Normen
AlVG 1977 §12 Abs1;
AlVG 1977 §24 Abs2;
AlVG 1977 §25 Abs1;
AlVG 1977 §38;
GmbHG §15;
GmbHG §16a;
GmbHG §18;
GmbHG §89;
VwRallg;
AlVG 1977 §12 Abs1;
AlVG 1977 §24 Abs2;
AlVG 1977 §25 Abs1;
AlVG 1977 §38;
GmbHG §15;
GmbHG §16a;
GmbHG §18;
GmbHG §89;
VwRallg;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die regionale Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice sprach mit Bescheid vom 26. Februar 2008 aus, dass der Arbeitslosengeldbezug der Beschwerdeführerin rückwirkend mit 1. August 2004 mangels Erfüllung der Anspruchsvoraussetzung "Vorliegen von Arbeitslosigkeit" einzustellen sei. Der Bezug des Arbeitslosengeldes und der Notstandshilfe wurde für näher angeführte Zeiträume vom 1. August 2004 bis 31. Oktober 2007 widerrufen und die Beschwerdeführerin zur Rückzahlung des unberechtigt empfangenen Arbeitslosengeldes in der Höhe von EUR 14.595,04 verpflichtet.
Begründend führte die regionale Geschäftsstelle im Wesentlichen aus, die Beschwerdeführerin habe vom 15. November 1998 bis 31. Mai 2000 als Angestellte bei der I GmbH gearbeitet. Am 1. August 2004 habe sie die Zuerkennung des Arbeitslosengeldes beantragt; ab diesem Tag sei Arbeitslosengeld in der Höhe von EUR 10,85 täglich zur Anweisung gebracht worden.
Anlässlich einer Überprüfung sei festgestellt worden, dass die Beschwerdeführerin nicht nur wie von ihr ausgeführt die Geschäftsführerin der I GmbH auf Angestelltenbasis, sondern auch die handelsrechtliche Geschäftsführerin der I GmbH gewesen sei. Aus einem Firmenbuchauszug vom 18. Dezember 2007 sei ersichtlich, dass die Beschwerdeführerin die I GmbH nach wie vor als handelsrechtliche Geschäftsführerin selbständig vertrete.
Somit sei davon auszugehen, dass die Beschwerdeführerin zum Zeitpunkt der Arbeitslosmeldung und während des Leistungsbezuges nach dem AlVG von 2004 bis 2007 handelsrechtliche Geschäftsführerin und auch Gesellschafterin der I GmbH gewesen sei und dass somit eine selbständige Tätigkeit vorliege. Das organschaftliche Dienstverhältnis sei nicht beendet worden. Daher sei Arbeitslosigkeit nicht eingetreten, sodass der Leistungsbezug während der im Spruch des Bescheides angeführten Zeiträume nicht gebühre und sohin der Arbeitslosengeldbezug zu widerrufen sei.
Die Beschwerdeführerin habe wesentliche Tatsachen für den Bezug von Leistungen nach dem Arbeitslosenversicherungsgesetz, nämlich dass sie handelsrechtliche Geschäftsführerin der I GmbH sei, verschwiegen und habe zur Frage im Zuerkennungsantrag nach einer selbständigen Tätigkeit unwahre Angaben gemacht. Es sei daher der Überbezug in Höhe von EUR 14.595,04 zum Rückersatz vorzuschreiben.
Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin eine als Einspruch bezeichnete Berufung, in welcher sie geltend machte, sie habe schriftliche Angaben über ihr Verhältnis zur I GmbH gemacht, sie habe daher nichts verschleiert oder falsche Angaben gemacht.
Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung keine Folge, änderte den angefochtenen Bescheid aber dahin ab, dass der Arbeitslosengeld- bzw. der Notstandshilfebezug für die Zeiträume 1. August bis 12. September 2004, 13. bis 30. September 2004, 4. Juli bis 14. August 2005, 6. September bis 12. Oktober 2005, 13. Oktober bis 29. November 2005, 16. Mai bis 10. September 2006 und vom 31. Oktober 2005 (gemeint: 2006) bis 10. Dezember 2006 widerrufen werde und der Überbezug an Arbeitslosengeld bzw. an Notstandshilfe für diesen Zeitraum von EUR 4.224,83 zum Rückersatz vorgeschrieben werde. Über den Widerruf der Leistungsbezüge (Beihilfen aufgrund eines Kursbesuches) für die Zeiträume vom 30. November bis 21. Dezember 2005, 2. Jänner bis 11. Februar 2006, 17. Februar bis 28. Februar 2006, 1. bis 14. März 2006, 11.
bis 17. September 2006, 11. bis 23. Dezember 2006 und 29. Dezember 2006 bis 31. Oktober 2007 und über den sich für diese Zeiträume ergebenden Überbezug an Leistungen in der Höhe von EUR 10.370,21 werde die Beschwerdeführerin "seitens der regionalen Geschäftsstelle (…) gesondert informiert" werden.
Die belangte Behörde ging davon aus, dass die Beschwerdeführerin geschieden sei und Betreuungspflichten für zwei Kinder habe. Vom 15. November 1998 bis 31. Mai 2000 sei sie für die I GmbH als Arbeiterin tätig gewesen; sie habe für diesen Dienstgeber die Gewerbeberechtigung inne gehabt; die Gewerbeberechtigung habe sie mit 1. August 2004 ruhend gemeldet.
Ab 1. August 2004 habe die Beschwerdeführerin Arbeitslosengeld bzw. Notstandshilfe in den oben angeführten Zeiträumen bezogen. Weiter habe sie im Zuge des Leistungsbezuges an Ausbildungen teilgenommen und hiefür - in den ebenfalls oben angeführten Zeiträumen - Beihilfen nach dem AMSG bezogen.
Anlässlich einer neuerlichen Leistungsbeantragung sei der regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice bekannt geworden, dass die Beschwerdeführerin bei der I GmbH nicht nur als Arbeiterin und "Gewerbeinhaberin", sondern ab 1. Mai 2000 auch als handelsrechtliche Geschäftsführerin tätig gewesen sei. Aus dem Firmenbuchauszug vom 12. Oktober 2007 sei ersichtlich, dass die Beschwerdeführerin ab 1. Mai 2000 handelsrechtliche Geschäftsführerin und seit dem 19. Juli 2007 Liquidator der Gesellschaft sei. Eine Streichung aus dem Firmenbuch sei bisher nicht vorgenommen worden.
Eine Voraussetzung für den Bezug von Arbeitslosengeld bzw. Notstandshilfe sei das Vorliegen von Arbeitslosigkeit. Es sei zwischen der auf einem Gesellschafterbeschluss beruhenden Bestellung zum Geschäftsführer einerseits und dem Anstellungsvertrag anderseits zu unterscheiden. Durch die Beendigung des Anstellungsverhältnisses würden die Hauptleistungspflichten als Geschäftsführer nicht einmal ausgesetzt, sondern nur die nähere Ausgestaltung der vorgegebenen Verpflichtung zur Dienstleistung und Geschäftsbesorgung beendet. Die bloße Beendigung des Anstellungsverhältnisses alleine bewirke daher keine Arbeitslosigkeit, sodass kein Anspruch auf Arbeitslosengeld bzw. Notstandshilfe bestehe.
Der Leistungsbezug sei jedenfalls dann zu widerrufen, wenn sich die Zuerkennung der Leistung nachträglich als gesetzlich nicht begründet herausstelle. Im Rahmen des § 24 AlVG könne aber nur der Bezug von Arbeitslosengeld oder Notstandshilfe widerrufen werden. Über den Widerruf der Bezüge von Beihilfen während der Absolvierung einer Ausbildung werde die Beschwerdeführerin von der regionalen Geschäftsstelle gesondert informiert werden.
Die Beschwerdeführerin habe die Tatsache, dass sie für die I GmbH als handelsrechtliche Geschäftsführerin tätig gewesen sei und im Firmenbuch laufend als Geschäftsführerin bzw. Liquidator der I GmbH gespeichert sei, bei der Arbeitslosmeldung am 1. August 2004 verschwiegen. Auch im Zuge der Vermittlungsvormerkung habe sie keine Auskünfte erteilt. Anlässlich der Meldung zu den Leistungsbezügen habe sie erklärt, dass sie selbständig erwerbstätig gewesen sei und die hiefür notwendige Gewerbeberechtigung zurückgelegt habe. Dass sie nach wie vor handelsrechtliche Geschäftsführerin bzw. Liquidator des Unternehmens sei, habe sie nicht erwähnt.
Die Beschwerdeführerin habe somit bei der Beantragung des Arbeitslosengeldes per 1. August 2004 falsche Angaben gemacht bzw. maßgebliche Angaben verschwiegen. Damit sei ein Rückforderungstatbestand gemäß § 25 Abs. 1 AlVG gesetzt worden, sodass der Überbezug in der Höhe von EUR 4.224,83 rückzufordern sei.
Über den Rückersatz der zu Unrecht empfangenen Beihilfen nach dem AMSG aufgrund der Teilnahme an Schulungen (EUR 10.370,21) werde die Beschwerdeführerin gesondert von der regionalen Geschäftsstelle informiert werden.
Gegen diesen Bescheid wendet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes oder Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften kostenpflichtig aufzuheben.
Der Verwaltungsgerichtshof hat nach Vorlage der Akten des Verwaltungsverfahrens durch die belangte Behörde erwogen:
1. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes sind Ansprüche auf Arbeitslosengeld bzw. auf Notstandshilfe - sofern der Gesetzgeber nicht anderes anordnet - zeitraumbezogen zu beurteilen; dies gilt auch für die Frage der Rechtmäßigkeit der Verpflichtung zum Rückersatz des empfangenen Arbeitslosengeldes (der Notstandshilfe) gemäß § 25 AlVG (vgl. das hg. Erkenntnis vom 21. Februar 2007, Zl. 2004/08/0175, mwN).
Gemäß § 12 Abs. 1 AlVG (idF BGBl. I Nr. 77/2004) ist arbeitslos, wer nach Beendigung seines Beschäftigungsverhältnisses keine neue Beschäftigung gefunden hat. Nach § 12 Abs. 3 leg.cit. gilt als arbeitslos insbesondere nicht, wer in einem Dienstverhältnis steht (lit. a) oder wer selbständig erwerbstätig ist (lit. b). Nach § 12 Abs. 6 lit. a leg.cit. gilt aber als arbeitslos, wer aus einer oder mehreren Beschäftigungen ein Entgelt erzielt, das die im § 5 Abs. 2 ASVG angeführten Beträge nicht übersteigt; ebenso gilt nach lit. c leg.cit. als arbeitslos, wer auf andere Art selbständig erwerbstätig ist bzw. selbständig arbeitet und daraus ein Einkommen gemäß § 36a AlVG erzielt oder im Zeitraum der selbständigen Erwerbstätigkeit bzw. der selbständigen Arbeit einen Umsatz gemäß § 36b AlVG erzielt, wenn weder das Einkommen zuzüglich Sozialversicherungsbeiträge, die als Werbungskosten geltend gemacht wurden, noch 11,1 vH des Umsatzes die im § 5 Abs. 2 ASVG angeführten Beträge übersteigt.
Wenn sich die Zuerkennung oder die Bemessung des Arbeitslosengeldes als gesetzlich nicht begründet herausstellt, ist die Zuerkennung gemäß § 24 Abs. 2 AlVG (idF BGBl. I Nr. 71/2003) zu widerrufen oder die Bemessung rückwirkend zu berichtigen.
Nach § 25 Abs. 1 AlVG (idF BGBl. I Nr. 77/2004) ist der Empfänger des Arbeitslosengeldes bei Einstellung, Herabsetzung, Widerruf oder Berichtigung einer Leistung zum Ersatz des unberechtigt Empfangenen zu verpflichten, wenn er den Bezug durch unwahre Angaben oder durch Verschweigung maßgebender Tatsachen herbeigeführt hat oder wenn er erkennen musste, dass die Leistung nicht oder nicht in dieser Höhe gebührte.
Diese Bestimmungen sind auch auf die Notstandshilfe anzuwenden (§ 38 AlVG).
2. Voraussetzung dafür, dass Arbeitslosigkeit iSd § 12 Abs. 1 AlVG vorliegt, ist demnach - nach der hier anwendbaren Rechtslage - die Beendigung der die Anwartschaft begründenden Beschäftigung.
Bei Geschäftsführern von Gesellschaften mit beschränkter Haftung ist zwischen der Bestellung zum Geschäftsführer und dem Anstellungsvertrag zu unterscheiden. Durch die Bestellung zum Geschäftsführer wird die gesellschaftsrechtliche Funktion des Geschäftsführers mit den damit verbundenen Rechten und Pflichten begründet. Durch den Anstellungsvertrag werden die zusätzlichen, rein schuldrechtlichen Beziehungen im Innenverhältnis zur Gesellschaft geregelt. Sein Hauptinhalt auf Seiten des Geschäftsführers ist die nähere Ausgestaltung der durch das Organschaftsverhältnis vorgezeichneten Verpflichtungen zur Dienstleistung und zur Geschäftsbesorgung. Bereits durch den wirksamen gesellschaftsrechtlichen Bestellungsakt ergibt sich im Wesentlichen die Pflicht des Geschäftsführers zur Geschäftsführung, sodass der Anstellungsvertrag eine bloße Ergänzung des Organverhältnisses bewirkt. Durch die Beendigung des Anstellungsverhältnisses wird nicht einmal die Hauptleistungspflicht des Geschäftsführers (soweit sie mit der Innehabung der Funktion nach dem GmbH-Gesetz zwingend verbunden ist) zur Gänze ausgesetzt, sondern es wird nur die nähere Ausgestaltung der durch das Organschaftsverhältnis vorgeschriebenen Verpflichtung zur Dienstleistung und zur Geschäftsführung, also das "Wie" der Ausübung derselben aufgehoben (vgl. das hg. Erkenntnis vom 2. Juli 2008, Zl. 2007/08/0195).
Arbeitslosigkeit iSd § 12 AlVG liegt daher bei einem Geschäftsführer einer Gesellschaft mbH nicht schon dann vor, wenn beim anwartschaftsbegründenden Beschäftigungsverhältnis der Anstellungsvertrag aufgelöst wurde, sondern erst dann, wenn auch das Organschaftsverhältnis zur Gesellschaft erloschen ist. Besteht das Organschaftsverhältnis weiter, ist es ohne Bedeutung, ob der Geschäftsführer tatsächlich eine Tätigkeit entfaltet oder ob er ein Entgelt erhält. Dies gilt auch im Konkurs der GmbH und ebenso für Liquidatoren (vgl. das hg. Erkenntnis vom 2. Juli 2008, Zl. 2007/08/0338, mwN). Zu ergänzen ist, dass die Beendigung der Geschäftsführertätigkeit aber - entgegen der Meinung der belangten Behörde - nicht erst mit der Löschung im Firmenbuch wirksam wird, sondern entweder mit dem Rücktritt des Geschäftsführers oder mit Zugang eines Abberufungsbeschlusses der Gesellschafter (vgl. das hg. Erkenntnis vom 26. Mai 2004, Zl. 2001/08/0216, mwN). Ein derartiger Rücktritt oder eine Abberufung wurde freilich von der Beschwerdeführerin nicht behauptet.
Es ist aber darauf zu verweisen, dass die Sachverhaltsannahme der belangten Behörde, die Beschwerdeführerin habe ihre weiter bestehende Geschäftsführerfunktion bei Beantragung der Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung nicht angegeben, nicht ohne Weiteres aus den Akten des Verwaltungsverfahrens ableitbar ist. Zutreffend ist zwar, dass die Beschwerdeführerin - im Antrag vom 3. August 2004 - die Frage zu Punkt 5 ("Ich stehe derzeit in Beschäftigung … (z.B. Dienstnehmer/in, … Geschäftsführer/in)") verneint hat, zu Punkt 11 gab sie aber als Beschäftigungszeiten unter anderem auch an, ab Juni 1999 als "GF" tätig zu sein, wobei auch ein Stempel der I GmbH angebracht wurde. Ein im Formular vorgesehenes Enddatum dieser Beschäftigung wurde aber nicht angegeben, das entsprechende Feld wurde gestrichen. Mit diesem Umstand hat sich die belangte Behörde im Rahmen ihrer Beweiswürdigung nicht auseinander gesetzt, sodass die Feststellung der belangten Behörde, die Beschwerdeführerin habe diese Geschäftsführerfunktion verschwiegen, nicht auf einer schlüssigen Beweiswürdigung gründet.
War aber der regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice zum Zeitpunkt der Zuerkennung der Leistung der Umstand der fortdauernden Geschäftsführerfunktion bekannt, so schloss dies für den Zeitraum, für den aufgrund dieses Antrages Leistungen gewährt wurden, nicht nur eine Rückforderung der Leistung aus (da kein Verschweigen vorlag), sondern - nach der auf den zu beurteilenden Zeitraum noch anwendbaren Rechtslage - auch den Widerruf der Leistung (vgl. das hg. Erkenntnis vom 28. Juni 2006, Zl. 2006/08/0004, mwN).
Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Die Zuerkennung von Kostenersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.
Wien, am 19. Oktober 2011
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