnahme verbundenen relevanten Eingriff im Sinn dieser Gesetzesbestimmung angenommen. Der Beschwerdeführer bestreitet nicht, dass er mit seinen Verwandten nicht in einem gemeinsamen Haushalt lebt. Die belangte Behörde ist auch zutreffend davon ausgegangen, dass das Gewicht der privaten und beruflichen Interessen des Beschwerdeführers dadurch gemindert ist, dass sich diese auf das Eingehen einer Aufenthaltsehe gründen. Angesichts des Missbrauchs des Rechtsinstitutes der Ehe zur Erlangung fremdenrechtlich relevanter Vorteile kann keine Rede davon sein, dass sich der Beschwerdeführer immer wohlverhalten habe.

Den persönlichen Interessen des Beschwerdeführers steht das hoch zu veranschlagende öffentliche Interesse an der Aufrechterhaltung eines geordneten Fremdenwesens gegenüber. Bei Abwägung dieser gegenläufigen Interessen begegnet die Ansicht der belangten Behörde, dass das Aufenthaltsverbot zur Erreichung von im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Zielen (Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung) dringend geboten sei und die persönlichen Interessen des Beschwerdeführers an einem weiteren Aufenthalt im Bundesgebiet nicht schwerer wögen als das gegenläufige Interesse, keinem Einwand.

3. Auch mit dem gegen die Gültigkeitsdauer des Aufenthaltsverbotes gerichteten Vorbringen zeigt die Beschwerde keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf.

Der Beschwerdeführer hat sich in seinem Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels auf die von ihm geschlossene Aufenthaltsehe berufen und rechtsmissbräuchlich einen Aufenthaltstitel und einen Zugang zum Arbeitsmarkt erlangt. In Anbetracht dieses Fehlverhaltens kann der belangten Behörde nicht entgegengetreten werden, wenn sie die Auffassung vertreten hat, dass ein Wegfall des für die Erlassung des Aufenthaltsverbotes maßgeblichen Grundes nicht vor Verstreichen der festgesetzten Gültigkeitsdauer erwartet werden könne, und es zeigt die Beschwerde keine Umstände auf, die die Festsetzung einer kürzeren Dauer geboten hätten. Entgegen der Beschwerdeansicht spricht auch nicht die "Länge des Berufungsverfahrens" - der erstinstanzliche Bescheid datiert vom 23. Februar 2010 - gegen die festgesetzte Gültigkeitsdauer. Dass ein Aufenthaltsverbot eine administrativrechtliche Maßnahme - und keine Strafe - darstellt, sodass das Verbot der reformatio in peius nicht zur Anwendung kommt, entspricht im Übrigen der ständigen hg. Judikatur (vgl. etwa das Erkenntnis vom 20. Jänner 2009, Zl. 2006/18/0460, mwN).

4. Da somit bereits der Beschwerdeinhalt erkennen lässt, dass die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

5. Bei diesem Ergebnis erübrigte sich ein Abspruch über den mit der Beschwerde verbundenen Antrag, dieser aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

Wien, am 30. April 2010

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