VwGH 2009/18/0081

VwGH2009/18/008111.5.2009

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Höfinger sowie die Hofräte Dr. Enzenhofer, Dr. Strohmayer, die Hofrätin Mag. Merl und den Hofrat Dr. Lukasser als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Schmidl, über die Beschwerde des V N in W, geboren am 22. April 1984, vertreten durch Mag. Werner Tomanek, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Eßlinggasse 9/8, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 28. Jänner 2009, Zl. E1/429.758/2008, betreffend Entziehung eines Reisepasses und eines Personalausweises, zu Recht erkannt:

Normen

PaßG 1992 §14 Abs1 Z3 litf;
PaßG 1992 §15 Abs1;
PaßG 1992 §19 Abs2;
SMG 1997 §28 Abs6;
PaßG 1992 §14 Abs1 Z3 litf;
PaßG 1992 §15 Abs1;
PaßG 1992 §19 Abs2;
SMG 1997 §28 Abs6;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom 28. Jänner 2009 wurden dem Beschwerdeführer der ihm von der Bundespolizeidirektion Wien am 23. Jänner 2002 ausgestellte und bis 22. Jänner 2012 gültige Reisepass gemäß § 15 Abs. 1 iVm § 14 Abs. 1 Z. 3 lit. f Passgesetz 1992, BGBl. Nr. 839 (im Folgenden: PassG), und der ihm von der Bundespolizeidirektion Wien am 23. Jänner 2002 ausgestellte und bis 22. Jänner 2012 gültige Personalausweis gemäß § 19 Abs. 1 iVm § 15 Abs. 1 iVm § 14 Abs. 1 Z. 3 lit. f PassG entzogen.

Begründend stellte die belangte Behörde im Wesentlichen fest, dass der Beschwerdeführer am 21. Juni 2007 vom Landesgericht für Strafsachen Wien als Schöffengericht wegen der Verbrechen nach § 28 Abs. 2 vierter Fall und Abs. 3 erster Fall Suchtmittelgesetz - SMG sowie wegen des Vergehens nach § 27 Abs. 1 erster und zweiter Fall SMG zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von 20 Monaten, davon 15 Monate bedingt, verurteilt worden sei.

Der Beschwerdeführer habe im Zeitraum von Mitte Jänner 2007 bis ca. Mitte Februar 2007 in der Absicht, sich dadurch eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen, Suchtgift in einer großen Menge im Sinn des § 28 Abs. 6 SMG - das sei jene Menge an Suchtgift, die geeignet sei, in großem Ausmaß eine Gefahr für das Leben oder die Gesundheit von Menschen herbeizuführen - nämlich insgesamt rund 12,5 Kilogramm Marihuana mit zumindest durchschnittlichem Wirkstoffgehalt einem namentlich genannten Suchtgiftabnehmer verkauft. Dazu komme noch, dass der Beschwerdeführer im Zeitraum von 2000 bis Ende Jänner 2007 gelegentlich Marihuana und einmal Kokain für den Eigenkonsum erworben und besessen habe.

In rechtlicher Hinsicht führte die belangte Behörde - unter Berufung auf die Bestimmungen der §§ 14 Abs. 1 Z. 3 lit. f, 15 Abs. 1 und 19 Abs. 2 PassG - aus, dass die Entziehung eines Reisepasses oder Personalausweises eine vorbeugende Sicherungsmaßnahme zur Abwendung künftiger Straftaten, wie etwa der Einfuhr bzw. des In-Verkehr-Setzens großer Mengen an Suchtgift, darstelle. Bei der Prüfung der Frage, ob die vom Gesetz geforderte Annahme gerechtfertigt sei (Zukunftsprognose), habe die Behörde festzustellen, ob Tatsachen vorlägen, die diese Annahme rechtfertigten. Abgesehen von dem Umstand, ob der von der Versagung eines Reisepasses Betroffene tatsächlich das Dokument bereits für den verpönten Zweck benützt habe, liege im Beschwerdefall - unbestritten - eine rechtskräftige Verurteilung des Beschwerdeführers im Zusammenhang mit zwei Suchtgiftverbrechen sowie einem Suchtgiftvergehen vor.

Wenn die Erstbehörde vor allem in Hinblick auf die besonders große, vom Beschwerdeführer zu verantwortende Suchtgiftmenge und den doch länger dauernden Tatzeitraum von etwa einem Monat (der Beschwerdeführer habe die Gesamtsuchtgiftmenge von insgesamt 12,5 Kilogramm in drei Teilmengen von einer - aufgrund der besonders großen Suchtgiftmenge offenbar im Bereich der organisierten Kriminalität anzusiedelnden - Person bzw. deren Lebensgefährtin übernommen) vom Vorliegen der Voraussetzung des § 14 Abs. 1 Z. 3 lit. f PassG ausgegangen sei und für den Beschwerdeführer eine negative "Zukunftsprognose" getroffen habe, so könne ihr daraus kein Vorwurf gemacht werden.

Selbst wenn man davon ausgehen wolle, dass der Beschwerdeführer trotz des mehrfachen Suchtgiftkonsums nicht suchtgiftabhängig sei - ohne dass dies aufgrund der Aktenlage belegt oder vom Beschwerdeführer behauptet worden wäre -, könne vor dem Hintergrund der besonders großen von ihm in Verkehr gesetzten Suchtgiftmenge, deren Beschaffung nur durch Kontakte im Nahbereich oder sogar im Bereich der organisierten Kriminalität möglich sei, selbst unter Berücksichtigung des Umstandes, dass die Verurteilung bzw. die "Gerichtshaftverbüßung des unbedingten Strafteiles" eine gewisse spezialpräventive Wirkung für den Beschwerdeführer erfüllt habe, zum gegenwärtigen Zeitpunkt noch nicht mit ausreichender Sicherheit angenommen werden, dass er sich tatsächlich von den Kontakten zur Suchtgiftszene vollständig gelöst habe.

In Hinblick auf den Umstand, dass die Tathandlungen des Beschwerdeführers vor knapp zwei Jahren gesetzt worden seien, werde es selbst unter der Annahme einer positiven Entwicklung seiner familiären bzw. auch beruflichen Situation noch einiger Zeit des Wohlverhaltens bedürfen, um schließlich mit Sicherheit davon ausgehen zu können, dass der Beschwerdeführer nicht neuerlich einschlägig straffällig werde.

Vor diesem Hintergrund und dem des relativ kurzen effektiv heranzuziehenden Beobachtungszeitraumes müsse die belangte Behörde daher unter sorgfältiger Berücksichtigung der Ergebnisse des ausreichend geführten Ermittlungsverfahrens nach freier Beweiswürdigung weiterhin eine negative Zukunftsprognose für den Beschwerdeführer annehmen. Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers handle es sich bei der vorliegenden Entscheidung um eine Sicherungsmaßnahme, welche der belangten Behörde trotz der mit dem Fehlen eines Reisepasses bzw. Personalausweises hinsichtlich vor allem des Berufs- bzw. auch des Familienlebens des Beschwerdeführers einhergehenden Folgen keinen Ermessenspielraum einräume. Vielmehr sei nach der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes auf persönliche oder wirtschaftliche Interessen des Betroffenen nicht Rücksicht zu nehmen.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Gemäß § 14 Abs. 1 PassG ist u.a. die Ausstellung eines Reisepasses zu versagen, wenn (Z. 3) Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass der Passwerber den Reisepass benützen will, um (lit. f) entgegen den bestehenden Vorschriften Suchtgift in einer großen Menge zu erzeugen, einzuführen, auszuführen oder in Verkehr zu setzen.

Nach § 15 Abs. 1 PassG ist ein Reisepass, dessen Gültigkeitsdauer nicht länger als fünf Jahre abgelaufen ist, zu entziehen, wenn nachträglich Tatsachen bekannt werden oder eintreten, die die Versagung der Ausstellung des Reisepasses rechtfertigen.

Gemäß § 19 Abs. 2 PassG sind auf die Entziehung von Personalausweisen die diesbezüglichen, die gewöhnlichen Reisepässe betreffenden Bestimmungen dieses Bundesgesetzes einschließlich der §§ 9 Abs. 7 und 15 Abs. 5 mit der Maßgabe anzuwenden, dass Entziehungsverfahren auf gültige Personalausweise beschränkt sind.

2. Die Beschwerde bringt im Wesentlichen vor, der Beschwerdeführer sei bis zu seiner Verurteilung unbescholten gewesen und habe sich seither wohlverhalten. Im Strafverfahren habe er sich reumütig und vollinhaltlich geständig gezeigt. Der Beschwerdeführer habe zum ersten Mal das Haftübel verspürt, sei sozial integriert und habe nunmehr auch eine Arbeitsplatzzusage der O.H. GmbH, aufgrund derer er öfter ins Ausland reisen müsse. Seinen Kontakt zur Suchtgiftszene habe der Beschwerdeführer gelöst und seinen Suchtmittelkonsum eingestellt. Die bei derartigen Suchtgiftdelikten erfahrungsgemäß besonders große Wiederholungsgefahr habe sich bisher nicht manifestiert. Ohne dass die belangte Behörde an die erfolgte bedingte Strafnachsicht gebunden wäre, habe diese dennoch bei einer Gesamtbeurteilung Berücksichtigung zu finden. Zudem sei der Deliktszeitraum nicht lang, und es handle sich lediglich um Marihuana, das mit dem Wirkstoff THC nach weitgehend einhelliger Meinung nicht zu körperlicher Abhängigkeit führe. Der Beschwerdeführer habe seinen Reisepass bzw. seinen Personalausweis bei seinem Fehlverhalten nicht benützt, und es bestehe kein Anhaltspunkt dafür, dass die von ihm gesetzten Suchtgiftdelikte in irgendeinem Zusammenhang mit der Verwendung seines Reisepasses bzw. Personalausweises stehen könnten.

3. Mit diesem Vorbringen zeigt die Beschwerde keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf.

Der Beschwerdeführer bestreitet nicht seine von der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid festgestellte rechtskräftige Verurteilung nach dem SMG und insbesondere auch nicht die Feststellungen der belangten Behörde betreffend die dieser Verurteilung zugrunde liegenden strafbaren Handlungen. Unbestritten ist somit, dass der Beschwerdeführer im Zeitraum von Mitte Jänner 2007 bis ca. Mitte Februar 2007 Suchtgift in einer großen Menge im Sinn des § 28 Abs. 6 SMG, nämlich insgesamt rund 12,5 Kilogramm Marihuana mit zumindest durchschnittlichem Wirkstoffgehalt, einem namentlich genannten Suchtgiftabnehmer verkauft hat. Überdies hat der Beschwerdeführer im Zeitraum von 2000 bis Ende Jänner 2007 gelegentlich Marihuana und einmal Kokain für den Eigenkonsum erworben und besessen.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs kann es angesichts eines solcherart feststehenden Handels mit Suchtgift in einer überaus großen Menge im Sinne des § 28 Abs. 6 SMG unter Berücksichtigung des Erfahrungswissens, dass gerade bei solchen Suchtgiftdelikten die Wiederholungsgefahr besonders groß ist, nicht als rechtswidrig erkannt werden, wenn die belangte Behörde zum Ergebnis gelangte, dass die in § 14 Abs. 1 Z. 3 lit. f PassG umschriebene Annahme gerechtfertigt sei (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 3. Juli 2008, Zl. 2007/18/0440, und vom 16. Dezember 2008, Zl. 2005/18/0113, mwN).

In diesem Zusammenhang ist es - entgegen der in der Beschwerde vertretenen Auffassung - nicht von entscheidungswesentlicher Bedeutung, ob der Beschwerdeführer seinen Reisepass bzw. seinen Personalausweis bei der Begehung der der angeführten Verurteilung zugrunde liegenden Straftaten nach dem SMG verwendet hat oder nicht, ist es doch eine Erfahrungstatsache, dass der inländische Drogenmarkt und Drogenhandel in den meisten Fällen mit Suchtgiftimporten aus dem Ausland verknüpft ist. Ein Reisedokument würde einen (weiteren) Handel mit Suchtgift jedenfalls erleichtern (vgl. wiederum das hg. Erkenntnis vom 3. Juli 2008 sowie das hg. Erkenntnis vom 2. April 2009, Zl. 2009/18/0095, mwN).

Vor diesem Hintergrund ist für den Beschwerdeführer auch mit dem Vorbringen über die Beendigung seines Kontaktes zur Suchtgiftszene, sein Wohlverhalten seit seiner Verurteilung und eine Arbeitsplatzzusage nichts gewonnen, insbesondere auch weil - wie die belangte Behörde zu Recht festgestellt hat - bei der Entziehung eines Reisepasses bzw. Personalausweises auf die persönlichen und wirtschaftlichen Interessen des Betroffenen keine Rücksicht zu nehmen ist (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 25. September 2007, Zl. 2005/18/0182, und vom 28. Februar 2008, Zl. 2006/18/0487, mwN). Die belangte Behörde hatte schließlich die Frage des Vorliegens eines Grundes für die Entziehung bzw. Versagung eines Reisepasses bzw. Personalausweises nach den hiefür vom Gesetz vorgegebenen Kriterien eigenständig zu beurteilen, ohne an die Erwägungen des Gerichtes bei der Entscheidung über die bedingte Nachsicht der verhängten Strafe gebunden zu sein (vgl. das hg. Erkenntnis vom 8. September 2005, Zl. 2004/18/0216, mwN).

Soweit in der Beschwerde darauf verwiesen wird, dass es sich bei dem verkauften Suchtgift lediglich um Marihuana gehandelt habe, das mit dem Wirkstoff THC nach weitgehend einhelliger Meinung nicht zu körperlicher Abhängigkeit führe, ist dazu anzumerken, dass - abgesehen davon, dass der Beschwerdeführer auch einmal Kokain für den Eigenkonsum erworben und besessen hat - der Verkauf von 12,5 Kilogramm Marihuana mit zumindest durchschnittlichem Wirkstoffgehalt die gemäß § 28 Abs. 6 SMG u. a. unter Bedachtnahme auf die Eignung, in großem Ausmaß eine Gefahr für das Leben oder die Gesundheit von Menschen herbeizuführen, festzusetzende "große Menge" um das Mehrfache überschreitet (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 28. Jänner 2003, Zl. 2002/18/0266, und vom 8. September 2005, Zl. 2005/18/0484).

4. Auf dem Boden des Gesagten erweist sich schließlich die Verfahrensrüge, dass es die belangte Behörde unterlassen habe, die "in der Berufung erhobenen Einwände" - welche die Beschwerde nicht konkretisiert - "in ihrer Begründung auch nur eingehend zu berühren", als nicht zielführend.

5. Da somit bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen lässt, dass die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

6. Bei diesem Ergebnis erübrigt sich ein Abspruch über den mit der Beschwerde verbundenen Antrag, dieser die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

Wien, am 11. Mai 2009

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