VwGH 2007/08/0338

VwGH2007/08/03382.7.2008

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Müller und die Hofräte Dr. Strohmayer und Dr. Doblinger als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Marzi, über die Beschwerden des C in Wien, vertreten durch Dr. Theodor Strohal, Dr. Wolfgang G. Kretschmer und Mag. Erich Rebasso, Rechtsanwälte in 1010 Wien, Franz-Josefs-Kai 3, gegen die auf Grund jeweils eines Beschlusses des Ausschusses für Leistungsangelegenheiten ausgefertigten Bescheide der Landesgeschäftstelle des Arbeitsmarktservice Wien vom 12. November 2007, Zl. 2007-0566-9-001533 (protokolliert zur hg. Zl. 2007/08/0338) und vom 30. Jänner 2008, Zl. 2008-0566-9- 000089 (protokolliert zur hg. Zl. 2008/08/0045), betreffend Widerruf und Rückforderung von Arbeitslosengeld und Notstandshilfe, zu Recht erkannt:

Normen

AlVG 1977 §12 Abs1;
GmbHG §15;
GmbHG §18;
AlVG 1977 §12 Abs1;
GmbHG §15;
GmbHG §18;

 

Spruch:

Die Beschwerden werden als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund (Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit) Aufwendungen in der Höhe von jeweils EUR 381,90, insgesamt daher EUR 763,80 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die belangte Behörde hat in Anwendung der §§ 24, 25 und 38 Arbeitslosenversicherungsgesetz 1977 (AlVG) mit den im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheiden

1. vom 12. November 2007: die Zuerkennung des Arbeitslosengeldes für die Zeiträume vom 3. Februar bis 20. Juni 2005, vom 5. bis 31. Juli 2005, vom 1. bis 26. Juli 2006 und vom 14. August bis 1. September 2006 sowie der Notstandshilfe für die Zeiträume vom 2. September bis 24. Oktober 2006, vom 25. November 2006 bis 17. Jänner 2007 sowie vom 27. Jänner bis 29. März 2007 an den Beschwerdeführer widerrufen und ausgesprochen, dass der Beschwerdeführer zum Ersatz des unberechtigt Empfangenen in Höhe von EUR 8.490,29 an Arbeitslosengeld sowie EUR 6.312,15 an Notstandshilfe, insgesamt daher EUR 14.802,44, verpflichtet sei;

2. vom 30. Jänner 2008 : den Widerruf der Zuerkennung der Notstandshilfe vom 4. Juni bis 31. August 2007 ausgesprochen und den Beschwerdeführer zur Rückzahlung der unberechtigt empfangenen Notstandshilfe in Höhe von EUR 2.685,13 verpflichtet.

In den großteils gleich lautenden Begründungen wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass der Beschwerdeführer auf Grund seiner Anträge vom 3. Februar 2005, 27. Juni 2006, 21. August 2006 und 4. Juni 2007 Arbeitslosengeld bzw. Notstandshilfe bezogen habe, wobei er in all diesen Anträgen die Frage 5 im bundeseinheitlichen Antragsformular "ich stehe derzeit in Beschäftigung. Wenn ja, Art der Tätigkeit (z.B. Dienstnehmer/in, Hausbesorger/in, geringfügige Beschäftigung, Mitarbeiter/in im Familienbetrieb, Geschäftsführer/in)" mit "nein" beantwortet habe. Aus der vom Beschwerdeführer anlässlich der Geltendmachung seines Arbeitslosengeldanspruches am 28. Februar 2005 vorgelegten Arbeitsbescheinigung sei ersichtlich gewesen, dass er vom 19. Juni 2000 bis 31. Jänner 2005 beim Unternehmen J.-GmbH in einem arbeitslosenversicherungspflichtigen Dienstverhältnis (als technischer Angestellter) gestanden sei, welches durch einvernehmliche Lösung geendet habe. Von dem - vom Beschwerdeführer verschwiegenen - Umstand, dass er seit 3. April 2002 alleinvertretungsbefugter handelsrechtlicher Geschäftsführer dieses Unternehmens gewesen sei, habe das Arbeitsmarktservice (erst) im Jahr 2007 Kenntnis erlangt; seine Funktion als handelsrechtlicher Geschäftsführer sei laut Firmenbuchauszug vom 5. November 2007 nach wie vor aufrecht.

Gegen diese Bescheide richten sich die vorliegende Beschwerden, in welchen Rechtswidrigkeit ihres Inhaltes sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht wird.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahren vor und erstattete Gegenschriften, in denen sie jeweils die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerden beantragte.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat nach Verbindung der Beschwerden auf Grund ihres persönlichen und sachlichen Zusammenhanges zur gemeinsamen Beratung und Entscheidung über diese erwogen:

Arbeitslos ist gemäß § 12 Abs. 1 AlVG, wer nach Beendigung seines Beschäftigungsverhältnisses keine neue Beschäftigung gefunden hat.

Nach § 12 Abs. 6 lit. e AlVG. in der hier maßgebenden Fassung BGBl. I 1997/139 gilt (auch) als arbeitslos, wer als geschäftsführender Gesellschafter aus dieser Tätigkeit ein Einkommen gemäß § 36a leg. cit. oder einen Umsatz gemäß § 36b leg. cit. erzielt, wenn weder das Einkommen zuzüglich Sozialversicherungsbeiträge, die als Werbungskosten geltend gemacht wurden, noch 11,1 vH des auf Grund seiner Anteile aliquotierten Umsatzes der Gesellschaft die im § 5 Abs. 2 ASVG angeführten Beträge übersteigt.

Gemäß § 24 Abs. 2 AlVG ist, wenn sich die Zuerkennung oder die Bemessung des Arbeitslosengeldes nachträglich als gesetzlich nicht begründet herausstellt, die Zuerkennung zu widerrufen oder die Bemessung rückwirkend zu berichtigen.

Nach § 25 Abs. 1 leg. cit. ist bei Einstellung, Herabsetzung, Widerruf oder Berichtigung einer Leistung der Empfänger des Arbeitslosengeldes zum Ersatz des unberechtigt Empfangenen zu verpflichten, wenn er den Bezug durch unwahre Angaben oder durch Verschweigung maßgebender Tatsachen herbeigeführt hat oder wenn er erkennen musste, dass die Leistung nicht oder nicht in dieser Höhe gebührte.

Diese Bestimmungen sind auch auf die Notstandshilfe anzuwenden (§ 38 AlVG).

In seinem Erkenntnis vom 30. Mai 1995, Zl. 93/08/0138, hat der Verwaltungsgerichtshof ausgeführt und ausführlich begründet, dass im Falle eines Geschäftsführers einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung die Arbeitslosigkeit im Sinne des § 12 AlVG nicht schon dann vorliegt, wenn beim anwartschaftsbegründenden Beschäftigungsverhältnis der Anstellungsvertrag aufgelöst wurde, sondern erst dann, wenn auch die Hauptleistungspflicht, soweit sie mit der Innehabung der Funktion eines Geschäftsführers nach dem GmbH-Gesetz zwingend verbunden ist, nicht mehr besteht, das heißt, dass auch das Organschaftsverhältnis zur Gesellschaft erloschen sein muss. Besteht das Organschaftsverhältnis weiter, ist es ohne Bedeutung, ob der Geschäftsführer tatsächlich eine Tätigkeit entfaltet (vgl. z.B. das Erkenntnis vom 20. Februar 2002, Zl. 99/08/0022) oder ob er ein Entgelt erhält (vgl. das Erkenntnis vom 20. Februar 2002, Zl. 2002/08/0009). Es spielt auch keine Rolle, dass über das Vermögen der Gesellschaft - verbunden mit Auflösung der Gesellschaft - der Konkurs eröffnet wurde (vgl. das Erkenntnis vom 30. April 2002, Zl. 2002/08/0046).

Im vorliegenden Fall ist unstrittig, dass der Beschwerdeführer in den relevanten Zeiträumen handelsrechtlicher Geschäftsführer der J.-GmbH und somit bei demselben Unternehmen, bei welchem er sein anwartschaftsbegründendes Beschäftigungsverhältnis hatte, gewesen ist. Auch die Feststellung der belangten Behörde, dass der Beschwerdeführer diesen Umstand bei der Antragstellung auf Geldleistungen nach dem AlVG jeweils verschwiegen hat, wird in der Beschwerde nicht bekämpft.

Damit ist aber den Beschwerden auch insoweit der Boden entzogen, als sie gleichlautend die Auffassung vertreten, der (auch am Unternehmen beteiligte) Beschwerdeführer sei als geschäftsführender Gesellschafter gemäß § 12 Abs. 6 lit. e AlVG als arbeitslos anzusehen. Ebenso kommt dem weiteren Vorbringen, wonach er (unter Hinweis auf den vorliegenden Firmenbuchauszug) seit 28. September 2004 mit 50% (gegenüber früher 25%) am Stammkapital dieses Unternehmens beteiligt gewesen sei und deshalb auch sein Beschäftigungsverhältnis iSv § 12 Abs. 1 AlVG zu diesem Unternehmen bereits mit diesem Tag geendet habe, keine rechtliche Relevanz zu. Dasselbe gilt für den aus dem in den Verwaltungsakten einliegenden Firmenbuchauszug ersichtlichen Umstand, dass über das Vermögen der J.-GmbH mit Beschluss des Handelsgerichtes Wien vom 2. November 2004 das Ausgleichsverfahren eröffnet und nach rechtskräftiger Bestätigung des am 21. Dezember 2004 angenommenen Ausgleichs gemäß § 57 Abs. 1 AO am 23. Februar 2005 vom Handelsgericht Wien aufgehoben wurde:

Bei Fortdauer der Funktion als Geschäftsführer ist es nämlich gleichgültig, worin der Endigungsgrund für den Dienstvertrag liegt, auch wenn die Beendigung bereits am 28. September 2004 erfolgt sein sollte. Ebensowenig ist maßgebend, ob eine Formalversicherung nach § 21 ASVG oder ob (nach diesem Zeitpunkt) eine Pflichtversicherung nach dem GSVG bestanden hat, wie in der Beschwerde behauptet wird (im Übrigen wäre der Beschwerdeführer bei Annahme einer Formalversicherung nach § 21 ASVG seit 28. September 2004, weil er seit diesem Zeitpunkt nicht mehr abhängig beschäftigt gewesen ist, nicht arbeitslosenversichert, zumal es im AlVG keine Formalversicherung gibt - vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom 17. November 2004, Zl. 2002/08/0068). Entscheidend ist hier vielmehr, dass der Beschwerdeführer zufolge ununterbrochener Fortdauer seiner Organstellung zu keinem Zeitpunkt seine während der Dauer der Arbeitslosenversicherungspflicht anwartschaftsbegründende Beschäftigung im Sinne des § 12 Abs. 1 AlVG beendet hat.

Vor dem Hintergrund der dargestellten Rechtslage hat die belange Behörde zutreffend angenommen, dass der Beschwerdeführer während der festgestellten Zeiten nicht als arbeitslos gilt; sie hat daher zu Recht die Zuerkennung von Arbeitslosengeld und Notstandshilfe widerrufen und den Beschwerdeführer auf Grund der Verschweigung dieser aufrechten Organstellung zur Rückzahlung der bezogenen Leistungen verpflichtet.

Der Beschwerdeführer vermochte somit keine Rechtswidrigkeit der angefochtenen Bescheide aufzuzeigen, weshalb die Beschwerden gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen waren.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung BGBl.  II Nr. 333/2003.

Wien, am 2. Juli 2008

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