Normen
ASchG 1994 §130 Abs5 Z1;
AVG §14 Abs7;
AVG §56;
AVG §62 Abs2;
AVG §62 Abs3;
AVG §66 Abs4;
AVG §67g Abs3;
BArbSchV 1994 §86 Abs1;
BArbSchV 1994 §86 Abs3;
VStG §51h Abs4;
VStG §9 Abs7;
VwGG §34 Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwRallg;
ASchG 1994 §130 Abs5 Z1;
AVG §14 Abs7;
AVG §56;
AVG §62 Abs2;
AVG §62 Abs3;
AVG §66 Abs4;
AVG §67g Abs3;
BArbSchV 1994 §86 Abs1;
BArbSchV 1994 §86 Abs3;
VStG §51h Abs4;
VStG §9 Abs7;
VwGG §34 Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwRallg;
Spruch:
I. den Beschluss gefasst:
Die Beschwerde der Zweitbeschwerdeführerin wird zurückgewiesen.
II. zu Recht erkannt:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Erstbeschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Dem Erstbeschwerdeführer wurde mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Baden (BH) vom 24. April 2007 als Verantwortlichem der Zweitbeschwerdeführerin unter anderem eine Übertretung von § 86 Abs. 1
iVm § 86 Abs. 3 Bauarbeiterschutzverordnung vorgeworfen und über ihn gemäß § 130 Abs. 5 Z. 1 ArbeitnehmerInnenschutzgesetz (ASchG) eine Geldstrafe in der Höhe von EUR 1.000,-- verhängt.
Die dagegen erhobene Berufung des Erstbeschwerdeführers wies die belangte Behörde am Ende der am 14. August 2009 stattgefundenen Verhandlung mit mündlich verkündeter Berufungsentscheidung mit der Maßgabe ab, dass der Erstbeschwerdeführer "als gemäß § 9 VStG Verantwortlicher (Geschäftsführer)" der Zweitbeschwerdeführerin anzusehen sei.
Die schriftliche Ausfertigung des Bescheides datiert mit 19. November 2009 und wurde dem Erstbeschwerdeführer am 3. Dezember 2009 zugestellt.
Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Erstbeschwerdeführer und die Zweitbeschwerdeführerin erstatteten eine Replik zu dieser Gegenschrift.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Zur Beschwerde des Erstbeschwerdeführers:
Die Berufung des Erstbeschwerdeführers an die belangte Behörde langte am 30. Mai 2007 bei der BH ein.
Aus den vorgelegten Verwaltungsakten geht hervor, dass der Gang der mündlichen Verhandlung sowie die Verkündung der Berufungsentscheidung in einer schriftlichen Ausfertigung des Tonbandprotokolls festgehalten wurden.
Die Verkündung eines gemäß § 51h Abs. 4 letzter Satz VStG mündlich verkündeten Bescheides ist nach § 62 Abs. 2 AVG zu beurkunden (vgl. das hg. Erkenntnis vom 16. November 2007, Zl. 2007/02/0052). Demnach sind der Inhalt und die - im Rahmen der Verhandlung erfolgte - Verkündung des Bescheides am Schluss der Verhandlungsschrift zu beurkunden (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom 30. Juni 2005, Zl. 2002/20/0596).
Die Bestimmungen des AVG zu den Niederschriften (§ 14 leg. cit.) sind - mit Ausnahme des § 14 Abs. 3 zweiter Satz AVG - gemäß § 24 VStG auch im Verwaltungsstrafverfahren anzuwenden.
Vorliegend weist die schriftliche Ausfertigung des Tonbandprotokolls zwar die Verkündung des Spruches und der wesentlichen Begründung der Berufungsentscheidung aus, nicht jedoch die notwendige Unterschrift des Leiters der Amtshandlung.
Nach § 14 Abs. 7 AVG ist zudem bei Verwendung eines "Schallträgers" die Tatsache der Verkündung eines mündlichen Bescheides in Vollschrift festzuhalten. Dem ist die belangte Behörde nicht nachgekommen. Der mündlich verkündete Bescheid wurde daher - wegen der Wesentlichkeit einer gültigen Beurkundung der Verkündung insbesondere durch die Unterschrift des Leiters der Amtshandlung - nicht wirksam erlassen (vgl. dazu Hengstschläger/Leeb, AVG (2005) § 62 Rz 25, mit Hinweisen auf die hg. Rechtsprechung).
Der angefochtene Bescheid der belangten Behörde wurde erst mit seiner Zustellung wirksam erlassen (vgl. dazu die hg. Erkenntnisse vom 16. November 2007, Zl. 2007/02/0052, und vom 29. Jänner 2009, Zl. 2006/09/0202).
Im Verwaltungsstrafverfahren nach dem ASchG steht nicht nur dem Beschuldigten, sondern auch dem Arbeitsinspektorat das Recht der Berufung zu (vgl. dazu § 11 Abs. 3 Arbeitsinspektionsgesetz 1993).
Der Verfassungsgerichtshof hat mit seinem Erkenntnis vom 6. November 2008, G 86/08 u.a., die Wortfolge ", in dem nur dem Beschuldigten das Recht der Berufung zusteht," in § 51 Abs. 7 VStG, BGBl. Nr. 52/1991 idF BGBl. I Nr. 158/1998, als verfassungswidrig aufgehoben und ausgesprochen, dass die Aufhebung mit Ablauf des 31. Oktober 2009 in Kraft tritt. Die nach dem zitierten Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes seit 1. November 2009 anzuwendende bereinigte Fassung des § 51 Abs. 7 erster Satz VStG idF BGBl. I Nr. 142/2008 lautet demnach:
"Sind in einem Verfahren seit dem Einlangen der Berufung gegen ein Straferkenntnis 15 Monate vergangen, so tritt das Straferkenntnis von Gesetzes wegen außer Kraft; das Verfahren ist einzustellen."
Nach der durch die Aufhebung der oben genannten Wortfolge durch den Verfassungsgerichtshof geschaffenen Fassung des § 51 Abs. 7 VStG ist eine Berufung gegen ein Straferkenntnis somit auch in jenen Fällen binnen 15 Monaten zu erledigen, in denen - wie im gegenständlichen Verfahren nach dem ASchG - nicht nur der Beschuldigte ein Berufungsrecht hat.
Entscheidet die Berufungsbehörde über ein wegen Ablauf der 15- monatigen Frist des § 51 Abs. 7 VStG außer Kraft getretenes erstinstanzliches Straferkenntnis, so belastet sie dadurch ihren Bescheid mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom 29. Jänner 2009, Zl. 2005/09/0092, mwN).
Die Berufung des Erstbeschwerdeführers langte am 30. Mai 2007 bei der BH ein. Die 15-monatige Frist des § 51 Abs. 7 VStG endete demnach mit Ablauf des 1. September 2008 (der 30. August 2008 war ein Samstag; vgl. § 33 Abs. 2 AVG). Der angefochtene Bescheid wurde aber erst danach durch seine Zustellung an die BH am 27. November 2009 im zeitlichen Anwendungsbereich der für die belangte Behörde maßgeblichen, durch das zitierte Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes bereinigten Rechtslage wirksam erlassen.
Der angefochtene Bescheid war deshalb gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Zur Beschwerde der Zweitbeschwerdeführerin:
Der angefochtene Bescheid enthält - ebenso wie das erstinstanzliche Straferkenntnis - in seinem Spruch keinerlei normativen Abspruch über die Haftung der zweitbeschwerdeführenden Partei gemäß § 9 Abs. 7 VStG für die über den Erstbeschwerdeführer verhängte Geldstrafe und die von ihm zu bezahlenden Verfahrenskosten. Der angefochtene Bescheid ist daher mangels eines gegen sie exequierbaren Abspruches nicht geeignet, in deren Rechtssphäre einzugreifen, weshalb der Zweitbeschwerdeführerin auch die Legitimation zur Erhebung der vorliegenden Beschwerde beim Verwaltungsgerichtshof fehlt (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom 24. September 2010, Zl. 2010/02/0160, mwN). Daher war die Beschwerde der zweitbeschwerdeführenden Partei gemäß § 34 Abs. 1 und Abs. 3 VwGG zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.
Wien, am 26. November 2010
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