VwGH 2006/18/0487

VwGH2006/18/048728.2.2008

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Höfinger und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Handstanger, Dr. Enzenhofer und Dr. Strohmayer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Schmidl, über die Beschwerde der A S in W, geboren am 6. März 1969, vertreten durch Mag. Alexander Atzl, Rechtsanwalt in 6300 Wörgl, Bahnhofstrasse 17, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Tirol vom 22. November 2006, Zl. 2/4033/71/06, betreffend Entziehung eines Reispasses und eines Personalausweises, zu Recht erkannt:

Normen

PaßG 1992 §15 Abs1;
VwRallg;
PaßG 1992 §15 Abs1;
VwRallg;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid vom 22. November 2006 hat die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Tirol (die belangte Behörde) den Reisepass der Beschwerdeführerin Nr. L- und den Personalausweis der Beschwerdeführerin Nr., beide Dokumente ausgestellt von der Bezirkshauptmannschaft Kufstein am 21. Februar 2005 mit einer Gültigkeitsdauer bis 20. Februar 2015, gemäß § 15 Abs. 1 iVm § 14 Abs. 1 Z. 3 lit. f und Z. 4 sowie § 19 Abs. 2 Passgesetz 1992, BGBl. Nr. 839 (PassG), entzogen.

Die Strafregisterauskunft der Beschwerdeführerin weise insgesamt acht Eintragungen auf, wovon fünf einschlägig (im Bezug auf die Begehung von Delikten nach dem Suchtmittelgesetz) seien. Im Jahre 1998 sei die Beschwerdeführerin vom Amtsgericht Hamburg wegen unerlaubten Handels und Erwerbs von Betäubungsmitteln zu einer bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von neun Monaten verurteilt worden. Aufgrund des Widerrufs der Strafnachsicht habe sie diese Strafe im Jahr 1999 verbüßt. Mit Urteil des Amtsgerichtes Hamburg vom 19. Juli 2000 sei die Beschwerdeführerin wegen Raubes und vorsätzlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und neun Monaten verurteilt worden. Diese Haftstrafe habe die Beschwerdeführerin im Jahr 2002 zumindest teilweise verbüßt.

Die Beschwerdeführerin habe ab 1984 hauptsächlich in Hamburg mit einem deutschen Lebensgefährten gelebt. Zu Beginn des Jahres 2004 sei sie nach Österreich gezogen, wo sie im Februar 2005 einen kroatischen Staatsangehörigen geheiratet habe. Mit diesem habe sie bis zu ihrer Verhaftung im Jahr 2006 in gelebt.

Mit Urteil des Landesgerichtes Innsbruck vom 22. August 2006 sei die Beschwerdeführerin wegen des Verbrechens nach § 28 Abs. 2 vierter Fall Suchtmittelgesetz (SMG), des Verbrechens nach § 12 zweite Alternative StGB, § 28 Abs. 2 zweiter und dritter Fall SMG, der Vergehen nach § 27 Abs. 1 erster und zweiter Fall SMG sowie § 27 Abs. 1 erster, zweiter und sechster Fall SMG und des Vergehens der Verleumdung nach § 297 Abs. 1 erster Fall StGB zu einer unbedingten Freiheitsstrafe in der Dauer von zwei Jahren rechtskräftig verurteilt worden.

Diesem Urteil liege zugrunde, dass die Beschwerdeführerin zwischen Ende 2005/Anfang 2006 und 30. März 2006 den bestehenden Vorschriften zuwider Suchtgift in einer großen Menge, nämlich etwa

1.500 Stück Ecstasy-Tabletten, einige Gramm Kokain und einige Gramm Heroin durch Verkauf an mehrere Personen in Verkehr gesetzt habe. Weiters habe sie einen Dealer dazu bestimmt, eine große Menge Suchtgift von Deutschland nach Österreich einzuführen, indem sie diesen aufforderte, ihr in drei Teillieferungen insgesamt etwa

1.500 Stück Ecstasy-Tabletten, 30 Gramm Kokain und 30 Gramm Heroin auf dem Postweg von Hamburg nach Wörgl zu schicken. Darüber hinaus habe sie weiteres Suchtgift erworben und besessen und zum Teil Anderen überlassen. Am 2. August 2006 habe sie eine Andere wissentlich falsch verdächtigt, zwei Gramm Heroin erworben, besessen und einem Anderen überlassen zu haben, und damit der Gefahr einer behördlichen Verfolgung ausgesetzt.

Das dieser Verurteilung zugrunde liegende Fehlverhalten sei als Tatsache im Sinn des § 14 Abs. 1 Z. 3 lit. f und Z. 4 PassG anzusehen und rechtfertige im Zusammenhang mit den einschlägigen Vorstrafen die Erstellung einer negativen Prognose für das künftige Verhalten in Bezug auf Delikte auf dem Suchtgiftsektor. Da seit der Tat noch nicht drei Jahre vergangen seien, liege gemäß § 14 Abs. 3 PassG jedenfalls ein Versagungsgrund vor.

Das Vorbringen der Beschwerdeführerin, sie hätte ihren Reisepass bzw. Personalausweis niemals dazu verwendet, Suchtgift in großen Mengen nach Österreich einzuführen, sei nicht zielführend. Es bestehe insofern ein Zusammenhang zwischen den Suchtgiftdelikten und der Verwendung des Reisepasses oder Personalausweises, als die Beschwerdeführerin nach ihrer Rückkehr nach Österreich ihre Kontakte in Deutschland dazu benützt habe, um Suchtgift aus Deutschland nach Österreich rechtswidrig einzuführen und es hier in Verkehr zu setzen. Entgegen der Ansicht der Beschwerdeführerin erfordere § 15 Abs. 1 PassG nicht, dass die Versagungsgründe bereits im Zeitpunkt der Ausstellung des Passes bzw. Personalausweises gegeben seien.

Zum Einwand der Beschwerdeführerin, ihr kroatischer Ehegatte verfüge über keinen Aufenthaltstitel für Österreich, werde darauf verwiesen, dass es sich bei der Entziehung des Reisepasses um keine Ermessensentscheidung handle und keine Abwägung der privaten und familiären Interessen mit den gegenläufigen öffentlichen Interessen vorzunehmen sei.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts aufzuheben.

3. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Gemäß § 14 Abs. 1 PassG ist u.a. die Ausstellung eines Reisepasses zu versagen, wenn (Z. 3) Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass der Passwerber den Reisepass benützen will, um (lit. f) entgegen den bestehenden Vorschriften Suchtgift in einer großen Menge zu erzeugen, einzuführen, auszuführen oder in Verkehr zu setzen, oder (Z. 4) Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass durch den Aufenthalt des Passwerbers im Ausland die innere oder äußere Sicherheit der Republik Österreich gefährdet würde.

Liegen den (u.a.) in § 14 Abs. 1 Z. 3 lit. f und Z. 4 PassG angeführten Tatsachen gerichtlich strafbare Handlungen zugrunde, ist gemäß § 14 Abs. 3 leg. cit. bis zum Ablauf von drei Jahren nach der Tat jedenfalls von einem Versagungsgrund auszugehen, wobei Haftzeiten und Zeiten einer Unterbringung nach den §§ 21 bis 23 StGB außer Betracht zu bleiben haben.

Nach § 15 Abs. 1 PassG ist ein Reisepass, dessen Gültigkeitsdauer nicht länger als fünf Jahre abgelaufen ist, zu entziehen, wenn nachträglich Tatsachen bekannt werden oder eintreten, die die Versagung der Ausstellung des Reisepasses rechtfertigen.

Gemäß § 19 Abs. 2 PassG sind die die gewöhnlichen Reisepässe betreffenden Bestimmungen dieses Gesetzes u.a. auf die Entziehung von Personalausweisen anzuwenden.

2.1. Nach den unstrittigen Feststellungen im angefochtenen Bescheid hat die bereits fünf Mal einschlägig vorbestrafte Beschwerdeführerin Anfang 2006 u.a. einen Anderen dazu bestimmt, Suchtgift (Heroin, Kokain, Ecstasy) in einer - gemäß § 28 Abs. 6 SMG unter Bedachtnahme u.a. auf die Eignung, Gewöhnung hervorzurufen und in großem Ausmaß eine Gefahr für das Leben oder die Gesundheit von Menschen herbeizuführen, festzusetzenden - großen Menge von Deutschland nach Österreich zu schicken, und in Österreich eine große Suchtgiftmenge durch Verkauf in Verkehr gesetzt.

Die Suchtgiftdelikten erfahrungsgemäß inne wohnende Wiederholungsgefahr hat sich bei der Beschwerdeführerin durch den mehrfachen Rückfall eindrucksvoll manifestiert. Angesichts dessen besteht die Gefahr, dass die Beschwerdeführerin weitere - auch anders gelagerte, etwa die Einfuhr unter Verwendung des Reisepasses umfassende - Suchtgiftdelikte begehen wird (vgl. etwas die hg. Erkenntnisse vom 28. Jänner 2003, Zl. 2002/18/0266, und vom 18. September 2001, Zl. 2001/18/0169).

2.2. Die von der Beschwerdeführerin ins Treffen geführte Aufschiebung des Strafvollzugs durch das Strafgericht gemäß § 39 SMG zur Absolvierung einer - bereits freiwillig begonnenen - stationären Langzeit-Suchtgifttherapie kann keine Gewähr dafür bieten, dass sie nicht erneut mit Suchtgift in einer großen Menge handeln und dazu auch den Reisepass missbrauchen werde. Abgesehen davon hat die Passbehörde die Frage des Vorliegens eines Grundes für die Entziehung eines Reisepasses nach den hiefür vom Gesetz vorgegebenen Kriterien eigenständig zu beurteilen, ohne an die Erwägungen des Gerichts bei der Entscheidung gemäß § 39 SMG gebunden zu sein. Soweit die Beschwerdeführerin darauf verweist, den Reisepass zum Besuch ihres kroatischen Ehegatten, der keinen Aufenthaltstitel für Österreich besitze, zu benötigen, ist sie darauf hinzuweisen, dass bei der Entziehung eines Reisepasses auf die persönlichen und wirtschaftlichen Interessen des Betroffenen keine Rücksicht zu nehmen ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom 27. Februar 2003, Zl. 2003/18/0006, mwN).

2.3. Aus diesen Gründen kann die Ansicht der belangten Behörde, bei der Beschwerdeführerin sei die in § 14 Abs. 1 Z. 3 lit. f PassG umschriebene Annahme gerechtfertigt, sie wolle den Reisepass benützen, um entgegen den bestehenden Vorschriften Suchtgift in einer großen Menge zu erzeugen, einzuführen, auszuführen oder in Verkehr zu setzen, nicht als rechtswidrig erkannt werden.

3. Mit ihrem Einwand, der die Entziehung rechtfertigende Versagungsgrund müsse bereits bei Ausstellung des Reisepasses bzw. des Personalausweises vorhanden sein, ist die Beschwerdeführerin - wie schon von der belangten Behörde - auf den eindeutigen Wortlaut des § 15 Abs. 1 PassG zu verweisen, wonach auch nachträglich eingetretene Tatsachen die Entziehung rechtfertigen können.

4. Da der Entziehungsgrund gemäß § 14 Abs. 1 Z. 3 lit. f iVm § 15 Abs. 1 und § 19 Abs. 2 PassG somit erfüllt ist, braucht nicht darauf eingegangen zu werden, ob auch der Entziehungsgrund gemäß § 14 Abs. 1 Z. 4 iVm § 15 Abs. 1 und § 19 Abs. 2 leg. cit. erfüllt ist. Die Beschwerde war schon deshalb gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

5. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet auf den §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.

Wien, am 28. Februar 2008

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