VwGH 2007/21/0178

VwGH2007/21/017830.8.2007

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Novak und die Hofräte Dr. Robl, Dr. Pelant, Dr. Sulzbacher und Dr. Pfiel als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Plankensteiner, über die Beschwerde des M, vertreten durch Mag. Andreas Fehringer, Rechtsanwalt in 1040 Wien, Schikanedergasse 1/5, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion Niederösterreich vom 28. März 2007, Zl. Fr 331/05, betreffend Zurückweisung einer Berufung in einem wiederaufgenommenen Verfahren über die Erteilung einer unbefristeten Niederlassungsbewilligung, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §16;
AVG §56;
AVG §69 Abs1;
AVG §69 Abs3;
AVG §70 Abs1;
VwRallg;
AVG §16;
AVG §56;
AVG §69 Abs1;
AVG §69 Abs3;
AVG §70 Abs1;
VwRallg;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 51,50 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Dem Beschwerdeführer, einem türkischer Staatsangehörigen, wurde von (einem Bediensteten) der Bezirkshauptmannschaft St. Pölten am 26. Juli 1999 in Form einer im Reisepass ersichtlich gemachten Vignette eine unbefristete Niederlassungsbewilligung für den Aufenthaltszweck "Familiengemeinschaft mit Österreicher" erteilt, obwohl der Beschwerdeführer niemals mit einer österreichischen Staatsangehörigen verheiratet war.

Der genannte Bedienstete wurde mit Urteil des Landesgerichtes St. Pölten vom 9. Dezember 2002 schuldig erkannt, das Verbrechen des Missbrauchs der Amtsgewalt nach § 302 Abs. 1 StGB begangen zu haben, indem er gesetzwidrig Aufenthaltstitel ausgestellt habe, und zwar unter anderem am 26. Juli 1999 die erwähnte Niederlassungsbewilligung für den Beschwerdeführer.

Im Hinblick darauf verfügte die Bezirkshauptmannschaft St. Pölten (im Folgenden: BH) mit Bescheid vom 16. November 2004 von Amts wegen die Wiederaufnahme des Verfahrens zur Erteilung eines Aufenthaltstitels an den Beschwerdeführer. Zur Begründung verwies die Behörde auf § 69 Abs. 1 Z 1 AVG, wonach ein durch rechtskräftigen Bescheid abgeschlossenes Verfahren wieder aufzunehmen sei, wenn der Bescheid durch Fälschung einer Urkunde, falsches Zeugnis oder eine andere gerichtlich strafbare Handlung herbeigeführt oder sonst wie erschlichen worden sei. Aus diesem Grund sei gemäß § 69 Abs. 3 AVG die amtswegige Wiederaufnahme auch nach Ablauf von drei Jahren seit Erlassung des Bescheides zulässig.

Eine gegen diesen Bescheid erhobene Berufung wies die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich mit Bescheid vom 3. März 2005 gemäß § 70 Abs. 3 AVG als unzulässig zurück, weil nach dem letzten Satz dieser Bestimmung gegen die Bewilligung oder Verfügung der Wiederaufnahme eine abgesonderte Berufung nicht zulässig sei. Einwände gegen die Rechtmäßigkeit des die Wiederaufnahme verfügenden Bescheides könnten erst mit einem (allfälligen) Rechtsmittel gegen eine neuerliche Entscheidung in der Sache selbst, die abgewartet werden müsse, geltend gemacht werden.

Mit Schreiben vom 8. April 2005 teilte die BH unter Hinweis auf einen angeschlossenen Aktenvermerk dem Beschwerdeführer mit, dass das wiederaufgenommene Verfahren mangels Antrages eingestellt worden sei. Dieser Aktenvermerk vom 4. April 2005 wurde mit der Wiedergabe der (auf Rechtsprechungs- und Literaturnachweise gestützten) Rechtsauffassung der unterfertigenden Sachbearbeiterin eingeleitet, durch die verfügte Wiederaufnahme sei der Bescheid der BH vom 16. Juli 1999 in Form einer Vignette, mit dem dem Beschwerdeführer eine unbefristete Niederlassungsbewilligung erteilt worden sei, außer Kraft getreten. Durch die Wiederaufnahme des Verfahrens seien die durch den ursprünglichen Bescheid erworbenen Rechte weggefallen.

Danach heißt es in dem erwähnten Aktenvermerk, das wiederaufgenommene Verfahren sei nun neuerlich durchzuführen und die gleiche Verwaltungssache neu zu entscheiden. Der - nun weggefallene - Bescheid sei widerrechtlich, ohne diesbezüglichen Antrag erlassen worden. Mangels Antrages liege nun im wiederaufgenommenen Verfahren keine Verwaltungssache vor, die einer Erledigung bedürfe. Das Verfahren werde daher eingestellt.

Gegen diese Erledigung erhob der Beschwerdeführer eine Berufung, die von der Sicherheitsdirektion Niederösterreich (der belangten Behörde) mit dem angefochtenen Bescheid vom 28. März 2007 als unzulässig zurückgewiesen wurde, weil dem Schreiben der BH vom 8. April 2004 kein Bescheidcharakter zukomme und es daher "keinen tauglichen Gegenstand einer Berufung" bilden könne.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Verwaltungsakten erwogen hat:

Die Beschwerde hält der Auffassung der belangten Behörde entgegen, die Verständigung vom 8. April 2007 in Verbindung mit dem Aktenvermerk vom 4. April 2007 lasse den Behördenwillen erkennen, dass ein ursprünglich rechtskräftiger Bescheid "durch die übermittelte Verständigung" dem Adressaten gegenüber außer Kraft gesetzt worden sei und dass die damit erworbenen Rechte "durch die Wiederaufnahme des Verfahrens" weggefallen seien. Diesbezüglich werde gegenüber dem Beschwerdeführer "normativ eine behördliche Rechtsgestaltung" vorgenommen.

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes tritt bereits mit der Bewilligung oder der (amtswegigen) Verfügung der Wiederaufnahme - ohne Rücksicht auf deren Rechtskraft - der im wiederaufgenommenen Verfahren in der Sache erlassene Bescheid (im Umfang der Wiederaufnahme) außer Kraft (vgl. dazu etwa Walter/Mayer, Verwaltungsverfahrensrecht8, Rz 607). Im vorliegenden Fall bewirkte somit bereits die mit Bescheid vom 16. November 2004 von der BH verfügte Wiederaufnahme das Erlöschen der dem Beschwerdeführer erteilten Niederlassungsbewilligung vom 26. Juli 1999, ohne dass es - mangels Sonderregelung im Fremdengesetz 1997 (vgl. § 16) - eines diesbezüglichen feststellenden Ausspruches bedurft hätte. Den dieser Auffassung entsprechenden (zutreffenden) rechtlichen Ausführungen der Sachbearbeiterin der BH im Aktenvermerk vom 4. April 2007 kommt daher als bloße Belehrung über die Rechtswirkungen eines schon früher erlassenen Bescheides kein normativer, das nunmehrige Vorliegen eines neuen Bescheides indizierender Charakter zu.

Dass es sich bei der im Amtsvermerk auch beurkundeten Verfahrenseinstellung um eine Erledigung in Form eines Bescheides handelt, wird in der Beschwerde aber gar nicht behauptet. Das ist auch nicht anzunehmen, wenn die BH diese formlose Beendigung des Verfahrens durch Einstellung ausdrücklich nur in einem Aktenvermerk festhält und dort auch begründet, weshalb sie - nämlich mangels Antrages - eine (bescheidmäßige) Erledigung nicht für erforderlich hält (vgl. allgemein zu den Merkmalen für die Annahme des Bescheidcharakters einer Erledigung die Rechtsprechungsnachweise in dem Erkenntnis vom 26. November 2003, Zl. 2003/20/0485; zur fehlenden Bescheidqualität eines Aktenvermerkes vgl. etwa die hg. Erkenntnisse vom 23. Oktober 2001, Zl. 2000/11/0120, und vom 23. Juli 1999, Zl. 99/20/0046).

Davon ausgehend erweist sich die Zurückweisung der Berufung als berechtigt und die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Abschließend ist zu den unter dem Gesichtspunkt einer Säumnis erstatteten Beschwerdeausführungen noch anzumerken, dass die BH - in der vorliegenden Konstellation - das wiederaufgenommene Verfahren durch Bescheid zu beenden haben wird, wenn der Beschwerdeführer einen diesbezüglichen Antrag stellen sollte, weil er mit seiner Berufung gegen die Wiederaufnahme ausdrücklich auf die abzuwartende Sachentscheidung im wiederaufgenommenen Verfahren verwiesen worden war; andernfalls würde ihm die Möglichkeit einer wirksamen Bekämpfung der Wiederaufnahmeverfügung genommen.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003.

Wien, am 30. August 2007

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