Normen
AlVG 1977 §24 Abs2;
AlVG 1977 §25 Abs1;
AlVG 1977 §38;
AlVG 1977;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwRallg;
AlVG 1977 §24 Abs2;
AlVG 1977 §25 Abs1;
AlVG 1977 §38;
AlVG 1977;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwRallg;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund (Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit) hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 991,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde gemäß § 24 Abs. 2 Arbeitslosenversicherungsgesetz 1977 (AlVG) die Bemessung der der Beschwerdeführerin gebührenden Notstandshilfe für den Zeitraum vom 19. Jänner 2003 bis 31. Dezember 2003 rückwirkend berichtigt und die Beschwerdeführerin gemäß § 38 iVm § 25 Abs. 1 AlVG zur Rückzahlung der unberechtigt empfangenen Notstandshilfe in der Höhe von EUR 6.773,44 verpflichtet.
Die Beschwerdeführerin habe am 20. Jänner 2002 Notstandshilfe beantragt und diese in vollem Ausmaß mit einem Tagsatz von EUR 21,92 erhalten, da ihr Ehegatte beim Arbeitsmarktservice arbeitslos gemeldet gewesen sei. Da dieser mit 1. April 2002 ein Dienstverhältnis aufgenommen habe, sei sein Einkommen aus diesem Dienstverhältnis auf die Notstandshilfe der Beschwerdeführerin ab 1. Mai 2002 angerechnet worden, woraus sich ein täglicher Anspruch vom EUR 12,72 ergeben habe. Am 19. August 2002 sei der Leistungsanspruch dahingehend berichtigt worden, dass nunmehr ein Kredit berücksichtigt und eine zusätzliche Freigrenze von EUR 238,-
- gewährt worden sei. Da sich jedoch auch das Gehalt des Ehegatten (ab Juli 2002) erhöht habe, habe nun die Notstandshilfe im Ausmaß von täglich EUR 11,86 gebührt. In der Folge habe die Beschwerdeführerin einen Kurs des Arbeitsmarktservice besucht, was zur Folge gehabt habe, dass sich die Notstandshilfe ab diesem Zeitpunkt auf täglich EUR 12,88 erhöht habe. Dieser Tagsatz sei bis zum Höchstausmaß am 18. Jänner 2003 gleich geblieben.
Die Beschwerdeführerin habe am 10. Jänner 2003 einen Antrag auf Notstandshilfe ab dem 19. Jänner 2003 gestellt, in welchem sie eine Lohnbestätigung ihres Gatten erbracht habe. Sodann führt die belangte Behörde aus: "Irrtümlich wurde jedoch vom Arbeitsmarktservice bei der Anweisung dieser Notstandshilfe ab 19.1.03 darauf vergessen, das Einkommen ihres Gatten anzurechnen. Daher erhielten sie ab 19.1.03 eine Notstandshilfe von täglich EUR 22,01. Dieser Tagsatz blieb bis zum 31.12.03 gleich."
Die Beschwerdeführerin habe in weiterer Folge neuerlich Notstandshilfe und zwar im Jänner 2004 beantragt. In dieser Folge sei das Arbeitsmarktservice auf den Berechnungsfehler aufmerksam geworden, weshalb die Bemessung der Höhe der Notstandshilfe rückwirkend berichtigt worden sei und ein entsprechender Bescheid ergangen sei. Dieser Sachverhalt sei der Beschwerdeführerin im Berufungsverfahren schriftlich zur Kenntnis gebracht worden, um ihr die Möglichkeit einer Stellungnahme zu geben.
Die Beschwerdeführerin habe in ihrer Stellungnahme vom 23. März 2004 ausgeführt, dass sie viele verschiedene Mitteilungen über ihren Leistungsanspruch bekommen habe, als Leistungsbezieherin ihre Meldepflichten kennen müsse, jedoch müsse sie nicht mit dem genauen Berechnungssystem des Arbeitsmarktservice vertraut sein. Die Beschwerdeführerin habe weiters angegeben, dass sie angesichts der Tatsache, dass sie bereits einen gleich hohen Tagsatz im Jahr 2002 bezogen habe und von einer Veränderung der Verhältnisse ausgegangen sei, nicht erkennen habe müssen, dass ihr die Leistungen nicht in dieser Höhe zugestanden sei. Sie habe weiters darauf hingewiesen, dass § 24 Abs. 2 AlVG mit Wirkung vom 1. Jänner 2004 dahingehend novelliert worden sei, dass das Wort nachträglich entfallen sei; da der Berufungszeitraum zur Gänze vor dem 1. Jänner 2004 liege, sei jedoch die alte Rechtslage anzuwenden. Sie habe daher darauf vertrauen dürfen (im gesamten Jahr 2003), dass die Behörde nicht gemäß § 24 AlVG den Leistungsbezug widerrufen dürfe, wenn sich die Bemessung nachträglich als nicht korrekt herausstelle.
In rechtlicher Hinsicht vertrat die belangte Behörde die Ansicht, dass das Einkommen des Ehegatten ein anrechenbares Einkommen darstelle, das auf eine allfällige Notstandshilfe anzurechnen sei. Der Gatte der Beschwerdeführerin habe ein durchschnittliches Nettoeinkommen von EUR 1.717,27 (laut Lohnbescheinigung vom 21. Jänner 2003) bezogen. Unter Berücksichtigung des Werbekostenpauschales sowie der Freigrenzen ergebe sich ein anrechenbares Einkommen von EUR 594,27 (das sind täglich EUR 19,52). Diese EUR 19,52 täglich seien auf den Notstandshilfeanspruch der Beschwerdeführerin von EUR 22,01 täglich anzurechnen gewesen, weshalb sich ein tatsächlicher Notstandshilfeanspruch von EUR 2,49 täglich ergeben habe. Tatsächlich habe die Beschwerdeführerin ab dem 19. Jänner 2003 Notstandshilfe von täglich EUR 22,01 erhalten, obwohl ihr täglich lediglich EUR 2,49 zugestanden seien. Dies habe zur Folge, dass die Bemessung der Notstandshilfe vom 19. Jänner 2003 bis 31. Dezember 2003 von täglich EUR 22,01 auf täglich EUR 2,49 berichtigt worden sei. Nach Wiedergabe des § 25 Abs. 1 AlVG sowie der dazu ergangenen Judikatur führte die belangte Behörde aus, dass die Beschwerdeführerin ab dem 19. Jänner 2003 Notstandshilfe von täglich EUR 22,01 erhalten habe, was doppelt so hoch sei wie jener Tagsatz, den sie bis 18. Jänner 2003 erhalten habe (EUR 12,88), obwohl keine wirtschaftlichen Änderungen in ihrem Haushalt eingetreten seien. Die belangte Behörde führte weiters aus, dass der erstinstanzliche Bescheid nach dem 31. Dezember 2003 ergangen sei, weshalb § 24 Abs. 2 AlVG in der seit 1. Jänner 2004 geltenden Fassung anzuwenden gewesen sei. Die Notstandshilfe sei daher für die Zeit vom 19. Jänner 2003 bis 31. Dezember 2003 von täglich EUR 22,01 auf täglich EUR 2,49 zu berichtigen gewesen. Die in diesem Zeitraum zu Unrecht bezogene Notstandshilfe sei auch zurückzufordern, da der Rückforderungstatbestand des Erkennenmüssens erfüllt sei.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde mit dem Antrag, den angefochtenen Bescheid kostenpflichtig aufzuheben.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
1. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes sind Ansprüche auf Arbeitslosengeld bzw. auf Notstandshilfe - sofern der Gesetzgeber nichts anderes anordnet - zeitraumbezogen zu beurteilen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 22. September 2004, Zl. 2004/08/0163 mwH); dies gilt auch für die Frage der Rechtmäßigkeit der Verpflichtung zum Rückersatz des empfangenen Arbeitslosengeldes (der Notstandshilfe) gemäß § 25 Abs. 1 AlVG (vgl. das hg. Erkenntnis vom 7. Juni 2000, Zl. 99/03/0350).
2. Gemäß § 24 Abs. 2 AlVG in der bis 31. Dezember 2003 geltenden Fassung ist, wenn sich die Zuerkennung oder die Bemessung des Arbeitslosengeldes nachträglich als gesetzlich nicht begründet herausstellt, die Zuerkennung zu widerrufen oder die Bemessung rückwirkend zu berichtigen. Mit der Novelle BGBl. I Nr. 71/2003 wurde diese Bestimmung im Wortlaut dahingehend geändert, dass das Wort "nachträglich" entfallen ist. Für die hier streitgegenständliche Rechtsfrage ist dadurch jedoch keine materielle Änderung eingetreten: Ebenso wie nach der bis zum 31. Dezember 2003 geltenden Rechtslage setzt auch ein Widerruf nach § 24 Abs. 2 AlVG in der ab 1. Jänner 2004 geltenden Fassung BGBl. I Nr. 71/2003 voraus, dass die Umstände, die bewirken, dass die Leistung aus der Arbeitslosenversicherung gesetzlich nicht begründet ist, dem Arbeitsmarktservice erst nach dem Zeitpunkt der Zuerkennung dieser Leistung zur Kenntnis gelangt sind (vgl. das hg. Erkenntnis vom 28. Juni 2006, Zl. 2006/08/0004). Nach dem klaren Wortlaut der Bestimmung gilt dasselbe auch für den Fall der rückwirkenden Neubemessung der Leistung (vgl. das hg. Erkenntnis vom 31. Jänner 2007, Zl. 2004/08/0262).
3. Die Beschwerdeführerin hat - wie die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid selbst festgestellt hat -, dem Antrag auf Notstandshilfe ab dem 19. Jänner 2003 eine Lohnbestätigung ihres Ehegatten beigelegt. Die regionale Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice war daher zum Zeitpunkt der Entscheidung über den Notstandshilfeantrag in Kenntnis des anzurechnenden Einkommens des Ehegatten, hat diesen Umstand bei der Berechnung des
Leistungsanspruches jedoch "irrtümlich .... vergessen". Dem
Arbeitsmarktservice waren daher die Umstände, die zu einer niedrigeren Bemessung der Notstandshilfe hätten führen müssen, zum Zeitpunkt der Zuerkennung der Leistung bekannt. Der dritte Rückforderungstatbestand ("wenn er erkennen musste, dass ...") ist nur dann erfüllt, wenn dem Leistungsempfänger bei einer ihm nach den Umständen des Einzelfalles zumutbaren Aufmerksamkeit auffallen musste, dass die Leistung nicht oder nicht in dieser Höhe gebührte; hierbei dürfen weder der Grad der pflichtgemäßen Aufmerksamkeit überspannt noch - ganz allgemein - überdurchschnittliche geistige Fähigkeiten verlangt werden (vgl. das hg. Erkenntnis vom 3. Februar 1983, Slg. 10968/A uva). Schon im Hinblick darauf, dass die der Beschwerdeführerin zuerkannte Leistung nur unwesentlich höher war als eine von ihr ein Jahr zuvor - wenn auch während der Arbeitslosigkeit ihres Ehemannes - bereits bezogene Leistung, kann im Beschwerdefall nicht davon gesprochen werden, dass die Beschwerdeführerin, die alle für die Bezugsbemessung relevanten Unterlagen dem Arbeitsmarktservice mitgeteilt hat, hätte erkennen müssen, dass ihr die Leistung nicht in dieser Höhe gebührte, zumal die Berücksichtigung des Partnereinkommens und anderer die Freigrenzen erhöhender Umstände komplexere Berechnungsvorgänge erfordert. Die von der belangten Behörde ausgesprochene rückwirkende Neubemessung der Notstandshilfe erweist sich daher als inhaltlich rechtswidrig.
4. Vor diesem Hintergrund kann daher auch die mit dem angefochtenen Bescheid weiters ausgesprochene Rückzahlungsverpflichtung keinen Bestand haben, sodass auf das übrige Beschwerdevorbringen nicht mehr eingegangen zu werden braucht.
5. Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003. Das Mehrbegehren war abzuweisen, da im pauschalierten Schriftsatzaufwand die Umsatzsteuer bereits enthalten ist.
Wien, am 21. Februar 2007
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