VwGH 2008/12/0155

VwGH2008/12/015529.3.2012

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Sulyok sowie die Hofrätinnen Mag. Nussbaumer-Hinterauer und Mag. Rehak als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Köhler, über die Beschwerde des E M in A, vertreten durch Ploil Krepp & Partner Rechtsanwälte GmbH in 1010 Wien, Stadiongasse 4, gegen den Bescheid des beim Vorstand der Österreichische Post AG eingerichteten Personalamtes vom 26. Juni 2008, Zl. PM/PRB-549074/08-A01, betreffend Zurückweisung eines Antrages auf Gewährung von Verzugszinsen, zu Recht erkannt:

Normen

ABGB §1000 Abs1;
AHG 1949;
B-VG Art137;
GehG 1956 §1;
GehG 1956 §3;
ABGB §1000 Abs1;
AHG 1949;
B-VG Art137;
GehG 1956 §1;
GehG 1956 §3;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit hg. Erkenntnis vom 30. August 2009, Zl. 2005/09/0075, hob der Verwaltungsgerichtshof das Disziplinarerkenntnis der Disziplinaroberkommission beim Bundeskanzleramt vom 1. März 2005, mit dem der Beschwerdeführer aus seinem Dienstverhältnis entlassen worden war, auf. Im fortgesetzten Verwaltungsverfahren wurde der Beschwerdeführer nicht entlassen.

Seit Mai 2005 hatte der Beschwerdeführer keine Bezüge mehr ausbezahlt erhalten. Es erfolgten daher Nachzahlungen an den Beschwerdeführer, und zwar am 29. November und am 21. Dezember 2006.

Der Beschwerdeführer stellte in der Folge den Antrag, ihm jeweils 4 % Zinsen aus den ihm zustehenden Bezügen jeweils seit dem 20. des Vormonats bis zur erfolgten Nachzahlung zu bezahlen, in eventu festzustellen, dass ihm Verzugszinsen in der genannten Höhe zustünden.

Mit Bescheid vom 20. Dezember 2007 wies das Personalamt I. gemäß § 3 Abs. 1 Gehaltsgesetz 1956 (GehG) den Anspruch auf Zahlung von Verzugszinsen für die nachgezahlten Monatsbezüge für den Zeitraum vom 20. April 2005 bis 20. Dezember 2006 ab und stellte fest, dass für diesen Zeitraum keine Verzugszinsen gebührten.

Der Beschwerdeführer erhob Berufung.

Mit dem angefochtenen Bescheid änderte die belangte Behörde den Spruch des erstinstanzlichen Bescheides dahin ab, dass der Antrag auf Verzugszinsen zurückgewiesen wurde.

Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, die aus dem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis abgeleiteten Rechte und Pflichten seien im Gegensatz zu privatrechtlichen Dienstverhältnissen - sofern nicht Gestaltungsrechte ausdrücklich eingeräumt seien - weder vom Dienstgeber noch vom Dienstnehmer gestaltbar. Deshalb könnten bezugsrechtlich Ansprüche und Forderungen aus dem grundsätzlich lebenslangen Dienstverhältnis in Bindung an die dafür vorgesehenen Rechtsvorschriften nur nach den besoldungsrechtlichen Bestimmungen (Gesetze und Verordnungen) geltend gemacht werden. Maßgeblich für einen Anspruch sei daher nur, ob die im Gesetz enthaltenen Tatsachenerfordernisse erfüllt seien. Das heiße, dass jede Problemstellung des Dienstverhältnisses für sich einzig auf Grundlage des Gesetzes zu lösen sei.

Gemäß § 1 GehG sei dieses Bundesgesetz auf alle Bundesbeamten des Dienststandes anzuwenden. Nachdem der Beschwerdeführer infolge des rechtskräftigen Erkenntnisses der Disziplinaroberkommission vom 1. März 2005 aus dem Dienststand entlassen worden sei, sei auch die für ihn zur Auszahlung von Bezügen notwendige Rechtsgrundlage weggefallen. Eine weitere Auszahlung von Bezügen sei ab diesem Zeitpunkt rechtlich für die Dienststelle nicht möglich gewesen.

Die Bestimmung des § 42 Abs. 3 VwGG sehe für den Fall, dass ein auf Entlassung lautendes Erkenntnis durch den Verwaltungsgerichtshof aufgehoben werde, vor, dass die Rechtssache in die Lage vor der Entlassung des bekämpften Erkenntnisses zurücktrete, sodass ein gemäß § 92 Abs. 1 Z. 4 BDG 1979 aufgelöstes Dienstverhältnis wieder wirksam werde.

Mit Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 30. August 2006, Zl. 2005/09/0075, sei das angefochtene Entlassungserkenntnis der Disziplinaroberkommission aufgehoben und das Verfahren in die Lage vor dem Ausspruch der Entlassung zurückversetzt worden, was auch sämtliche sich aus dem öffentlichrechtlichen Dienstverhältnis für den Beschwerdeführer ergebenden Anwartschaften, Rechte und Befugnisse, somit auch das Recht auf Bezüge, habe aufleben lassen.

Es seien somit sämtliche Bezüge seit Mai 2005 abzüglich der an den Beschwerdeführer durch das AMS geleisteten Überbrückungshilfe nachzuzahlen gewesen.

Bezüglich der vom Beschwerdeführer geforderten Verzugszinsen sei festzuhalten, dass diese nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes auch bei öffentlich-rechtlichen Schuldverhältnissen - soweit das Gesetz nichts Gegenteiliges bestimme - zu entrichten seien. Diese Pflicht trete allerdings erst ab dem Zeitpunkt des Verzuges ein (Zeit zwischen Fälligkeit und Liquidierung) und wäre der Verfassungsgerichtshof hiefür in einem Verfahren nach Art. 137 B-VG zuständig.

Nachdem der zuständigen Dienstbehörde das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 30. August 2006, Zl. 2005/09/0075, nachweislich am 20. November 2006 zugestellt worden sei, sei das Recht des Beschwerdeführers auf Bezüge gemäß § 1 iVm § 3 GehG wieder aufgelebt.

Nachdem dem Beschwerdeführer ab diesem Zeitpunkt die Bezüge ex lege wieder zugestanden seien, sei die Dienstbehörde dazu verhalten gewesen, deren Anweisung spätestens nach Ablauf einer angemessenen Frist (ca. 14 Tage) ohne Verzugsfolgen zu veranlassen.

Diese angemessene Frist hätte somit frühestens am 4. Dezember 2006 geendet. Dem Beschwerdeführer sei am 29. November 2006 ein Betrag von EUR 25.000,-- angewiesen worden, der sämtliche ihm bis zu diesem Tag nachzuzahlenden Bezüge und sonstigen Zahlungen beinhaltet habe. Er habe über diesen Betrag spätestens am 30. November 2006 frei verfügen können.

Eine Verzugsfolge sei also nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes nicht eingetreten.

Zur Zuerkennung von Verzugszinsen von Mai 2005 bis November/Dezember 2006 sei festzuhalten, dass es an einer entsprechenden Vorschrift des Dienst- oder Besoldungsrechtes mangle, die dem Beschwerdeführer einen derartigen Anspruch einräumte. Der vom Beschwerdeführer geltend gemachte Anspruch sei in der Rechtsordnung nicht vorgesehen, weshalb die erstinstanzliche Dienstbehörde seinen Antrag hätte zurückweisen müssen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der die Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes begehrt wird.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

In der Beschwerde wird ausgeführt, dass nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes, wenn für ein öffentlich-rechtliches Schuldverhältnis keine gesetzliche Norm existiere, die einen Anspruch auf Verzugszinsen explizit ausschließe, Verzugszinsen zustünden.

Die Unrichtigkeit der von der belangten Behörde vertretenen gegenteiligen Auffassung sei evident. Die Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes und die bereicherungsrechtlichen Grundsätze der Rechtsordnung sprächen gegen diese krass dem Rechtsempfinden widersprechende Auffassung. Eine von der belangten Behörde geforderte spezifische Norm sei zur Begründung des Anspruchs auf Verzugszinsen nicht erforderlich. Dieser ergebe sich unmittelbar aus der Rechtsordnung.

Es werde auch die Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes vom 13. September 2002, Zl. 99/12/0200, zu überdenken sein. Die darin aufgestellte Maxime, dass ein Anspruch auf Verzugszinsen durch eine Vorschrift des Dienstrechts explizit eingeräumt werden müsse, lasse sich angesichts der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes nicht aufrecht erhalten.

Entgegen der Ansicht der belangten Behörde sei die Dienstbehörde mit den Gehaltszahlungen im November 2006 längst in Verzug gewesen: Die Gehaltsansprüche des Beschwerdeführers seien nicht erst nach Ablauf der im Schreiben des Beschwerdeführers vom 10. November 2006 gesetzten Zahlungsfrist oder nach der der belangten Behörde vorschwebenden "angemessenen" Frist von 14 Tagen, sondern bereits am 20. des jeweiligen Vormonats fällig gewesen. Das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes habe die Rechtswidrigkeit der Entlassung bestätigt und ex tunc die Wiederherstellung des Dienstverhältnisses bewirkt. Die dem Beschwerdeführer gebührenden Gehälter hätten niemals verweigert werden dürfen, sondern am Tage ihrer Fälligkeit ausbezahlt werden müssen. Dass sich der Dienstgeber des Beschwerdeführers auf die Richtigkeit der Disziplinarentscheidung verlassen habe, ändere nichts an der Rechtswidrigkeit der Entlassung und damit auch nichts an der Fälligkeit der Gehaltsansprüche.

In der Mahnung vom 10. November 2006 sei keine die Fälligkeit hinausschiebende Stundung zu sehen, sondern eine Zahlungsaufforderung, die durch Setzung einer Frist dem Anspruch auf Auszahlung der Gehälter habe Nachdruck verleihen sollen.

Die Beschwerde ist nicht begründet.

Der Verwaltungsgerichtshof hat im hg. Erkenntnis vom 29. Juni 2011, Zl. 2010/12/0113, folgendes ausgeführt:

"Wie der Verwaltungsgerichtshof in seinem Beschluss eines verstärkten Senates vom 16. Jänner 1959, Zl. 3/9-Pr./58 (Anhang Beschlüsse verstärkter Senate Nr. 105 in VwSlg/A (1960) - nur Leitsatz) und darauf aufbauend in seinem Erkenntnis vom 12. Februar 1959, Zl. 666/58 = Slg. 4879/A, ausgesprochen hat, könne über einen Anspruch eines öffentlich-rechtlich Bediensteten auf Verzugszinsen wegen Verzögerung einer Gehaltszahlung nicht mit Bescheid einer Verwaltungsbehörde abgesprochen werden. Ein etwaiger Anspruch auf (zumindest) gesetzliche Verzugszinsen, der nur eine Nebenforderung zum Gegenstand habe, ergäbe sich bei objektiver mora von selbst. Seine Geltendmachung könnte in diesem Fall nur im Wege einer Klage nach Art. 137 B-VG beim Verfassungsgerichtshof durchgesetzt werden. Für schuldhafte Schadenszufügungen sei aber durch das Amtshaftungsgesetz ein besonderes Verfahren - jedenfalls kein Verwaltungsverfahren - vorgesehen (vgl. auch die hg. Erkenntnisse vom 12. April 1962, Zl. 233/60, und vom 4. Mai 1983, Zl. 82/09/0183, sowie den hg. Beschluss vom 31. März 1977, Zl. 279/77 = VwSlg. 9295/A).

Damit handelt es sich bei der Geltendmachung von Verzugszinsen nicht um eine Verwaltungssache (soferne nicht ausdrücklich davon abweichende gesetzliche Bestimmungen bestehen, wie dies z.B. in § 94 Abs. 8 und 9 der Wiener Dienstordnung 1994 der Fall ist), weshalb die belangte Behörde den Antrag auf Auszahlung von Verzugszinsen zu Recht zurückgewiesen hat."

Unter Zugrundelegung dieser Rechtsprechung ist davon auszugehen, dass die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers zu Recht zurückgewiesen hat.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Der Spruch über den Aufwandersatz gründet auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455, insbesondere deren § 3 Abs. 2.

Wien, am 29. März 2012

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