VwGH 2005/03/0011

VwGH2005/03/001126.4.2005

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Sauberer und die Hofräte Dr. Handstanger, Dr. Berger, Dr. Lehofer und Dr. Kleiser als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Zeleny, über die Beschwerde des H K in W, vertreten durch Dipl. Ing. Mag. Andreas O. Rippel, Rechtsanwalt in 1130 Wien, Maxingstraße 34, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für Bundesland Wien vom 3. Dezember 2001, Zl. SD 558/01, betreffend ein Waffenverbot, zu Recht erkannt:

Normen

WaffG 1996 §12 Abs1;
WaffG 1996 §12 Abs1;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde dem Beschwerdeführer im Instanzenzug gemäß § 12 Abs 1 Waffengesetz 1996, BGBl I Nr 12/1997 (WaffG), der Besitz von Waffen und Munition verboten (Waffenverbot).

Begründend führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, der Beschwerdeführer sei am 23. April 2000 wegen des Verdachtes der Körperverletzung und der schweren Nötigung angezeigt worden, da er eine Nachbarin terrorisiere, indem er stark riechende Stoffe wie "Salmiak" vor deren Wohnungstüre leere bzw auch in das Innere der Wohnung sprühe. Weiters sei durch Nachbarn des Beschwerdeführers übereinstimmend angegeben worden, dass ihnen dieser mehrmals ins Gesicht gespuckt habe; eine weitere Nachbarin habe zu Protokoll gegeben, dass ihr der Beschwerdeführer vor Jahren das Schloss ihrer Wohnungstüre verklebt habe. Allgemein sei der Beschwerdeführer von seinen Mitbewohnern als bösartig und hinterlistig beschrieben worden. Die Staatsanwaltschaft Wien habe diese Anzeige gemäß § 90 StPO zurückgelegt.

Ein von der Erstbehörde anschließend an diesen Vorfall eingeholtes polizeiamtsärztliches Gutachten habe ergeben, dass beim Beschwerdeführer die Voraussetzungen für die Erlassung eines Waffenverbotes gegeben seien. Über Antrag des Beschwerdeführers sei von der Universitätsklinik für Psychiatrie ein Gutachten eingeholt worden, in welchem die Diagnose eines Verdachtes auf eine schizoide Persönlichkeitsstörung gestellt worden sei. Die Einschränkung auf eine Verdachtsdiagnose habe sich daraus ergeben, dass es aus fachlicher Sicht im Rahmen einer Querschnittsuntersuchung nicht möglich gewesen sei, eine spezifische Persönlichkeitsstörungsdiagnose valide zu stellen. Das Vorliegen einer Persönlichkeitsstörung sei jedoch als sicher angenommen worden. Abschließend sei seitens der Gutachter festgestellt worden, dass eine missbräuchliche Verwendung von Waffen durch den Beschwerdeführer mit einer Gefährdung von Leben, Gesundheit oder Freiheit von Menschen oder fremden Eigentums nicht sicher auszuschließen sei. In seinem Endgutachten habe der Chefarzt der Bundespolizeidirektion Wien festgestellt, beim Beschwerdeführer bestehe aus medizinischer Sicht die Gefahr, dass dieser durch missbräuchliche Verwendung von Waffen Leben, Gesundheit oder Freiheit von Menschen oder fremdes Eigentum gefährden könnte.

Das beschriebene Verhalten des Beschwerdeführers lasse die in § 12 Abs 1 WaffG normierte Annahme als gerechtfertigt erscheinen, auch wenn der Beschwerdeführer dabei keine Waffen verwendet und die Staatsanwaltschaft die dem Sachverhalt zugrundeliegende Anzeige zurückgelegt habe. Dem zitierten Gutachten sei zu entnehmen, dass beim Beschwerdeführer Einbußen der motorischen Reaktionssicherheit auf komplexe Reizfolgen sowie eine erhöhte Fehlerneigung auf Grund von Verlangsamung und mangelnder Umstellbarkeit festzustellen seien, weiters seien bei ihm eine Impulsivität, Depression sowie eine deutlich ausgeprägte soziale Introversion diagnostiziert worden. Eine im Gespräch zu Tage getretene Unbekümmertheit des Beschwerdeführers im Hinblick auf seine kriminelle Vorgeschichte könne ebenfalls nicht zu seinen Gunsten ausschlagen. Die Persönlichkeitstestung habe ergeben, dass der Beschwerdeführer deutlich depressiv sei, eine leicht erhöhte Zustands- sowie deutlich erhöhte Grundängstlichkeit aufweise sowie über eine reduzierte Aggressionshemmung verfüge.

Auf Grund des festgestellten Sachverhaltes sowie der "Persönlichkeitswerte" des Beschwerdeführers bestehe für die belangte Behörde die Besorgnis, dieser könnte in Zukunft Leben, Gesundheit oder Freiheit von Menschen oder fremdes Eigentum gefährden, wonach nach menschlichem Ermessen nicht ausgeschlossen werden könne, dass er sich dabei einer Waffe bedienen werde.

Hinsichtlich des vom Beschwerdeführer im Verfahren vorgelegten "psychologischen Gutachtens" vom 16. März 2001 sei festzustellen, dass dieses weder einen Befund noch ein Gutachten aufweise und daher der Entscheidung nicht zugrundegelegt werden könne.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift mit dem Antrag auf kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde erstattet.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

§ 12 Abs 1 WaffG lautet:

"Die Behörde hat einem Menschen den Besitz von Waffen und Munition zu verbieten (Waffenverbot), wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass dieser Mensch durch missbräuchliches Verwenden von Waffen Leben, Gesundheit oder Freiheit von Menschen oder fremdes Eigentum gefährden könnte."

Die Verhängung eines Waffenverbotes dient der Verhütung von Gefährdungen der im § 12 Abs 1 WaffG bezeichneten Art und setzt nicht voraus, dass es schon zu einem missbräuchlichen Verwenden von Waffen durch den Betroffenen gekommen ist. Dabei genügt es, wenn konkrete Umstände vorliegen, die die Besorgnis erwecken, dass von der Waffe ein gesetz- oder zweckwidriger Gebrauch gemacht werden könnte. Hierbei ist nach dem dem Waffengesetz allgemein innewohnenden Schutzzweck ein strenger Maßstab anzulegen. Der Verbotstatbestand des § 12 Abs 1 WaffG setzt lediglich voraus, dass auf Grund objektiver Sachverhaltsmerkmale eine qualifiziert rechtswidrige Verwendung von Waffen zu befürchten ist. Liegt diese Voraussetzung vor, so hat die Behörde nach § 12 Abs 1 WaffG vorzugehen und ein Waffenverbot auszusprechen, ohne dass ein bisher untadeliges Vorleben dem entgegenstünde. Wesentlich ist, dass dem Betroffenen die missbräuchliche Verwendung von Waffen zuzutrauen ist (vgl das hg Erkenntnis vom 31. März 2005, Zl 2005/03/0032, mwN).

Ohne einen "waffenrechtlichen Bezug" des bisherigen Verhaltens des Beschwerdeführers kommt eine Gefährdungsprognose im Sinn des § 12 Abs 1 WaffG bei psychischen Beeinträchtigungen dann in Betracht, wenn deren konkrete Auswirkungen und Symptome in der im jeweiligen Einzelfall vorliegenden Ausprägung für sich genommen eine Gefährdung im erwähnten Sinn befürchten lassen (vgl. das hg Erkenntnis vom 17. September 2003, Zl 2001/20/0004, und das Erkenntnis vom selben Tag, Zl 2001/20/0019, jeweils mwN).

Im vorliegenden Fall hat die belangte Behörde ihre Prognose auf das der Anzeige an die Staatsanwaltschaft vom 3. März 2000 "zugrunde liegende" Verhalten des Beschwerdeführers sowie auf die durch drei medizinische Gutachten ermittelten "Persönlichkeitswerte" des Beschwerdeführers gestützt.

Die Beschwerde rügt zunächst, diese Anzeige sei deshalb keine ausreichende Grundlage für eine Prognose nach § 12 Abs 1 WaffG, da das Strafverfahren gemäß § 90 StPO eingestellt worden sei. Sie zeigt damit zutreffend auf, dass die Behörde das im angefochtenen Bescheid dargestellte, der Anzeige vom 3. März 2000 "zugrunde liegende" Verhalten des Beschwerdeführers nicht nach entsprechender Beweiswürdigung festgestellt hat. Jedoch hat sich die belangte Behörde auf die durch drei medizinische Gutachten (Gutachten des Polizeiamtsarztes der Bundespolizeidirektion Wien vom 19. Juli 2000, Gutachten der Klinischen Abteilung für Psychiatrie der Universitätsklinik für Psychiatrie - AKH vom 31. Jänner 2001 und - auf letzteres aufbauend - das Gutachten des Chefarztes der Bundespolizeidirektion Wien vom 19. März 2001) festgestellten "Persönlichkeitswerte" des Beschwerdeführers gestützt.

Der Beschwerdeführer tritt diesen Gutachten in der Beschwerde mehrfach entgegen:

So behauptet der Beschwerdeführer die Unrichtigkeit des polizeiamtlichen Gutachtens vom 19. Juli 2000, da die begutachtende Polizeiärztin subjektiv und voreingenommen gewesen sei, insbesondere weil sie die Angabe des Beschwerdeführers nach seinem Alkoholkonsum in Frage gestellt habe, was der Beschwerdeführer "als Affront und als unangemessene Behauptung" erachtet. Mit diesem Vorbringen gelingt es dem Beschwerdeführer nicht, eine Unschlüssigkeit des Gutachtens nachzuweisen, zumal eine Entgegnung auf gleicher fachlicher Ebene fehlt.

Dem (vom Beschwerdeführer im Verfahren selbst beantragten) Gutachten der Klinischen Abteilung für allgemeine Psychiatrie der Universitätsklinik für Psychiatrie - AKH vom 31. Jänner 2001 hält der Beschwerdeführer entgegen, dieses äußere nur den "Verdacht" einer Schizophrenie, was nicht als Tatsache im Sinn des § 12 Abs 1 WaffG angesehen werden könne. Im Hinblick auf den in diesem Gutachten ausgesprochenen Verdacht auf eine schizoide Persönlichkeitsstörung läge eine Ergänzungsbedürftigkeit des Sachverhaltes vor, da ein solcher Verdacht nicht ausreiche, um eine Prognose gemäß § 12 Abs 1 WaffG vorzunehmen. Dieses Vorbringen lässt unerwähnt, dass dieses forensisch-psychiatrische Gutachten vom 31. Jänner 2001 zusätzlich zum Verdacht einer schizoiden Persönlichkeitsstörung darüber hinaus festhält, dass das Vorliegen einer solchen Persönlichkeitsstörung als sicher anzunehmen sei und beim Beschwerdeführer eine "reduzierte" bzw "gering ausgeprägte Aggressionshemmung" bestehe. Die belangte Behörde hatte daher keine Veranlassung zu der vom Beschwerdeführer beantragten Einholung eines weiteren Gutachtens über das Vorliegen einer Persönlichkeitsstörung.

Wenn der Beschwerdeführer zuletzt das Gutachten des Chefarztes der Bundespolizeidirektion Wien vom 19. März 2001 kritisiert, weil sich dieses in den verba legalia erschöpfe und keine weitere Begründung enthalte, ist er zunächst darauf hinzuweisen, dass dieses auf das forensisch-psychiatrische Gutachten vom 31. Jänner 2001 aufbaut und auf Grundlage dessen aus medizinischer Sicht die Gefahr feststellt, dass der Beschwerdeführer durch missbräuchliche Verwendung von Waffen Leben, Gesundheit oder Freiheit von Menschen oder fremdes Eigentum gefährden könnte. Insoweit dieses Gutachten damit Kriterien des WaffG anspricht, ist festzuhalten, dass die Frage des "missbräuchlichen Gebrauchs von Waffen" im Sinne des § 12 Abs 1 WaffG eine allein von der Behörde zu beurteilende Rechtsfrage ist, die nicht Gegenstand eines medizinischen Gutachtens sein kann, sodass die vom Gutachter auf Grund der medizinischen Wissenschaft gezogenen gutächtlichen Schlüsse dadurch nicht in Zweifel gezogen werden (vgl hiezu das zitierte hg Erkenntnis vom 17. September 2003, Zl 2001/20/0004, mwN).

Insgesamt konnte die belangte Behörde daher auf Grund der in den genannten Gutachten enthaltenen unbedenklichen Befundaufnahmen und den daraus nachvollziehbar gezogenen gutächtlichen Schlüssen auf Grundlage der medizinischen Wissenschaften zutreffend zu der im angefochtenen Bescheid getroffenen Prognoseentscheidung im Sinne des § 12 Abs 1 WaffG gelangen.

Insoweit der Beschwerdeführer auf das von ihm im Verfahren vorgelegte psychologische Gutachten vom 16. März 2001 verweist, ist festzuhalten, dass dieses nicht auf die von der belangten Behörde eingeholten medizinischen Gutachten eingeht und insbesondere die in diesen Gutachten enthaltene und für die Prognoseentscheidung gemäß § 12 Abs 1 WaffG wesentliche Persönlichkeitswertung des Beschwerdeführers mit keinem Wort anspricht, sodass dieses Gutachten die von der belangten Behörde eingeholten Gutachten nicht zu entkräften geeignet ist (vgl hiezu auch das hg Erkenntnis vom 17. September 2003, Zl 2001/20/0019).

Die Beschwerde war somit gemäß § 42 Abs 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl II Nr 333.

Wien, am 26. April 2005

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte