VwGH 2007/18/0836

VwGH2007/18/083613.4.2010

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Höfinger und den Hofrat Dr. Enzenhofer, die Hofrätin Mag. Merl sowie die Hofräte Dr. Lukasser und Mag. Haunold als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Henk, über die Beschwerde der G, vertreten durch Mag. Dr. Ingrid Weber, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Rotenturmstraße 19, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 26. September 2007, Zl. E1/416.296/2007, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:

Normen

EheG §23;
FrPolG 2005 §60 Abs1;
FrPolG 2005 §60 Abs2 Z9;
FrPolG 2005 §60 Abs6;
FrPolG 2005 §66;
EMRK Art8;
EheG §23;
FrPolG 2005 §60 Abs1;
FrPolG 2005 §60 Abs2 Z9;
FrPolG 2005 §60 Abs6;
FrPolG 2005 §66;
EMRK Art8;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom 26. September 2007 wurde gegen die Beschwerdeführerin, eine Staatsangehörige von Bosnien-Herzegowina, gemäß § 60 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z. 9 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 -

FPG, BGBl. I Nr. 100, ein Aufenthaltsverbot für die Dauer von zehn Jahren erlassen.

Die Beschwerdeführerin habe am 26. Juli 2002 in Bosnien den österreichischen Staatsbürger W. geheiratet und am 13. August 2002 einen (Erst-)Antrag auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung für den Aufenthaltszweck "Familiengemeinschaft mit Österreicher" bei der österreichischen Botschaft in Sarajevo eingebracht, wofür sie sich auf die Ehe mit W. berufen habe.

Mit Urteil des Bezirksgerichtes Hernals vom 17. Dezember 2003 sei die Ehe der Beschwerdeführerin gemäß § 23 Ehegesetz für nichtig erklärt worden. In der Urteilsbegründung sei ausgeführt worden, dass diese Ehe ausschließlich deshalb geschlossen worden wäre, um der Beschwerdeführerin die Möglichkeit zu verschaffen, ein Anwartschaftsrecht auf die österreichische Staatsbürgerschaft sowie eine Arbeits- und Aufenthaltsbewilligung für Österreich zu erlangen. Die Aufnahme einer ehelichen Gemeinschaft wäre von den Eheleuten nie beabsichtigt gewesen und auch nie erfolgt.

Auf dem Boden dieser gerichtlichen Feststellungen bestehe für die belangte Behörde kein Zweifel, dass die Beschwerdeführerin die Ehe bloß zum Schein geschlossen habe. Es werde als erwiesen angenommen, dass die Beschwerdeführerin die Ehe mit einem österreichischen Staatsbürger geschlossen und sich für die Erteilung eines Aufenthaltstitels auf die Ehe berufen habe, ohne mit ihrem Ehegatten ein gemeinsames Familienleben im Sinne des Art. 8 EMRK geführt zu haben. Die Voraussetzungen gemäß § 60 Abs. 2 Z. 9 FPG seien erfüllt.

Der Missbrauch des Rechtsinstitutes der Ehe zur Erlangung fremdenrechtlich bedeutsamer Rechte stelle eine schwerwiegende Gefährdung der öffentlichen Ordnung dar, die die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes rechtfertige. Diese Gefährdung sei trotz eines Zeitablaufes von mehr als fünf Jahren seit der rechtsmissbräuchlichen Eheschließung nach wie vor gegeben. Dieser Rechtsmissbrauch berühre zweifellos ein Grundinteresse der Gesellschaft, komme doch gerade der Verhinderung bzw. Bekämpfung solcher Ehen aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung ein sehr hoher Stellenwert zu.

Die Beschwerdeführerin sei seit ca. fünf Jahren in Österreich aufhältig und verfüge im Bundesgebiet über familiäre Bindungen zu einem Onkel und einer Tante. Es sei daher von einem mit dem Aufenthaltsverbot verbundenen Eingriff in ihr Privat- und Familienleben auszugehen. Dessen ungeachtet sei dieser Eingriff zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung, somit zur Erreichung von im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Zielen, dringend geboten. Wer, wie die Beschwerdeführerin, rechtsmissbräuchlich vorgehe, um sich aus dem Blickwinkel des Fremdenrechtes wesentliche Berechtigungen zu verschaffen, verstoße gegen gewichtige öffentliche Interessen, die ein Aufenthaltsverbot zum Schutz der öffentlichen Ordnung notwendig erscheinen ließen.

Die Zulässigkeit des Aufenthaltsverbotes sei auch im Rahmen der gemäß § 66 Abs. 2 FPG erforderlichen Interessenabwägung zu bejahen. Nur auf Grund der durch die Eheschließung mit einem österreichischen Staatsbürger bevorzugten Stellung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz habe die Beschwerdeführerin einer unselbstständigen Beschäftigung als Arbeiterin nachgehen können, weshalb die durch den ca. fünfjährigen Aufenthalt erzielte Integration wesentlich geschmälert werde; dies umso mehr, als letztlich auch die Rechtmäßigkeit ihres Aufenthaltes auf dem besagten rechtsmissbräuchlichen Verhalten basiere. Zu ihren familiären Bindungen sei zu bemerken, dass sie weder mit ihrem Onkel noch mit ihrer Tante im gemeinsamen Haushalt lebe. Von daher gesehen hätten die privaten und familiären Interessen der Beschwerdeführerin gegenüber dem hoch zu veranschlagenden öffentlichen Interesse an der Aufrechterhaltung eines geordneten Fremdenwesens in den Hintergrund zu treten. Die persönlichen Interessen der Beschwerdeführerin an einem weiteren Aufenthalt im Bundesgebiet wögen keinesfalls schwerer als das öffentliche Interesse an der Erlassung des Aufenthaltsverbotes.

Mangels besonderer, zu Gunsten der Beschwerdeführerin sprechender Umstände habe die belangte Behörde von der Erlassung des Aufenthaltsverbotes auch nicht im Rahmen des ihr zustehenden Ermessens Abstand nehmen können.

Die von der Erstbehörde vorgenommene Befristung dieser Maßnahme sei auch nach Ansicht der belangten Behörde gerechtfertigt. In Anbetracht des aufgezeigten Gesamt(fehl)verhaltens der Beschwerdeführerin könne ein Wegfall des für die Erlassung des Aufenthaltsverbotes maßgeblichen Grundes, nämlich der Gefährdung der öffentlichen Interessen durch ihren Aufenthalt im Bundesgebiet, nicht vor Verstreichen des festgesetzten Zeitraumes erwartet werden.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes, in eventu Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1.1. Auf dem Boden der im angefochtenen Bescheid getroffenen, insoweit unbestrittenen Feststellungen betreffend die Nichtigerklärung der Ehe der Beschwerdeführerin gemäß § 23 Ehegesetz (vgl. in diesem Zusammenhang etwa das hg. Erkenntnis vom 19. Juni 2008, Zl. 2006/18/0470, mwN) begegnet die - unbekämpfte - Auffassung der belangten Behörde, dass der Tatbestand des § 60 Abs. 2 Z. 9 FPG erfüllt sei, keinen Bedenken.

1.2. Das Eingehen einer Ehe zu dem Zweck, fremdenrechtlich bedeutsame Berechtigungen zu erlangen, stellt eine gravierende Beeinträchtigung des großen öffentlichen Interesses an der Aufrechterhaltung eines geordneten Fremdenwesens dar (vgl. dazu etwa das hg. Erkenntnis vom 7. Juli 2009, Zl. 2009/18/0229, mwN).

Wenn die Beschwerde vorbringt, dass seit der Eheschließung fünf Jahre und seit der Nichtigerklärung der Ehe vier Jahre (bis zur Erlassung des angefochtenen Bescheides) verstrichen seien, so ist dieses Vorbringen nicht zielführend und spricht der seit dem Eingehen der Scheinehe (bzw. der Nichtigerklärung dieser Ehe) verstrichene Zeitraum nicht gegen die in § 60 Abs. 1 FPG umschriebene Annahme (vgl. dazu aus der ständigen hg. Judikatur etwa das Erkenntnis vom 26. November 2009, Zl. 2009/18/0464, mwN).

2. Bei der Interessenabwägung nach § 60 Abs. 6 iVm § 66 FPG hat die belangte Behörde den inländischen Aufenthalt der Beschwerdeführerin seit dem Jahr 2002 und deren unselbstständige Beschäftigung als Arbeiterin berücksichtigt und zutreffend einen mit dem Aufenthaltsverbot verbundenen relevanten Eingriff in deren persönlichen Interessen angenommen. Das Gewicht dieser Interessen wird jedoch dadurch entscheidend relativiert, dass der inländische Aufenthalt der Beschwerdeführerin nur auf Grund der mit einem österreichischen Staatsbürger geschlossenen Ehe, bei der es sich um eine Scheinehe (Aufenthaltsehe) gehandelt hat, ermöglicht war. Auch ihrer Beschäftigung durfte sie nur auf Grund ihrer durch die Eheschließung bevorzugten Stellung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz nachgehen. Ferner hat die belangte Behörde die Bindungen der Beschwerdeführerin zu deren Onkel und deren Tante berücksichtigt, wobei jene mit diesen allerdings nicht in einem gemeinsamen Haushalt lebt. Stellt man den genannten persönlichen Interessen das hoch zu veranschlagende öffentliche Interesse an der Aufrechterhaltung eines geordneten Fremdenwesens gegenüber, so begegnet die Auffassung der belangten Behörde, dass die persönlichen Interessen der Beschwerdeführerin an einem weiteren Aufenthalt im Bundesgebiet keinesfalls schwerer wögen als das gegenläufige öffentliche Interesse und somit die Erlassung des Aufenthaltsverbotes gegen sie zulässig sei, unter dem Blickwinkel des § 66 FPG keinem Einwand, und zwar auch dann, wenn man dieser Beurteilung das weitere Beschwerdevorbringen zugrunde legte, dass sich die Beschwerdeführerin seit ihrer Eheschließung in Österreich immer wohlverhalten habe und nie strafrechtlich in Erscheinung getreten sei.

3. Ferner zeigt die Beschwerde mit dem gegen die Gültigkeitsdauer des Aufenthaltsverbotes gerichteten Vorbringen keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf.

Die Beschwerdeführerin hat sich in ihrem Antrag auf Erteilung einer Erstniederlassungsbewilligung auf die genannte Aufenthaltsehe berufen und rechtsmissbräuchlich den beantragten Aufenthaltstitel sowie den Zugang zum inländischen Arbeitsmarkt erlangt. In Anbetracht dieses Fehlverhaltens kann der belangten Behörde nicht entgegengetreten werden, wenn sie die Auffassung vertreten hat, dass ein Wegfall des für die Erlassung des Aufenthaltsverbotes maßgeblichen Grundes nicht vor Vorstreichen der mit dem angefochtenen Bescheid festgesetzten Gültigkeitsdauer erwartet werden könne, und es zeigt die Beschwerde keine Umstände auf, die die Festsetzung einer kürzeren Dauer dieser Maßnahme geboten hätten.

4. Schließlich kann der Verwaltungsgerichtshof auch nicht finden, dass der belangten Behörde ein (materieller) Ermessensfehler unterlaufen sei, haben sich doch keine besonderen Umstände ergeben, die zu einer Ermessensübung nach § 60 Abs. 1 FPG zu Gunsten der Beschwerdeführerin hätten führen müssen.

5. Da somit bereits der Beschwerdeinhalt erkennen lässt, dass die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

Wien, am 13. April 2010

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